TE OGH 2018/5/29 4Ob93/18g

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Veröffentlicht am 29.05.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin R***** eGen, *****, vertreten durch MMag. Dr. Georg Janovsky und Mag. Dr. Paula Stecher, Rechtsanwälte in Schwaz, gegen die Antragsgegner 1) Mag. M***** S*****, und 2) B***** S*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Christian J. Winder und Dr. Clemens Stefan Zelger, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert 33.075 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 16. März 2018, GZ 52 R 44/17b-13, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

1. Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Grundstücke 95/2, 96/1 und 96/10 in der Katastralgemeinde S*****; die Antragsgegner sind Hälfteeigentümer des Grundstücks 96/3 samt darauf errichtetem Wohnhaus. Darüber hinaus sind die Streitteile gemeinsam Miteigentümer (die Antragstellerin zu 1/2, die Antragsgegner je zu einem 1/4) der Wegparzelle 96/7, die entlang des Grundstücks 96/3 der Antragsgegner bis zum Grundstück 96/1 verläuft. Das Zu- und Abfahren auf dieser Wegparzelle erfolgte in der Vergangenheit im Wesentlichen zu landwirtschaftlichen Zwecken. Die Antragsgegner äußerten mehrfach ihren Standpunkt, dass sie gegen die bisher tatsächlich geübte Nutzung der Wegparzelle nichts einzuwenden hätten, jede Ausweitung dieser Nutzung – im Zusammenhang mit einer im Raum stehenden Erschließung der Grundstücke der Antragstellerin – aber ablehnten.

Im Jahr 1970 trafen die Rechtsvorgänger der Streitteile eine – auch die Streitteile bindende – Benützungsvereinbarung, nach der beiden Vertragsteilen auf dem Grundstück 96/7 im vollen Umfang das unbeschränkte Begehen und Befahren mit Fahrzeugen welcher Art immer gestattet ist und jede bauliche oder sonstige Maßnahme eines Miteigentümers, die geeignet ist, dieses unbeschränkte Begehen und Befahren des Grundstücks 96/7 zu hindern oder einzuschränken, den Vertragsteilen und ihren jeweiligen Rechtsnachfolgern im Eigentum des Grundstücks 96/7 untersagt ist.

Die Antragstellerin begehrte – auf Basis der Benützungsvereinbarung aus dem Jahr 1970 – gegenüber den Antragsgegnern als Hälfteeigentümer des Grundstücks 96/7 die Feststellung, dass ihr als weiterer Hälfteeigentümerin auf diesem Grundstück das unbeschränkte Gehen und Fahren mit Fahrzeugen welcher Art immer zu den in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken 95/2, 96/1 und 96/10 gestattet ist.

Die Vorinstanzen gaben dem Begehren statt. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Benützungsvereinbarung regle diese das wechselseitige unbeschränkte Begehen und Befahren der Wegparzelle durch die Hälfteeigentümer mit Fahrzeugen welcher Art immer. Das rechtliche Interesse der Antragstellerin an der begehrten Feststellung sei aufgrund der mehrfach ablehnenden Äußerungen der Antragsgegner zu bejahen.

Rechtliche Beurteilung

2.1 Mit ihren Ausführungen im außerordentlichen Revisionsrekurs zeigen die Antragsgegner keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Im Anlassfall ist zu klären, ob die von den Vorinstanzen festgestellte Benützungsvereinbarung aus dem Jahr 1970 das von der Klägerin in Anspruch genommene unbeschränkte Geh- und Fahrrecht auf der Wegparzelle 96/7 rechtfertigt. Der Ausgang des Verfahrens hängt damit von der Auslegung der Benützungsvereinbarung ab.

2.2 Die Auslegung einer vertraglichen Vereinbarung hat stets unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu erfolgen und könnte nur dann eine erhebliche Rechtsfrage begründen, wenn der zweiten Instanz eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RIS-Justiz RS0042555; RS0042936; RS0042776). Dies gilt auch für eine Benützungsvereinbarung (vgl 5 Ob 255/09z).

Die Beurteilung des Rekursgerichts, die zugrunde liegende Benützungsvereinbarung regele nach dem eindeutigen Wortlaut das wechselseitige unbeschränkte Begehen und Befahren der fraglichen Wegparzelle durch die Hälfteeigentümer mit Fahrzeugen welcher Art immer und der Zusatz, wonach bauliche oder sonstige Maßnahmen, die geeignet seien, das unbeschränkte Begehen und Befahren zu hindern oder einzuschränken, untersagt seien, die Unbeschränktheit des wechselseitigen Geh- und Fahrrechts bekräftige, ist in jedem Fall vertretbar. Das Erstgericht hat dazu festgehalten, dass ein vom Wortlaut der Vereinbarung abweichender (übereinstimmender) Parteiwille nicht vorliege.

2.3 Die weitere Schlussfolgerung des Rekursgerichts, dass eine von den Antragsgegnern ins Treffen geführte erhöhte Verkehrsfrequenz auf der Wegparzelle nicht mit den (vereinbarungsgemäß verbotenen) benützungsbeschränkenden baulichen oder sonstigen Maßnahmen gleichgesetzt werden könne, ist ebenfalls nicht korrekturbedürftig. Dies wird dadurch bestätigt, dass die Vertragsteile eine Kostenteilung für die Erhaltung der Wegparzelle anteilsmäßig nach dem Umfang der Wegbenützung vereinbart haben, woraus zu schließen ist, dass sie auch schon an mögliche künftige Änderungen der Verkehrsfrequenz gedacht haben. Das Verbot vor allem baulicher Maßnahmen ist kein „Korrektiv“ (im Sinn einer Beschränkung) des Gebrauchsrechts („unbeschränktes Begehen und Befahren“), sondern ein Eingriffsverbot.

3.1 Auch die übrigen Argumente im außerordentlichen Revisionsrekurs, mit denen sich zum überwiegenden Teil das Rekursgericht bereits umfassend auseinandergesetzt hat, sind nicht stichhaltig.

3.2 Die Frage nach der Gültigkeit „einer“ Benützungsvereinbarung für Einzelrechtsnachfolger haben die Antragsgegner lediglich aufgrund des (unnötigerweise ergänzenden) Hinweises des Rekursgerichts in Pkt 3 seiner Entscheidung aufgegriffen. Demgegenüber haben sie im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich von einer gültigen Benützungsvereinbarung zwischen den Streitteilen gesprochen. Das Rekursgericht hat auch – unbeanstandet – festgehalten, dass sich die Streitteile als derzeitige Miteigentümer der Wegparzelle 96/7 als Rechtsnachfolger der ursprünglichen Vertragsparteien an die Benützungsvereinbarung des Jahres 1970 gebunden erachten.

Hinzu kommt, dass die mangelnde Bindung eines Einzelrechtsnachfolgers an eine Benützungsvereinbarung nicht bedeutet, dass der Titel für die Beibehaltung der bisherigen Benützungsverhältnisse verloren geht. Diese Dauerrechtsbeziehung endet vielmehr erst mit einer gemeinschaftlichen Auflösungserklärung, einer neuen Benützungsvereinbarung oder einer gerichtlichen Benützungsregelung (RIS-Justiz RS0013630).

3.3 Im vorliegenden Fall liegt keine Servitut vor, weshalb die Grundsätze nach § 484 ABGB und § 1488 ABGB nicht, auch nicht analog, zur Anwendung gelangen.

Außerdem kommen die Prinzipien des § 484 ABGB nicht einmal auf eine Dienstbarkeit zur Anwendung, wenn diese durch die zugrunde liegende Vereinbarung gedeckt ist (RIS-Justiz RS0107851; 1 Ob 112/11v).

3.4 Entgegen den Überlegungen der Antragsgegner haben die Vorinstanzen keine gerichtliche Benützungsregelung getroffen, sondern die Benützungsvereinbarung aus dem Jahr 1970 ausgelegt und aus dieser Anspruchsgrundlage die Rechtsposition der Antragstellerin für das geltend gemachte Geh- und Fahrrecht abgeleitet.

3.5 Die Vorinstanzen sind auch nicht von der Rechtsprechung zu § 828 ABGB abgewichen. Wird den Miteigentümern eine Sondernutzung eingeräumt, die über den anteilsmäßigen Gebrauch hinausgeht und die Rechte der übrigen Miteigentümer beeinträchtigt, so handelt es sich nicht um eine Maßnahme der Verwaltung (§§ 833 ff ABGB), sondern um eine tatsächliche (Sach-)Verfügung iSd § 828 ABGB. Für Verfügungen gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Anders als im Rahmen der außerordentlichen Verwaltung kann die Zustimmung zu einer Verfügung nicht durch Beschluss des Außerstreitrichters substituiert werden. Aus diesem Grund ist nach § 828 ABGB bei einer Verfügung, die eine Sondernutzung begründet, eine Benützungsregelung iSd § 828 Abs 2 ABGB erforderlich, die entweder in der Form einer (einstimmigen) Benützungsvereinbarung oder einer gerichtlichen (außerstreitigen) Benützungsregelung bestehen kann (siehe dazu 4 Ob 73/18s).

Im Anlassfall liegt eine – auch die Streitteile bindende – Benützungsvereinbarung vor. Die Ausübung der Nutzungsrechte im Rahmen der (hier auszulegenden) Benützungsvereinbarung begründet weder einen Eingriff in die Anteilsrechte der übrigen Miteigentümer noch eine eigenmächtige Veränderung der Benützungsverhältnisse.

Aus den im außerordentlichen Revisionsrekurs zitierten Entscheidungen (vor allem 1 Ob 128/06i und 1 Ob 47/04z) lässt sich für den Standpunkt der Antragsgegner nichts gewinnen. Die Entscheidung 1 Ob 128/06i betrifft das anteilsmäßige Gebrauchsrecht (Gebrauchshandlung) eines Teilhabers; zum Befahren des gemeinsamen Hofraums bestand keine Benützungsvereinbarung. Anders als in der Entscheidung 1 Ob 47/04z liegt im Anlassfall keine Substanzveränderung im Sinn wichtiger baulicher Veränderungen an der Wegparzelle vor. Entgegen der Ansicht der Antragsgegner kommt es nicht darauf an, wie die Nutzungsrechte an der Wegparzelle bisher tatsächlich ausgeübt wurden, sondern darauf, welche Rechte den Miteigentümern nach dem Inhalt der Benützungsvereinbarung zustehen.

4. Insgesamt gelingt es den Antragsgegnern mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

Textnummer

E121979

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00093.18G.0529.000

Im RIS seit

11.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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