TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/28 W201 2177194-1

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Veröffentlicht am 28.06.2018
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Entscheidungsdatum

28.06.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W201 2177194-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela Schidlof als Vorsitzende und die Richterin Dr. Margit Möslinger-Gehmayr sowie den fachkundigen Laienrichter Franz Groschan als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 15.11.2017, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Eintragung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

1. Der Beschwerde wird stattgegeben.

2. Der Beschwerdeführerin ist die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass einzutragen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin stellte einlangend am 08.09.2017 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.

2. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 06.11.2017 eingeholt.

Das Sachverständigengutachten lautet auszugsweise:

"1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten

Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Bedingt durch das mäßig ausgeprägte Atemwegsleiden liegt eine mäßiggradige

Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, welche allerdings eine erhebliche Erschwernis des Erreichens, Besteigens und Mitfahrens mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht ausreichend begründen kann. Darüber hinaus führt auch das Zusammenwirken mit dem Lymphom, den degenerativen Gelenks- und Wirbelsäulenleiden sowie der Peroneusläsion nicht zu einer maßgeblichen Behinderung der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor? Nein"

3. Mit Bescheid vom 15.11.2017 lehnt die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der beantragten Zusatzeintragung ab. Begründet wurde die Abweisung mit dem Ergebnis der fachärztlichen Untersuchung und dem daraus resultierenden Sachverständigengutachten, in welchem festgestellt worden sei, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

4. Gegen den Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht am 17.11.2017 Beschwerde erhoben.

Begründend führte sie aus, wenn sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahre, bekomme sie trotz Medikation Panikattacken, und habe Angst, von schmutzigen, spuckenden und hustenden Personen, angesteckt zu werden. Eine Fachärztin für Psychiatrie & Neurologie festgestellt, dass sie nicht fit für den öffentlichen Verkehr sei.

5. Der Beschwerdeakt wurde am 21.11.2017 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

6. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten aus dem Bereich Neurologie/Psychiatrie angefordert.

Die Fragestellungen lauteten:

"Zu folgenden Punkten wird um Stellungnahme ersucht:

1.1. Die Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel möge anhand der, in der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen genannten Kriterien erfolgen.

Das medizinische Ergänzungsgutachten ist schriftlich zu erstatten.

1.1. Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel anhand der, in der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen genannten Kriterien.

Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von einer Entfernung von rund 300 bis 400 m anzunehmen (VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0013). Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend. Zur Zumutbarkeit eventueller therapeutischer Optionen ist ausführlich Stellung zu nehmen.

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt.

1.2. Die dauernden Gesundheitsschädigungen sind als Diagnoseliste festzuhalten. Richtsatzmäßige Einschätzungen sind nicht erforderlich und sollen jedenfalls unterbleiben.

1.3. Liegen oder liegt

a) erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktions-einschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.

b) erhebliche Einschränkungen der Funktionen der oberen Extremitäten vor?

c) erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit LVEF unter 30%

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

3 -

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden

1.4. Stellungnahme zu den Einwendungen der BF:

Die BF gibt in der Beschwerde an, auf Grund ihrer zahlreichen Leiden (insbesondere Schmerzzustände und Panikattacken) nicht in der Lage zu sein, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen (Abl 36-37). Die BF hat dazu weitere Befunde vorgelegt.

1.5.Begründung einer eventuell vom bisherigen Ergebnis (Abl. 20-23) abweichenden Beurteilung.

1.6.Feststellung, ob bzw. wann eine ärztliche Nachuntersuchung erforderlich ist."

7. Am 11.04.2018 erfolgte die Untersuchung der Beschwerdeführerin durch eine Fachärztin für Psychiatrie/Neurologie.

Auszug aus dem Sachverständigengutachten:

"Beantwortung der gestellten Fragen, die bitte dem Akt zu entnehmen sind:

1.1. Auf Grund der Untersuchung, des Studiums des Aktes und der Befunde komme ich zu dem Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin nicht mehr in der Lage ist, eine Strecke von 300 bis 400 Meter ausreichend sicher zurückzulegen. Auch ist sie nicht in der Lage, ausreichend sicher in ein öffentliches Verkehrsmittel ein- und auszusteigen. Sich in einem öffentlichen

Verkehrsmittel anzuhalten, sodass der sichere Transport in einem öffentlichen

Verkehrsmittel auch nicht mehr ausreichend sicher gegeben ist. Auf Grund der

Polyneuropathie und der Abnützungserscheinungen des gesamten Bewegungsapparates, der Bandscheibenschäden mit der Fußheberschwäche rechts und der daraus folgenden Schmerzsymptomatik, ist eine Besserung auch nicht zu erwarten. Die Grunderkrankung,

Lymphom, die eine Chemotherapie notwendig macht, lässt eine Besserung der

Symptomatik (Poylneuropathie und Schmerzen) auch nicht zu.

1.2. Diagnosen:

1. Folliculäres Lymphom

2. Chronisch obstruktive Atemwegserkrankung

3. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen (Piriformissyndrom, Bandscheibenvorfall L5)

4. Degenerative Gelenksveränderungen

5. Wurzelnahe Läsion des nervus peronaeus rechts

6. Polyneuropathie der unteren Extremitäten beidseits

7. Depression

8. Schwerhörigkeit links

9. Urgeinkontinenz

10. Glaukom mit Sehverminderung rechts auf bei normalem Sehvermögen links

1.3.a) Ja. Es liegen erhebliche Einschränkungen der unteren Extremitäten vor.

1.3.b) Nein. Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der oberen Extremitäten vor.

1.3.c) Nein. Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor.

1.4. Im Beschwerdeschreiben (AB 36,37) gibt die Beschwerdeführerin in emotionaler Weise ihrer Verzweiflung Ausdruck. Sie beschreibt in ausführlicher Weise alle Symptome und Beschwerden, wobei aus nervenfachärztlicher Sicht die Klagen und die Symptome, die

sie angibt, nicht als Grund ausreichen, um ihr die Zusatzeintragung für die "Nichtbenützbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel" zu geben. Einzig die Polyneuropathie und die radiculäre Symptomatik, die Schmerzsymptomatik bei Peronaeusschwäche rechts und das Piriformissyndrom bewirken, dass sie nicht mehr in der Lage ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Auch wenn subjektiv die Inkontinenzproblematik als störend empfunden wird oder die Panikattacken und all die anderen Symptome der anderen Krankheiten, sind diese nicht ausreichend Und entsprechen nicht den Kriterien für die Zusatzeintragung.

1.5. Abweichend vom Erstgutachten kommt es zu einer anderen Beurteilung, da der erstbegutachtende Arzt die neurologische Symptomatik "Polyneuropathie", wie sie im Befund vom 10.12.2015, AB 16, dokumentiert ist, erstens nicht extra eingestuft hat und zweitens nicht als so gravierend bewertet hat. Die Polyneuropathie bewirkt ein verändertes Gefühl für "Bodenhaftung" und ein Gefühl, "als ob man auf "Watte gehen würde", was sich in Unsicherheit und einem Gefühl, "wie betrunken zu sein" für die Betroffenen manifestiert. Daher wurde anders bezüglich der Zusatzeintragung "Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" entschieden.

1.6. Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."

8. Mit Schreiben vom 08.05.2018 wurde der Beschwerdeführerin das Ergebnis der Beweisaufnahme übermittelt und ihr die Möglichkeit eingeräumt, binnen 2 Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Die Beschwerdeführerin hat keine Stellungnahme übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines Behindertenpasses (GdB 60%).

1.2. Sie stellte einen Antrag auf Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung".

1.3. Mit Gutachten vom 06.11.2017 und dem darauf basierenden Bescheid wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.

1.4. Das im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie/Psychiatrie hat ergeben, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist.

1.5. Der Beschwerdeführerin ist die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" zu gewähren.

2. Beweiswürdigung:

Das im Beschwerdeverfahren vom BVwG eingeholte Sachverständigengutachten ist hinsichtlich der beschriebenen Leidenszustände schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

Die Fachärztin für Psychiatrie/Neurologie kommt zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin nicht mehr in der Lage ist, eine Strecke von 300 bis 400 Meter ausreichend sicher zurückzulegen und auch nicht in der Lage ist, ausreichend sicher in ein öffentliches Verkehrsmittel ein- und auszusteigen. Ebenso ist nicht mehr gewährleistet, dass sich die Beschwerdeführerin in einem öffentlichen Verkehrsmittel festhalten kann - daher ist der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel auch nicht mehr ausreichend gegeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063; VwGH vom 10.09.2014, Zl. Ra 2014/08/0005).

Zu Spruchpunkt A)

1. Stattgebung der Beschwerde:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass ist mit einem 35 x 45 mm großen Lichtbild auszustatten und hat zu enthalten:

1. den Familien- oder Nachnamen, den Vornamen, den akademischen Grad oder die Standesbezeichnung und das Geburtsdatum des Menschen mit Behinderung;

2. die Versicherungsnummer;

3. den Grad der Behinderung oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit;

4. eine allfällige Befristung.

(§ 1 Abs. 1 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. - 2. (...)

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(§ 1 Abs. 2 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in

§ 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Im Sachverständigengutachten wurde festgestellt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der unteren Extremitäten gegeben ist. Durch die Polyneuropathie besteht ein verändertes Gefühl für "Bodenhaftung" und ein Gefühl, "als ob man auf "Watte gehen würde", was sich in Unsicherheit und einem Gefühl, "wie betrunken zu sein" für die Betroffenen manifestiert und daher von der Sachverständigen festgestellt wurde, das die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr zumutbar ist.

Somit war im gegenständlichen Verfahren spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerdeführerin die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zuzuerkennen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Sachverhalt erscheint ausreichend geklärt, daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung (vgl. VwGH vom 24.04.2014, Zl. Ra 2014/01/0010; VwGH vom 24.03.2014, Zl. Ro 2014/01/0011) zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W201.2177194.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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