TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/2 W265 2166679-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.07.2018
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Entscheidungsdatum

02.07.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W265 2166679-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung 24.05.2018 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 15.12.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 17.12.2014 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er u.a. an, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken zu sein. Befragt dazu, warum er sein Land verlassen habe, gab der Beschwerdeführer an, er habe ca. eineinhalb oder zwei Jahre der Regierung bzw. der Polizei als Offizier gedient. Ein einer Operation in XXXX hätten sie gegen Terroristen bzw. die Taliban gekämpft. Bei diesem Kampf sei der Bruder des Kommandanten der Taliban ums Leben gekommen. Dieser habe Blutrache geschworen. Aufgrund seiner Tätigkeit sei er von ihm und seinen Leuten mit dem Tod bedroht worden. Er habe seine Leute zu ihm geschickt. Im Falle einer Rückkehr wäre sein Leben in Gefahr. Er fürchte die Rache der Taliban und um sein Leben.

3. Am 16.08.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei hielt der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen aufrecht und führte dazu aus, dass er nach seiner Ausbildung an der Akademie als Polizist seinen Dienst im Distrikt XXXX verrichtet habe. In diesem Teil Afghanistans habe es viele Auseinandersetzungen zwischen den Taliban und der Regierung gegeben. Daher seien sie nach Quarandig geschickt worden, da sich die Bewohner des Dorfes über die Taliban "beschwert" hätten. Sie seien mit zwei Autos in zwei Gruppen nach Quarandig gefahren, wo sie in ein Gefecht mit den Taliban gekommen seien. Das Gefecht habe in etwa drei Stunden gedauert. Dabei seien zwei Polizisten verletzt worden, drei Taliban seien getötet worden und vier hätten festgenommen werden können. Einer von den getöteten Taliban sei ein Bruder des Kommandanten XXXX gewesen. Zwei der festgenommenen Taliban seien ebenfalls mit dem Kommandanten verwandt gewesen. Nach fünfzehn Tagen sei eine Person aus diesem Dorf zur Polizeistation gekommen und hätte ihm gesagt, er und sein Kollege seien für den Tod des Bruders des Kommandanten verantwortlich. Aufgrund dieser Äußerung habe er sich an den Sicherheitschef gewandt und seine Besorgnis geäußert. Der Sicherheitschef habe ihn vom Außendienst abgezogen. An einem freien Tag sei sein Kollege in sein Heimatdorf gefahren. Wenig später hätten sie einen Anruf erhalten, dass sein Kollege ermordet worden sei. Seine Leiche sei auf der Straße zu finden. Gemeinsam mit seinem Vorgesetzten sei er zur Stelle gefahren, wo sein Kollege ermordet worden sei. Nach der Ermordung seines Kollegen hätten Fremde sein Elternhaus aufgesucht und seine Familienangehörigen nach seinem Aufenthaltsort gefragt. Nachdem er seiner Mutter von den Geschehnissen erzählt habe, habe er sich auf Anraten seiner Familienangehörigen zur Flucht erschossen. Bereits sein Vater sei im Zuge seiner Tätigkeit als Polizist getötet worden.

Der Beschwerdeführer legte als Beweismittel seinen Polizeiausweis sowie weitere Dokumente hinsichtlich seiner beruflichen Tätigkeit als Polizist vor.

4. Nach Einholung einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Vorfall in XXXX , XXXX , vom 24.04.2017, wurde der Beschwerdeführer am 02.06.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nochmals zu seinen Fluchtgründen befragt und niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dessen wurde ihm u.a. die oben genannte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation übergeben und ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

5. Am 19.06.2017 langte eine schriftliche Stellungnahme der damaligen Vertreterin zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ein, worin seine Ausführungen nochmals präzisiert wurden.

6. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit oben genannten Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

7. Gegen den oben genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, worin er sein Fluchtvorbringen nochmals darlegte und vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in Afghanistan auf dessen Asylrelevanz verwies.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 24.05.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer in Anwesenheit seines Vertreters ausführlich zu seinen Fluchtgründen, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie zu seiner Integration in Österreich befragt wurde. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsschrift wurde der Erstbehörde übermittelt.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der mündlichen Verhandlung weitere Beweismittel hinsichtlich seines Fluchtvorbringens vor (Beilage C und D).

9. Zu dem in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebrachten Länderberichtsmaterial nahm der Vertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 18.06.2018 schriftlich Stellung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

I. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Stellungnahme vom 18.06.2018, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, Angerhöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

Der Beschwerdeführer wurde in einem Dorf in der XXXX in Afghanistan geboren. Im Alter von neun Jahren wurde der Vater des Beschwerdeführers während seiner Tätigkeit als Polizist ermordet. Daraufhin übersiedelte die Familie des Beschwerdeführers in ein Dorf im XXXX in die XXXX . Er lebte bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan im August 2015 in seiner Heimatprovinz.

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 15.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer besuchte zehn Jahre lang die Schule, im Anschluss besuchte er die Polizeiakademie in der XXXX . Die Ausbildung an der Akademie dauerte sieben Monate. Im Anschluss nahm der Beschwerdeführer seine Tätigkeit als Polizist im Distrikt XXXX in der XXXX auf, die er bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan ausübte.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

Die Familie des Beschwerdeführers besteht aus seiner Mutter und zwei Brüdern. Ein Bruder lebt in Deutschland, der jüngste Bruder lebt in Pakistan. Zu seinem Bruder in Deutschland hat er regelmäßig Kontakt. Zu seiner Mutter und zu seinem in Pakistan lebenden Bruder hat der Beschwerdeführer seit ungefähr zwei Jahren keinen Kontakt mehr.

Der Beschwerdeführer leidet an starken Kopfschmerzen und immer wiederkehrenden Albträumen. Aufgrund dessen sucht er regelmäßig eine Psychotherapeutin auf und nimmt Kopfschmerztabletten ein.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer begleitete zu Beginn seiner Polizeiarbeit den Kommandanten XXXX bei seinen Einsätzen. In diesen acht Monaten zählte u.a. zu seinen Aufgaben, dass er in einem Ort namens XXXX , ein Grenzgebiet zwischen XXXX und XXXX , die Autos und Menschen nach Waffen und Drogen durchsuchte. Eines Tages erhielten er und seine Kollegen von den Polizisten in XXXX den Auftrag, über die Aktivitäten des Kommandanten XXXX nachzuforschen. In weiterer Folge wurde der zuvor genannte Kommandant gekündigt und sie erhielten die Genehmigung, den Kommandanten XXXX zu durchsuchen, sollte er zu ihrem Dienstort bzw. Check Point kommen. An einem Tag ist XXXX aus XXXX zu ihrem Check Point gekommen. Nachdem sie ihn gestoppt hatten, wollten sie die Durchsuchung seines Autos vornehmen. Dies wurde vom Kommandanten verweigert. Daraufhin kontaktierte der Beschwerdeführe die Polizeistelle in XXXX und teilte diesen mit, dass eine Durchsuchung des Autos nicht möglich war. Nach ungefähr zwei oder drei Stunden erfuhr der Beschwerdeführer, dass der Kommandant XXXX festgenommen wurde, weil man Heroin gefunden hatte. Zwei Tage nach der Festnahme war der Dienstort des Beschwerdeführers einem Angriff ausgesetzt. Später stellte sich heraus, dass der Angriff seitens Personen von XXXX und seinen Familienangehörigen ausgeführt wurde. Die Polizisten in Takahr, die mit dem Kommandanten XXXX befreundet waren, berichteten dem Kommandanten, dass der Beschwerdeführer den Kommandanten verraten hat. Daraufhin war der Beschwerdeführer einer ständigen Bedrohung seitens dieser Polizisten ausgesetzt. Auch seitens XXXX sowie von dessen Bekannten erhielt er Drohungen. Sie drohten mit seiner Ermordung, sobald XXXX aus dem Gefängnis entlassen wird.

Im März 2014 wurde der Beschwerdeführer nach XXXX , ein Dorf in XXXX , versetzt. Im Zuge eines Gefechts mit den Taliban wurde ein Bruder des Kommandanten der Taliban ermordet. Nach diesem Gefecht wurden der Beschwerdeführer und weitere Kollegen, die an diesem Gefecht beteiligt waren, von dem Kommandanten bedroht. Sodann wurde die Polizeistelle von einem Anhänger der Taliban aufgesucht und dieser teilte mit, dass der Kommandant XXXX den Mörder seines Bruders sucht. Dieser Mann forderte sie auf, den Kommandanten aufzusuchen. Nach dem Vorfall suchte der Beschwerdeführer den Sicherheitskommandanten auf und erzählte ihm von dieser Drohung. Der Vorgesetzte riet ihm, die Polizeidienststelle nicht zu verlassen. In dieser Zeit suchten die Anhänger des Kommandanten XXXX seine Familienangehörigen auf und erkundigten sich nach seinem Aufenthalt. Nach einiger Zeit bat sein Kollege, der auch an dem Gefecht beteiligt war, um einen freien Tag. Sein Kollege lebte im XXXX . Am nächsten Tag erhielten sie einen Anruf über die Ermordung eines Polizisten. Gemeinsam mit dem Sicherheitskommandanten und weiteren Polizisten fuhr der Beschwerdeführer zur Unfallstelle des ermordeten Kollegen. Bei dem ermordeten Kollegen handelte es sich um jenen Kollegen, der ebenfalls beim zuvor genannten Gefecht beteiligt war. Daraufhin gaben einige Kollegen, die ebenfalls an dem Gefecht beteiligt waren, ihren Dienst auf und ergriffen die Flucht. Der Beschwerdeführer musste sodann im Distrikt XXXX in der Provinz XXXX seinen Einsatz verrichten. Von dort ergriff er die Flucht und reiste aus Afghanistan aus.

Festgestellt wird, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als Polizist die Gefahr physischer und/oder psychischer Gewalt durch einen ehemaligen ranghohen Polizeikommandanten und dessen Anhänger sowie durch die Taliban droht.

2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen:

2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 30.01.2018:

Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

Sicherheitslage in der Provinz Takhar:

Takhar ist 400 km von Kabul entfernt, im Nordosten umgeben von der Provinz Badakhshan - Kunduz liegt im Westen, Baghlan im Süden und im Norden grenzt Takhar an Tadschikistan. Die Provinz hat folgende Distrikte: Warsaj, Farkhar, Khawaja Ghar, Khawajah Bahawodin, Baharak, Hazar Sumuch, Dashti Qala, Yangi Qala, Chahab, Rustaq, Bangi, Ishkamish, Kalafgan, Chal, Namakab und Darqad; Taluqan ist die Hauptstadt (Pajhwok o.D.aa). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.000.336 geschätzt (CSO 2016).

Die Provinz Takhar ist für Landwirtschaft besonders geeignet (Pajhwok o.D.aa). Takhar zählt zu jenen Provinzen, die berühmt sind für ihre Früchte; angebaut werden Granatäpfel und Birnen (UNDP 16.1.2017), aber auch Zitronen (Pajhwok 19.1.2016).

Ein Autobahnabschnitt existiert, der Kunduz und Takhar verbindet (Pajhwok 21.2.2017; vgl. auch: Khaama Press 28.5.2016, Khaama Press 23.4.2016); ebenso existiert ein Bus, der zwischen Takhar und Kabul verkehrt (Planet Biometrics 14.2.2017).

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Takhar 136 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die einst relativ friedliche Region - die Provinzen Baghlan, Kunduz und Takhar - waren in den letzten Monaten von heftigen Zusammenstößen zwischen Taliban und Regierungskräften betroffen (Global Times China 15.1.2017; vgl. auch: News Ghana 30.1.2017). Auch wenn Takhar eine dennoch vergleichweise friedliche Provinz in Nordafghanistan ist, grenzt sie an die Provinzen Kunduz und Badakhshan, in denen regelmäßig Talibanaktivitäten registriert werden (Khaama Press 10.10.2016).

Sicherheitslage in der Provinz Kabul:

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

Rechtsschutz/Justizwesen

Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia (islamisches Gesetz), Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9.2016; vgl. auch: USIDP o.D. und WP 31.5.2015). Fast 80% der Dispute werden außerhalb des formellen Justizsystems gelöst - üblicherweise durch Schuras, Jirgas, Mullahs und andere in der Gemeinschaft verankerte Akteure (USIP o.D.; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

Traditionelle Rechtsprechungsmechanismen bleiben für viele Menschen, insbesondere in den ländlichen Gebieten, weiterhin der bevorzugte Rechtsweg (USDOS 13.4.2016, vgl. auch: FH 27.1.2016). Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 13.4.2016). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (FH 27.1.2016).

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan weitverbreitet akzeptiert ist, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem Frauenrecht, Strafrecht und -verfahren, Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.). Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 13.4.2016).

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Leistungsfähigkeit um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu beherrschen. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben erhöht sich weiterhin (USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2014 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit mit 1.300 beziffert (SZ 29.9.2014; vgl. auch: CRS 8.11.2016), davon waren rund 200 Richterinnen (CRS 8.11.2016). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin als erste Frau zur Richterin des Supreme Courts ernannt (RFE/RL 30.6.2016). Die Zahl registrierter Anwälte/innen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt (WP 31.5.2015). Der Zugang zu Gesetzestexten wird besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar (USDOS 13.4.2016).

Ein Mangel an qualifiziertem Justizpersonal behindert die Gerichte (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Manche Amtsträger/innen in Gemeinden und Provinzen verfügen über eine eingeschränkte Ausbildung und gründen ihre Entscheidungen daher auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne jeglichen Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodex oder traditionellen Bräuchen (USDOS 13.4.2016).

Innerhalb des Gerichtswesens ist Korruption weiterhin vorhanden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffneten Gruppen (FH 27.1.2016), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 13.4.2016). Afghanische Gerichte sind durch öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar (WP 31.5.2015). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das Strafrechtszentrum für Anti-Korruption, um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (Reuters 12.11.2016).

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 9.2016).

Sicherheitsbehörden

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums (USDOD 6. 2016).

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016).

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9.2016; vgl. auch: USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police (ANP) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen (USDOS 13.4.2016).

Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2016), davon 4.228 Frauen (SIGAR 30.7.2016).

Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2.4% - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2.2% (USDOD 6.2016).

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).

Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).

Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9% (USDOD 6.2016).

Afghanische Nationalarmee (ANA)

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren (USDOS 13.4.2016).

Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force - AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3%, gegenüber 2,5% in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile (USDOD 6.2016).

Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 8.11.2016).

Resolute Support Mission

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO-geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene, sowie in höheren Ebenen der Armee und Polizei. Die personelle Stärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 (durch NATO und anderen Partnernationen). Das Hauptquartier ist in Kabul (Bagram), mit vier weiteren Niederlassungen in: Mazar-e-Sharif, Herat, Kandahar und Laghman (NATO 5.2016).

Korruption

Auf dem Korruptionsindex des Jahres 2015 belegte Afghanistan von 168 Ländern den 166. Platz (TI 12.2016; vgl. FH 27.1.2016). Dem Bericht von Asia Foundation zufolge, sind 90% der Afghan/innen im Alltag Korruption ausgesetzt; angegeben wurde hauptsächlich Bestechungsgelder an Polizei und Regierungsbeamte zu bezahlen (FH 27.1.2016).

Zur Erkennung, Verfolgung und Verhinderung von Korruption existiert kein gesetzlicher Rahmen (TI 10.2016). Trotz umfangreicher Reformvorhaben und aufwendiger Konsultationsmechanismen - oft unter direkter Federführung des Staatspräsidenten oder von ihm beauftragter Gremien - bleiben Qualität und Transparenz der Regierungsführung und der demokratischen Prozesse weiterhin mangelhaft. Die RNE (Einheitsregierung) startete im Mai 2016 eine neue Initiative zur Bekämpfung der Korruption, deren integraler Bestandteil das Anti Corruption Justice Center (ACJC) sein soll. Das ACJC soll Fällen erheblicher Korruption insbesondere auch unter hochrangigen Funktionären der afghanischen Regierung nachgehen, harrt aber noch seines offiziellen Startes (AA 9.2016; vgl. auch TI 10.2016). Die Regierung verfolgte weiterhin Anti-Korruptionsziele - dies beinhaltet die Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung von großen Korruptionsfällen und die Stärkung des rechtlichen und behördlichen Rahmens (UN GASC 13.12.2016).

Das Gesetz verordnet strafrechtliche Sanktionen für öffentliche Korruption. Die Regierung setzt dieses Gesetz nicht effektiv um; einerseits wurde von öffentlich Bediensteten berichtet, die regelmäßig und ungestraft in korrupte Praktiken involviert waren. Andererseits gab es Korruptionsfälle, die erfolgreich vor Gericht gebracht wurden. Berichte deuten an, dass Korruption innerhalb der Gesellschaft endemisch ist - Geldflüsse von Militär, internationalen Gebern und des Drogenhandels verstärken das Problem (USDOS 13.4.2016).

Die Einheitsregierung hat im Bereich der Korruptionsprävention einige Fortschritte gemacht: Der afghanische Präsident bekräftigte seine Transparenzverpflichtungen, veranlasste eine externe Kontrolle von Beschaffungsprozessen, sowie eine Umstrukturierung des Justizsektors. All dies sind wichtige Schritte des Präsidenten, welche die Bereitschaft signalisieren, Korruption in den Griff zu bekommen (IWA 11.2016).

Im Februar 2016 hat Präsident Ghani, Mohammad Farid Hamidi, den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016).

Manch hochrangiger Akteure wurde dennoch strafrechtlich verfolgt - mit wenig abschreckender Wirkung. Der ehemalige Chef der Kabul Bank - Khalil Ferozi - wurde im Jahr 2014 aufgrund schweren Betrugs zu 15 Jahren Haft verurteilt. Berichten zufolge, durfte er das Gefängnis bei Tag verlassen, um seinen geschäftlichen Tätigkeiten nachzugehen. Im November 2015 unterzeichnete er ein Übereinkommen, an einem 900 Millionen US Dollar schweren Projekt mitzuarbeiten. Das Übereinkommen wurde aufgrund des öffentlichen Aufschreis storniert (FH 27.1.2016).

3. Beweiswürdigung:

3.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellung zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde, in der im Verfahren erstatteten Stellungnahme und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus den vorgelegten Dokumenten. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur der Staatsangehörigkeit, der Volksgruppen- und der Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Heimatdorf, seinen Aufenthaltsorten, seinem schulischen sowie beruflichen Werdegang, seinem Familienstand, seinen Familienangehörigen und seiner Einreise nach Österreich waren im Wesentlichen gleichbleibend und widerspruchsfrei, weitgehend chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozio-ökonomischen Strukturen in Afghanistan plausibel. Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang getätigten Angaben waren im Wesentlichen plausibel und widerspruchsfrei.

Dass der Beschwerdeführer die Polizeiakademie absolvierte und im Anschluss als Polizist tätig war, wurde nicht nur vom Beschwerdeführer im gesamten Verfahren gleichbleibend und plausibel und somit glaubhaft angegeben, sondern auch durch zahlreiche in Vorlage gebrachte Bescheinigungsmittel untermauert. Auch die belangte Behörde ging diesbezüglich von einem glaubhaften Vorbringen aus.

Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

3.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Das Hauptverfolgungsvorbringen des Beschwerdeführers lautet auf das Wesentliche zusammengefasst, ihm drohe aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als Polizist psychische und/oder psychische Gewalt durch ehemalige Kollegen der Polizei sowie die Taliban, weil er während seiner Tätigkeit als Polizist bei der Verhaftung eines ehemaligen Polizeikommandanten mitgewirkt hat und ihm die Ermordung des Bruders eines ranghohen Kommandanten der Taliban unterstellt wird.

Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers, insbesondere zu den Hintergründen bzw. Ursachen sowie zu den bereits erhaltenen Drohungen, im Verlauf des Verfahrens ist schlüssig, vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Strukturen in Afghanistan plausibel, widerspruchsfrei, substantiiert und angereichert mit lebensnahen Details sowie im Einklang mit den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten. Aufgrund des im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten Dienstausweises, den Ausbildungsnachweisen und Bestätigungen des Innenministeriums der islamischen Republik Afghanistan (siehe AS 241-277) sowie der übereinstimmenden Angaben vermochte der Beschwerdeführer glaubhaft zu machen, bei der afghanischen Nationalpolizei als "einfacher" Polizist tätig gewesen zu sein. Darüber hinaus vermochte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft zu machen, dass er wiederholt bei Einsätzen in verschiedenen Orten in Afghanistan mitgewirkt hat. Der Beschwerdeführer zeichnete insbesondere in der mündlichen Verhandlung in seinen Aussagen und seinem Antwortverhalten ein glaubwürdiges Bild der geschilderten Vorfälle, präsentierte keine einstudierte lineare Fluchtgeschichte, sondern zeichnete klar den Handlungsablauf der Vorfälle auf, sprang zwischen unterschiedlichen Handlungssträngen hin und her und vermittelte so den Eindruck, die dargestellten Ereignisse tatsächlich erlebt zu haben. Der Beschwerdeführer legte auch plausibel und nachvollziehbar seine (bisherigen) Beweggründe dar, warum er die Geschehnisse und die daraus resultierende Verfolgung zur Verhaftung eines ehemaligen Kommandanten der Polizei nicht dargelegt hatte. Vor dem Hintergrund seines Bemühens, diese Geschehnisse mittels Beweismittel belegen zu können und seinen plausiblen und nachvollziehbaren Ausführungen zur medialen (Nicht-)Berichterstattung in solchen Fällen, konnte der Beschwerdeführer auch hinsichtlich dieses Vorbringens ein glaubwürdiges Bild der geschilderten Vorfälle zeichnen. Zwar kann allein aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer als einfacher Polizist der Nationalpartei, der Innen- und Außendienst verrichtet hat, eine daraus resultierende Gefährdungslage in ganz Afghanistan nicht erkannt werden. Allerdings hat sich der Beschwerdeführer durch die geschilderten Einsätze in einer Art und Weise gegenüber den Taliban sowie einen ehemaligen ranghohen Polizeikommandanten sichtbar exponiert, dass es als maßgeblich wahrscheinlich zu erachten ist, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan selbst in der Stadt Kabul einer Verfolgung ausgesetzt wäre.

Die Feststellung zu dem (erfolglosen) Versuch des Beschwerdeführers, polizeilichen Schutz zu erhalten, sowie sich auch hilfesuchend an seinen Vorgesetzten gewandt zu haben, beruht auf den glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren.

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wird daher insgesamt als glaubhaft erachtet.

3.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

3.3.1. Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums (siehe v.a. die Aktualisierungen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 21.12.2017 und vom 30.01.2018) für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Mit der im Wege seiner Vertretung erstatteten Stellungnahme trat der Beschwerdeführer den hier entscheidungsrelevanten Länderberichten nicht entgegen. Die Richtlinien und Anmerkungen von UNHCR wurden ausreichend berücksichtigt (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vgl. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).

4. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A.) Zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:

4.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die

Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191, mwN).

Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur Genfer Flüchtlingskonvention judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.11.2007, 2006/19/0341, mwN)

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

4.2. Aufgrund der oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellten Erwägungen (vgl. 3.2.) ist es dem Beschwerdeführer gelungen, glaubhaft zu machen, dass der behauptete Sachverhalt verwirklicht worden ist. Der Beschwerdeführer hat damit eine maßgebliche Verfolgungswahrscheinlichkeit aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe aufgezeigt.

Im vorliegenden Fall muss davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer nach entsprechenden Drohungen durch den einen ehemaligen Polizeikommandanten und dessen Anhänger sowie durch die Taliban Gewalthandlungen bis hin zur Ermordung und somit Verfolgungshandlungen erheblicher Intensität im Sinne der unter 4.1. genannten Judikatur zu befürchten hätte. Mangels Vorliegen anderer Anhaltspunkte ist unter Zugrundlegung des glaubhaft gemachten Sachverhaltes anzunehmen, dass die Gefahr der Verfolgung und erheblicher Eingriffe durch die Verfolger dem Beschwerdeführer aktuell weiterhin droht.

Dieser Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Beschwerdeführers knüpft zum einen an den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Grund der politischen Gesinnung an: Für die Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung reicht es, dass eine feindliche politische Gesinnung zumindest unterstellt wird und die Aussicht auf ein faires staatliches Verfahren zur Entkräftung dieser Unterstellung nicht zu erwarten ist (zB VwGH 24.03.2011, 2008/23/1443). Es ist nach Lage des Falles davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer, weil er während seiner Tätigkeit als Polizist bei der Verhaftung eines ehemaligen Polizeikommandanten mitgewirkt hat und ihm die Ermordung des Bruders eines ranghohen Kommandanten der Taliban unterstellt wird, von den ehemaligen Polizeikollegen bzw. den Taliban eine feindliche politische Haltung (zumindest) unterstellt wird. Die fluchtauslösenden Ereignisse in Afghanistan sind damit als eine individuell gegen die Person des Beschwerd

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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