Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Oberkontrollorin Ponath als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Konrad M***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 9. März 2018, GZ 11 Hv 15/18p-44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Konrad M***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er am 30. November 2017 in S***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoiden Schizophrenie beruht, Wolfgang A***** gefährlich mit dem Tod bedroht hat, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er schreiend auf ihn zustürmte, ihn an der Kleidung packte und dabei mit einem etwa 70 cm langen Eisenrohr gegen ihn „aufzielte“ und dadurch eine Tat begangen hat, die als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit b und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen geht fehl.
Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) macht nicht deutlich, weshalb die von den Tatrichtern aus den Angaben des Zeugen Wolfgang A***** (ON 43 S 4 ff) gezogenen Schlussfolgerungen (US 5 f) den Kriterien folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS-Justiz RS0099413) widersprechen sollten. Dabei haben die Tatrichter auch hinreichend dargelegt (Z 5 zweiter Fall), aus welchen Erwägungen sie den Angaben des Betroffenen nicht gefolgt sind (US 5 erster Absatz). Indem der Beschwerdeführer unter Hinweis auf isoliert hervorgehobene Passagen der Angaben des Tatopfers vor der Kriminalpolizei (ON 6 S 35 ff) für sich günstigere Schlussfolgerungen einfordert, beschränkt er sich darauf, nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Berufung wegen Schuld die Beweiswürdigung des Schöffengerichts zu bekämpfen.
Entgegen dem weiteren Vorbringen (Z 5 vierter Fall) ist auch die aus dem äußeren Tatgeschehen erfolgte Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 7 zweiter Absatz) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit vorliegend nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0098671).
Die wiederholt behauptete Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) könnte nur bei einer (erheblich) unrichtigen oder unvollständigen Wiedergabe des Inhalts einer Urkunde oder einer Aussage vorliegen. Mit den Einwänden, bestimmte Schlussfolgerungen der Tatrichter fänden im Akteninhalt keine Deckung, werden derartige Fehlzitate vom Beschwerdeführer gerade nicht geltend gemacht (RIS-Justiz RS0099431).
Der am 28. November 2017 erfolgte Angriff auf Christian B***** (vgl US 4) war nicht Gegenstand des Unterbringungsantrags (ON 30) und betrifft demnach ebenso wenig eine entscheidende Tatsache wie die Fragen, ob es zum Tatzeitpunkt bereits finster war, der Zeuge A***** eine Stirnlampe trug oder der Betroffene das tatgegenständliche Eisenrohr (auch) als „Didgeridoo“ verwendet hat.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit den Hinweisen auf die Verantwortung des Betroffenen sowie auf sein der Tat vorangegangenes längeres Wohlverhalten und der daraus abgeleiteten Schlussfolgerung, die Feststellungen des Erstgerichts ließen sich „nach menschlichem Ermessen mit [meinem] aktenkundigen Vorleben nicht in Einklang bringen“, keine erheblichen Bedenken an der Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen zu wecken (vgl RIS-Justiz RS0119583).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) orientiert sich nicht an den Konstatierungen zur erkrankungsbedingten Annahme eines gegen den Betroffenen erfolgten Angriffs (US 3, 5 und 9) und leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb bei der Beurteilung der Anlasstat nach § 21 Abs 1 StGB ein auf den Zustand nach § 11 StGB zurückzuführender Irrtum im Sinn des § 8 StGB beachtlich wäre (RIS-Justiz RS0089263, RS0089282; Ratz in WK2 StGB § 21 Rz 18).
Das gegen die Annahme des Vorliegens einer nach § 107 Abs 2 erster Fall StGB qualifizierten Drohung (sohin der Begehung einer mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedrohten Handlung) gerichtete Vorbringen (nominell Z 10, der Sache nach Z 9 lit a) verkennt, dass die Frage, welcher Bedeutungsinhalt einer Äußerung zukommt wie auch die Beurteilung deren Ernstlichkeit, eine im Rahmen der Beweiswürdigung zu lösende Tatfrage – und als solche der Anfechtung mit Rechtsrüge entzogen – ist (RIS-Justiz RS0092437, RS0092588). Indem sich der Beschwerdeführer nicht an den Bezug habenden Feststellungen (US 3 und 7 erster Absatz) orientiert, verfehlt er den gesetzlichen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (vgl dazu RIS-Justiz RS0099810) und beschränkt sich darauf, abermals bloß unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung zu bekämpfen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hierzu erstatteten Äußerung der Verteidigung – bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Textnummer
E121943European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00074.18Y.0627.000Im RIS seit
10.07.2018Zuletzt aktualisiert am
10.07.2018