Entscheidungsdatum
27.06.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W123 2174952-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde der minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ihre Mutter XXXX , gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2017, 1099774504-152031495/BMI-BFA_SBG_AST_01_KO, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2, 4 und 5 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die minderjährige Beschwerdeführerin, eine afghanische Staatsangehörige, stellte am 20.12.2015, vertreten durch ihre Mutter, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Für die polizeiliche Erstbefragung und die Einvernahme vor der belangten Behörde wird auf den Verfahrensgang der Mutter der Beschwerdeführerin verwiesen. Im Akt der Beschwerdeführerin befinden sich keine sie betreffenden Einvernahmeprotokolle.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 20.09.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Die minderjährige Beschwerdeführerin, geboren am XXXX , vertreten durch ihre Mutter XXXX (W123 2174951-1), nennt sich XXXX und ist Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan. Die Beschwerdeführerin hält sich derzeit gemeinsam mit ihrer Mutter, ihrem Vater und ihren Geschwistern in Österreich auf.
Am 20.12.2015 stellte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem Zeitpunkt war die Beschwerdeführerin minderjährig und ledig.
Die Beschwerdeführerin ist nicht straffällig geworden bzw. strafunmündig.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.06.2018, W123 2174951-1/7E, wurde der Beschwerde der Mutter der Beschwerdeführerin stattgegeben und ihr der Status der Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt. Im Falle der Mutter der Beschwerdeführerin ist kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig.
2. Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Verfahrensakt der Beschwerdeführerin und jenem ihrer Mutter.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG).
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A)
Anhand der Ermittlungsergebnisse war davon auszugehen, dass sich die Mutter der Beschwerdeführerin angesichts ihrer auf ein selbstbestimmtes Leben gerichteten Einstellung ("westliche Gesinnung") aus wohlbegründeter Furcht wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans befindet und in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (vgl. das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.06.2018, W123 2174951-1/7E). Es liegt auch in Bezug auf die Mutter der Beschwerdeführerin keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vor.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Die Beschwerdeführerin ist die Tochter der Beschwerdeführerin XXXX
(W123 2174951-1).
Somit ist die Beschwerdeführerin als Familienangehörige iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 von XXXX zu betrachten.
Gemäß § 34 Abs. 2 iVm Abs. 5 AsylG 2005, hat das Bundesverwaltungsgericht aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 AsylG 2005).
Im vorliegenden Fall wurde der Mutter der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass dieser damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Die Beschwerdeführerin ist in Österreich nicht straffällig geworden bzw. strafunmündig. Gegen die Mutter der Beschwerdeführerin ist kein Asylaberkennungsverfahren anhängig. Der Beschwerdeführerin ist daher nach § 34 Abs. 4 iVm Abs. 5 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, dh der Status der Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl. dazu auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 [2006], 499).
Der Beschwerde war daher stattzugeben und der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2, 4 und 5 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Beschwerdeführerin damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Die Beschwerdeführerin und ihre Mutter stellten ihre Anträge auf internationalen Schutz am 20.12.2015, wodurch insbesondere § 2 Abs. 1 Z 15 und § 3 Abs. 4 AsylG 2005 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall auf diese Anwendung findet; dementsprechend kommt der Beschwerdeführerin bzw. ihrer Mutter eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu, welche sich in eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung umändert, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status der Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.
Ein mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 21 Abs. 7
BFA-VG entfallen, da aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der Beschwerde stattzugeben ist.
Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor (Zur unproblematischen Anwendung des § 34 AsylG 2005 auch im Zusammenhang mit dem Begriff des Familienangehörigen gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 im Familienverfahren siehe etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2007, 2007/20/0281; 09.04.2008, 2008/19/0205; 25.11.2009, 2007/01/1153; 24.03.2011, 2008/23/1338; 06.09.2012, 2010/18/0398).
Schlagworte
Asylgewährung von Familienangehörigen, FamilienverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W123.2174952.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.07.2018