TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/29 W162 2009346-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.06.2018
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Entscheidungsdatum

29.06.2018

Norm

BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W162 2009346-1/38E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M. als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER, BA MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den KOBV für Wien, NÖ und Burgenland, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 04.06.2014, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme einer Zusatzeintragung in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin hat am 04.02.2014 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gestellt.

2. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Anästhesiologie und Intensivmedizin aufgrund persönlicher Untersuchung vom 08.04.2014 mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung nicht vorlägen.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 04.06.2014 hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 BBG abgewiesen.

4. Gegen diesen Bescheid wurde von der bevollmächtigten Vertretung der Beschwerdeführerin fristgerecht am 27.06.2014 Beschwerde erhoben. Unter Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin öffentliche Verkehrsmittel nicht benutzen könne. Beantragt wurde die Begutachtung durch einen Facharzt für Orthopädie/Chirurgie.

5. Die Beschwerde wurde unter Anschluss der Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht am 04.07.2014 zur Entscheidung vorgelegt.

6. Aufgrund der Einwendungen der Beschwerdeführerin wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein orthopädisches Sachverständigengutachten aufgrund persönlicher Untersuchung vom 10.12.2014 eingeholt. Darin wurde festgestellt, dass "die rein orthopädischen Leiden derzeit alleine nicht zu einer Unzumutbarkeit der Benützung ÖVM führen - aus dem neu vorgelegten gefäßchirurgischen Befund kann aber entnommen werden, dass eine paVK

IV rechts besteht, die per Definition eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, im Sinne einer Unzumutbarkeit der Benützung ÖVM darstellt - wie schon oben angeführt, wird aber die Einholung eines zusätzlichen SVGA aus dem Bereich der Allgemeinmedizin oder Chirurgie empfohlen, um diese Einschätzung lege artis durchzuführen."

7. Es wurde in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und Allgemeinmedizin vom 27.05.2015 eingeholt Darin wurde insbesondere festgestellt: "Die Bewegungseinschränkung des li. Kniegelenkes infolge der Schienbeinkopffraktur führt zu einer Einschränkung der Belastbarkeit des Kniegelenkes, das würde allein für sich genommen jedoch noch nicht die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglichen. Zusammenfassend ergibt die Kombination der Durchblutungsstörung des re. Beines, wobei jetzt ein Stadium Ha angenommen wird, die Funktionsstörung der Nerven an den Fußsohlen und die posttraumatischen Funktionsstörungen des li. Knie- und re. Sprunggelenkes eine deutliche Beeinträchtigung beim Gehen. Jedoch ist zu erwähnen, dass bei der Untersuchung keine Hilfsmittel verwendet werden und das freie Stehen auf einem Bein sowie der Zehen- und Fersengang möglich sind. Die Funktion der oberen Extremitäten ist ausreichend, um sich wo festzuhalten bzw. Hilfsmittel zum Abstützen zu verwenden. Bedingt durch den Diabetes, die Nierenfunktionsstörung, aber auch die Durchblutungsstörungen liegt eine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor. Psychische Funktionsstörungen sind nicht erhebbar, jedoch eine neurologische Funktionsstörung im Sinne der bereits genannten Polyneuropathie. Es liegt eine Erblindung des li. Auges vor. Die Behinderungen, die sich aus den Leiden ergeben, sind an sich objektivierbar, führen aber aus alIgemeinmedizinischer Sicht nicht zu einer derart erheblichen Beeinträchtigung, dass die Funktionen, die zur Nützung öffentlicher Verkehrsmittel erforderlich sind, schwerstens beeinträchtigt wären."

8. Aufgrund des Parteiengehörs und eines nachgereichten Arztbriefes (chirurgischer Befund vom 09.09.2014) wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt. Darin wurde festgestellt, dass sich keine Änderung der Beurteilung ergebe.

9. Aufgrund des neuerlichen Parteiengehörs wurde ein Ergänzungsgutachten hinsichtlich der wechselseitigen Leidensbeeinflussung eingeholt und diesbezüglich insbesondere festgestellt: "Wie auch schon 05/15 ausgeführt, ergibt die Kombination der Durchblutungsstörung des rechten Beines, die Funktionsstörung der Nerven an den Fußsohlen und die posttraumatische Funktionsstörung des linken Knies und rechten Sprunggelenkes eine deutliche Beeinträchtigung beim Gehen. Bei der Untersuchung wurden keine Hilfsmittel verwendet und damals waren freies Stehen sowie Zehen- und Fersengang möglich. Die Funktion der oberen Extremitäten war ausreichend, um sich festzuhalten, sodass aus medizinischer Sicht eine kurze Wegstrecke bzw. Niveauunterschiede bewältigt bzw. überwunden werden konnten. Der Verlust des einen Auges ist aus medizinischer Sicht kein Hindernis für die Nutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels".

10. Aufgrund des Parteiengehörs und nach Vorlage einer Vielzahl an weiteren Beweismitteln wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts die Einholung eines zusammenfassenden aktenmäßigen Sachverständigengutachtens durch eine Ärztin für Allgemeinmedizin, die mit dem gegenständlichen Verfahren noch nicht betraut war, beauftragt. Darin wurde Folgendes festgestellt:

"Im Beschwerdevorbringen der BF, Abi. 112, vom 26.02.2018, wird vorgebracht, dass von einer weiteren Operation abgesehen worden sei und eine Strahlentherapie ab 13. 3. im KH XXXX geplant sei. Sie befinde sich dreimal in der Woche bei der Dialyse.

Im Beschwerdevorbringen der BF, Abi.120 - 121, vom 20.04.2018, vertreten durch den KOBV, wird - ergänzend zu den bisherigen Stellungnahmen - eingewendet, dass sich die BF derzeit einer Bestrahlungstherapie unterziehen müsse. Dreimal wöchentlich sei eine Dialysebehandlung aufgrund chronischer Niereninsuffizienz seit 07/2017 erforderlich. Infolge einer diabetischen Gangrän sei ihr 03/2018 die linke Großzehe abgenommen worden und die BF könne derzeit deswegen nur liegend transportiert werden.

Die BF sei aufgrund der Schwere und Vielzahl der Gesundheitsschädigungen sowie aufgrund des sehr schlechten Allgemeinzustand nicht in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu erreichen und zu benützen.

Die BF leide nach wie vor an einer arteriellen Verschlusskrankheit IV am rechten Bein seit 2014, aktuell auch an einem Verschluss am linken Bein.

Weitere Befunde werden vorgelegt.

Vorgeschichte:

Insulinpflichtiger Diabetes mellitus mit Folgekrankheiten, diabetische Retinopathie, diabetische Angiopathie

Chronische Niereninsuffizienz

Erblindung linkes Auge bei Zustand nach Zentralvenenthrombose

2009 Patella- und Tibiakopffraktur links, Verplattung Tibiakopf

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Discusprolaps L5/S1 mit radikuläre Irritation S1 rechts 2012, Lumboischialgie rechts

Unterschenkelbruch rechts 01/2014, Extension, konservative Therapie.

Periphere arterielle Verschlusskrankheit, 2014 pAVK IV rechts mit in der 2. Zehe rechts, PTA rechtes Bein, aktuell PAVK IV

Zwischenanamnese seit 14.10.2015:

Chronische Niereninsuffizienz im Stadium der Hämodialyse seit 07/2017, renale Anämie, renale Hypertonie

08/2017 neuerlich Ulcus 2. Zehe rechts, pAVK IV rechts

01/2018 Großzehengangrän links nach Nagelextraktion mit AFS Verschluss links,

03/2018 Cross Over PTA, Amputation der Großzehe links am 8. 3. 2018, Nachresektion am 21. 3. 2018.

01/2018 Endometriumkarzinom Grad II pT3a, Hysterektomie und Adnexexstirpation beidseits 02/2018. Bestrahlungstherapie.

Befunde:

Abteilung für Innere Medizin Krankenhaus XXXX vom 18. 8. 2017 (Aufnahme aufgrund von Schüttelfrost und Fieber nach Dialyse, Ulcus 2. Zehe rechts mit Erysipel, Gefäßabklärung, konservative Therapie)

Abi. 114, Dialysestammblatt vom 5. 9. 2017

Abi. 115, Konsiliarbefund interne Abteilung vom 19. 3. 2018 (hypertensive Entgleisungen, trockene Gangrän der linken Großzehe, Anpassung der antihypertensiven Therapie)

Abi. 116, Befund Radiologie vom 12. 3. 2018 (Rekanalisation AFS links)

Abi. 117, Befund gefäßchirurgische Abteilung Krankenhaus XXXX vom 3. 4. 2018 (Großzehengangrän bei AFS-Verschluss links, Amputation der Großzehe links und nach Resektion)

Abi. 118, Bericht Tumorboard vom 22. 2. 2018 (Endometrium-Karzinom, Zustand nach Hysterektomie, adjuvante Beckenbestrahlung vereinbart)

Abi. 119, Bericht gynäkologische Abteilung Krankenhaus XXXX vom 26. 2. 2018 (laparoskopische Hysterektomie und Adnexexstirpation beidseits)

Medikamente: Fentoron Pflaster, Novalgin bei Bedarf, Tramal bei Bedarf, Cipralex, Supressin,Osvaren, Dilatrend, Ezetrol, Enteron, Rocaltrol, Euthyrox, Magnesium verla,

Furon, Pantozol, Speisesoda, Yomogi bei Bedarf, Xanor Bedarf, Novomix laut Schema, Lovenox an dialysefreien Tagen

STELLUNGNAHME:

ad 1) Diaqnosenliste:

1) Insulinpflichtiger Diabetes mellitus mit Folgekrankheiten, diabetische Retinopathie, diabetische Angiopathie

2) Periphere arterielle Verschlusskrankheit, pAVK IV bds. , Zustand nach Ulcus 2. Zehe rechts, Zustand nach Amputation Großzehe links

3) Chronische Niereninsuffizienz im Stadium der Hämodialyse seit 07/2017, renale Anämie, renale Hypertonie

4) Erblindung linkes Auge bei Zustand nach Zentralvenenthrombose

5) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Discusprolaps L5/S1, Lumboischialgie rechts

6) Posttraumatische Funktionseinschränkung linkes Kniegelenk nach Kniescheiben- und Schienbeinkopfbruch, mäßiggradig ausgeprägt

7) Posttraumatische Funktionseinschränkung rechtes Sprunggelenk nach Unterschenkelbruch, mäßiggradig ausgeprägt

8) Endometrium-Karzinom 01/2018, Hysterektomie und Adnexexstirpation beidseits, Bestrahlung

ad 2) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

Ja.

Die hochgradige arterielle Verschlusskrankheit beider unterer Extremitäten mit bereits aufgetretenen Gewebsschädigungen, dem klinischen Stadium PAVK IV entsprechend, erschwert das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke erheblich.

Eine zusätzliche Beeinträchtigung besteht in den mäßig ausgeprägten, posttraumatischen Funktionseinschränkungen des linken Kniegelenks und rechten Sprunggelenks.

ad 3) Ist eine Veränderung zu den Vergleichsgutachten objektivierbar?

Ja.

Eine Verschlimmerung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit mit Gewebsschädigungen und eine nunmehr dialysepflichtige Niereninsuffizienz, verstärkt durch herabgesetzten Allgemeinzustand, sind objektivierbar.

Die Veränderungen sind in einem Ausmaß eingetreten, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr möglich und nicht mehr zumutbar ist.

ad 4) Stellungnahme zu Einwendungen in der Beschwerde und der Beschwerdeführerin:

In Gesamtschau auf Grundlage sämtlicher vorgelegter Unterlagen und Sachverständigengutachten liegen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nun vor.

Die periphere arterielle Verschlusskrankheit, PAVK IV, mit bereits aufgetretener Gewebsschädigung, das ungünstige Zusammenwirken mit einer hochgradigen dialysepflichtigen Niereninsuffizienz mit renaler Anämie, verstärkt durch herabgesetzten Allgemeinzustand bei Adipositas und derzeit erforderlicher Bestrahlungstherapie, bewirken, dass die Mobilität und die körperliche Belastbarkeit erheblich eingeschränkt sind und das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von etwa 300-400 m nicht möglich ist.

Im dokumentierten Krankheitsverlauf ist eine Verschlimmerung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK IV) eingetreten. Vorübergehend konnte durch die PTA 2014 eine Verbesserung der PAVK erzielt werden, sodass bei der Begutachtung im Jahr 2015 eine nur mäßig eingeschränkte periphere Durchblutung festgestellt werden konnte. In weiterer Folge kam es neuerlich zu einem Gefäßverschluss mit Großzehengangrän links und einer erforderlichen Intervention (03/2018), sodass die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr vorliegt.

Stellungnahme zu allfälligen Schmerzzuständen, die speziell mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einhergehen:

Da die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr zumutbar ist, entfällt die Stellungnahme.

Zumutbare therapeutische Optionen oder Kompensationsmöglichkeiten betreffend die festgestellten Leidenszustände sind nicht gegeben.

ad 5) Dauerzustand. Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."

11. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurde keine Stellungnahme erstattet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich die Beschwerdeführerin mit der Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.

1.2. Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.

1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

1) Insulinpflichtiger Diabetes mellitus mit Folgekrankheiten, diabetische Retinopathie, diabetische Angiopathie

2) Periphere arterielle Verschlusskrankheit, pAVK IV bds. , Zustand nach Ulcus 2. Zehe rechts, Zustand nach Amputation Großzehe links

3) Chronische Niereninsuffizienz im Stadium der Hämodialyse seit 07/2017, renale Anämie, renale Hypertonie

4) Erblindung linkes Auge bei Zustand nach Zentralvenenthrombose

5) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Discusprolaps L5/S1, Lumboischialgie rechts

6) Posttraumatische Funktionseinschränkung linkes Kniegelenk nach Kniescheiben- und Schienbeinkopfbruch, mäßiggradig ausgeprägt

7) Posttraumatische Funktionseinschränkung rechtes Sprunggelenk nach Unterschenkelbruch, mäßiggradig ausgeprägt

8) Endometrium-Karzinom 01/2018, Hysterektomie und Adnexexstirpation beidseits, Bestrahlung

1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Es liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor. Die hochgradige arterielle Verschlusskrankheit beider unterer Extremitäten mit bereits aufgetretenen Gewebsschädigungen, dem klinischen Stadium PAVK IV entsprechend, erschwert das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke erheblich. Eine zusätzliche Beeinträchtigung besteht in den mäßig ausgeprägten, posttraumatischen Funktionseinschränkungen des linken Kniegelenks und rechten Sprunggelenks.

Eine Verschlimmerung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit mit Gewebsschädigungen und eine nunmehr dialysepflichtige Niereninsuffizienz, verstärkt durch herabgesetzten Allgemeinzustand, sind objektivierbar. Die Veränderungen sind in einem Ausmaß eingetreten, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr möglich und nicht mehr zumutbar ist.

Die periphere arterielle Verschlusskrankheit, PAVK IV, mit bereits aufgetretener Gewebsschädigung, das ungünstige Zusammenwirken mit einer hochgradigen dialysepflichtigen Niereninsuffizienz mit renaler Anämie, verstärkt durch herabgesetzten Allgemeinzustand bei Adipositas und derzeit erforderlicher Bestrahlungstherapie, bewirken, dass die Mobilität und die körperliche Belastbarkeit erheblich eingeschränkt sind und das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von etwa 300-400 m nicht möglich ist.

Im dokumentierten Krankheitsverlauf ist eine Verschlimmerung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK IV) eingetreten. Vorübergehend konnte durch die PTA 2014 eine Verbesserung der PAVK erzielt werden, sodass bei der Begutachtung im Jahr 2015 eine nur mäßig eingeschränkte periphere Durchblutung festgestellt werden konnte. In weiterer Folge kam es neuerlich zu einem Gefäßverschluss mit Großzehengangrän links und einer erforderlichen Intervention (03/2018), sodass die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr vorliegt.

Zumutbare therapeutische Optionen oder Kompensationsmöglichkeiten betreffend die festgestellten Leidenszustände sind nicht gegeben.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich - im Gesamtbild - maßgebend negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1. Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2. Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie vom 17.05.2018 ist vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wurde zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel umfassend Stellung genommen.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung des Vorbringens und der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.

Das Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Das Sachverständigengutachten wurde auch im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht erteilten Parteiengehörs von der belangten Behörde unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

Die Abweichung zur Beurteilung im der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Sachverständigengutachten resultiert aus den neu vorgelegten Befunden und Beweismitteln im Zuge einer Verschlechterung des Leidenszustandes, die in einer Gesamtschau der Gesundheitssituation der Beschwerdeführerin eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel begründen.

Die Sachverständige führt fachärztlich überzeugend aus, dass die periphere arterielle Verschlusskrankheit, PAVK IV, mit bereits aufgetretener Gewebsschädigung, das ungünstige Zusammenwirken mit einer hochgradigen dialysepflichtigen Niereninsuffizienz mit renaler Anämie, verstärkt durch herabgesetzten Allgemeinzustand bei Adipositas und derzeit erforderlicher Bestrahlungstherapie, bewirken, dass die Mobilität und die körperliche Belastbarkeit erheblich eingeschränkt sind und das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von etwa 300-400 m nicht möglich ist. Im dokumentierten Krankheitsverlauf ist nachvollziehbar für den erkennenden Senat eine Verschlimmerung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK IV) eingetreten. Vorübergehend konnte durch die PTA 2014 eine Verbesserung der PAVK erzielt werden, sodass bei der Begutachtung im Jahr 2015 eine nur mäßig eingeschränkte periphere Durchblutung festgestellt werden konnte. In weiterer Folge kam es jedoch neuerlich zu einem Gefäßverschluss mit Großzehengangrän links und einer erforderlichen Intervention (03/2018), sodass die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr vorliegt.

Die Angaben der Beschwerdeführerin waren sohin geeignet, das der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Sachverständigengutachten zu entkräften und eine geänderte Beurteilung herbeizuführen.

Zur Erörterung der Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II 3.1.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG).

Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpaß berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpaß auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpaß einzuziehen. (§ 43 Abs. 1 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

--erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

--erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

--erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

--eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

--eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen. (§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen. (§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird u.a. Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht. (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014, 2012/11/0186 vom 27.01.2015)

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032, 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186), sind auch die Art und das Ausmaß der bestehenden Schmerzen sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu berücksichtigen.

Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen geeignet darzutun, dass die der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte gutachterliche Beurteilung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß des Beschwerdeführers entspricht.

Die Einschränkungen der Beschwerdeführerin wirken sich maßgeblich negativ auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus.

Die Sachverständige führt fachärztlich überzeugend aus, dass in Gesamtschau auf Grundlage sämtlicher vorgelegter Unterlagen und Sachverständigengutachten die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nun vorliegen.

Da festgestellt worden ist, dass der Leidenszustand der Beschwerdeführerin in seiner Gesamtheit die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwert und die dauernden Gesundheitsschädigungen somit ein Ausmaß erreichen, welches die Eintragung des Zusatzes "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht bestritten. Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Das Beschwerdevorbringen war - wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt - geeignet, relevante Bedenken an den Feststellungen der belangten Behörde hervorzurufen. Die vorgebrachten Argumente wurden im eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt und resultiert daraus die geänderte Beurteilung. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung einerseits von Tatsachenfragen abhängt. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen. Andererseits sind Rechtsfragen zu lösen, welchen keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stützen.

In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird ausgeführt, dass damit präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden sollen. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. Es war sohin keine - von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende - Neuregelung beabsichtigt.

Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W162.2009346.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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