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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §37;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):98/13/0166 E 22. März 2000 2000/15/0102 E 22. September 2000 99/15/0180 E 22. September 2000Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fössl, über die Beschwerde
1.) der Rechtsanwaltsgemeinschaft Dr. M und Mitgesellschafter, 2.) des Dr. M und 3.) des Dr. D, alle in W, alle vertreten durch Dr. Georg Walderdorff und Dr. Raimund Cancola, Rechtsanwälte in Wien III, Schwarzenbergplatz 7, gegen den Beschied der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 29. Juni 1998, GZ RV/111-16/07/97, betreffend Feststellung von Einkünften für 1990, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtenen Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer sind Gesellschafter der erstbeschwerdeführenden Anwaltsgesellschaft. Die Erstbeschwerdeführerin wechselte die Gewinnermittlungsart zum 1. Jänner 1990 von der Ermittlung nach § 4 Abs 3 EStG zu der nach § 4 Abs 1 EStG. Für den durch den Wechsel der Gewinnermittlungsart entstandenen Übergangsgewinn in Höhe von S 16,254.893,--wurde der ermäßigte Steuersatz im Sinne des § 37 Abs 2 Z 3 EStG in Anspruch genommen.
Nach einer Betriebsprüfung wurde am 16. Juli 1996 das Verfahren hinsichtlich der Einkünfte des Jahres 1990 wieder aufgenommen und ein (berichtigter) Gewinnfeststellungsbescheid für 1990 erlassen. In diesem Bescheid wurde die begehrte Anwendung des begünstigten Steuersatzes für den bezeichneten Übergangsgewinn versagt.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde unter anderem ausgeführt, der Prüfer habe sich zur Begründung seiner Vorgangsweise auf einen noch nicht veröffentlichten Erlassentwurf des Bundesministers für Finanzen gestützt, wonach eine Außerordentlichkeit des Übergangsgewinnes nur vorliegen könne, wenn der Übergangsgewinn im Wesentlichen aus Forderungen resultiere, die bei fortgedachter Gewinnermittlung verteilt zu erfassen wären. Nach umfangreichen Hinweisen auf Rechtsprechung und fachliterarische Beiträge wurde in der Berufung die Auffassung vertreten, wenn die Anforderungen, die der Verwaltungsgerichtshof an die Außerordentlichkeit der Einkünfte stelle, auch auf Übergangsgewinne anzuwenden gewesen wären, so hätte weder die Einführung der "Sieben-Jahres-Frist" durch das EStG 1988 Sinn gehabt noch hätte im Zusammenhang mit dem Entfall des ermäßigten Steuersatzes für Übergangsgewinne durch das Steuerreformgesetz 1993 auf die Praxis hingewiesen werden müssen, wonach vor allem bei Freiberuflern ein Wechsel der Gewinnermittlung vielfach nicht aus betrieblichen Gründen, sondern aus steuerlichen Erwägungen vorgenommen werde. Bei den Beschwerdeführern sei die im Gesetz geforderte Sieben-Jahres-Frist erfüllt; der Übergangsgewinn falle zusammengeballt und zusätzlich zum laufenden Ergebnis des Jahres 1990 an. Weiters wurde in der Berufung geltend gemacht, dass das Bundesministerium für Finanzen seit der Erlassung des Erstbescheides vom 28. Oktober 1992 seine Rechtsanschauung geändert habe, was der Bestimmung des § 307 Abs 2 BAO widerspreche.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, beim Wechsel der Gewinnermittlungsart von "§ 4 Abs 3 auf § 4 Abs 1 und umgekehrt" gehe es nur um den Ausgleich von zeitlich unterschiedlich erfassten Einkünften. § 37 EStG diene dazu, eine dadurch hervorgerufene Progressionsspitze auszugleichen. Damit es überhaupt zu Progressionsspitzen komme, müssten die im Übergangsgewinn erfassten Einkünfte auch außerordentliche sein. Die Außerordentlichkeit werde nicht fingiert, sondern müsse als allgemeines Tatbestandsmerkmal erfüllt sein. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müsse es zu einer Zusammenballung von Forderungen von mehr als zwei Kalenderjahren kommen. Bestehe der Übergangsgewinn in erster Linie aus Forderungen des vorausgegangenen Kalenderjahres, so sei die Außerordentlichkeit nicht gegeben, weil es im Übergangsjahr lediglich zu einer Zusammenballung von Forderungen des Vorjahres (im Übergangsgewinn) und von Forderungen des Übergangsjahres (im laufenden Gewinn) komme. Im Beschwerdefall bestehe der Übergangsgewinn zu mehr als 92 % aus Forderungen, die noch im Jahr 1990 eingegangen sind. Bei "fortgedachter Gewinnermittlung nach § 4 (3) EStG" seien diese Forderungen ohnehin überwiegend im Jahr 1990 zu versteuern gewesen. Ein Ausgleich einer durch den Wechsel der Gewinnermittlungsart erhöhten Steuerprogression sei daher nicht geboten gewesen, weil es im Jahr 1990 zu keiner außerordentlich erhöhten Progression gekommen sei.
Soweit sich die Beschwerdeführer auf die Bestimmung des § 307 Abs 2 BAO stützten, wurde von der belangten Behörde darauf verwiesen, dass der Erlass des BMF "vom 30.4.1997, AÖFV 133/1997" im Zeitpunkt der Erlassung des Sachbescheides noch nicht veröffentlicht war. Ein Erlassentwurf, auf den sich der Prüfer offensichtlich gestützt habe, stelle aber keine allgemeine Weisung iSd § 307 Abs 2 BAO dar. Überdies sei die erstmalige Äußerung einer Rechtsansicht keine Änderung der Rechtsauslegung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die für den Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des § 37 EStG 1988, BGBl Nr 400, lauteten in der für das Streitjahr
1990 noch geltenden ursprünglichen Fassung:
Ermäßigte Steuersätze
§ 37. (1) Der Steuersatz ermäßigt sich
1. für außerordentliche Einkünfte (Abs 2),
. . .
auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden
Durchschnittssteuersatzes.
(2) Außerordentliche Einkünfte sind nur:
1. . . .
3.
Gewinne, die infolge eines Wechsels der Gewinnermittlungsart entstehen, wenn der Steuerpflichtige überdies im Falle eines freiwilligen Wechsels die Gewinnermittlungsart mindestens sieben Jahre beibehalten hat.
In den Erläuterungen der Regierungsvorlage ist hiezu ausgeführt (621 BlgNR 17. GP):
Bei den Veräußerungsgewinnen im Sinne des § 24, den Übergangsgewinnen und den Entschädigungen im Sinne des § 32 Z 1 ist eine "Sperrfrist" von sieben Jahren vorgesehen. Dieser Maßnahme liegt - neben der herbeigeführten generellen Tarifsenkung - die Überlegung zugrunde, dass eine Minderung der Progression erst bei einer erheblichen Zusammenballung von Einkünften gerechtfertigt ist. Die "Sperrfrist" bezieht sich bei Veräußerungsgewinnen auf den Zeitraum zwischen dem letzten entgeltlichen Erwerb oder der Eröffnung und der Veräußerung (Aufgabe) eines Betriebes. Soweit auf Grund unentgeltlicher Betriebsübertragung die Buchwerte fortzuführen waren, sind die Zeiträume zusammenzurechnen. Auf den Übergangsgewinn ist der ermäßigte Steuersatz im Falle eines freiwilligen Wechsels der Gewinnermittlungsart nur anzuwenden, wenn die Gewinnermittlung sieben Jahre beibehalten worden ist.
§ 37 EStG 1988 regelt seiner Überschrift nach als Tarifbestimmung die Anwendung ermäßigter Steuersätze. Anders als der mit "Steuersätze bei außerordentlichen Einkünften" überschriebene § 37 EStG 1972 bezieht sich § 37 EStG 1988 nicht seinem gesamten Inhalt nach auf außerordentliche Einkünfte. Vielmehr sind im Abs 1 der in Rede stehenden Gesetzesstelle außerordentliche Einkünfte als einer von insgesamt vier Tatbeständen angeführt. Im Abs 2 sind in näherer Ausführung des Abs 1 Z 1 die außerordentlichen Einkünfte taxativ bezeichnet. Hinsichtlich von Gewinnen auf Grund eines freiwilligen Wechsels der Gewinnermittlungsart ist dabei im Gesetz außer der Einhaltung der Sperrfrist von sieben Jahren keine weitere Voraussetzung enthalten.
Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, dass ein Übergangsgewinn nur dann mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 37 EStG 1988 besteuert werden könne, wenn es zu einer Zusammenballung von Forderungen aus mehr als zwei Kalenderjahren gekommen sei. Sie hat sich dabei im Wesentlichen auf das hg Erkenntnis vom 16. November 1993, Zl 90/14/0119, gestützt. Darin war ausgesprochen worden, dass sich die gesetzliche Voraussetzung der "Außerordentlichkeit" iSd § 37 EStG 1972 nicht darin erschöpft habe, dass es sich der Art nach um Einkünfte handelte, die in dieser Aufzählung enthalten waren, sondern dass diesen Einkünften darüber hinaus in jedem konkreten Fall die vom Gesetz für die Anwendung des Steuersatzes des § 37 EStG 1972 sowohl in dessen Abs 1 wie nochmals in dessen Abs 2 ausdrücklich hervorgehobene Eigenschaft des "Außerordentlichen" zukommen müsse. Die "Außerordentlichkeit" werde nicht fingiert, sondern müsse als allgemeines Tatbestandsmerkmal erfüllt sein.
Damit, dass sich die belangte Behörde in dem das Jahr 1990 betreffenden Beschwerdefall auf die Auslegung des § 37 EStG 1972 durch den Verwaltungsgerichtshof stützte, hat sie aber verkannt, dass der Gesetzgeber des EStG 1988 zwar offensichtlich aus historischen Gründen den Begriff der außerordentlichen Einkünfte für einen bestimmten Teil der begünstigten Einkünfte beibehielt, dass er aber die "Außerordentlichkeit" dieser Einkünfte - in Anlehnung an die Rechtsprechung über den Zweck der Vorgängerbestimmungen - im Gesetz durch die Festlegung von Sperrfristen selbst abschließend geregelt hat, wie den oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien zu entnehmen ist. Dass der Gesetzgeber über die im EStG 1988 die Außerordentlichkeit durch diese Sperrfristen definierenden Voraussetzungen des ermäßigten Steuersatzes hinaus im Bereich der Besteuerung eines Übergangsgewinnes noch weitere Umstände in dem von der belangten Behörde gemeinten Sinne verwirklicht wissen wollte, kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Insbesondere kommt es somit im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde nicht darauf an, dass es im Übergangszeitpunkt zu einer Zusammenballung von Forderungen aus mehreren Jahren gekommen sein muss. Auch ist es nicht von Bedeutung, wann die im Übergangszeitpunkt bestandenen Forderungen beglichen worden sind.
Dadurch, das die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie aber den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Damit erübrigte es sich auch, auf die weiteren Beschwerdeeinwendungen näher einzugehen. Soweit dabei in einer lange nach Ablauf der Beschwerdefrist dem Verwaltungsgerichtshof überreichten Ergänzung der Beschwerdeschrift "in eventu" die Unzuständigkeit der belangten Behörde wegen "Überbesetzung der Berufungssenate" releviert wurde, ist dem entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 15. September 1999, Zl 98/13/0153, die Auffassung vertreten hat, es sei durch § 270 Abs 1 BAO nicht ausgeschlossen, dass jedem Berufungssenat eine größere Anzahl von Mitgliedern zugewiesen wird, als zur Besetzung des erkennenden Senates erforderlich ist.
Aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 2. Februar 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998130164.X00Im RIS seit
03.04.2001Zuletzt aktualisiert am
16.05.2013