RS Vfgh 2018/6/15 WI1/2018

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Veröffentlicht am 15.06.2018
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Index

L0300 Landtagswahl, Wählerevidenz

Norm

B-VG Art6 Abs2, Art95
B-VG Art141 Abs1 lita
Nö LandtagswahlO 1992 §15, §21, §24, §§42 ff, §48, §§74 ff, §78, §§90 ff, §96, §§97 ff
MeldeG §1 Abs7
Nö LandesbürgerevidenzenG §2
VfGG §67 Abs2

Leitsatz

Keine Stattgabe der Anfechtung der Wahl des Niederösterreichischen Landtages; keine Bedenken gegen die Parteibezeichnung und die Reihung der "Liste Franz Schnabl - SPÖ" auf dem Listenplatz 2 des Stimmzettels; Einbeziehung nur auf Kreisebene abgegebener gültiger Stimmen im Ermittlungsverfahren auf Landesebene gesetzeskonform; Möglichkeit der Überprüfung der Gültigkeit einer Stimmabgabe von Staatsbürgern ohne Hauptwohnsitz, aber mit "ordentlichem Wohnsitz", gegeben; keine Auswirkungen auf Zusammensetzung oder Beschlussfähigkeit der Landeswahlbehörde durch Nichtberücksichtigung der Vertrauenspersonen bei der Ladung zu einer Sitzung der Landeswahlbehörde; Verlautbarung des Kreiswahlergebnisses für den Wahlkreis Baden gesetzeskonform; keine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens durch Verweigerung der Akteneinsicht

Rechtssatz

Keine Stattgabe der - zulässigen und rechtzeitig eingebrachten - Anfechtung der Wahl zum Niederösterreichischen Landtag vom 28.01.2018 in Bezug auf den Wahlkreis Baden und das Ermittlungsverfahren auf Landesebene; im Übrigen Zurückweisung der Anfechtung.

Da die Anfechtungslegitimation gemäß §67 Abs2 zweiter Satz VfGG an die Vorlage des Wahlvorschlages für die angefochtene Wahl bei einer durch die Wahlordnung vorgeschriebenen Wahlbehörde geknüpft ist und somit grundsätzlich nur jenen Wahlparteien gewährt wird, die sich bei der Wahl tatsächlich und rechtmäßig um Wählerstimmen beworben haben, ist die Anfechtungswerberin, die lediglich einen Kreiswahlvorschlag im Wahlkreis Baden und einen Landeswahlvorschlag für die Ermöglichung der Zuweisung von Mandaten im Ermittlungsverfahren auf Landesebene eingebracht hat, zur Anfechtung der Niederösterreichischen Landtagswahl nicht zur Gänze legitimiert, also nicht auch betreffend jene Wahlkreise, in denen sie nicht kandidiert hat. Ihre Legitimation ist auf die Anfechtung betreffend den Wahlkreis Baden und das Ermittlungsverfahren auf Landesebene begrenzt.

Keine Legitimation zur Anfechtung betreffend den Wahlkreis St Pölten mangels Einbringung eines Kreiswahlvorschlags für den Wahlkreis St Pölten.

Keine Bedenken gegen die Verwendung von "SPÖ" in der Parteibezeichnung iSd §42 Abs3 Z1 NÖ LWO, zumal der Buchstabenfolge im konkreten Zusammenhang ein eindeutiger Inhalt zukommt.

Verweis auf E v 06.03.2018, WI4/2017, betreffend die Bedenken gegen die gesetzlichen Grundlagen über die Stimmabgabe mittels Briefwahl bzw persönliche Stimmabgabe sowie im Hinblick auf eine "Täuschung" durch die Verwendung einer "falschen" (wohl gemeint: von der Bezeichnung der politischen Partei abweichenden) Parteibezeichnung durch die wahlwerbende Partei "Liste Franz Schnabl - SPÖ", zumal das österreichische Wahlrecht klar zwischen politischer Partei und wahlwerbender Partei unterscheidet. Der Name der wahlwerbenden Partei "Liste Franz Schnabl - SPÖ" ergibt sich eindeutig aus dem gemäß §42 Abs3 Z1 NÖ LWO eingebrachten Kreiswahlvorschlag, der gemäß §48 Abs1 NÖ LWO veröffentlicht wurde, sodass der Bezeichnung der den Kreiswahlvorschlag einbringenden (juristischen) Person (zB Sozialdemokratische Partei Österreichs als politische Partei) keine Bedeutung zukommt.

Keine Rechtswidrigkeit der amtlichen Stimmzettel wegen Verstoßes gegen §48 Abs2 und 3 NÖ LWO:

Bestimmungen, wonach Bezeichnung und Listenplatz von jenen wahlwerbenden Parteien, die bereits zuvor im Landtag vertreten waren, gesetzlich besonders geschützt werden, liegen im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Ob es sich bei einer wahlwerbenden Partei um die Nachfolgerin einer im zuletzt gewählten Landtag vertretenen Partei handelt, ist anhand einer wertenden Gesamtschau aller einschlägigen Aspekte zu ermitteln (vgl E v 06.03.2018, WI4/2017).

Die Reihung der wahlwerbenden Partei "Liste Franz Schnabl - SPÖ" (SPÖ) an zweiter Stelle liegt darin begründet, dass es sich um eine Partei handelt, die bei der letzten Landtagswahl als wahlwerbende Partei "Sozialdemokratische Partei Österreichs" (SPÖ) die zweitgrößte Anzahl an Mandaten erreicht hat und daher gemäß §48 Abs2 NÖ LWO an dieser Stelle zu reihen ist. Neben der vorliegenden teilweisen Übereinstimmung der Parteibezeichnung ("SPÖ" als Kurzbezeichnung, "SPÖ" als Teil der Parteibezeichnung) und der klar ersichtlichen Unterstützung durch dieselbe politische Partei wurden die erforderlichen Unterstützungserklärungen von Landtagsabgeordneten im Wahlkreis Baden durch Abgeordnete, die in der XVIII. Gesetzgebungsperiode des NÖ Landtages als Mandatare für die Partei "Sozialdemokratische Partei Österreichs" (SPÖ) dem NÖ Landtag angehörten, geleistet, sodass all diese Elemente für eine materielle Identität mit einer im Landtag vertretenen Partei sprechen. Es kann der Landeswahlbehörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, dass keine weiteren Ermittlungen oder Nachforschungen zur Frage anzustellen waren, ob es sich bei der "Liste Franz Schnabl - SPÖ" (SPÖ) tatsächlich um die Nachfolgerin der im zuletzt gewählten Landtag vertretenen Partei mit der Kurzbezeichnung "SPÖ" handelt und sich dies auch in der Reihung widerspiegelt.

Ermittlungsverfahren auf Landesebene gesetzeskonform:

Aus §74 Abs1 NÖ LWO ergibt sich eindeutig, dass nur jene wahlwerbenden Parteien auf dem Stimmzettel aufscheinen dürfen, die für den betreffenden Wahlkreis einen Wahlvorschlag eingebracht haben. Lediglich bei Einbringung eines Kreiswahlvorschlages in einem Wahlkreis hat die jeweilige wahlwerbende Partei auch mit ihrem Landeswahlvorschlag samt der Bewerberliste auf dem Stimmzettel enthalten zu sein. Dagegen bestehen vor dem Hintergrund des bei der Mandatszuteilung nach der NÖ Landtagswahlordnung 1992 vorliegenden Systems, das - basierend auf der Grundlage, dass ein Wähler nur eine Stimme gültig abgeben kann - die Mandatsvergabe einerseits im Ermittlungsverfahren auf Wahlkreisebene und anschließend im Ermittlungsverfahren auf Landesebene vorsieht, keine Bedenken. Es ist daher gesetzeskonform, dass gemäß §97 NÖ LWO im Ermittlungsverfahren auf Landesebene nur jene Stimmen als gültige Stimmen miteinbezogen werden können, die auch schon auf Kreisebene für gültig befunden worden sind.

Daran ändert auch die in §78 NÖ LWO vorgesehene Möglichkeit, einzelnen, auf einem Wahlvorschlag aufscheinenden, Bewerbern neben einer Stimme für die wahlwerbende Partei auch eine Vorzugsstimme zu geben, die - ohne in die Liste der wahlwerbenden Parteien einzugreifen - der Personalisierung des Wahlrechtes dient, nichts. Die Anfechtungswerberin war daher richtigerweise nicht auf den Stimmzetteln aller Wahlkreise aufzunehmen, sondern nur auf jenem für den Wahlkreis Baden.

Keine Bedenken gegen Stimmabgabe von Staatsbürgern ohne Hauptwohnsitz jedoch mit Wohnsitz in einem Land gemäß Art6 Abs2 B-VG: Die Anfechtungswerberin verkennt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nur in einem die Rechtmäßigkeit der Wählerevidenz bzw des Wählerverzeichnisses betreffenden Verfahren zu prüfen wäre.

Kein verfassungsrechtliches Gebot, eine Wahlbehörde mit parteipolitisch "neutralen Personen" zu besetzen oder mit (stimmberechtigten) Vertretern aller Wahlparteien, die einen Wahlvorschlag erstattet haben.

Soweit die Anfechtungswerberin vorbringt, dass die von ihr nominierte Vertrauensperson zu einer Sitzung der Landeswahlbehörde nicht geladen worden sei, genügt der Hinweis darauf, dass sich für den VfGH keine Anhaltspunkte ergeben haben, dass eine Sitzung der Landeswahlbehörde stattgefunden hat. Im Übrigen hat eine (allenfalls rechtswidrige) Nichtberücksichtigung der Vertrauenspersonen bei der Ladung zu einer Sitzung der Landeswahlbehörde keine Auswirkungen auf die gültige Zusammensetzung oder Beschlussfähigkeit der Wahlbehörde. Der Vertrauensperson wäre jedenfalls nur ein Teilnahmerecht, nicht jedoch ein Stimmrecht zugekommen.

Keine Verpflichtung zur Veröffentlichung der Zahl der ausgestellten Wahlkarten im Rahmen der Verlautbarung des Kreiswahlergebnisses.

Keine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens durch Verweigerung der Akteneinsicht angesichts der Möglichkeit der Einsichtnahme in den Wahlakt im Rahmen der Sitzungen der Landeswahlbehörde.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Wahlen, Landtag, Stimmzettel, Partei politische, Wahlvorschlag, Wahlkreise, Wahlbehörden, Ermittlungsverfahren, Wahlergebnis, VfGH / Wahlanfechtung, VfGH / Legitimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:WI1.2018

Zuletzt aktualisiert am

30.07.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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