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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der F s.r.o., vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 26. Mai 2017, LVwG 41.19-595/2017-3, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Steiermark vom 30. Jänner 2017 wurde gegenüber der revisionswerbenden Partei hinsichtlich einer am 11. Mai 2016 in einem näher bezeichneten Lokal durchgeführten Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz (GSpG) gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a GSpG die Beschlagnahme von acht näher bezeichneten Glücksspielgeräten, einem Stiftschlüssel, fünf Touchscreens sowie einem Einzahlungsterminal angeordnet.
2 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) die Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen den Beschlagnahmebescheid ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück (Spruchpunkt I.) und sprach aus, dass gegen diesen Beschluss eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).
3 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Kostenersatz.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4 Die vorliegende Revision ist in Bezug auf die im Zulässigkeitsvorbringen dargelegte Rechtsfrage zur Verletzung der Verhandlungspflicht gemäß § 44 VwGVG zulässig und berechtigt.
5 Das Verwaltungsgericht begründete gegenständlich das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung damit, dass bereits am 3. März 2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung betreffend zwei weitere Beschlagnahmen nach dem GSpG (nämlich vom 24. Juni 2016 und vom 21. April 2016) sowie betreffend einen Teilbetriebsschließungsbescheid vom 11. Mai 2016 durchgeführt worden sei. Die Ergebnisse dieser Verhandlung hätten "inhaltlich auch die Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz vom 11.05.2016" umfasst; der Rechtsvertreter der revisionswerbenden Partei habe an dieser Verhandlung teilgenommen, sodass es keiner neuerlichen Verhandlung "zur Glücksspielkontrolle vom 11.05.2016" bedürfe.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit § 53 Abs. 2 GSpG bereits ausgesprochen, dass die Bestimmungen über die Beschlagnahme im Glücksspielgesetz als Regelungen des Verwaltungsstrafverfahrens zu verstehen sind (vgl. VwGH 27.4.2012, 2012/17/0053, mwN), weshalb die Vorschriften über das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen des VwGVG (§§ 37ff. VwGVG) zur Anwendung zu gelangen haben. Im Hinblick auf die in Frage stehende Verhandlungspflicht bedeutet dies im vorliegenden Fall, dass § 44 VwGVG anzuwenden war.
7 Gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg. cit. finden sich Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. Ein Absehen von der Verhandlung wäre nach dieser Bestimmung zu beurteilen und (ausreichend) zu begründen gewesen (vgl. VwGH 8.3.2018, Ra 2017/02/0273, mwN). Der bloße Verweis auf die Ergebnisse einer bereits am 3. März 2017 durchgeführten Verhandlung genügt dieser Anforderung jedenfalls nicht: Das LVwG hat gegenständlich die Beschwerde der revisionswerbenden Partei mit der Begründung deren mangelnder Parteistellung im zugrundeliegenden Beschlagnahmeverfahren zurückgewiesen; aus welchem Grund das Fehlen der Parteistellung der revisionswerbenden Partei im gegenständlichen Beschlagnahmeverfahren aufgrund der Ergebnisse der - zu anderen Verfahren - durchgeführten mündlichen Verhandlung unstrittig gewesen sein sollte (und daher allenfalls ein Entfall der Verhandlungspflicht gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG in Betracht gekommen wäre) ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses ebensowenig wie eine Begründung eines allfälligen Entfalls der Verhandlungspflicht nach den sonstigen Ausnahmebestimmungen des § 44 VwGVG.
8 Das LVwG hat damit das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreichend begründet und den angefochtenen Beschluss somit mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Eine nachprüfende Kontrolle, ob im Revisionsfall das Absehen von der mündlichen Verhandlung durch das LVwG rechtmäßig war, ist dem Verwaltungsgerichtshof nach der Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht möglich.
9 Der angefochtene Beschluss war daher schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
10 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht kommt bei diesem Verfahrensergebnis gemäß § 47 Abs. 2 Z 2 VwGG kein Kostenersatzanspruch zu.
Wien, am 14. Juni 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170641.L00Im RIS seit
05.07.2018Zuletzt aktualisiert am
03.09.2018