Entscheidungsdatum
03.07.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W200 2178286-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 20.10.2017, OB: 41903027600032, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die beschwerdeführende Partei besitzt einen Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60%.
Das vom Sozialministeriumservice eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 19.07.2017, das die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung darstellt, ergab im Wesentlichen, dass der Beschwerdeführer von Funktionseinschränkungen betroffen sei, nämlich Degenerative Gelenksveränderungen, Veränderungen an rechtem Schulter- und rechtem Ellenbogengelenk, linkem Kiefergelenk und Veränderungen an der Wirbelsäule mit Funktionseinschränkungen, jedoch ohne Muskelverschmächtigungen oder nachweisbaren schwerwiegenden Nervenausfallserscheinungen (Leiden 1), Chronisch obstruktive Lungenerkrankung GOLD III bei weitgehend stabilem Zustand ohne Erfordernis stationärer Aufenthalte (Leiden 2), wiederholte Divertikulose, Gastritis mit Erfordernis wiederholter konservativer Therapien, jedoch überdurchschnittlicher Ernährungszustand; allergische Reaktion mit Schwellung im Mundbereich und Pilzinfektionen nach Therapien werden mitberücksichtigt (Leiden 3), Hypertonie, Carotissklerose (Leiden 4), Hämorrhoiden bei Zustand nach wiederholten Operationen, Analekzem, wiederholten Durchfällen mit Stuhlverlust (Leiden 5) sowie wiederholte Prostatits, Reizblase (Leiden 6).
Zum klinischen Status wurde im Gutachten im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
"Klinischer Status - Fachstatus:
Allgemeinzustand: unauffällig,
Ernährungszustand: adipös,
Größe: 176 cm, Gewicht: 85 kg, Blutdruck: 150/90
Atmung: reguläre Atemfrequenz in Ruhe, Lymphknotenstatus: keine vergrößerten Lymphknoten tastbar; Schädel: Augen: Pupillen isokor, mittelweit, prompte Lichtreaktion, Brillenversorgung; Zähne: OK- und UK-Teilprothese; Halsorgane: Arterien: bds. tastbar; Venen: nicht gestaut; Schilddrüse: unauff. Tastbefund; Thorax: symmetrisch,
Lunge: vesikuläre Atmung, Basen gut atemverschieblich; Herz:
Herztöne rein, rhythmisch; Abdomen: über Thoraxniveau, Bauchdecken:
weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen; Leber: nicht tastbar
Nierenlager: frei; Wirbelsäule: untere BWS klopfempfindlich, ISG bds. frei, HWS: frei beweglich, Seitneigen Rumpf: symmetrisch frei,
Finger-Boden-Versuch: -20cm, Beugen und Aufrichten schmerzhaft, Zehenspitzen-, Fersen- und Einbeinstand bds. durchführbar;
Extremitäten: Obere Extremitäten: Grobe Kraft: seitengleich,
Faustschluss: re komplett, li. Dig IV nicht komplett; Spitzgriff und Fingerspreizen bds. frei, Gelenke äußerlich unauffällig,
Schultergelenke: re: Anteversion 90°, Abduktion 80°, li. endlagig eingeschränkt in allen Ebenen, Ellenbogengelenk: re. Beugen endlagig eingeschränkt, kein Streckdefizit, li. frei beweglich; weitere
Gelenke frei beweglich, Sensibilität: beidseits gleich, Keine signifikante Umfangdifferenz, Narbenbildungen: re. Schulter, re. Ellenbogen, li. Hand (Dupytrensche Kontraktur)
Untere Extremitäten: Aktives Heben bds. endlagig eingeschränkt;
Hüftgelenke: Beweglichkeit beidseits nicht eingeschränkt;
Kniegelenke: bds. frei beweglich,; Sprunggelenke: beidseits ohne Einschränkung; Knie anheben beidseits über 20cm möglich: ja; Kraft:
grobe Kraft beidseits vorhanden; grob neurologisch unauffällig, periphere Pulse bds. nicht tastbar, geringe Varikose bds. UE, kühle
UE, keine trophischen Störungen, Beschwielung: seitengleich typisch
Gesamtmobilität - Gangbild:
Trägt bequeme Konfektionsschuhe, selbständiges An-/Ausziehen teils im Sitzen teils im Stehen möglich, Transfer Untersuchungsliege selbständig, wohnt in einem Einfamilienhaus mit 1 Stockwerk, Stiegen steigen mit Anhalten, Pause nach 1 Stockwerk notwendig; bekleiden zu Hause mit Hilfe, Körperpflege selbständig bis auf Abtrocknen des Rückens durch die Frau; WC selbständig; führt die Frau mit dem Auto zur Arbeit und zum Einkaufen; Gangbild frei, flüssig, sicher, harmonisches Gangbild
Status Psychicus:
orientiert, Gedächtnis, Auffassung und Aufmerksamkeit unauffällig, Stimmung belastet [...]
Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Leiden 2 schränkt die Mobilität ein, aber nicht so, dass die nachgefragten Funktionen auf erhebliche Art und Weise erschwert bzw. verunmöglicht würden.
Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein [...]"
Am 16.08.2017 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel". Darin führte er aus, dass er laut fachärztlichem Befund an COPD Gold III leide, was für ihn Pausen beim Gehen im Abstand von höchstens 70 Metern bedeute. Aufgrund dieser starken körperlichen Einschränkungen sei die Benützung eines KFZ für ihn unabdingbar (Einkäufe, Arztbesuche, etc.). Überdies befinde sich die nächste Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels 800 Meter von seinem Wohnsitz entfernt.
Das Sozialministeriumservice holte in weiterer Folge eine Stellungnahme der mit dem zuvor wiedergegebenen Gutachten befassten Ärztin für Allgemeinmedizin (vom 19.10.2017) ein, welche Folgendes ergab:
"Trotz pulmonaler Einschränkungen erscheint eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne Hilfsmittel bewältigbar. Ein- und Aussteigen ist möglich. Der sichere Transport ist aufgrund der ausreichenden Greiffunktion und Kraft in den oberen Extremitäten gegeben. Eine erhebliche dauerhafte Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit ist nicht dokumentiert. Der Ernährungszustand ist konstant. Der Antragwerber ist im Alltag weitgehend selbständig. Es liegt somit keine durchgehende körperliche Schwäche in einem Ausmaß vor, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel als unzumutbar beurteilt werden kann.
Es liegt kein dauerhaftes, hochgradiges Immundefizit vor, das eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit anhaltend einschränkt.
Ebenso ist der psychische Zustand stabil, die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel ist zumutbar."
Mit Bescheid des Sozialministeriumservice vom 20.10.2017 wurde der gegenständliche Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde auf die eingeholten Gutachten vom 20.07. und 19.10.2017 verwiesen.
Im Rahmen der dagegen erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass dem Beschwerdeführer die Invaliditätspension rückwirkend mit Jänner 2017 zugesprochen worden sei. Im diesbezüglichen Verfahren sei festgestellt worden, dass er keine, auch nicht leichte, Arbeiten mehr verrichten könne. Außerdem sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer jederzeit ein WC in der Nähe aufsuchen können müsse. Dies wäre aber durch die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel (lange Gehstrecke zum öffentlichen Verkehrsmittel, Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln) nicht möglich.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 60 von Hundert.
1.2. Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
Status:
Ernährungszustand: adipös.
Atmung: reguläre Atemfrequenz in Ruhe.
Lymphknotenstatus: keine vergrößerten Lymphknoten tastbar.
Kopf: Augen: Pupillen isokor, mittelweit, prompte Lichtreaktion, Brillenversorgung.
Zähne: OK- und UK-Teilprothese.
Hals: Arterien: bds. tastbar; Venen: nicht gestaut; Schilddrüse:
unauff. Tastbefund.
Thorax: symmetrisch; Lunge: vesikuläre Atmung, Basen gut atemverschieblich.
Herz: Herztöne rein, rhythmisch.
Abdomen: über Thoraxniveau; Bauchdecken: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen. Leber: nicht tastbar; Nierenlager: frei.
Wirbelsäule: untere BWS klopfempfindlich, ISG bds. frei; HWS: frei beweglich; Seitneigen Rumpf: symmetrisch frei; Finger-Boden-Versuch:
-20cm, Beugen und Aufrichten schmerzhaft, Zehenspitzen-, Fersen- und Einbeinstand bds. durchführbar.
Obere Extremitäten: Grobe Kraft: seitengleich; Faustschluss: re. komplett, li. Dig IV nicht komplett; Spitzgriff und Fingerspreizen bds. frei, Gelenke äußerlich unauffällig; Schultergelenke: re:
Anteversion 90°, Abduktion 80°, li. endlagig eingeschränkt in allen Ebenen; Ellenbogengelenk: re. Beugen endlagig eingeschränkt, kein Streckdefizit, li. frei beweglich; weitere Gelenke frei beweglich;
Sensibilität: beidseits gleich, keine signifikante Umfangdifferenz;
Narbenbildungen: re. Schulter, re. Ellenbogen, li. Hand (Dupytrensche Kontraktur).
Untere Extremitäten: Aktives Heben bds. endlagig eingeschränkt;
Hüftgelenke: Beweglichkeit beidseits nicht eingeschränkt;
Kniegelenke: bds. frei beweglich; Sprunggelenke: beidseits ohne Einschränkung; Knie anheben beidseits über 20cm möglich: ja; Kraft:
grobe Kraft beidseits vorhanden; grob neurologisch unauffällig, periphere Pulse bds. nicht tastbar, geringe Varikose bds. UE, kühle UE, keine trophischen Störungen; Beschwielung: seitengleich typisch.
Gesamtmobilität - Gangbild: Trägt bequeme Konfektionsschuhe, selbständiges An- und Ausziehen teils im Sitzen teils im Stehen möglich, Transfer Untersuchungsliege selbständig, wohnt in einem Einfamilienhaus mit 1. Stockwerk, Stiegen steigen mit Anhalten, Pause nach 1 Stockwerk notwendig; bekleiden zu Hause mit Hilfe, Körperpflege selbständig bis auf Abtrocknen des Rückens durch die Frau; WC selbständig; führt die Frau mit dem Auto zur Arbeit und zum Einkaufen; Gangbild frei, flüssig, sicher, harmonisches Gangbild.
Status Psychicus: orientiert, Gedächtnis, Auffassung und Aufmerksamkeit unauffällig, stabil.
Funktionseinschränkungen:
Degenerative Gelenksveränderungen, Veränderungen an rechtem Schulter- und rechtem Ellenbogengelenk, linkem Kiefergelenk und Veränderungen an der Wirbelsäule mit Funktionseinschränkungen, jedoch ohne Muskelverschmächtigungen oder nachweisbaren schwerwiegenden Nervenausfallserscheinungen; Chronisch obstruktive Lungenerkrankung GOLD III bei weitgehend stabilem Zustand ohne Erfordernis stationärer Aufenthalte; wiederholte Divertikulose, Gastritis mit Erfordernis wiederholter konservativer Therapien, jedoch überdurchschnittlicher Ernährungszustand, allergische Reaktion mit Schwellung im Mundbereich und Pilzinfektionen nach Therapien werden mitberücksichtigt; Hypertonie, Carotissklerose; Hämorrhoiden bei Zustand nach wiederholten Operationen, Analekzem, wiederholten Durchfällen mit Stuhlverlust; wiederholte Prostatits, Reizblase.
1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Es kommt zwar aufgrund des Leidens "chronisch obstruktive Lungenerkrankung GOLD III bei weitgehend stabilem Zustand ohne Erfordernis stationärer Aufenthalte", das schon anlässlich der Untersuchung vom 15.05.2017 bekannt war und im Gutachten unter lf. Nr. 2) erfasst wurde, zu einer Mobilitätseinschränkung. Es liegt jedoch keine derart große Einschränkung vor, dass die entscheidenden Funktionen auf erhebliche Art und Weise erschwert bzw. verunmöglicht würden. Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 300 - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen. Die körperliche Belastbarkeit ist ausreichend vorhanden. Eine erhebliche dauerhafte Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit ist nicht dokumentiert.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich - auch im Zusammenwirken - nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der Mobilität durch die festgestellten Funktionseinschränkungen. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Es besteht auch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, es besteht keine schwere Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems oder der Lunge.
Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist einwandfrei möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.
Beim Beschwerdeführer liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.
Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
2. Beweiswürdigung:
Zur Klärung des Sachverhaltes waren von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.07.2017 samt Stellungnahme vom 19.10.2017 eingeholt worden. In beiden Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt und kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Die Leiden führen laut Gutachten nachvollziehbar nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken sowie zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bzw. einer Sinnesbeeinträchtigung. Demnach liegt zwar eine pulmonale Einschränkung (durch die chronisch obstruktive Lungenerkrankung GOLD III) vor. Auf Grund des objektivierbaren Ausmaßes beziehungsweise der körperlichen Leistungsfähigkeit liegt jedoch keine erhebliche Einschränkung der Gehstrecke sowie des Ein- und Aussteigens und des Transports bei der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel vor.
Ein sicheres Anhalten ist ebenfalls möglich, da eine ausreichende Greiffunktion und Kraft in den oberen Extremitäten vorliegen. Eine erhebliche dauerhafte Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit ist nicht dokumentiert. Der Beschwerdeführer ist im Alltag weitgehend selbständig. Es liegt somit keine durchgehende körperliche Schwäche in einem Ausmaß vor, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel als unzumutbar beurteilt werden könnte.
Es liegen keine erheblichen Einschränkungen körperlicher Belastbarkeit bzw. psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vor und auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems.
Zum Beschwerdevorbringen, wonach dem Beschwerdeführer im Zuge der Untersuchung zur Invaliditätspension attestiert worden sei, dass er keine Arbeiten mehr verrichten könne, ist festzuhalten, dass dieses nicht geeignet ist, das Ergebnis der medizinischen Untersuchung vom 15.05.2017 samt den erstellten Gutachten in Zweifel zu ziehen und das Augenmerk der Untersuchungen auf verschiedenen Bereichen liegt. Eine allfällige Untersuchung über die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers hat keinerlei Beweiswert für die verfahrensgegenständliche Beurteilung der beantragten Zusatzeintragung in den Behindertenpass. Vielmehr wurden genau zu diesem Zweck die zitierten Gutachten eingeholt.
Auch hinsichtlich des Vorbringens, wonach festgestellt worden sei, dass der Beschwerdeführer jederzeit ein WC in der Nähe aufsuchen können müsse, ist festzuhalten, dass eine derart schwerwiegende Durchfallsneigung oder Harn-/Stuhlinkontinenz, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung bei der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel führen könnte, aus den eingeholten Gutachten (die Krankheiten des Beschwerdeführers waren bereits anlässlich der Untersuchung vom 15.05.2017 bekannt) nicht hervorgeht. Überdies hat der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde keinerlei Befunde hierüber vorgelegt.
Eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit sowie eine Funktionsbeeinträchtigung der unteren Extremitäten kann der erkennende Senat unter Zugrundelegung der schlüssigen ärztlichen Gutachten bei dem Beschwerdeführer nicht erkennen.
Aus den Gutachten ergeben sich auch keinerlei Hinweise auf maßgebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen.
In den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten wird auf den Zustand des Beschwerdeführers ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich somit ein nachvollziehbares Bild des Zustandes des Beschwerdeführers. Er ist den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, welche zum gleichen Ergebnis gelangen, nicht auf gleicher fachlicher Ebene ausreichend konkret entgegengetreten. Anhaltspunkte für eine Befangenheit der Sachverständigen liegen nicht vor.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).
Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:
Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:
Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-
arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-
Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-
hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-
Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-
COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-
Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-
mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Beim Beschwerdeführer liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
Die allfällige Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung außer Haus (Schuheinlagen, Gehstock, Stützkrücke, orthopädische Schuhe) ist - da die Funktionalität der oberen Extremitäten beim Beschwerdeführer ausreichend gegeben ist - zumutbar und bedingt kein relevantes Hindernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Es ist beim Beschwerdeführer von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen, die vorgebrachte Einschränkung der Gehstrecke konnte nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Antrag vom 24.07.2017 zur Entfernung der nächsten Haltestelle wird auf das Erkenntnis des VwGH vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0013 verwiesen:
Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände wie die Entfernung zwischen der Wohnung und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (Hinweis E vom 22. Oktober 2002, 2001/11/0258).
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)
Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z.1 VwGVG)
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Zur Klärung des Sachverhaltes waren von der belangten Behörde Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin eingeholt worden. In dem vorzitierten Gutachten samt Stellungnahme wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt und übereinstimmend das Nichtvorliegen der Voraussetzungen - konkret das Nichtvorliegen erheblicher Funktionseinschränkungen - für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung festgestellt.
Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden die Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre - wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, ist das unsubstantiierte Beschwerdevorbringen - in Anbetracht der Ausführungen in den Sachverständigengutachten - nicht geeignet darzutun, dass eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorliegt, und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W200.2178286.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.07.2018