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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/17/0049Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und Hofrätin Mag. Dr. Zehetner sowie Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision
1. des A L und 2. der A GmbH, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 10. Mai 2016, 1) VGW-002/042/8677/2015-6 und 2) VGW- 002/V/042/9060/2015, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 11. Juni 2015 wurde der Erstrevisionswerber als der gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufene und strafrechtlich Verantwortliche der zweitrevisionswerbenden Partei wegen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 (dritter Fall) iVm § 2 Abs. 4 Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt, weil er im Zeitraum vom 1. Jänner 2013 bis 7. Jänner 2015 verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG unternehmerisch zugänglich gemacht habe. Es wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 3.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Weiters wurden ihm die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens in Höhe von EUR 300,-- zur Zahlung vorgeschrieben. Die zweitrevisionswerbende Partei wurde zur Haftung für die Geldstrafe und die Verfahrenskosten herangezogen.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde ab, wobei es den Tatzeitraum auf 25. Mai 2013 bis 31. Dezember 2014 einschränkte und die Strafe auf EUR 2.000,-- (sowie die Ersatzfreiheitsstrafe) herabsetzte. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass dem Beschwerdeführer keine Kosten für das Beschwerdeverfahren aufzuerlegen seien und verringerte die Kosten für das erstinstanzliche Verfahren auf EUR 200,-- (Spruchpunkt I.). Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).
3 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts oder Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die belangte Behörde nahm von einer Revisionsbeantwortung Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit u.a. vor, die angefochtene Entscheidung stehe im Hinblick auf den inkriminierten Tatzeitraum (25. Mai 2013 bis 31. Dezember 2014) ausgehend von der in diesem Tatzeitraum bis zum Inkrafttreten der GSpG-Novelle BGBl. I Nr. 13/2014 geltenden Fassung des GSpG im Widerspruch zur hg. Judikatur zur Subsidiarität der verwaltungsgerichtlichen gegenüber der strafgerichtlichen Zuständigkeit. Damit erweist sich die Revision als zulässig und berechtigt.
7 Dem angefochtenen Erkenntnis liegt ein Sachverhalt zugrunde, in dem zu Beginn des Zeitraums der dem Revisionswerber vorgeworfenen strafbaren Handlung (25. Mai 2013) die GSpG-Novelle BGBl. I Nr. 13/2014 noch nicht in Geltung stand. Die damals bis einschließlich 28. Februar 2014 geltende Fassung des § 52 Abs. 2 GSpG, BGBl. I Nr. 111/2010, bestimmte, dass eine allfällige Strafbarkeit nach dem GSpG hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurücktritt, wenn im Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über EUR 10,-- von Spielern oder anderen geleistet werden.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Rechtslage ausgesprochen, dass im Ergebnis keine (verfolgbare) Verwaltungsübertretung anzunehmen ist, wenn eine an sich bestehende verwaltungsrechtliche Strafbarkeit hinter die gerichtliche Strafbarkeit zurücktritt. Der Täter verwirklicht allein den einschlägigen Kriminalstraftatbestand. Für den Fall der Verwirklichung des Straftatbestandes des § 168 StGB wegen der Ermöglichung von Ausspielungen mit Einsätzen von über EUR 10,-- verbleibt kein Raum für eine weitere Verfolgung wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG. Im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Juni 2013, B 422/2013 (VfSlg. 19.754) ist nach Feststehen der Möglichkeit zur Überschreitung der Einsatzhöhe von EUR 10,-- vom Vorliegen der ausschließlichen Gerichtszuständigkeit auszugehen, weshalb in solchen Fällen auch keine Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden nach den Bestimmungen des GSpG besteht (vgl. VwGH 31.1.2018, Ra 2017/17/0045, mwN).
9 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf ein konkretes Testspiel festgestellt, dass bei dem verfahrensgegenständlichen Glücksspielgerät Höchsteinsätze von EUR 11,--, somit über EUR 10,-- möglich gewesen sind. Die Richtigkeit dieser Feststellung wird von der Revision nicht bestritten. Damit tritt für den inkriminierten Tatzeitraum bis zum Inkrafttreten der GSpG-Novelle BGBl. I Nr. 13/2014 am 1. März 2014 (somit vom 25. Mai 2013 bis 28. Februar 2014) die verwaltungsbehördliche hinter die gerichtliche Strafbarkeit zurück. Es liegt diesbezüglich eine ausschließliche gerichtliche Zuständigkeit vor.
10 Das Verwaltungsgericht Wien hat daher in Bezug auf den vorgeworfenen Tatzeitraum vom 25. Mai 2013 bis 28. Februar 2014 das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
11 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.
12 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
13 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 14. Juni 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170048.L00Im RIS seit
06.07.2018Zuletzt aktualisiert am
25.02.2019