TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/26 W203 2167490-1

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Veröffentlicht am 26.06.2018
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Entscheidungsdatum

26.06.2018

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §75 Abs24
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W203 2167490-1/6E

W203 2167494-1/4E

W203 2167492-1/4E

W203 2167488-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde von 1.) XXXX , geboren am

XXXX .1978, StA. Syrien, vertreten durch Diakonie-Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen Spruchteil I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.06.2017, Zl. 1094349605/151737632 zu Recht:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, i. d.g.F., stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, i.d.g.F., der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerden von 2.) XXXX , geboren am XXXX .2006, 3.) XXXX , geboren am XXXX .2008, 4.) XXXX , geboren am XXXX .2009, alle: StA. Syrien, vertreten durch Diakonie-Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen Spruchteil I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.06.2017, Zlen. 2.) 1094350105/151737683, 3.) 1094350203/151737705, 4.) 1094350301/151737713 zu Recht:

A) Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 2

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, i. d.g.F., stattgegeben und 2.) XXXX 3.) XXXX und 4.) XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, i.d.g.F., i. V.m. § 34 Abs. 2 AsylG 2005, der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass 2.) XXXX , 3.) XXXX und 4.) XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer XXXX (im Folgenden: BF1) ist der Vater der minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer (im Folgenden: BF2 bis BF4). Sämtliche Beschwerdeführer sind syrische Staatsbürger und gehören der arabischen Volksgruppe an. Der BF1 stellte am 15.10.2015 für sich und seine minderjährigen Söhne den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 11.11.2015 wurde der BF1 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Erstbefragung unterzogen. Dabei gab er an, dass er syrischer Staatsbürger und in Aleppo geboren sei. Er gehöre der arabischen Volksgruppe und der sunnitischen Religionsgemeinschaft an. Zuletzt habe er den Beruf eines Schneiders sowie eines Taxifahrers ausgeübt. Er habe fünf Kinder mit seiner ersten Ehefrau, die drei Söhne seien mit ihm geflüchtet, die zwei Töchter würden sich in der Türkei befinden. Der BF1 habe zwei Brüder und zwei Schwestern, die in Aleppo wohnhaft seien, zwei weitere Brüder und eine weitere Schwester würden in der Türkei leben. Syrien verlassen habe der BF1 am 01.09.2015 illegal zu Fuß in die Türkei. Befragt zu seinem Fluchtgrund gab der BF1 an, dass er als Taxifahrer für die zu dieser Zeit herrschenden lokalen Behörden, die Freie Syrische Armee (FSA) in Aleppo Mehl transportiert und dafür ein monatliches Gehalt bekommen habe. Er sei aufgefordert worden, aktiv gegen das Regime bzw. den IS zu kämpfen, was er ablehne, da er "kein Krieger sei und gegen niemanden kämpfen" habe wollen. Nach dieser Ablehnung sei er entführt worden und habe 1000 Dollar bezahlen müssen. Nachfolgend sei ihm mitgeteilt worden, dass er das Land verlassen müsse, da sonst seine Kinder und er für immer verschwinden würden. Er habe auch als Taxifahrer Brot und Hilfsgüter für den "Roten Halbmond" transportiert. Bei einer Rückkehr fürchte er, verhaftet und getötet zu werden. Vorgelegt wurde ein syrischer Personalausweis.

3. Am 10.03.2016 wurde der BF1 erstmalig vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass die Mutter der BF2 bis BF4 sich in der Türkei befinde und sich nicht um die Kinder kümmere, offiziell geschieden sei er von seiner Erstfrau nicht. Seine zweite Frau habe er nach islamischem Recht Anfang 2014 in Aleppo geheiratet, diese Ehe sei nicht offiziell beim Standesamt registriert worden, weil dies aufgrund des Krieges in Syrien nicht möglich gewesen sei, da sich das Standesamt auf regimetreuem Gebiet befunden habe. Es sei für den BF1 lebensgefährlich gewesen, sich dorthin zu begeben, da er aufgrund von Hilfeleistungen an Zivilisten vom Geheimdienst gesucht worden sei. Mit seiner zweiten Frau habe der BF1 keine gemeinsamen Kinder. Befragt, ob die BF2 bis BF4 eigene Fluchtgründe hätten, gab der BF1 an, dass dies nicht der Fall sei. Syrien verlassen habe der BF1 gemeinsam mit den fünf Kindern und seiner zweiten Frau am 01.09.2015 illegal und zu Fuß. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab der BF1 an, dass er Zivilisten mit Nahrung versorgt und diese mit dem Taxi gefahren habe, was das Regime als Zusammenarbeit mit den Rebellen gewertet habe. Deswegen sei er vom Regime verfolgt worden. Am 14.01.2014 sei der BF1 von bewaffneten Rebellen entführt und eingesperrt worden. Nach einer Bezahlung von 1000 Dollar sei er freigelassen worden. Angemerkt findet sich im Protokoll, dass der BF1 "den Wehrdienst bereits absolviert habe, jedoch bestünde die Möglichkeit, dass er als Reservist eingezogen werde". Dazu befragt gab der BF1 an, dass er es ablehne, seine Landsleute zu töten. Wenn er als Reservist für die syrische Armee kämpfen müsse fürchte er, Völkerrechtsverletzungen begehen zu müssen. Bei einer Rückkehr würde er vom Regime in Haft genommen und eventuell gefoltert und getötet werden.

4. Am 15.03.2016 wurde in einem Aktenvermerk seitens der belangten Behörde festgehalten, dass der BF1 ein Familienbuch vorlegte.

5. Am 04.01.2017 (fälschlich mit "04.01.2016" datierte Niederschrift) wurde der BF1 erneut vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Zusammenfassend gab er an, dass er mit seiner ersten Frau - der Mutter der BF2 bis BF4 sowie zweier weiterer Töchter - verheiratet gewesen sei, sich aber 2014 scheiden lassen habe. Seine Frau habe die Kinder beim BF1 gelassen und sei weggegangen. Diese Ehe sei auch registriert gewesen. Rechtlich sei er von seiner ersten Frau nicht geschieden worden, da die Gerichte zerstört gewesen seien und er keine Dokumente beantragen bzw. bekommen habe können. Als Beweis dafür, dass die BF2 bis BF4 seine Kinder sind, legte der BF1 ein Familienbuch vor. Als Fluchtgründe führte der BF1 an, dass er wegen des Krieges geflohen sei sowie aufgrund der Tatsache, dass er sich weder der FSA noch einer anderen Gruppierung anschließen habe wollen. Zuletzt sei er von der FSA entführt worden und habe Lösegeld bezahlen müssen. Er werde auch vom Regime verfolgt, da er in Aleppo Brot verteilt habe. Damals sei Aleppo unter der Kontrolle der FSA gestanden. Die BF2 bis BF4 hätten keine eigenen Fluchtgründe, sie hätten nicht in die Schule gehen können.

6. Mit den im Spruch genannten Bescheiden vom 21.06.2017 wies die belangte Behörde die Anträge der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde den BF der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

Den BF1 betreffend wurde festgestellt, dass seine Identität nicht feststehe. Sein Vorbringen bezüglich der Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates sei nicht glaubhaft und es habe nicht festgestellt werden können, dass er einer Gefährdung oder Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) in Syrien ausgesetzt gewesen sei bzw. wäre. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass der BF1 keine heimatlichen Personaldokumente vorgelegt habe. Eingegangen wurde auf die durch den BF1 behauptete Entführung sowie auf die laut dem BF1 bestehende Verfolgung durch das Regime. Insgesamt wurde die vom BF1 vorgebrachte Fluchtgeschichte als widersprüchlich und keineswegs plausibel nachvollziehbar bezeichnet. Er habe auch keine weiteren Sachverhalte dargetan, die auf eine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung hingedeutet hätten.

Die BF2 bis BF4 betreffend wurde - in ident lautenden Bescheiden - festgestellt, dass diese die Söhne des BF1 und spätestens am 15.10.2015 in Begleitung des BF1 illegal in das Bundesgebiet eingereist seien. Die vom BF1 - als gesetzlichem Vertreter - angegebenen Gründe für das Verlassen des Heimatlandes seien nicht glaubhaft und es werde diesbezüglich auf den Bescheid des BF1 verwiesen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die BF2 bis BF4 einer Gefährdung oder Verfolgung im Sinne der GFK im Herkunftsland ausgesetzt gewesen seien bzw. die BF2 bis BF4 eine solche künftig zu befürchten hätten. Sie hätten keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht. Es seien für die BF2 bis BF4 keine eignen Fluchtgründe geltend gemacht worden.

Die angefochtenen Bescheide wurden am 25.07.2017 zugestellt.

7. Mit Schriftsatz vom 02.08.2017 brachten die BF1 bis BF4 Beschwerde jeweils gegen Spruchpunkt I der angefochtenen Bescheide der belangten Behörde ein und begründeten diese im Wesentlichsten wie folgt:

Der BF1 habe es immer abgelehnt, sich direkt am Kampf zu beteiligen, sowohl für die eine als auch für die andere Seite. Er habe zwar seinen Militärdienst bereits abgeleistet, sei aber in einem Alter, in dem eine weitere Einberufung durchaus möglich sei. Die Länderfeststellungen der belangten Behörde betreffend Rekrutierungen durch die syrischen Streitkräfte würden auch das Fluchtvorbringen des BF1 dahingehend stützen, dass er neben der Angst vor den Rebellen auch Angst vor dem Regime habe. Der BF1 habe glaubwürdig und nachvollziehbar vorgebracht, dass er sein Herkunftsland aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung ausgehend von seinen Entführern, aber auch vor Zwangsrekrutierung durch das syrische Militär verlassen hätte müssen; darüber hinaus habe der BF1 bei einer Rückkehr nach Syrien jedenfalls mit Verfolgung ausgehend vom syrischen Staat zu rechnen, da er aus Aleppo stamme, im wehrfähigen Alter und illegal ausgereist sei.

8. Einlangend am 14.08.2017 wurden die Beschwerden samt den zugehörigen Verfahrensakten von der belangten Behörde - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der BF und deren Fluchtgründen:

Der BF1 und die BF2 bis BF4 sind syrische Staatsangehörige und gehören der arabischen Volksgruppe an. Sie haben Syrien im Jahr 2015 illegal verlassen.

Der BF1 ist der Vater der BF2 bis BF4. Es liegt somit ein Familienverfahren vor.

Der BF1 ist 1978 geboren und somit im wehrdienstfähigen Alter. Er hat den Wehrdienst in Syrien bereits abgeleistet. Es droht dem BF1 die reale Gefahr, dass er in Syrien - bei einer nunmehrigen Rückkehr - zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen werde und er ist im Zusammenhang mit der Einziehung zum und Ableistung des Militärdienstes der Gefahr ausgesetzt, zu menschen- und völkerrechtsverletzenden Handlungen gezwungen bzw. bei Verweigerung des Militärdienstes unverhältnismäßig bestraft zu werden.

Die BF sind strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 25.01.2018, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, S. 36 ff):

Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder lokalen bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Militärdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen. Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht. In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden (FIS 23.8.2016).

Die Rekrutierung von männlichen Syrern findet nach wie unvermindert statt (DRC/DIS 8.2017). Für männliche syrischen Staatsbürger und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten (CIA 5.12.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. BFA 8.2017). Diejenigen männlichen palästinensischen Flüchtlinge, im Alter von 18 bis 42 Jahren, welche vor 1956 bei der General Administration for Palestine Arab Refugees (GAPAR) registriert waren, und deren Nachkommen müssen den verpflichtenden Wehrdienst bei der Palästinensischen Befreiungsarmee (PLA), einer Einheit der syrischen Streitkräfte, ableisten. Für diese Palästinenser gelten die gleichen Voraussetzungen für den Wehrdienst wie für Syrer (BFA 8.2017).

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsatz verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. "Rekrut" ist der niedrigste Rang, und die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).

Normalerweise werden Einberufungsbefehle schriftlich mit der Post zugestellt, zur Zeit wird jedoch eher auf persönlichem Wege zum verpflichtenden Militärdienst rekrutiert, um ein Untertauchen der potentiellen Rekruten möglichst zu verhindern. Zu diesem Zweck werden Mitarbeiter des Rekrutierungsbüros zum Haus der Wehrpflichtigen geschickt. Wenn der Gesuchte zu Hause ist, wird er direkt mitgenommen. Wenn er nicht zu Hause ist, wird der Familie mitgeteilt, dass er sich bei der nächsten Kaserne zu melden habe. Es gibt immer wieder Razzien, wie zum Beispiel Anfang Mai 2017, als bei einem Fußballspiel in Tartus alle Männer beim Verlassen des Stadions versammelt und zum Dienst verpflichtet wurden. Einige Zeit zuvor gab es einen weiteren Vorfall, bei dem vor einem Einkaufszentrum in Damaskus alle wehrfähigen Männer eingesammelt und rekrutiert wurden. Auch ein "Herauspflücken" bei einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. Die Altersgrenze ist auf beiden Enden des Altersspektrums nur theoretisch und jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter, kann rekrutiert werden (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. Syria Direct 7.12.2017). Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein (UNHCR 30.11.2016). Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, die das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden (DIS 26.2.2015).

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (FIS 23.8.2016; vgl. ISW 8.3.2017). Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es gibt auch Männer im kampffähigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt (FIS 23.8.2016).

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden (IRB 19.1.2016; vgl. Zeit 10.12.2017).

Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, und auch nicht aus anderen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017; vgl. PAR 15.11.2017)

Zusatzinformationen zum Reservedienst

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, und wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der im Militär erforderlichen Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden zum Reservedienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt (BFA 8.2017). Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde (DIS 26.2.2015; vgl. DRC/DIS 8.2017). Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert (BFA 8.2017). Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden z.B. mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert (FIS 23.8.2016).

Das Militärbuch zeigt lediglich Informationen über den verpflichtenden Wehrdienst und nicht, ob eine Person Reservist ist oder nicht. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten würden dies jedoch nur auf informellem Weg tun, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird (BFA 8.2017).

Befreiung und Aufschub

Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden oder diesen aufschieben. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015). Diese Ausnahmen sind theoretisch immer noch als solche definiert, die Situation in der Praxis ist jedoch anders. Präsident al-Assad versucht den Druck in Bezug auf den Wehrdienst zu erhöhen, und es gibt nun weniger Befreiungen und Aufschübe beim Wehrdienst. Generell werden die Regelungen nun strenger durchgesetzt, außerdem gibt es Gerüchte, dass Personen trotz einer Befreiung oder eines Aufschubs rekrutiert werden. Was die Regelungen zur Befreiung oder zum Aufschub des Wehrdienstes betrifft, so hat man als einziger Sohn der Familie noch die besten Chancen. Das Risiko der Willkür ist jedoch immer gegeben (BFA 8.2017; vgl. DRC/DIS 8.2017).

Unbestätigte Berichte legen nahe, dass der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit über den Wegfall von Aufschubgründen informiert ist, und diese auch digital überprüft werden. Zuvor mussten Studenten den Status ihres Studiums selbst dem Militär melden, in den letzten zwei Jahren wird der Status von Studenten aktiv überprüft. Generell werden Universitäten nun strenger überwacht und von diesen wird nun verlangt, dass sie das Militär über die Anwesenheit bzw. Abwesenheiten der Studenten informieren. Kürzlich gab es eine Änderung bezüglich des Aufschubs aufgrund eines Lehramts-Studiums. Zuvor war es möglich, einen Aufschub des Wehrdienstes zu erwirken, wenn man ein Lehramts-Masterstudium begann, unabhängig davon welches Bachelor-Studium man zuvor absolviert hatte. Dieser Aufschubgrund funktioniert nun nur noch, wenn man auch den Bachelorabschluss im Lehramtsstudium gemacht hat (BFA 8.2017).

Es gibt Beispiele, dass Männer sich durch die Bezahlung von Bestechungsgeldern vom Wehrdienst freigekauft haben, was jedoch keineswegs als einheitliche Praxis betrachtet werden kann, sondern schlicht Willkür darstellt. So war es vor dem Konflikt gängige Praxis sich vom Wehrdienst freizukaufen, was einen aber nicht davor schützt, im Zuge des aktuellen Konfliktes - manchmal sogar Jahre danach - trotzdem eingezogen zu werden (BFA 8.2017).

Es gibt ein Gesetz, das syrischen Männern, die mehr als fünf Jahre außerhalb des Landes gelebt haben, gegen Zahlung eines Bußgeldes die Befreiung vom Militärdienst ermöglicht. Diese Gebühr wurde von 5.000 USD auf 8.000 USD erhöht (BFA 8.2017).

Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin den Kriegsdienst verweigern, wobei muslimische Führer eine Abgabe bezahlen müssen, um vom Kriegsdienst befreit zu werden (USDOS 15.8.2017). Zunehmend zieht die Regierung, wie berichtet wird, zuvor "geschützte" Personen wie Studenten, Beamte und Häftlinge zum Militärdienst ein (BFA 8.2017; vgl. UNHCR 3.11.2017). Von Staatsangestellten wird erwartet, dass sie dem Staat zur Verfügung stehen. Um sich ein "Pool" von potentiell zur Verfügung Stehenden zu sichern, wurde ein Dekret bezüglich Staatsangestellte und Wehrdienst erlassen: Laut Legislativdekret Nr. 33 von 2014 wird das Dienstverhältnis von Staatsangestellten beendet, wenn sie sich der Einberufung zum Wehr- oder Reservedienst entziehen (BFA 8.2017). Hierzu gab es bereits Ende 2016 ein Dekret, welches jedoch nicht umfassend durchgesetzt wurde. Im November 2017 gab es eine erneute Direktive des Premierministers Imad Khamis, laut der "die Anstellung von jenen beendet werden soll, die den verpflichtenden Wehrdienst oder den Reservedienst vermeiden". Dieser Direktive folgten bereits Entlassungen, wobei nicht bekannt ist, in welchem Ausmaß sie stattfinden (Syria Direct 7.12.2017). Gerade auch in alawitischen Gebieten gibt es eine Verbindung zwischen Staatsangestellten und der Notwendigkeit der Erfüllung bürgerlicher Pflichten (BFA 8.2017).

Entlassungen

Es liegen aktuell keine Informationen zu Entlassungen von Soldaten aus dem Militärdienst vor, es ist jedoch möglich, dass dies trotzdem vorkommt. Viele Männer haben Angst, nicht mehr aus dem Dienst entlassen zu werden, wenn sie einmal eingezogen werden. Manche Männer, die den verpflichtenden Wehrdienst bereits abgeleistet haben, werden wieder zum Dienst einberufen, oder der Dienst mancher Männer wird einfach verlängert (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015). Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015).

Amnestien

Seit 2011 hat der syrische Präsident für Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen, Wehrdienstverweigerer und Deserteure eine Serie von Amnestien erlassen, die Straffreiheit vorsahen, wenn sie sich innerhalb einer bestimmten Frist zum Militärdienst melden. Am 17. Februar 2016 veröffentlichte der Präsident das Gesetzesdekret Nr. 8, mit dem Deserteure innerhalb und außerhalb von Syrien sowie Wehrdienstverweigerer und Reservisten eine Amnestie erhalten. Es gibt keine Informationen darüber, wie viele Personen die Amnestie genutzt haben. In manchen Fällen wurden Personen aus der Haft entlassen, wobei die Regierung jedoch danach eine erneute Welle von Verhaftungen durchführte. In diesem Zusammenhang ist nicht klar, aus welchem Grund bestimmte Personen freigelassen werden und ob die Amnestie jenen hilft, die davon profitieren sollten [also Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren, Anm.], oder anderen Personen. Menschenrechtsorganisationen und Beobachter haben diese Amnestien wiederholt als intransparent und unzureichend kritisiert. Ihrer Ansicht nach profitierten davon nicht die vorgeblich angesprochenen Personengruppen (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. Reuters 20.7.2016).

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden (AI 6.2012).

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren bestraft. Nach Verbüßen der Strafe muss der Wehrdienstverweigerer weiterhin den regulären Wehrdienst ableisten. Bei einer Wehrdienstverweigerung hat man die Möglichkeit sich zu verstecken und das Haus nicht mehr zu verlassen, das Land zu verlassen, sich durch Bestechung freizukaufen oder einer anderen Gruppierung beizutreten. Bezüglich Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während die einen eine Foltergarantie und Todesurteil sehen, sagen andere, dass Verweigerer sofort eingezogen werden (BFA 8.2017). Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster (DIS 26.2.2015).

Wenn jemand den Wehrdienst verweigert und geflohen ist, gibt es die Möglichkeit seinen Status zu "regularisieren", wobei möglicherweise auch ein signifikanter Betrag zu entrichten ist (gerüchteweise bis zu 8.000 USD). Eine solche "Regularisierung" schützt allerdings nicht automatisch vor Repressalien oder einer zukünftigen Rekrutierung. Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (so genannte externe Desertion), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).

In vielen Fällen erwartet Deserteure der Tod. Möglicherweise werden sie inhaftiert, befragt und gefoltert, wobei die Behandlung eines Deserteurs auch davon abhängt wer er ist, welcher Konfession er angehört, wie wohlhabend er ist etc. Die große Sorge vieler ist hierbei auch, dass dies nicht nur den Tod des Deserteurs oder die Vergeltung gegen ihn, sondern auch Maßnahmen gegen seine Familie nach sich ziehen kann. Die gängige Vorgehensweise ist, Deserteure nicht zurück an die Front zu schicken, sondern sie zu töten. Berichten zufolge werden sie an Ort und Stelle erschossen. Theoretisch ist ein Militärgerichtsverfahren vorgesehen und Deserteure könnten auch inhaftiert und dann strafrechtlich verfolgt werden. Außergerichtliche Tötungen passieren dennoch (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2017). Für ‚desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen (FIS 23.8.2016).

Im Gegensatz zum Beginn des Konfliktes haben sich mittlerweile die Gründe für Desertion geändert: Nun desertieren Soldaten, weil sie kampfmüde sind und dem andauernden Krieg entkommen wollen (BFA 8.2017).

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie kann von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert (FIS 23.8.2016; vgl. BFA 8.2017).

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle des Regimes gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bzgl. Wehrdienst getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden. Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen, was jedoch schwer zu beweisen ist (BFA 8.2017).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person der BF ergeben sich aus den diesbezüglich gleichlautenden und in sich schlüssigen Angaben des BF1 vor der belangten Behörde und aus den vorgelegten Unterlagen bzw. Dokumenten.

Die Feststellung, dass die BF2 bis BF4 die leiblichen minderjährigen Kinder des BF1 sind, ergibt sich aus den vorgelegten Dokumenten.

Die Feststellung, dass der BF1 im wehrdienstfähigen Alter ist, ergibt sich aus den Ausführungen im Länderbericht. In diesem wird festgehalten, dass Syrer ab dem 18. Lebensjahr wehrdienstpflichtig sind und bis zum 42. Lebensjahr als Reservisten einberufen werden können.

Dass der BF1 den Wehrdienst bereits abgeleistet hat ergibt sich aus seinen eigenen glaubwürdigen Aussagen.

Aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass der BF1 bei einer Rückkehr nach Syrien mit hoher Wahrscheinlichkeit seinen Wehrdienst bei der syrischen Armee antreten müsste; seine Absicht, die Ableistung des Wehrdienstes zu verweigern, ergibt sich aus seinem glaubwürdigen Vorbringen.

Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf den genannten (nunmehr aktualisierten) Quellen, die schon die belangte Behörde ihrem Bescheid zugrunde legte und die im Wesentlichen inhaltsgleich blieben. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Syrien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem es um eine behauptete Bedrohung durch das syrische Regime (wegen "Wehrdienstverweigerung") geht, kommt es nicht (unbedingt) darauf an, ob eine Einberufung zum (Reserve-)Militärdienst (vor der Ausreise) bereits erfolgt ist, ob eine behördliche Suche (wegen des Militärdienstes) bereits (vor der Ausreise) stattgefunden hat oder ob die Ausreise legal erfolgen konnte, sondern vielmehr darauf, mit welcher Wahrscheinlichkeit von einem Einsatz beim Militär (im Falle einer nunmehrigen Rückkehr/Wiedereinreise in den Herkunftsstaat) auszugehen ist, was anhand der Situation (hinsichtlich der Einberufung zum Militärdienst) im Herkunftsstaat und anhand des Profils der betroffenen Person zu beurteilen ist. Aus den Feststellungen zu den Voraussetzungen/Kriterien einer Wehrdiensteinberufung in Syrien (diesen Feststellungen zufolge besteht in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren; alle Männer zwischen 18 und 42 Jahren kommen für den Militärdienst in Frage und es kommt aufgrund der angespannten Situation in Syrien und der Schwierigkeiten für die syrische Regierung, neue Rekruten auszuheben, zu Einberufungen aller Männer im wehrfähigen Alter) und den persönlichen Umständen des BF1 - er hat den regulären Wehrdienst bereits abgeleistet, befindet sich aber im wehrfähigen Alter und somit wäre eine Einziehung zum Reservedienst möglich - ergibt sich, dass eine Person mit dem Profil des BF1 in Syrien angesichts des dortigen innerstaatlichen Konfliktes und des Mangels an Soldaten, die sich zum Dienst melden, mit erheblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, zum Militärdienst eingezogen zu werden.

Es ist daher angesichts der Feststellungen davon auszugehen, dass dem BF1 - im Falle einer Rückkehr/Wiedereinreise nach Syrien - die Einziehung durch die syrische Armee mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der BF ergibt sich aus den Auszügen aus dem Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu Spruchpunkt I. A):

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Bei der Entscheidung, ob eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung besteht, handelt es sich immer um eine Prognoseentscheidung, die eine auf die Zukunft gerichtete Verfolgung verlangt. Das Wort "Furcht" bezieht sich dabei nicht nur auf Personen, die tatsächlich verfolgt wurden, sondern auch auf solche, die einer Situation aus dem Wege gehen möchten, die eine Gefahr der Verfolgung in sich birgt. (vgl. UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformationen Syrien: Militärdienst, vom 30. November 2016, S. 1)

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; 15.03.2001, 99/20/0036). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg. 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg. 16.482 A/2004) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).

3.2.2. Im Falle einer Rückkehr läuft der BF1 aufgrund seines Alters und der Tatsache, dass er sich somit im wehrdienstfähigen Alter befindet, Gefahr, zum Militärdienst in die syrische Armee einrücken zu müssen. Zum einen müsste der BF1 bei einer Rückkehr befürchten, in der syrischen Armee zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt und damit zur Mitwirkung an völkerrechtswidrigen Handlungen gezwungen zu werden, widrigenfalls ihm jedenfalls eine Gefängnisstrafe droht. Zum anderen wäre eine Weigerung, in die Armee einzurücken, gemäß den Länderfeststellungen mit drastischen Konsequenzen verbunden. Die Länderfeststellungen lassen erkennen, dass in der Weigerung, den Dienst in der Armee anzutreten, eine oppositionelle politische Gesinnung gesehen wird, die durch unverhältnismäßige Strafen geahndet wird. Dass der BF1 in einem rechtsstaatlichen Verfahren die Gelegenheit hätte, den Vorwurf einer regimefeindlichen Gesinnung zu entkräften, kann nicht angenommen werden.

Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass der Militäreinsatz in der syrischen Armee - dem sich der BF1 letztlich durch seine Ausreise entzogen hat - im derzeitigen bewaffneten Konflikt in Syrien mit einem Zwang zur Verübung menschenrechtswidriger Handlungen und zur Teilnahme an völkerrechtswidrigen Militäraktionen (etwa Angriffe auf die Zivilbevölkerung) verbunden (und damit im Sinne des Abs. 171 des UNHCR-Handbuches über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft den "Grundregeln menschlichen Verhaltens" widersprechend) ist und dass völlig unverhältnismäßige Bestrafungsmaßnahmen und Sanktionen bei Wehrdienstverweigerung und bei Verweigerung von Befehlen im Bereich des Militärdienstes bzw. des Militäreinsatzes (etwa Hinrichtung von Soldaten, die sich weigern, auf Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen) erfolgen. Davon ist der BF1, dem der Wehrdiensteinsatz bei der syrischen Armee droht, im Falle der Verweigerung bzw. Ablehnung eines solchen Einsatzes mit hoher Wahrscheinlichkeit betroffen. Unter den besonderen Verhältnissen in Syrien kann die Anwendung dieser völlig unverhältnismäßigen Bestrafungsmaßnahmen und Sanktionen seitens der syrischen Regierung nicht anders als dahingehend beurteilt werden, als dass sie auf der generellen Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung der Betroffenen beruht. Damit liegt im Hinblick auf die dem BF1 drohende Bestrafung wegen "Wehrdienstverweigerung" als drohender Eingriff von erheblicher Intensität eine asylrelevante Verfolgung vor, weil die Bestrafung in Zusammenhang mit einem Konventionsgrund, nämlich mit dem der "politischen Gesinnung", steht.

In seiner Rechtsprechung vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass unter dem Gesichtspunkt des Zwangs zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen - etwa gegen die Zivilbevölkerung - auch eine bloße Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung darstellen kann (siehe VwGH 25.03.2003, 2001/01/0009). Daher stellt eine (drohende) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU fallen, eine (drohende) asylrelevante Verfolgung dar.

Dies ist nach den Feststellungen der Fall. Es ist davon auszugehen, dass der BF1 unmittelbar nach der Einreise, die im Moment nur über den Flughafen Damaskus erfolgen könnte, festgenommen und - so er nicht wegen der Verweigerung, den Militärdienst abzuleisten, zu einer langjährigen, potentiell mit Folter verbundenen Gefängnisstrafe, die indiziert, dass man ihm wegen dieser Weigerung eine oppositionelle Gesinnung unterstellt, verurteilt würde - dem Wehrdienst zugeführt werden würde. Es besteht das reale Risiko, dass der BF1 als Wehrdienstleistender im Rahmen der Aufstandsbekämpfung zu menschen- und völkerrechtswidrigen Handlungen gezwungen und im Falle einer Weigerung allenfalls mit standrechtlicher Erschießung bestraft werden würde.

Im Falle einer Rückkehr nach Syrien besteht für den BF1 somit eine asylrelevante Verfolgungsgefahr, weil er sich schon durch seine Ausreise dem Militärdienst, in dessen Rahmen er zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen (wie Angriffen auf die Zivilbevölkerung) gezwungen und bei Weigerung mit Haft und Folter bedroht würde, entzogen hat und somit als politischer Gegner des syrischen Regimes gesehen würde (vgl. insbes. VwGH 25.3.2015, Ra 2014/20/0085, sowie EuGH 26.2.2015, Fall Shepherd, C-472/13).

Auch fällt er damit in eine von UNHCR angeführte Risikogruppe, nämlich jene der "Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen [u.a. Wehrdienstverweigerer]" (zur Indizwirkung von UNHCR-Positionen vgl. etwa VwGH 16.1.2008, 2006/19/0182, m.w.N.).

Den aktuellen Berichten zur Situation des syrischen Militärs ist zu entnehmen, dass mit dem Fortwähren des langjährigen Konflikts ein zunehmender Personalbedarf besteht. Bestehende Gesetze und Regeln in Bezug auf Einberufungspraktiken werden daher oft willkürlich ausgelegt und angewandt. So werden in manchen Regionen vermehrt Wehrpflichtige und Reservisten einberufen (vgl. dazu UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformationen Syrien: Militärdienst, vom 30. November 2016, S. 2).

Eine Inanspruchnahme des Schutzes durch den syrischen Staat ist für den BF1 schon deswegen auszuschließen, weil die Verfolgung teilweise gerade von diesem ausgeht.

3.2.3. Eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht für die BF nicht; die Annahme ebendieser würde im Widerspruch zum aufgrund der derzeitigen Situation in Syrien bereits gewährten subsidiären Schutz stehen (vgl. VwGH 25.3.2015, Ra 2014/18/0168; 29.6.2015, Ra 2014/18/0070).

3.2.4. Im Ergebnis ist bei der gebotenen prognostischen Beurteilung der Verfolgungsgefahr und bei Gesamtbewertung aller risikobegründenden Faktoren ein erhebliches Risiko für den BF1, aus den dargelegten Gründen verfolgt zu werden - und damit das Vorliegen der "maßgeblichen Wahrscheinlichkeit" der Verfolgung im Sinne der verwaltungsgerichtlichen Judikatur - zu bejahen.

Der BF1 konnte somit glaubhaft machen, dass ihm im Herkunftsstaat - schon aufgrund der Tatsache, dass er den Wehrdienst verweigern würde - Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Es war somit auf das weitere Vorbringen - wie z.B. die vom BF1 erwähnte Entführung - nicht weiter einzugehen.

3.2.5. Da auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt, war dem BF1 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.2.6. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständlich maßgebliche Antrag des BF1 auf internationalen Schutz am 15.10.2015, somit vor dem 15.11.2015 gestellt wurden, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall keine Anwendung finden.

3.3. Zu Spruchpunkt I. B) und II. B)

3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Punkten bei Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

3.4. Zu Spruchpunkt II. A)

3.4.1. Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 ist aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist.

3.4.2. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist nach der nunmehr in Geltung stehenden Rechtslage u.a. Familienangehöriger, wer Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder Fremden ist, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei den Ehegatten bereits vor der Einreise des Asylberechtigten in das Österreichische Bundesgebiet bestanden hat.

Die BF2 bis BF4 sind die leiblichen, minderjährigen Kinder und somit i. S.d. § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 Familienangehörige des BF1.

3.4.3. Da dem BF1 - wie oben dargelegt - der Status eines Asylberechtigten zu gewähren ist, ist dieser Status gemäß § 34 AsylG 2005 auch den BF2 bis BF4, bei denen keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt, zuzuerkennen.

3.4.4. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war festzustellen, dass den BF2 bis BF4 von Gesetzes wegen die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.5. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, zumal der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall ergibt sich, dass aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde der maßgebliche Sachverhalt als geklärt anzusehen ist. Auch die gebotene Aktualität ist unverändert gegeben, zumal die dem Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen - ergänzt um aktuellere Feststellungen - unverändert die zur Beurteilung des konkreten Falles notwendige Aktualität aufweisen.

Schlagworte

Anhaltung, Asylgewährung, asylrechtlich relevante Verfolgung,
begründete Furcht vor Verfolgung, Bürgerkrieg, erhebliche
Intensität, Familienangehöriger, Familienverfahren,
Flüchtlingseigenschaft, Folter, Glaubhaftmachung, illegale Ausreise,
innerstaatliche Fluchtalternative, Misshandlung, Mitwirkungspflicht,
Nachvollziehbarkeit, Prognose, real risk, reale Gefahr, staatliche
Schutzfähigkeit, unmenschliche Behandlung, Unzumutbarkeit,
Verfolgungsgefahr, Verfolgungshandlung, völkerrechtswidrige
Militäraktion, Wahrscheinlichkeit, Wehrdienstverweigerung, Willkür,
wohlbegründete Furcht, Zwangsrekrutierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W203.2167490.1.00
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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