Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des A C in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 15. Februar 2017, 405-10/114/1/6-2017, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau),
Spruch
I. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses wird gemäß § 42 Abs. 4 VwGG wie folgt ergänzt:
"Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gemäß § 64 Abs. 2 VStG wird auf EUR 300,- herabgesetzt."
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 2. Mai 2016 wurden über den Revisionswerber wegen Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) mit drei Glücksspielgeräten drei Geldstrafen von jeweils EUR 2.500,-
(Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 84 Stunden) verhängt und gemäß § 64 Abs. 2 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von EUR 750,-
vorgeschrieben.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) der Beschwerde insofern Folge, als es mit Spruchpunkt I. die verhängte Geldstrafe "auf je EUR 1.000 und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 48 Stunden" herabsetzte. Mit Spruchpunkt II. sprach das LVwG aus, dass dem Revisionswerber keine Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt werden. Nach Spruchpunkt III. sei eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
Die gegen das oben genannte Erkenntnis des LVwG gerichtete Revision behauptet in ihrer Zulässigkeitsbegründung die Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes sowie ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den §§ 22 Abs. 2 und 64 Abs. 2 VStG.
6 Mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, sowie der sich daran anschließenden hg. Judikatur liegt Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Unionsrechtskonformität des Glücksspielgesetzes vor. Von dieser ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen.
7 Im Übrigen sind die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH vom 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C- 347/09, Rn. 83 f, vom 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff, sowie vom 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 16. März 2016 durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung auch nachgekommen.
8 Zum Vorbringen des Revisionswerbers, wonach das für die Verwaltungsgerichte anzuwendende Amtswegigkeitsprinzip der in Art. 6 EMRK normierten Unparteilichkeit des erkennenden Gerichtes widerspreche, genügt es, auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 2017, E 3282/2016, zu verweisen. Darin hat der Verfassungsgerichtshof einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK verneint. Soweit Art. 47 GRC als anzuwendende Norm in Betracht kommen könnte, vermögen die Revisionsausführungen ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14.6.2017, Online Games Handels GmbH ua, C-685/15, stehen darüber hinaus die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen.
9 Zum Vorbringen, das Verwaltungsgericht sei in Bezug auf die Ersatzfreiheitsstrafe durch die Verhängung einer Gesamtstrafe von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen:
10 Im Revisionsfall könnte die Wortfolge des Spruches des angefochtenen Erkenntnisses, wonach "die Geldstrafe auf je EUR 1.000 und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 48 Stunden herabgesetzt werden" zu Zweifeln Anlass geben, ob die nunmehr festgesetzte Ersatzfreiheitstrafe sich auf jede einzelne der verhängten Strafen oder auf die Summe der Strafen bezieht und daher in der Folge auf diese aufzuteilen wäre.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zur Deutung eines unklaren Spruches von Bescheiden deren Begründung heranzuziehen; dies gilt auch für Entscheidungen eines Landesverwaltungsgerichtes (vgl. etwa VwGH 14.2.2017, Ra 2016/02/0015, mwN).
12 In der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses hat das LVwG ausgeführt, dass mit der Verhängung "jeweils der Mindeststrafe" das Auslangen gefunden worden sei. Dementsprechend sei "jeweils auch die Ersatzfreiheitsstrafe reduziert worden".
13 Der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses ist daher unzweifelhaft so zu verstehen, dass die Geldstrafen auf jeweils EUR 1.000,- und die Ersatzfreiheitsstrafen auf jeweils 48 Stunden herabgesetzt werden. Mangels Verhängung einer Gesamtersatzfreiheitsstrafe geht daher das diesbezügliche Zulässigkeitsvorbringen ins Leere.
14 Die Revision wirft hinsichtlich des Spruchpunktes I. auch sonst keine Rechtsfragen auf, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - soweit sie Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses betrifft - nach § 34 Abs. 1 iVm Abs. 3 VwGG wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses weist die Revision zu Recht jedoch darauf hin, dass die Entscheidung von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 23.9.1994, 94/02/0256) abweicht, weil trotz Herabsetzung der Geldstrafe keine Neufestsetzung des Verfahrenskostenbeitrages gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG erfolgt ist.
16 Über die hinsichtlich des Spruchpunktes II. zulässige Revision hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
17 Gemäß § 64 Abs. 1 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Nach Abs. 2 leg. cit. ist dieser Beitrag für das Verfahren erster Instanz mit 10 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit EUR 10,- zu bemessen.
18 Das LVwG hat im Revisionsfall mit Spruchpunkt I. die Geldstrafe auf je EUR 1.000,- (insgesamt EUR 3.000,-) herabgesetzt. Demgemäß hätte es auch den von der belangten Behörde auferlegten Kostenbeitrag nach der milderen Strafe festsetzen müssen (vgl. VwGH 23.10.2017, Ro 2017/17/0015, mwN).
19 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst entscheiden kann, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt, war das angefochtene Erkenntnis im Umfang des Spruchpunktes II. - die genannten Voraussetzungen liegen vor - in seinem Kostenpunkt spruchgemäß zu ergänzen.
20 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 8. Juni 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170327.L00Im RIS seit
06.07.2018Zuletzt aktualisiert am
26.02.2019