Index
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §280;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fössl, über die Beschwerde des Ing. Mag. K in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 30. Juni 1997, GZ GA 15-89/1016/14, betreffend Umsatzsteuer 1980 bis 1982, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betrieb in den Streitjahren einen Textilbetrieb und eine Werbeagentur. Außerdem war er als Universitätslektor und Publizist tätig.
Zum Sachverhalt wird dabei auch auf das hg zur Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1980 bis 1982 ergangene Erkenntnis vom 20. November 1996, Zl 89/13/0259, verwiesen. Wie der auf das Ergebnis mehrerer Betriebsprüfungen Bezug nehmenden Begründung dieses Erkenntnisses entnommen werden kann, wurden die Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben aus der gewerblichen Tätigkeit als Werbemittler und aus der freiberuflichen Tätigkeit als Schriftsteller und Universitätslektor im Rahmen des Rechenwerks des Textilbetriebs erfasst und auf so genannten Verrechnungskonten verbucht. Aus diesen Verrechnungskonten seien dann jeweils zum Jahresende für die Tätigkeiten Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen erstellt worden. Die Aufteilung der einzelnen Posten sei nach Ansicht der Betriebsprüferin "willkürlich" erfolgt.
Mit Vorhalten vom 12. Juli 1988 und vom 11. Oktober 1988 sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, eine entsprechende Aufteilung und Zuordnung der Einnahmen und Ausgaben vorzunehmen. Der Beschwerdeführer habe diese Vorhalte damit beantwortet, dass er allgemein auf seine Aufzeichnungen verwies, mit denen sich die Abgabenbehörde nicht hinreichend auseinandergesetzt habe. Mit einem Schreiben der Abgabenbehörde vom 27. Juli 1989 wurde dem Beschwerdeführer die Schätzung der Einkünfte angekündigt. In seiner Stellungnahme dazu beschränkte sich der Beschwerdeführer darauf, allgemeine Erwägungen zur Schätzungsberechtigung anzustellen. Da der Beschwerdeführer trotz wiederholter diesbezüglicher Aufforderungen die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aus seiner Tätigkeit als Werbemittler einerseits und als Schriftsteller, Journalist und Lehrbeauftragter andererseits nicht aufgegliedert und den einzelnen Tätigkeiten zu geordnet hatte, war die belangte Behörde nach dem Erkenntnis vom 20. November 1996, Zl 89/13/0259, berechtigt und verpflichtet, die betreffenden Einkünfte im Schätzungsweg zu trennen.
Nach Ergehen des letztgenannten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen, Umsatzsteuer für die Jahre 1980 bis 1982 betreffenden Bescheid, wobei sie der Berufung teilweise stattgab und die angefochtenen vorläufigen Umsatzsteuerbescheide abänderte. Die belangte Behörde folgte dabei im Wesentlichen der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, soweit diese für die Ermittlung der Umsatzsteuer Bedeutung hatte. Insbesondere schätzte sie die Umsätze aus schriftstellerischer und journalistischer Tätigkeit mit 30 % und die Umsätze betreffend die Werbemittlung mit 70 %.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften insbesondere vor, er habe am 8. August 1997, also vor der am 20. August 1997 erfolgten Zustellung des mit 30. Juni 1997 datierten angefochtenen Bescheides eine "Auflistung" der Entgelte und Vorsteuern für die Jahre 1980 bis 1982, und zwar aufgegliedert nach Entgelten, steuerfreien Umsätzen, nach § 10 Abs 1 UStG steuerpflichtigen Umsätzen, nach § 10 Abs 2 UStG steuerpflichtigen Umsätzen, Vorsteuerbeträgen und Einfuhrumsatzsteuer, eingebracht. Dieses Vorbringen sei im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigt worden. Die Aufstellung sei am 8. August 1997 auch der Abgabenbehörde erster Instanz mit dem Hinweis übermittelt worden, dass damit die Vorläufigkeitsgründe weggefallen seien. Weiters verweist der Beschwerdeführer auf einen an das Finanzamt für den ersten Bezirk in Wien gerichteten Schriftsatz vom 11. März 1994, mit dem ein vorbereitender Schriftsatz im Artbeitsgerichtsprozess gegen die R GmbH übermittelt worden sei, woraus die monatlich fix entlohnte Tätigkeit für den Konzern der R GmbH hervorgehe. In einer Sachverhaltsdarstellung vom 14. April 1994 sei dem zuständigen Finanzamt Salzburg-Stadt hinsichtlich der Jahre 1973 bis 1993 mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer am 30. November 1993 beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eine Feststellungsklage hinsichtlich des Bestehens eines Dienstverhältnisses eingebracht habe. Am 28. April 1994 sei das Finanzamt für den ersten Bezirk in Wien über den Fortgang des Arbeitsgerichtsverfahrens informiert worden.
Auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde zweiter Instanz im Laufe des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gelangen, ist gemäß § 280 BAO Bedacht zu nehmen, auch wenn dadurch das Berufungsbegehren geändert oder ergänzt wird. "Im Laufe" im Sinne dieser Bestimmung ist dabei das Berufungsverfahren so lange, als es nicht abgeschlossen ist. Abgeschlossen ist das Berufungsverfahren erst dann, wenn eine wirksame Berufungsentscheidung erging. Eine solche liegt aber bei einer schriftlichen Erledigung zufolge § 97 Abs 1 lit a BAO - eine mündliche Verhandlung nach § 284 BAO mit einer Verkündung der Berufungsentscheidung hat im Beschwerdefall nach der Aktenlage nicht stattgefunden - erst mit ihrer Zustellung vor, und zwar auch dann, wenn es sich um den Bescheid eines Berufungssenates handelt (vgl insbesondere die hg Erkenntnisse vom 21. Mai 1992, Zl 88/17/0216, und vom 21. Mai 1990, Zl 89/15/0115).
Weiters ist davon auszugehen, dass die Abgabenbehörde erster Instanz, deren Bescheid Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist, zur Rechtssphäre der Rechtsmittelbehörde gehört. Langen daher "neue Tatsachen, Beweise und Anträge" im Laufe des Rechtsmittelverfahrens bei der Abgabenbehörde erster Instanz ein, so befindet sich das entsprechende Anbringen in der der Berufungsbehörde zuzurechnenden Sphäre und ist im Sinne des § 280 BAO von der Rechtsmittelbehörde zu berücksichtigen (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 2745, mwH).
Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid mit der am 8. August 1997, also vor dessen Zustellung, eingelangten Eingabe betreffend die Ermittlung der steuerpflichtigen Umsätze, die auf die diese Umsätze entfallenden Steuersätze und die Vorsteuerbeträge für die Streitjahre nicht auseinandergesetzt. Ebensowenig hat sie sich mit den bei der zuständigen Abgabenbehörde erster Instanz (während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu hg Zl 89/16/0259) eingelangten Anbringen auseinandergesetzt, mit denen vom Beschwerdeführer offenkundig hinsichtlich eines Teiles seiner Tätigkeit die Selbständigkeit und damit die Unternehmereigenschaft im Sinne des § 2 Abs 1 UStG bestritten worden ist. Überdies hat es die belangte Behörde, die in ihrer Gegenschrift der Sachverhaltsdarstellung des Beschwerdeführers nicht entgegengetreten ist, unterlassen, die diesbezüglichen Aktenteile der Abgabenbehörde erster Instanz dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen.
Da sich die belangte Behörde somit mit den bezeichneten, die Höhe des Umsatzes bestreitenden Anbringen des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid nicht auseinandergesetzt hat, hat sie Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben.
Als Aufwandersatz war der Ersatz des Aufwandes an Stempelgebühren im beantragten Ausmaß zuzuerkennen. Für die Zuerkennung des Schriftsatzaufwandes ist nach § 49 Abs 1 letzter Satz VwGG idFd BGBl. I Nr 88/1997 Voraussetzung, dass der Beschwerdeführer tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Da der Beschwerdeführer wohl im Sinne des § 24 Abs 2 VwGG die Unterschrift eines Rechtsanwaltes beibrachte, von diesem aber nicht vertreten war, war das Begehren um Zuerkennung eines Schriftsatzaufwandes nicht begründet.
Wien, am 2. Februar 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997130187.X00Im RIS seit
20.11.2000