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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Rechtssache der Revision des J K W W in S, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. August 2017, Zl. I403 2161174- 1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der DR Kongo, stellte am 16. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 27. April 2017 sowohl betreffend den Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in die DR Kongo zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen festgesetzt.
3 Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht darauf ab, dass das Fluchtvorbringen nicht glaubhaft gemacht worden sei, weshalb der Status des Asylberechtigten nicht zuzuerkennen sei. Es sei aber auch subsidiärer Schutz nicht zu gewähren. Der Revisionswerber leide an Diabetes Mellitus Typ 2. Deswegen nehme er (näher bezeichnete) Medikamente ein, die auch im Herkunftsstaat verfügbar seien. Ferner habe er eine "umfassende Ausbildung" genossen. Er werde im Herkunftsstaat seine "dringendsten Bedürfnisse" befriedigen können und nicht in eine aussichtslose Lage geraten. Im Zusammenhang mit der Rückkehrentscheidung seien auch unterhalb der Schwelle der Art. 2 und 3 EMRK anzusiedelnde Schwierigkeiten beim Zugang zu Beschäftigung oder zur Behandlung medizinischer Probleme zu berücksichtigen, jedoch seien insoweit im Fall des Revisionswerbers besondere Schwierigkeiten nicht zu erwarten. Der durch die Rückkehrentscheidung erfolgende Eingriff in das Privatleben des Revisionswerbers erweise sich - am Boden der Feststellungen zu seinen persönlichen Verhältnissen - nicht als unverhältnismäßig.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Zunächst ist zum Prozessgegenstand des Revisionsverfahrens festzuhalten, dass sich die - nach Ablehnung der Behandlung seiner an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde und über separaten Antrag nachträglich erfolgte Abtretung durch den Verfassungsgerichtshof eingebrachte - Revision ausdrücklich nicht gegen jenen Ausspruch wendet, mit dem der Status des Asylberechtigten versagt geblieben ist.
9 Soweit der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, wendet sich der Revisionswerber zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision gegen die (auf das Wesentliche zusammengefasst) oben wiedergegebene Beurteilung seiner individuellen Situation durch das Verwaltungsgericht.
10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen nicht revisibel, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (vgl. etwa - sich ebenfalls auf die DR Kongo beziehend - VwGH 5.4.2018, Ra 2018/19/0078, mwN).
11 In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. etwa VwGH 11.4.2018, Ra 2018/20/0040; 22.3.2017, Ro 2017/18/0001, mwN und unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR).
Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Beurteilung, ob dem Revisionswerber die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung drohe, die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien missachtet hätte.
Das (allerdings unsubstantiiert gebliebene) Vorbringen, der Revisionswerber könne sich die benötigten Medikamente finanziell nicht leisten und er werde sowohl infolge der Notwendigkeit deren Finanzierung als auch wegen der gegenüber seiner Familie bestehenden Sorgepflichten in eine existentielle Notlage geraten, wurde zudem erstmals in der Revision erstattet, weshalb dieses Vorbringen schon aufgrund des im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltenden Neuerungsverbotes (§ 41 VwGG) keine Beachtung finden kann.
12 Betreffend die Erlassung der Rückkehrentscheidung ist darauf zu verweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474, mwN).
13 Der Revision gelingt es nicht aufzuzeigen, dass die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene auf die entscheidungsmaßgeblichen Umstände des Einzelfalles Bedacht nehmende Interessenabwägung unvertretbar wäre.
14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 12. Juni 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200284.L00Im RIS seit
06.07.2018Zuletzt aktualisiert am
19.02.2019