Entscheidungsdatum
26.06.2018Norm
ASVG §18aSpruch
W229 2109188-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Elisabeth WUTZL als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 30.03.2015, GZ XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden PVA) vom 30.03.2015 wurde der Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin vom 14.10.2013 auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege der behinderten Kinder XXXX (im Folgenden TF), geb. XXXX , und XXXX (im Folgenden RF), geb. XXXX , abgelehnt. Begründend führte die PVA im Wesentlichen aus, da die Beschwerdeführerin ihre Kinder laut der von ihr abgegebenen Erklärung überwiegend erziehe, erwerbe sie ab dem Monatsersten nach der Geburt des Kindes bis zum Höchstausmaß von 48 Kalendermonaten (im Fall einer Mehrlingsgeburt 60 Kalendermonate) Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung. Aufgrund des fachärztlichen Begutachtungsergebnisses werde ihre Arbeitskraft durch die Pflege ihrer Kinder nicht gänzlich beansprucht. Ihr Sohn TF habe an Diabetes insipidus, ihr Sohn RF an einer angeborenen Dickdarmerkrankung (Morbus Hirschsprung) gelitten. Aus allgemeinmedizinischer Sicht sei für ihren Sohn TF vom Neugeborenenalter nur bis zum 7. Lebensmonat eine vermehrte Pflege und Betreuung erforderlich. Für ihren Sohn RF sei aus allgemeinmedizinischer Sicht nach der Hemikolectomie 1991 eine vermehrte Pflege und Betreuung nicht nachvollziehbar. Es sei somit die Berechtigung zur Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG nicht gegeben. Ihr Antrag sei daher abzulehnen gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, der über all die Jahre das Kind betreuende Allgemeinmediziner und Hausarzt XXXX beschreibe in seiner ärztlichen Stellungnahme die tatsächliche Problematik, wie sie nach der durchgeführten Operation und während der gesamten Kindheit von RF gegeben gewesen sei. Der ärztliche Bericht von XXXX /LKH Leoben vom 26.05.1998, betreffend RF, stütze den Bericht des Hausarztes XXXX und umreiße auch die zeitliche Begrenzung der ursprünglich von der Kinder Chirurgie/LKH Graz angenommenen Behinderung 50 von 100 bei RF. Die hormonelle Instabilität bei TF sei während der gesamten Kindheit gegeben gewesen. TF sei von seiner Mutter, der Beschwerdeführerin, mit wesentlich erhöhtem Aufwand betreut worden, weil die bei Diabetes insipidus (Harnruhr) auftretenden erhöhten Wasserausscheidungen sehr rasch zu einer Entgleisung des körpereigenen Flüssigkeitshaushaltes führen können. Aus dem Zusammentreffen der Behinderungen der beiden genannten Kinder ergebe sich die gänzliche Beanspruchung einer Arbeitskraft.
3. Die Beschwerde wurde gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz VwGVG dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt. In der Stellungnahme führte die PVA ergänzend aus, durch die abgegebene Erklärung der Beschwerdeführerin ihre Kinder RF und TF überwiegend erzogen zu haben, erwerbe sie ab dem Monatsersten nach der Geburt des Kindes bis zum Höchstausmaß von 48 Kalendermonaten Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung. Der frühestmögliche Zeitpunkt für eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für die Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes sei daher der 01.10.1993 (Geburtstermin des jüngsten Kindes TF, geboren XXXX , der darauffolgende Monatserste= 01.10.1989 +48 Kalendermonate, somit bis 30.09.1993). Eine fachärztliche Begutachtung für den Sohn TF habe ergeben, dass vom Neugeborenenalter nur bis zum siebten Lebensmonat eine vermehrte Pflege und Betreuung erforderlich gewesen sei. Für den Sohn RF sei aus allgemein medizinischer Sicht nach der Hemicolektomie 1991 eine vermehrte Pflege und Betreuung nicht nachvollziehbar. Aufgrund der vorgelegten medizinischen Unterlagen sei laut Stellungnahme des Landesstellenchefarztes keine Behinderung ableitbar, die eine Selbstversicherung nach § 18a ASVG begründen würde. Auch die mit der Beschwerde vorgelegten Befunde seien einerseits zum Begutachtungszeitpunkt bereits bekannt bzw. hätten nach neuerlicher Vorlage der Oberbegutachtung keine Änderung der erstellten Gutachten ergeben. Ergänzend werde ausgeführt, dass der Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes für TF und RF jeweils lediglich für den Zeitraum vom März 1994 bis März 2002 durch das zuständige Finanzamt Graz-Umgebung nachgewiesen worden sei. Da für die Kinder TF und RF eine ständige persönliche Hilfe bzw. ein besonderer Pflegebedarf nicht notwendig sei, liegen die Voraussetzungen für die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG bei der Beschwerdeführerin nicht vor.
4. Nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht erstattete die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zur im Rahmen der Beschwerdevorlage getätigten Äußerung der PVA und brachte vor, sie habe einen Antrag auf Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG für den Zeitraum März 1994 bis März 2002 gestellt, mit der Begründung, dass es ihr in diesem Zeitraum durch den Pflegeaufwand für ihre gesundheitlich beeinträchtigten Kinder RF und TF unmöglich gewesen sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie habe alle ihr aus dieser Zeit noch zur Verfügung stehenden Dokumente vorgelegt. Ihr Sohn RF habe ihre intensivste Zuwendung bis zu Beginn der Pubertät gebraucht, um die Folgen der teilweise als traumatisch erlebten Darmspülungen zu überwinden. Er habe auf kleinste Veränderungen und Abweichungen in seiner Umwelt immer wieder über den Verdauungstrakt reagiert, habe Konzentrationsschwierigkeiten und Lernprobleme in der Schule gehabt und ins Bett genässt. Er sei lange ein sehr verschlossenes, extrem schwer zugängiges Kind gewesen. Hätte sie sich damals nicht so sehr um ihn bemüht, ihn gefördert, ihm die Sicherheit ihrer Anwesenheit gegeben, könnte er heute höchstwahrscheinlich nicht in der normalen Arbeitswelt bestehen. Bei TF sei in den ersten Lebenswochen die Diagnose "De-Morsier Syndrom" im Raum gestanden. Er habe an einer Fehlfunktion der Nieren gelitten, weil das Hormon vom Hinterlappen der Hypophyse gefehlt habe. Ihm seien damals von der Beschwerdeführerin zweimal täglich Injektionen verabreicht worden. Es habe eine Rückbildung der Sehnerven begonnen, was im Rahmen einer Untersuchung an der Univ. Augenklinik Graz im Jänner 1990 festgestellt worden sei. Durch den Einsatz von Alternativmedizin (Homöopathie) habe die körpereigene Hormonproduktion angeregt werden können und das Zuführen (spritzen) des künstlichen Hormones abgesetzt werden können. Eine genaueste Überwachung der Urinausscheidung des Kindes und unregelmäßige Kontrollen an der Univ. Kinderklinik Graz seien trotzdem über einen längeren Zeitraum bestehen geblieben, und keineswegs nach dem sechsten Lebensmonat vorbei gewesen. Die Rückbildung der Sehnerven habe zum Glück gestoppt. Bei TF sei auch eine Balkenhypoplasie festgestellt worden, d. h., die Verbindung der beiden Gehirnhälften sei nur schwach ausgebildet gewesen. Diese Fehlbildung habe eine verzögerte Entwicklung der Motorik zur Folge gehabt. Was wiederum sehr, sehr viel Einsatz ihrerseits gebraucht habe, um das Kind zu Therapien zu bringen und selbst Zuhause zu fördern. Ebenfalls ins Bild des De-Morsier Syndroms habe seine Anfälligkeit für Fieberkrämpfe gepasst. Das sei besonders stressig in Zusammenhang mit seiner extremen Anfälligkeit für diverse Infektionskrankheiten gewesen. Bei TF habe sich mit beginnender Pubertät eine Stabilisierung gezeigt. Die Beschwerdeführerin möchte nicht bewerten für welches Kind ihr Einsatz größer gewesen sei. In Summe sei es ein Fulltimejob gewesen, was damals für ihre beiden Söhne zu tun gewesen sei. Bei den Untersuchungen für das Ansuchen um die erhöhte Kinderbeihilfe hätten das die Ärzte, dass seien Amtsärzte der BH Graz-Umgebung und Kinderärzte des LKH Leoben, die damals die Kinder in ihrer damaligen Situation gesehen hätten, wohl auch festgestellt und sich nicht der Lehrmeinung angeschlossen, dass z.B. ihr Kind nach einer Hemicolektomie keinen erhöhten Pflegeaufwand hätte.
5. Am 06.12.2017 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes eine öffentlich mündliche Verhandlung durch, an der die Beschwerdeführerin und ein Vertreter der PVA teilnahmen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin hat vier Kinder, XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , RF, geb. XXXX , TF, geb. XXXX .
Die Beschwerdeführerin stellte am 14.10.2013 und am 14.05.2014 bei der PVA einen Antrag auf rückwirkende Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG ab 01.01.1988 für Zeiten der Pflege ihrer Söhne RF und TF, welche bis zumindest 02.09.2012 in einem gemeinsamen Haushalt mit der Beschwerdeführerin in XXXX lebten.
Bei der Beschwerdeführerin liegen von Mai 1986 bis September 1993 Zeiten der Kindererziehung, Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung vor. Im Juli 1994 und ab Juni 2001 bis Februar 2003 erwarb sie Beitragszeiten aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit und einer Umschulung im Rahmen des AMFG. Die Beschwerdeführerin verfügt in den Zeiträumen Oktober 1993 bis Juni 1994 und August 1994 bis Mai 2001 über keine Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung. Der Gatte der Beschwerdeführerin bezog in dieser Zeit für die Söhne TF und RF in dieser Zeit erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG).
RF und TF beide waren nicht von der allgemeinen Schulpflicht befreit.
TF litt von der Geburt an an Diabetes insipidus (Wasserharnruhr), weshalb nach der Geburt ein sechswöchiger stationärer Aufenthalt im Krankenhaus und bis zum ca. 7. Lebensmonat die Gabe von Minirin erforderlich war. Als Nebendiagnose wurde eine Balken-Hypoplasie festgestellt, weshalb in Kombination mit der Diabetes-insipidus-Erkrankung auch mehrfache augenfachärztliche Kontrollen erforderlich waren. Für TF war vom Neugeborenenalter bis zum siebten Lebensmonat eine vermehrte Pflege und Betreuung erforderlich.
RF litt an einer angeborenen Dickdarmerkrankung (Morbus Hirschsprung) und es wurde ihm am 24.01.1991 ein Teil seines Dickdarmes operativ entfernt (Hemikolectomie). Es lag bis in die Pubertät eine ausgeprägte Obstipationsneigung vor. Aus allgemeinmedizinischer Sicht ist nach der Hemicolektomie 1991 eine vermehrte Pflege und Betreuung des RF nicht nachvollziehbar.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichts.
Die Feststellungen zu den Kindern der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem Antrag vom 14.05.2014 und ihren Angaben in der Beschwerdeverhandlung sowie der im Akt einliegenden Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe von 08.06.2000.
Die Anträge der Beschwerdeführerin auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG liegen im Akt ein. Dass die Söhne RF und TF mit der Beschwerdeführerin bis zumindest 02.09.2012 in einem gemeinsamen Haushalt in XXXX lebten, ergibt sich aus den vorgelegten ZMR-Meldeauskünften vom 02.09.2012.
Die festgestellten Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung ergeben sich aus dem verdichteten Versicherungsverlauf vom 20.02.2014 und den damit überstimmenden Angaben der Beschwerdeführerin.
Zur Feststellung betreffend den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe ist auszuführen, dass das zuständige Finanzamt den Bezug derselben zwar erst ab dem 01.03.1994 durch eine Mitteilung bestätigen konnte. Diesbezüglich ist jedoch auszuführen, dass diese Bestätigung auch für die beiden anderen (gesunden) Kinder einen Bezug der Familienbeihilfe erst ab diesem Zeitpunkt bestätigt. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass erst mit Einführungen des ADV Verfahrens schrittweise mit unterschiedlichen Roll-Out-Terminen damit begonnen wurde, dass die Familienbeihilfe durch die Finanzbehörden EDV-unterstützt ausbezahlt wurden (vgl. RV. 766 BlgNR 23. GP, 5). Zuvor wurde die Familienbeihilfe - wie auch von der Beschwerdeführerin bestätigt - durch den Dienstgeber ausbezahlt (vgl. RV. 766 BlgNR 23. GP, 5). Als Beweismittel könnten für die fragliche Zeit somit Gehaltszettel des Dienstgebers dienen. Es kann der Beschwerdeführerin aufgrund des Umstandes, dass der verfahrensgegenständliche Zeitraum 25 Jahre zurückliegt, kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie keine Gehaltszettel ihres Mannes in Vorlage bringen konnte. Beweiswürdigend ist zudem auszuführen, dass bei TF die festgestellte Behinderung von Geburt an bestanden hat. Weiters ist aufgrund der glaubhaften Ausführungen der Beschwerdeführerin, dass sie auch für RF nach der Operation diese beantragt hat und die behandelnden Ärzten bat, diese zu unterzeichnen einerseits anzunehmen, dass ihr die Möglichkeit der Beantragung einer erhöhten Familienbeihilfe bekannt war und andererseits, dass sie diese für auch beantragt hat. Insbesondere konnte die Beschwerdeführerin unaufgefordert zu Protokoll geben, wofür die für RF rückwirkend beantragte Familienbeihilfe von ihr und ihrem Mann verwendet wurde.
Dass die Söhne nicht von der allgemeinen Schulpflicht befreit waren, ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und den vorgelegten Zeugnissen.
Die Art der Behinderungen sowie das Ausmaß der behinderungsbedingt erforderlichen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege ergeben sich aus den von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 19.11.2014, wobei die Art der Behinderungen (Erkrankungen) im gegenständliche Fall unbestritten feststeht.
Die Feststellungen zum Pflegebedarf ergeben sich aus den schlüssigen, nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Gutachten, welche auf die Art der Leiden und die damit im Zusammenhang stehenden notwendigen Pflege- und Hilfeleistungen eingehen. Diesen Gutachten ist die Beschwerdeführerin einerseits nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, andererseits konnten die Ergebnisses des Gutachtens auch aufgrund der von ihr in der Beschwerde und insbesondere in der mündlichen Verhandlung getätigten Angaben nicht in Zweifel gezogen werden. So ist zum Pflegebedarf aufgrund der vorgebrachten motorischen Entwicklungsverzögerungen des TF anzuführen, dass die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung selbst angeben hat, dass nach Vollendung des zweiten Lebensjahres eine Physiotherapie von den Therapeuten nicht mehr für notwendig erachtet wurde und von ihr mit TF auch nicht durchgeführt wurde. Weiters wurde von ihr angegeben, dass darüber hinaus keine Therapien bzw. keine regelmäßige Medikation erforderlich war. Hinsichtlich der von ihr ins Treffen geführten Infektanfälligkeit ist anzuführen, dass diese im Gutachten bereits Berücksichtigung fand. Auch aus den im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten Privathonorare bis Oktober 1993 ergibt sich bloß eine Infektanfälligkeit von fieberhafter Infekt ca. alle zwei Monate.
Auch die Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung bezüglich des RF lassen die Ergebnisse des entsprechenden Gutachtens nicht in Zweifel ziehen. So gab die Beschwerdeführerin zwar glaubhaft an, dass sie RF aufgrund seiner Obstipationsneigung zu jedem Stuhlgang begleitete und aufgrund der Labilität eine intensive Betreuung notwendig war. Jedoch waren demgegenüber nach den Angaben der Beschwerdeführerin weder eine Therapie noch eine regelmäßige Medikation des RF notwendig. Auch musste eine Darmspülung nur einmal durchgeführt werden. Weiters gab die Beschwerdeführerin an, für RF weder gesondert gekocht noch besonders verträgliche Lebensmittel gesondert besorgt zu haben, sondern reichte es aus, die Familienernährung mit verdauungsfördernden Nahrungsmittel entsprechend abzustimmen. Auch beurteilte die Beschwerdeführerin die Volksschulzeit des RF aus gesundheitlicher Sicht als recht gut. Schließlich beruhte der Umstand, dass RF die Volksschule im Rahmen einer Integrationsklasse absolvierte, nach der Beschwerdeführerin nicht auf einem diesbezüglichen krankheitsbedingten Bedarf, sondern habe sie sich gemeinsam mit zwei Freundinnen entschlossen die Kinder in diese Klasse zu geben, da so die Möglichkeit für die Schule bestand, eine dritte Klasse zur eröffnen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 9 Abs. 2 Z. 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend sohin die PVA.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind. In Ermangelung eines entsprechenden Antrages liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Die im gegenständlichen Beschwerdefall zeitraumbezogen maßgebenden Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) lauten wie folgt:
§ 18a ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 189/1955 (außer Kraft getreten am 31.12.2001):
Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes
§ 18a. (1) Personen, die sich der Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden behinderten Kindes, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, widmen und deren Arbeitskraft aus diesem Grund gänzlich beansprucht wird (Abs. 3), können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen. (BGBl. Nr. 294/1990, Art. I Z 7 und Ü. Art. VI Abs. 2) - 1.7.1990.
(2) Die Selbstversicherung ist für eine Zeit ausgeschlossen, während der
1. eine Pflichtversicherung oder Weiterversicherung in einer gesetzlichen Pensionsversicherung oder ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung besteht oder
2. eine Ausnahme von der Vollversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 besteht oder auf Grund eines der dort genannten Dienstverhältnisse ein Ruhegenuß bezogen wird oder
3. eine Ersatzzeit gemäß § 227 Abs. 1 Z 3 bis 6 oder § 227a vorliegt. (BGBl. Nr. 20/1994, Z 6 u. § 553 Abs. 1 Z 2) - 1.7.1993.
(3) Eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 liegt vor, solange das behinderte Kind
1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf,
2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf,
3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 30. Lebensjahres dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf. (BGBl. Nr. 294/1990, Art. I Z 7 und Ü. Art. VI Abs. 2) - 1.7.1990.
(4) Die Selbstversicherung ist in dem Zweig der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz zulässig, in dem der (die) Versicherungsberechtigte zuletzt Versicherungszeiten erworben hat. Werden keine Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz nachgewiesen oder richtet sich deren Zuordnung nach der ersten nachfolgenden Versicherungszeit, so ist die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung der Angestellten zulässig.
(5) Die Selbstversicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, den der (die) Versicherte wählt, frühestens mit dem Monatsersten, ab dem die erhöhte Familienbeihilfe (Abs. 1) gewährt wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der auf die Antragstellung folgt.
(6) Die Selbstversicherung endet mit dem Ende des Kalendermonates,
1. in dem die erhöhte Familienbeihilfe oder eine sonstige Voraussetzung (Abs. 1) weggefallen ist,
2. in dem der (die) Versicherte seinen (ihren) Austritt erklärt hat.
Ab dem erstmaligen Beginn der Selbstversicherung (Abs. 5) gelten die Voraussetzungen bis zum Ablauf des nächstfolgenden Kalenderjahres als erfüllt; in weiterer Folge hat der Versicherungsträger jeweils jährlich einmal festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Selbstversicherung nach Abs. 1 gegeben sind. Der Versicherte ist verpflichtet, den Wegfall der erhöhten Familienbeihilfe dem Träger der Pensionsversicherung binnen zwei Wochen anzuzeigen.
(7) [ ]
§ 669. (1) - (2) [...]
(3) Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a kann auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit seit dem 1. Jänner 1988 die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden, und zwar für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen. § 18 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden."
Zu A) Abweisung der Beschwerde
Im gegenständlichen Fall beantragte die Beschwerdeführerin die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung rückwirkend ab 01.01.1988, weil ihre Söhne RF und TF, für die ihr Gatte von März 1994 bis April 2002 erhöhte Familienbeihilfe bezogen hat, pflegebedürftig gewesen seien.
§ 18a Abs. 1 ASVG setzt für die Anerkennung des Anspruches auf Selbstversicherung voraus, dass für das im beantragten Zeitraum im gemeinsamen Haushalt (im Inland) lebende behinderte Kind erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 FLAG bezogen wird.
Andererseits schränkt § 669 Abs. 3 ASVG den Beginn der freiwilligen Selbstversicherung insofern ein, als eine rückwirkende Anerkennung des Anspruchs bis zum Stichtag (§ 223 Abs. 2 ASVG) lediglich für Zeiten möglich ist, die in den Zeitraum zwischen dem 1. Jänner 1988 und dem 31. Dezember 2012 fallen.
Wie festgestellt und beweiswürdigend hat die Beschwerdeführerin in den Zeiträumen Oktober 1993 bis Juni 1994 und August 1994 bis Mai 2001 keine Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung erworben. Da wie ebenfalls festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt für RF und TF in dieser Zeit erhöhte Familienbeihilfe gewährt worden ist, kommt gem. § 18a Abs 5 ASVG die Selbstversicherung in den Zeiträumen 01.10.1993 bis 30.06.1994 sowie 01.08.1994 bis 30.05.2001 in Frage.
§ 18a Abs. 1 ASVG in der zeitraumbezogen maßgeblichen Fassung zufolge muss weiters die Arbeitskraft gänzlich beansprucht werden. Dies ist gemäß § 18a Abs. 3 Z 1 ASVG der Fall, wenn das behinderte Kind das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf oder gemäß § 18a Abs 3 Z 2 ASVG dann der Fall, solange das behinderte Kind während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf.
Die Söhne der Beschwerdeführerin sind am XXXX und am XXXX geboren. Sie hatten im maßgeblichen Zeitraum das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht noch nicht erreicht bzw. unterlagen später der allgemeinen Schulpflicht. Somit ist im vorliegenden Fall relevant, ob die Söhne der Beschwerdeführerin im maßgeblichen Zeitraum ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedurften.
Die Voraussetzung einer ständigen persönlichen Hilfe und Wartung bzw. besonderen Pflege zu klären, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.11.2005, 2003/08/0261) in erster Linie eine medizinische Fachfrage, die nicht ohne Zuhilfenahme von Gutachten einschlägiger Sachverständiger gelöst werden darf, in denen insbesondere zu klären ist, in welchen Belangen das Kind der persönlichen Hilfe und Wartung bzw. besonderen Pflege bedarf und ob bei Unterbleiben der Betreuung durch den pflegenden Elternteil das Kind im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zu Teil wurde, in seiner Entwicklung benachteiligt und gefährdet wäre.
Das Vorliegen eines Bedarfs ständiger persönlicher Hilfe und Wartung ist nach dem nachträglich eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten jedoch zu verneinen. Die von der belangten Behörde eingeholten fachärztliche Gutachten kommen - ausgehend vom unbestrittenen Vorliegen der Diagnosen Diabetes insipidus und Morbus Hirschsprung - schlüssig und nachvollziehbar zu dem Schluss, dass unter Berücksichtigung des Alters und der spezifischen Behinderung der Kinder eine ständige persönliche Hilfe und besondere Pflege nicht erforderlich war.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. E vom 28.06.2017, Ra 2016/09/0091) hat das Verwaltungsgericht dem Gutachten eines Amtssachverständigen, sofern es nicht unschlüssig ist oder mit den ersichtlichen Tatsachen nicht übereinstimmt, solange zu folgen, als dessen Richtigkeit nicht durch fachlich fundierte Gegenausführungen und Gegenbeweise von vergleichbarem Aussagewert widerlegt wurde.
Die Beschwerdeführerin ist jedoch dem vorliegenden Sachverständigenbeweis, der den oben angeführten Anforderungen entspricht, wie bereits beweiswürdigend ausgeführt nicht auf derselben fachlichen Ebene entgegengetreten und hat wie ebenfalls beweiswürdigend erörtert auch sonst kein Vorbringen erstattet, das die Begutachtungsergebnisse in Zweifel ziehen würde.
Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass sich aus dem Zusammenfallen der Behinderungen der Kinder die gänzliche Beanspruchung ihrer Arbeitskraft ergebe, ist auszuführen, dass im Gutachten im Fall des TF nur von einer vermehrten Pflege und Betreuung bis zum 7. Lebensmonat ausgegangen wird und bei RF bis zur Operation im Jahr 1991. Eine Kumulation der Behinderungen der Söhne führt vor diesem Hintergrund ebenso zu keiner gänzlichen Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin im verfahrensgegenständlich relevanten Zeitraum.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Pensionsversicherung, Pflege, Sachverständigengutachten,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W229.2109188.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.07.2018