TE Vwgh Beschluss 2018/6/1 Ra 2018/01/0086

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Veröffentlicht am 01.06.2018
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E19103000;
E6J;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

32003L0086 Familienzusammenführung-RL;
62016CJ0550 A und S VORAB;
AsylG 2005 §35 Abs5;
AsylG 2005 §35;
B-VG Art133 Abs4;
EURallg;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/01/0088 Ra 2018/01/0087

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des 1. C M, der 2. N M und des

3. D M, alle vertreten durch Mag. Thomas Sochor, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landesgerichtsstraße 6/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Jänner 2018, Zlen. W243 2182817- 1/2E, W243 2182819-1/2E und W243 2182818-1/2E, betreffend Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Botschaft Damaskus), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerber sind Staatsangehörige Syriens und stellten am 30. August 2016 elektronisch und am 13. Oktober 2016 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Damaskus (ÖB Damaskus) jeweils einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Dies begründeten sie damit, dass der Sohn des Erstrevisionswerbers bzw. Bruder der minderjährigen Zweitrevisionswerberin und des minderjährigen Drittrevisionswerbers in Österreich seit 12. November 2015 asylberechtigt sei.

2 Mit Bescheid vom 20. Juni 2017 wies die ÖB Damaskus die Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) iVm § 35 AsylG 2005 ab.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde der Revisionswerber gemäß § 35 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen (A) und die Revision für nicht zulässig erklärt (B).

4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im Wesentlichen aus, aus den vorliegenden Akten ergebe sich zweifelsfrei, dass die angegebene Bezugsperson im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde bereits volljährig gewesen sei. Somit sei der Familienbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 betreffend den Erstrevisionswerber nicht erfüllt. Die Zweitrevisionswerberin und der Drittrevisionswerber seien als minderjährige Geschwister der Bezugsperson per definitionem nicht vom Familienbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 erfasst.

5 Der Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 erweise sich daher als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen der Revisionswerber auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen (bereits volljährig gewordenen) Sohn bzw. Bruder zu entsprechen. Vielmehr seien diese auf die anderen, im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) und FPG eröffneten Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Ausstellung von entsprechenden Einreisetiteln zu verweisen.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentlichen Revision.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die Revision weist in ihrer Zulässigkeitsbegründung erkennbar auf das (zu erwartende) Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C-550/16 und bringt vor, das angefochtene Erkenntnis weiche insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, als das BVwG das Beschwerdeverfahren in Bezug auf das anhängige Vorabentscheidungsersuchen hätte aussetzen müssen.

11 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtes oder selbst nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. etwa VwGH 17.10.2017, Ra 2016/01/0216, mwN).

12 Zwischenzeitig ist das Urteil des EuGH vom 12. April 2018 in der Rechtssache C-550/16, A und S, bereits ergangen.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit diesem Urteil in seinem Erkenntnis vom 3. Mai 2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611, bereits näher befasst.

14 Zusammengefasst hat der Verwaltungsgerichtshof darin ausgeführt, dass es nach der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (Familienzusammenführungsrichtlinie) auch weiterhin nicht geboten ist, den Anwendungsbereich des § 35 AsylG 2005 zu erweitern, um dem Anliegen auf Familienzusammenführung in unionsrechtskonformer Weise Rechnung zu tragen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es hinreichend, dass sichergestellt ist, dass im Einklang mit den Vorgaben der Familienzusammenführungsrichtlinie ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt wird. Eine unionsrechtliche Verpflichtung, eine über dieses Ziel hinausgehende Rechtsstellung, die die Familienzusammenführungsrichtlinie gar nicht zum Regelungsinhalt hat, zu verschaffen (nämlich letztlich den Status des Asylberechtigten), ist weder zu sehen, noch ist solches aus dem zur Rechtssache C-550/16 ergangenen Urteil des EuGH abzuleiten (vgl. VwGH 3.5.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611, Rn. 38; gemäß § 43 Abs. 2 und Abs. 9 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen).

15 Ausgehend davon werden in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen. Wien, am 1. Juni 2018

Gerichtsentscheidung

EuGH 62016CJ0550 A und S VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018010086.L00

Im RIS seit

06.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

11.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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