Entscheidungsdatum
19.06.2018Norm
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1Spruch
W175 1422859-3/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.12.2017, Zl. 811234207-1416361, zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9
BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und XXXX gemäß § 54 Abs. 1 Z 1, § 58 Abs. 2, § 55 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 10 Abs. 2 Z 5 IntG der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt wird.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein Staatsangehöriger aus Afghanistan, stellte am 17.10.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Dieser Antrag wurde durch das damalige Bundesasylamt mit Bescheid vom 12.11.2011 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen, weiters wurde der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen und der BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG nach Afghanistan ausgewiesen.
3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.03.2015, Zl. W171 1422859-1, wurde die dagegen gerichtete Beschwerde - nach durchgeführter mündlicher Verhandlung - gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das nunmehr zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) zurückverwiesen. Eine etwaige Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
In der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wurde festgehalten, dass der BF vor seiner Flucht keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und von ihm keine asylrelevanten Gründe für das Verlassen seines Heimatstaates hätten glaubhaft gemacht werden können. Der BF sei gesund, im erwerbsfähigen Alter und verfüge über eine Schulbildung. Zudem habe er in seinem Heimatort familiäre Bindungen. Die Erreichbarkeit seiner Heimatregion sei gegeben und sei auch die Sicherheitslage dort als ausreichend sicher zu bewerten. Im Übrigen habe der BF keine Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich. Der BF habe zwar Deutschkurse besucht und darüber hinaus auch Bildungsmaßnahmen (Absolvierung von Vorbereitungskursen und Prüfungen für den Hauptschulabschluss) in Anspruch genommen, sei jedoch nicht selbsterhaltungsfähig und sei in Österreich auch noch nie legal erwerbstätig gewesen. Aus einem vorgelegten Bestätigungsschreiben (Mithilfe bei Aufräumarbeiten nach Hochwasser) zeige sich ein soziales Engagement; aus den Unterstützungsschreiben sei weiters ersichtlich, dass sich der BF bereits einen Bekannten- bzw. Freundeskreis aufgebaut habe. Auch diese bereits geknüpften ersten Kontakte seien jedoch nicht geeignet, die Integration maßgeblich zu verstärken. Das Interesse des BF an der Aufrechterhaltung dieser privaten Kontakte sei noch zusätzlich dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltes und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte habe bewusst sein müssen. Der BF habe daher zum Entscheidungszeitpunkt keine entscheidungserheblichen integrativen Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet dartun können, welche zu einem Überwiegen der privaten Interessen gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat führen könnten.
4. Am 10.06.2015 brachte der BF einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ein, welcher mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.09.2016 gem. § 32 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 VwGVG als verspätet zurückgewiesen wurde.
5. Mit Eingabe vom 24.04.2017 wurde ein Konvolut an Integrationsnachweisen den BF betreffend vorgelegt und insbesondere auf einen Lehrvertrag, die Beschäftigungsbewilligung, die zahlreichen Unterstützungserklärungen sowie den Umstand hingewiesen, dass der BF in Österreich seinen Hauptschulabschluss nachgemacht habe. Vor dem Hintergrund der nachhaltigen und gelungenen Integration in Österreich werde ersucht, einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen.
Konkret wurden folgende Integrationsnachweise in Vorlage gebracht:
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das Zeugnis über die Pflichtschulabschlussprüfung
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ein Lehrvertrag vom Oktober 2016 über die Ausbildung zum Systemgastronomiefachmann
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eine Bestätigung, wonach der BF im Juni 2013 bei Aufräumarbeiten aufgrund eines Hochwassers geholfen habe
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eine Bestätigung der Caritas vom November 2013, wonach der BF bei der Organisation der Heimreise eines Freundes mitgeholfen habe
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Unterstützungsschreiben
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die Teilnahmebestätigung an einer Veranstaltung (Basisbildung/Grundkompetenzen im Rahmen der Bund-Länder-Initiative) im Zeitraum vom August 2013 bis Februar 2014
6. Am 20.09.2017 wurde der BF einer Einvernahme durch das BFA unterzogen und gab hierbei an, gut Deutsch zu sprechen und gesund zu sein. Er lebe seit Ende 2016 bei einem Freund, dem er monatlich 300 Euro zahle; davor habe er in einem Asylheim gelebt. Von 2013 bis 2014 habe er für 8 bis 10 Monate eine Beziehung mit einer österreichischen Frau gehabt; seither habe er keine Beziehung mehr geführt. Er habe aber mit sehr vielen Österreichern Kontakt; er habe viele Freunde. Er habe in Österreich den Hauptschulabschluss und zudem diverse Deutschkurse gemacht und danach bei Firmen gearbeitet, wobei es sich hierbei um Schnuppertage gehandelt habe. Er habe auch ehrenamtlich ausgeholfen und den Führerschein in Österreich gemacht. Ende 2016 habe er eine Lehre begonnen; er arbeite 5 Tage in der Woche und verdiene ungefähr 600 Euro monatlich. Er sorge für sich selbst und erhalte vom österreichischen Staat keine Geldleistungen. Er sei seit sechs Jahren in Österreich und wolle hier einmal eine eigene Wohnung haben und eine eigene Familie gründen. Er habe zu niemandem aus Afghanistan mehr Kontakt.
Im Zuge der Einvernahme legte der BF weitere Integrationsnachweise seine Person betreffend vor. Es handelt sich hierbei u.a. um
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eine Anmeldung für die Prüfung B1
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eine Kursbesuchsbestätigung vom September 2012 über einen Deutschkurs A1+ und vom November 2012 über den Deutsch Integrationskurs A1 +
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Teilnahmebestätigungen für den Vorbereitungslehrgang zum externen Hauptschulabschluss
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das Schreiben eines Vereins vom Juni 2013, wonach der BF für den Deutschkurs "Asyl IIa" angemeldet wurde
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Rechnungen für den Deutsch Integrationskurs A1 und A2
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ein Bewerbungsschreiben des BF vom März 2014 als Reinigungskraft
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eine Teilnahmebestätigung vom Juni 2013 für einen Deutschkurs für Asylwerber - Stufe 2
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eine Einstellungszusage vom April 2016, wonach der BF als Kellner Vollzeit zu arbeiten anfangen könnte
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das Schreiben eines Restaurants vom Februar 2017, wonach der BF seit 01.12.2016 als Systemgastronomiefachmann-Lehrling beschäftigt sei
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Unterstützungsschreiben
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ein Verdienstnachweis (Lehrlingsentschädigung) vom August 2017
7. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 14.12.2017 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Begründend wurde hiezu ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG in Hinblick auf den BF nicht zutreffen würden. Auch wenn der BF nachweislich positive Integrationsbemühungen gezeigt habe, würden sich diese dennoch dadurch relativieren, dass ihm sein unsicherer Aufenthalt, der sich auf einen nicht begründeten Asylantrag gestützt habe, von vornherein bekannt habe sein müssen. Zudem verfüge er nach wie vor über eine Bindung zum Herkunftsstaat. Da die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig sei, habe eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG zu unterbleiben. Nachdem dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde und die Rückkehrentscheidung gem. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig sei, sei gem. § 10 Abs. 1 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen des § 46 und 50 FPG sei insgesamt gesehen eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig.
8. Gegen diesen Bescheid wurde binnen offener Frist Beschwerde erhoben. Darin wurde festgehalten, dass sich der BF seit 2011 in Österreich aufhalte und sein Aufenthalt bislang aufgrund des laufenden Asylverfahrens stets auch rechtmäßig gewesen sei. Er habe in Österreich seinen Pflichtschulabschluss gemacht, den österreichischen Führerschein erworben und sei hier auch ehrenamtlich tätig (diesbezüglich wurde eine entsprechende Bestätigung vorgelegt). Er verfüge über eine Lehrstelle, durch welche er seinen Lebensunterhalt aus Eigenem sicherstelle. Zudem habe er einen großen Freundes- und Bekanntenkreis und verfüge über sehr gute Deutschkenntnisse. Er sei auch strafrechtlich unbescholten. Der BF sei sohin beruflich als auch sozial bestens in Österreich integriert. Die Dauer des Aufenthalts sei jedenfalls der Behörde zuzurechnen. Eine Gesamtabwägung hätte daher zu dem Ergebnis führen müssen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei; ihm hätte ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werden müssen.
9. Mit Eingabe vom 18.01.2018 wurden weitere Unterstützungserklärungen und Integrationsnachweise für den BF in Vorlage gebracht. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Unterstützungsschreiben und eine positive Bewertung seiner Lehrlingstätigkeit, die er Anfang Dezember 2016 begonnen habe.
10. Über Nachfrage der zuständigen Gerichtsabteilung W175 übermittelte die rechtsfreundliche Vertretung am 09.03.2018 das Zeugnis über den Pflichtschulabschluss des BF vom 22.04.2015, das auch eine Beurteilung im Unterrichtsfach Deutsch - Kommunikation und Gesellschaft ("genügend grundlegend") enthält. Ein gesondertes A2-Deutschzertifikat habe der BF nicht zur Verfügung; er werde aber am 17.03.2018 die Prüfung für das ÖSD-Zertifikat B1 absolvieren. Diesbezüglich wurde eine entsprechende Anmeldebestätigung übermittelt und die Vorlage des genannten Zertifikats nach Erhalt in Aussicht gestellt.
Mit Schreiben vom 12.06.2018 legte der BF das Zeugnis zur Integrationsprüfung, Niveau A2 (Prüfungsdatum 28.04.2018), vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist ein Staatsangehöriger aus Afghanistan, reiste im Oktober 2011 in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 17.10.2011 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF hat während seines Aufenthaltes in Österreich fundierte Deutschkenntnisse erworben, hier zunächst am 22.04.2015 den Pflichtschulabschluss gemacht und Ende 2016 mit einer Lehre als Systemgastronomiefachmann begonnen, um so seine Selbsterhaltungsfähigkeit herzustellen. Er bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung.
Er hat in Österreich auch seinen Führerschein gemacht und ehrenamtliche Tätigkeiten ausgeführt.
Der BF hat sich während seines Aufenthaltes in Österreich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut und ist als sozial integriert anzusehen.
Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus seinem dahingehend glaubhaften Vorbringen, insbesondere erscheinen seine Staatsangehörigkeit und Herkunft aufgrund seiner Sprach- und Ortskenntnisse als glaubhaft.
Die Feststellungen zum derzeitigen Familien- und Privatleben des BF ergeben sich ebenfalls aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Laufe des Verfahrens und aus den vorgelegten Unterlagen.
Die vorgelegten Beweismittel sind in ihrer Gesamtschau schlüssig und nachvollziehbar und waren als Nachweis der Integration des BF anzuerkennen.
Die Feststellung, dass der BF in Österreich strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus einem aktuell eingeholten Strafregisterauszug vom 19.06.2018.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (Art. 2 Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz BGBl. I 87/2012) idF des Art. 2 FNG-Anpassungsgesetz BGBl. I 68/2013 und des BG BGBl. I 144/2013 (in der Folge: BFA-VG) und gemäß § 9 Abs. 2 FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit, da im Fremdenpolizeigesetz nichts anderes vorgesehen ist, Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Zu Spruchteil A)
1. Im vorliegenden Fall hat das BFA gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005.
2. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).
Diesbezüglich wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 in Hinblick auf den BF nicht vorliegen, weil sein Aufenthalt weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der BF Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde.
3. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Der BF ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da sein vorläufiges Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens gemäß § 13 AsylG 2005 mit der Abweisung des Asylantrages endet.
4. Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:
die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).
Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.
Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei dieser Interessenabwägung sind entsprechend der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VfSlg. 18.224/2007, 18.135/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).
4.1. Vom Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z. B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, Appl. 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, Appl. 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).
Der Begriff des Familienlebens ist sohin nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR 13.06.1979, Fall Marckx). Ehen, die nicht nationalem Recht entsprechen, sind kein Hindernis für ein Familienleben (EGMR 28.05.1985, Fall Abdulaziz, Cabales und Balkandali). Ebenso wenig reicht das Eheband allein nicht aus, um die Anwendbarkeit des Art. 8 EMRK auszulösen. Reine Scheinehen sind deshalb nicht geschützt (VwGH 29.06.2010, 2006/18/0484).
Der BF ist ledig und kinderlos. Er verfügt über keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Eine Rückkehrentscheidung würde daher nicht in sein Recht auf Familienleben eingreifen.
4.2. Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Fall Sisojeva ua., Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt auch die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung grundsätzlich keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852ff.). Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zukommt (vgl. dazu VwGH 30.07.2015, Zl. 2014/22/0055; VwGH 23.06.2015, Zl. 2015/22/0026; VwGH 10.11.2010, Zl. 2008/22/0777, VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Andererseits kann aber auch nicht gesagt werden, dass eine in drei Jahren erlangte Integration keine außergewöhnliche, die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen kann. Die Annahme eines "Automatismus", wonach ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Vorliegen einer Aufenthaltsdauer von nur drei Jahren "jedenfalls" abzuweisen wäre, ist verfehlt (vgl. dazu insbesondere VwGH 30.07.2015, Zl. 014/22/0055, VwGH B 28.01.2016, Zl. Ra 2015/21/0191-6, VfGH 06.06.2014, Zl. U45/2014).
Anders verhält es sich bei einem über zehnjährigen inländischen Aufenthalt; nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK ist bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Diese Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK ist auch für die Erteilung von Aufenthaltstiteln relevant (VwGH 10.11.2015, Zl. 2015/19/0001; VwGH 26.03.2015, Zl. 2013/22/0303; VwGH 16.12.2014, Zl. 2012/22/0169; VwGH 19.11.2014, Zl. 2013/22/0270; VwGH 10.12.2013, Zl. 2013/22/0242). Diese Judikatur wurde auch auf Aufenthalte ausgedehnt, die beinahe zehn Jahre erreichen (vgl. etwa VwGH 09.09.2014, Zl. 2013/22/0247 zu einem Aufenthalt von über neuneinhalb Jahren).
Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in mehreres Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, dass ungeachtet eines mehr als zehnjährigen Aufenthaltes und des Vorhandenseins gewisser integrationsbegründender Merkmale auch gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen sprechende Umstände in Anschlag gebracht werden können. Dazu zählen strafgerichtliche Verurteilungen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 30.Juni 2016 Ra 2016/21/0165, und vom 10. November2015, Ro 2015/19/0001, sowie die Beschlüsse vom 03.September 2015, Ra 2015/21/0121, und vom 25.April 2014, Ro 2014/21/0054), Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften (wie etwa das Ausländerbeschäftigungsgesetz; siehe das Erkenntnis vom 16.Oktober 2012, 2012/18/0062, sowie den Beschluss vom 25.April 2014, Ro 2014/21/0054), eine zweifache Asylantragstellung (vgl. den Beschluss vom 20.April 2016, Ra 2016/22/0039 sowie das zitierte Erkenntnis Ra 2014/22/0078 bis 0082), unrichtige Identitätsangaben sofern diese für die lange Aufenthaltsdauer kausal waren (vgl. die zitierten Erkenntnisse Ra 2015/21/0249 bis 0253 sowie Ra 2016/21/0165), sowie die Missachtung melderechtlicher Vorschriften (vgl. das Erkenntnis vom 31.Jänner 2013, 2012/23/0006).
Im vorliegenden Fall würde eine Rückkehrentscheidung in das Recht des BF auf Privatleben eingreifen.
Der BF hat sich im Zuge seines Aufenthaltes im österreichischen Bundesgebiet seit Oktober 2011 sowohl in sozialer, sprachlicher, als auch beruflicher Hinsicht integriert. Er hat sich ehrenamtlich engagiert und regelmäßig Deutschkurse besucht. Besonders hervorzuheben ist, dass der BF am 22.04.2015 den Pflichtschulabschluss im österreichischen Bundesgebiet erfolgreich bestanden und Ende 2016 eine Lehre als Systemgastronomiefachmann begonnen hat, sodass er auch einen regelmäßigen Verdienst nachweisen kann und nicht von Leistungen aus der Grundversorgung abhängig ist. Er ist auch in seinem Lehrbetrieb sehr gut integriert und hat eine gute Bewertung in seinem Zeugnis des ihn beschäftigenden Lehrbetriebs erhalten. Nach Ansicht des erkennenden Gerichts hat der BF daher seinen Aufenthalt in Österreich intensiv zur Integration am österreichischen Arbeitsmarkt genutzt und dadurch das Bestreben nach Selbsterhaltungsfähigkeit glaubhaft gemacht.
Neben der beruflichen Integration und seinem ehrenamtlichen Engagement weisen aber auch der bestehende Freundeskreis in Österreich, sowie die nach einer über 6 1/2 Jahre dauernden Abwesenheit von der Heimat fehlenden tatsächlichen Kontakte zum Heimatstaat darauf hin, dass von einer deutlichen Abschwächung der Bindungen des BF zu seinem Heimatstaat auszugehen ist. Der BF verfügt über ein großes Kontaktnetz zur lokalen Bevölkerung, was nicht zuletzt durch die zahlreich vorgelegten Unterstützungsschreiben belegt wird. Nach Ansicht des erkennenden Gerichts hat sich der Lebensmittelpunkt des BF nach Österreich verlagert.
Festzuhalten ist auch, dass der BF über die gesamte Zeit hindurch unbescholten geblieben und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, wobei die strafgerichtliche Unbescholtenheit allein die persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib in Österreich gemäß der verwaltungsgerichtlichen Judikatur nicht entscheidend zu verstärken vermag (vgl. VwGH 25.02.2010, 2010/0018/0029).
Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung im konkreten Einzelfall zum Ergebnis, dass eine Abschiebung des BF nach Afghanistan nicht zulässig ist. Es ist zudem davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Privatlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind und es ist daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung gegen den BF auf Dauer unzulässig ist.
Da somit das Interesse an der Aufrechterhaltung des Privatlebens des BF im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen überwiegt, war in Erledigung der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid eine den BF betreffende Rückkehrentscheidung in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan für dauerhaft unzulässig zu erklären.
5. Gemäß § 55 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs. 4 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 idgF, erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,
2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,
3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,
4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder
5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.
Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.
Das Modul 2 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 10 Abs. 2 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 idgF, als erfüllt anzusehen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 12 vorlegt,
2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 12 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,
3. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§ 3 Abs. 3 Schulorganisationsgesetz (SchOG), BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat,
4. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs. 4 SchOG) besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand "Deutsch" durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist,
5. einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach "Deutsch" positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach "Deutsch" auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat oder eine positive Beurteilung im Prüfungsgebiet "Deutsch - Kommunikation und Gesellschaft" im Rahmen der Pflichtschulabschluss-Prüfung gemäß Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2012 nachweist,
6. einen positiven Abschluss im Unterrichtsfach "Deutsch" nach zumindest vierjährigem Unterricht in der deutschen Sprache an einer ausländischen Sekundarschule nachweist,
7. über eine Lehrabschlussprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, oder eine Facharbeiterprüfung gemäß den Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzen der Länder verfügt oder
8. mindestens zwei Jahre an einer postsekundären Bildungseinrichtung inskribiert war, ein Studienfach mit Unterrichtssprache Deutsch belegt hat und in diesem einen entsprechenden Studienerfolg im Umfang von mindestens 32 ECTS-Anrechnungspunkten (16 Semesterstunden) nachweist bzw. über einen entsprechenden postsekundären Studienabschluss verfügt.
Gemäß § 81 Abs. 36 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) idgF gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.
§ 14a Abs. 4 NAG idF BGBl. I Nr. 38/2011 lautete:
Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,
2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt,
3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht oder
4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 besitzt.
Da der BF im April 2015 eine positive Beurteilung im Prüfungsgebiet "Deutsch - Kommunikation und Gesellschaft" im Rahmen der Pflichtschulabschluss-Prüfung gemäß Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2012, nachgewiesen hat, erfüllt dieser das Modul 2 der Integrationsvereinbarung und damit die Erteilungsvoraussetzungen für den Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" (vgl. §§ 9 Abs. 4 iVm 10 Abs. 2 Z 5 IntG iVm § 55 Abs. 1 AsylG 2005).
Nachdem die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 im Falle des BF - wie oben dargelegt - gegeben sind, war spruchgemäß zu entscheiden und dem BF der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten zu erteilen.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung plus, Aufenthaltsdauer, Deutschkenntnisse,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W175.1422859.3.00Zuletzt aktualisiert am
06.07.2018