TE OGH 2018/5/24 6Ob16/18y

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Veröffentlicht am 24.05.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M*****, 2. P*****, vertreten durch Dr. Peter Semlitsch und Dr. Wolfgang Klobassa, Rechtsanwälte in Voitsberg, gegen die beklagten Parteien 1. M*****, 2. M*****, vertreten durch Mag. Michael Edler, Rechtsanwalt in Rosental an der Kainach, wegen Beseitigung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 30. Oktober 2017, GZ 6 R 9/17s-14, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 21. April 2017, GZ 11 Cg 2/17p-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Kläger sind die Eigentümer einer Liegenschaft mit dem Grundstück 428/9.

Die Beklagten sind die Eigentümer einer im Süden unmittelbar daran angrenzenden Liegenschaft mit den Grundstücken .178/2 und .179.

Das Grundstück der Kläger wird nur über einen asphaltierten Zufahrtsweg (Sackgasse), der über das Grundstück .178/2 der Beklagten im östlichen Bereich führt, erschlossen. Der restliche (südliche) Teil des Grundstücks .178/2 ist geschottert und dient den Beklagten als Abstellplatz für ihre Fahrzeuge.

Zu Gunsten des Grundstücks 428/9 der Kläger besteht ein im Grundbuch einverleibtes Dienstbarkeitsrecht des Gehens und Fahrens am Grundstück .178/2 der Beklagten.

Beim Bezirksgericht Voitsberg waren und sind mehrere Zivilprozesse zwischen den Parteien wegen der Ausübung der Dienstbarkeit der Kläger am Grundstück .178/2 anhängig. Anlass war das oftmalige Parken und Abstellen von Fahrzeugen durch die Kläger und deren Mitbewohner sowie Besucher auf dem Grundstück .178/2 der Beklagten im Bereich des Zufahrtswegs zum Grundstück der Kläger, aber auch auf der als Parkfläche für die Beklagten vorgesehenen Grundstücksfläche, weshalb es den Beklagten kaum mehr möglich war, selbst Fahrzeuge auf ihrem Grundstück .178/2 abzustellen. Beim Bezirksgericht Voitsberg war deswegen zwischen den Beklagten einerseits und den Klägern und der Enkelin des Erstklägers (Tochter der Zweitklägerin) andererseits ein Prozess anhängig, in dem die Kläger und die Enkelin mit Urteil vom 26. 4. 2016 rechtskräftig schuldig erkannt wurden, das Abstellen und Parken von Fahrzeugen auf dem Grundstück .178/2 der Beklagten zu unterlassen.

Weil sich die Kläger und ihre Mitbewohner nicht daran hielten und insbesondere der Erstkläger seinen PKW weiterhin fast täglich auf dem Grundstück der Beklagten parkte, gingen die Beklagten mit Unterlassungsexekution gegen die Kläger und die Enkelin vor. Sie erwirkten gegen diese Beugestrafen. Die Kläger und die Enkelin brachten daraufhin drei Impugnationsklagen gegen die Beklagten beim Bezirksgericht Voitsberg ein. Darin bestritten sie ein titelwidriges Verhalten im Wesentlichen mit der Behauptung, sie hätten ihre Fahrzeuge nur kurzfristig zum Be- und Entladen bzw zum Aus- und Einsteigenlassen von Personen auf dem Grundstück .178/2 der Beklagten abgestellt.

Die Beklagten dokumentierten die Verstöße gegen das Unterlassungsurteil zwar fotografisch, befürchteten allerdings aufgrund der Prozessbehauptungen in den Impugnationsverfahren Beweisschwierigkeiten, weil Fotodokumentation nur Momentaufnahmen wiedergeben und keinen Beweis über die Dauer des Haltens und Parkens liefern.

Um (zukünftige) Verstöße der Kläger und ihrer Bewohner sowie Besucher gegen das Unterlassungsurteil eindeutig nachweisen zu können, beabsichtigten die Beklagten die Installation einer Videoüberwachungsanlage. Damit wollten sie ihr Grundstück .178/2 im Blick haben, um bei Verstößen gegen das im Urteil vom 26. 4. 2016 ausgesprochene Parkverbot in den deshalb von einem der Streitteile eingeleiteten Verfahren einen sicheren, zweifelsfreien Beweis über das rechtswidrige Abstellen der Fahrzeuge und die Dauer des Haltens und Parkens zu haben und dadurch weitere Verstöße verhindern zu können. In zweiter Linie wollten sie damit ihr Haus und Grundstück vor unbefugten Eindringlingen schützen.

Die Installation der Videokameras sollte den Beklagten auch dazu dienen, sich gegenüber den Klägern vor unberechtigten rechtlichen Inanspruchnahmen zu schützen, wenn sie wegen eines bloß kurzfristigen Abstellens ihrer eigenen Fahrzeuge (etwa um Einkäufe auszuladen) auf dem vom Geh- und Fahrrecht der Kläger umfassten Bereich des Grundstücks .178/2 von den Klägern wegen eines angeblichen Eingriffs in deren Dienstbarkeit rechtlich belangt werden sollten. Dies war in der Vergangenheit bereits vorgekommen, als die Erstbeklagte ihren PKW einmal kurz auf dem (Servituts-)Zufahrtsweg abgestellt hatte, um Einkäufe ins Haus zu bringen, wobei sie die Kläger dadurch kurzfristig in der Ausübung ihres Zufahrtsrechts behinderte. Dies hatte dazu geführt, dass die Kläger die Beklagten mit Schreiben ihres Rechtsvertreters vom 1. 6. 2015 aufgefordert hatten, das Abstellen ihres Fahrzeugs im Bereich des Grundstücks .178/2 zu unterlassen.

Im Dezember 2016 montierten die Beklagten an ihrem Haus auf dem Grundstück .179 zwei Videokameras, die eine identifizierende und dauernde Überwachung in ihrem Blickwinkel ermöglichen. Eine Videokamera befindet sich beim ostseitigen Hauseingang des Wohnhauses; sie zeigt in Richtung der – vom Hauseingang betrachtet – östlich gelegenen Zufahrtsstraße auf dem Grundstück .178/2 und des Gartentors der Beklagten. Sie ermöglicht die Überwachung eines Abschnitts der Zufahrtsstraße im Bereich des Hauseingangs. Die zweite Kamera ist auf der Südseite des Wohnhauses der Kläger montiert, zeigt in Richtung Süden und ermöglicht – ausschließlich – die Überwachung des südlichen Bereichs ihres Grundstücks .178/2 (nämlich des südöstlichen Anfangs des [Servituts-]Zufahrtswegs und der für das Parken der Fahrzeuge der Beklagten vorgesehenen Grundstücksfläche).

Der Blickwinkel beider Kameras erlaubt ausschließlich die Überwachung des Grundstücks .178/2 der Beklagten, nicht aber des Grundstücks 428/9 oder des darauf befindlichen Hauses der Kläger. Die Kläger befinden sich nur dann im Blickwinkel der Videokameras und damit auf den Videoaufnahmen, wenn sie auf dem Servitutsweg auf dem Grundstück .178/2 der Beklagten entlang gehen oder mit Fahrzeugen vorbeifahren, halten oder parken oder nicht vom Dienstbarkeitsrecht umfasste Flächen des Grundstücks .178/2 in Anspruch nehmen. Wenn sie sich auf ihrem Grundstück 428/9 aufhalten oder bewegen, werden sie von den Videokameras nicht erfasst.

Beim Bezirksgericht Voitsberg ist ein weiteres Verfahren anhängig, das die Unterlassung des Abstellens und Parkens von Fahrzeugen auf dem Grundstück der Beklagten zum Gegenstand hat. Beklagte in diesem Verfahren ist die zweite Tochter der Zweitklägerin. Ähnlich wie in den von den Klägern geführten Impugnationsprozessen sind die Beklagten in diesem Verfahren mit der Behauptung konfrontiert, die Tochter der Zweitklägerin habe nur kurzfristig angehalten, um ihre Mutter ein- und aussteigen zu lassen bzw um Waren zur Liegenschaft zuzustellen.

Die Kläger begehren die Verpflichtung der Beklagten zur Entfernung der Videoüberwachungsanlage. Die systematische, identifizierende Videoüberwachung sei ein massiver Eingriff in die Privatsphäre der Kläger und deren Besucher, weil es diesen nicht mehr möglich sei, ihr Haus unbeobachtet und unaufgezeichnet zu betreten und zu verlassen, „wobei insbesondere zur Herstellung der Videoüberwachung die Voraussetzungen einer Standardanwendung nach datenschutzrechtlichen Bestimmungen nicht vorliegen“. Die Videoüberwachungsanlage sei – abgesehen von mangelnden datenschutzrechtlichen Voraussetzungen – als völlig unzumutbarer Eingriff in die Privatsphäre der Kläger unzulässig. Die von den Beklagten für die Installation vorgebrachten Gründe seien nicht unter die Ausnahmebestimmungen des Datenschutzgesetzes zu subsumieren.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Die Kläger und ihre Mitbewohner hielten sich nicht an das gerichtliche Unterlassungsgebot. Die Beklagten hätten ein berechtigtes Interesse an der Videoüberwachung, weil nur mit deren Hilfe zukünftig Eingriffe in ihr Eigentumsrecht durch die Kläger und deren Mitbewohner bzw Besucher zweifelsfrei bewiesen werden könnten. Die Videokameras sollten auch die Beklagten davor schützen, unberechtigterweise von den Klägern wegen eines kurzfristigen Abstellens des PKW auf dem vom Geh- und Fahrrecht der Kläger umfassten Bereich belangt zu werden. Sie hätten auch ein grundsätzliches Interesse an der Überwachung ihres Außenbereichs und seien bestrebt, Haus und Grundstück vor unbefugten Eindringlingen zu schützen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision zulässig ist, weil die Datenschutzbehörde wiederholt ausgesprochen habe, dass die Installation einer Videoanlage zu Beweiszwecken in Zivilverfahren unzulässig sei, und sich darauf stütze, dass dieser Zweck in der Bestimmung des § 50a Abs 3 DSG 2000 nicht vorgesehen sei. Es liege ein Eingriff der Beklagten in das Persönlichkeitsrecht der Kläger iSd § 16 ABGB vor. Dieser Eingriff sei angesichts des rechtskräftigen Unterlassungsurteils in Bezug auf das unberechtigte Parken gerechtfertigt, begründe doch ein zu befürchtender Beweisnotstand ein bei der Interessenabwägung zu beachtendes Interesse des Eingreifers.

Die von den Beklagten beantwortete Revision der Kläger ist zulässig; sie ist im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Die Revisionswerber machen geltend, die Beklagten überwachten systematisch das gesamte Nutzungsverhalten der Kläger und berechtigterweise zugehender Dritter. Dies gehe weit über die Vorbehalte des Datenschutzrechts hinaus und sei im Zug einer Interessenabwägung zu Gunsten der Kläger zu berücksichtigen, zumal die bloße Beweissammlung von der Datenschutzbehörde ohnehin für unzulässig erklärt worden sei. Es sei weder festgestellt, noch behauptet worden, dass die Kläger strafrechtlich relevant in das Eigentum der Beklagten eingegriffen hätten oder dass ein solches Verhalten zu befürchten sei. Die Videoanlage sei daher – abgesehen von den fehlenden formellen Voraussetzungen nach dem DSG 2000 – unzulässig errichtet und greife in die Persönlichkeitsrechte der Kläger ein. Die Beklagten seien daher zur Entfernung verpflichtet.

Hiezu wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 1 DSG 2000 („DSG“) gewährleistet jedem den Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist nach dieser Bestimmung ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

1.2. Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur aufgrund von Gesetzen, die aus den in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind (§ 1 Abs 2 erster Satz DSG). Auch im Fall zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden (§ 1 Abs 2 letzter Satz DSG).

1.3. Als Voraussetzung für die Zulässigkeit des Eingriffs in das Grundrecht auf Datenschutz, der nicht von einer staatlichen Behörde im Rahmen ihrer hoheitlichen Befugnisse erfolgt, kann auch nur eine Abwägung zwischen den „berechtigten“ Interessen des Eingreifenden und dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen im Einzelfall durchzuführen sein, wobei die Interessen des Eingreifenden überwiegen müssen (6 Ob 191/15d; Jahnel, Datenschutzrecht Rz 2/47 mwN; vgl auch § 8 Abs 1 Z 4 DSG).

1.4. Die Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 3 DSG gewährleistet jedem, „soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, dh ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen 1. das Recht auf Auskunft darüber, wer welche Daten über ihn verarbeitet, woher die Daten stammen, und wozu sie verwendet werden, insbesondere auch, an wen sie übermittelt werden“, und „2. das Recht auf Richtigstellung unrichtiger Daten und das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten“. Beschränkungen dieser Rechte sind nur unter den in § 1 Abs 2 DSG genannten Voraussetzungen zulässig (§ 1 Abs 4 DSG).

2. Gemäß § 5 Abs 4 DSG ist gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit der Ausnahme des Rechts auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzbehörde zur Entscheidung zuständig, es sei denn, dass Akte im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind. Diese mit BGBl I 2013/83 eingefügte Bestimmung entspricht inhaltlich dem § 1 Abs 5 DSG, der mit Ablauf des 31. 12. 2013 außer Kraft getreten ist (Art 2 Abs 1 Z 9 iVm Abs 2 Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012, BGBl I 2012/51).

3.1 Die Absätze 1 und 2 des mit „Anrufung der Gerichte“ überschriebenen, im 6. Abschnitt des DSG „Rechtsschutz“ enthaltenen § 32 DSG lauten:

„(1) Ansprüche wegen Verletzung der Rechte einer Person oder Personengemeinschaft auf Geheimhaltung, auf Richtigstellung oder auf Löschung gegen natürliche Personen, Personengemeinschaften oder Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, soweit diese Rechtsträger bei der behaupteten Verletzung nicht in Vollziehung der Gesetze tätig geworden sind, sind auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen.

(2) Sind Daten entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verwendet worden, so hat der Betroffene Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung des diesem Bundesgesetz widerstreitenden Zustands.“

3.2 Nach § 32 Abs 2 DSG hat der Betroffene Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung des dem DSG widerstreitenden Zustands, wenn Daten entgegen den Bestimmungen des DSG verwendet worden sind. Dieser Anspruch und Ansprüche wegen Verletzung der Rechte einer Person oder Personengemeinschaft auf Geheimhaltung, auf Richtigstellung oder auf Löschung gegen natürliche Personen, Personengemeinschaften oder Rechtsträger des Privatrechts, die nicht in Vollziehung der Gesetze tätig geworden sind, sind auf dem (streitigen) Zivilrechtsweg geltend zu machen (§ 32 Abs 1 und Abs 4 DSG). Dem Begriff Beseitigung entspricht ein Klagebegehren auf Löschung der gesetzwidrig verarbeiteten Daten (Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG² § 32 DSG Anm 7).

4. Die Legaldefinitionen in § 4 Z 1, 3, 8 und 9 DSG legen fest:

Daten: Angaben über Betroffene, deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist;

Betroffener: jede vom Auftraggeber der Datenverwendung verschiedene natürliche Person oder juristische Person oder Personengemeinschaft, deren Daten verwendet wurden;

Verwendung von Daten: jede Art der Handhabung von Daten, ua das Verarbeiten;

Verarbeiten von Daten: ua das Ermitteln, Erfassen, Speichern, Aufbewahren.

5. § 7 Abs 3 DSG normiert den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, dass die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und dass die Grundsätze des § 6 DSG eingehalten werden.

6.1 Videoüberwachung im Sinn des mit der DSG-Novelle 2010, BGBl I 2009/133, eingeführten 9a. Abschnitts des DSG bezeichnet die systematische, insbesondere fortlaufende Feststellung von Ereignissen, die ein bestimmtes Objekt (überwachtes Objekt) oder eine bestimmte Person (überwachte Person) betreffen, durch technische Bildaufnahme- oder Bildübertragungsgeräte. Für derartige Überwachungen gelten die Absätze 2 bis 7 des § 50a DSG, sofern nicht durch andere Gesetze Besonderes bestimmt ist (§ 50a Abs 1 DSG).

Dass die von den Beklagten durchgeführte Videoüberwachung eine solche iSd § 50a Abs 1 DSG ist, ist im Revisionsverfahren zu Recht nicht strittig.

6.2 § 50a Abs 2 DSG ordnet die Geltung der §§ 6 und 7 DSG, insbesondere des Verhältnismäßigkeits-grundsatzes (§ 7 Abs 3 DSG) für die Videoüberwachung an, beschränkt die rechtmäßigen Zwecke (§ 6 Abs 1 Z 2 DSG) einer Videoüberwachung und normiert, dass Persönlichkeitsrechte nach § 16 ABGB unberührt bleiben.

6.2.1 Rechtmäßige Zwecke einer Videoüberwachung, insbesondere der Auswertung und Übermittlung der dabei ermittelten Daten, sind nur der Schutz des überwachten Objekts oder der überwachten Person oder die Erfüllung rechtlicher Sorgfaltspflichten, jeweils einschließlich der Beweissicherung. Eine Videoüberwachung zu anderen Zwecken ist daher unzulässig, sofern nicht materiengesetzliche Sonderregelungen bestehen (Jahnel, Datenschutzrecht – Update 126; vgl ErläutRV 472 BlgNR 24. GP 16).

6.2.2 Demnach muss eine Videoüberwachung von den rechtlichen Befugnissen ihres Auftraggebers (§ 4 Z 4 DSG) gedeckt sein (§ 7 Abs 1 DSG), darf keine schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen (§ 7 Abs 2 Z 3 DSG) der Betroffenen verletzen und nur im erforderlichen Ausmaß erfolgen (§ 7 Abs 3 DSG).

6.3 Eine rechtliche Befugnis iSd § 7 Abs 1 DSG eines Privaten zur Vornahme einer Videoüberwachung eines Grundstücks setzt ein privatrechtliches Rechtsverhältnis vom Auftraggeber zum überwachten Objekt (zB Eigentum oder Miete) voraus (Jahnel, Datenschutzrecht – Update 125). Diese Voraussetzung erfüllen die Beklagten.

6.4 § 50a Abs 3, 4 und 6 DSG legen fest, wann ein Betroffener nicht in seinen schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen verletzt ist.

§ 50a Abs 3 und 4 DSG normieren – als Sonderbestimmungen zu den §§ 8 und 9 DSG – Fälle, in denen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen eines von einer Videoüberwachung Betroffenen nicht verletzt werden.

6.5 § 50a Abs 3 DSG regelt Fälle, in denen nach § 1 Abs 2 DSG keine Interessenabwägung erforderlich ist. Keiner der von der Norm erfassten Fälle ist hier gegeben. Rechtfertigungsgründe nach § 50a Abs 6 sind ebenfalls weder behauptet noch festgestellt.

6.6 § 50a Abs 4 DSG regelt jene Rechtfertigungsgründe, die nur von privatrechtlich handelnden Auftraggebern in Anspruch genommen werden können; sie sind Ergebnis einer typisierenden Interessenabwägung durch den Gesetzgeber (Jahnel, Datenschutzrecht – Update 129; Ennöckl, Der Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Datenverarbeitung 513).

Nach dieser Bestimmung ist ein Betroffener „durch eine Videoüberwachung ausschließlich dann nicht in seinen schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen“ verletzt, wenn

„1. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, das überwachte Objekt oder die überwachte Person könnte das Ziel oder der Ort eines gefährlichen Angriffs werden, oder

2. unmittelbar anwendbare Rechtsvorschriften des Völker- oder des Gemeinschaftsrechts, Gesetze, Verordnungen, Bescheide oder gerichtliche Entscheidungen dem Auftraggeber spezielle Sorgfaltspflichten zum Schutz des überwachten Objekts oder der überwachten Person auferlegen, oder

3. sich die Überwachung in einer bloßen Echtzeitwiedergabe von das überwachte Objekt/die überwachte Person betreffenden Ereignisse erschöpft, diese also weder gespeichert (aufgezeichnet) noch in sonst einer anderen Form weiterverarbeitet werden (Echtzeitüberwachung), und sie zum Zweck des Schutzes von Leib, Leben oder Eigentum des Auftraggebers erfolgt.“

6.7 Die Beklagten haben kein Vorbringen erstattet, wonach einer dieser Rechtfertigungsgründe gegeben wäre. Es wurden von den Vorinstanzen auch keine Tatsachen festgestellt, die einen dieser Rechtfertigungsgründe verwirklichten.

6.8 Videoüberwachungen unterliegen wegen des erhöhten Gefährdungspotentials im Hinblick auf den oft großen Betroffenenkreis und die Verwendung potenziell sensibler Daten – mit Ausnahmen – der Vorabkontrolle durch die Datenschutzbehörde (§ 50c Abs 1 iVm § 18 Abs 2 DSG; 6 Ob 38/13a; ErläutRV 472 BlgNR 24. GP 20; Jahnel, Datenschutzrecht – Update 140). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen haben die Kläger hinreichend deutlich behauptet („wobei insbesondere zur Herstellung der Videoüberwachung die Voraussetzung einer Standardanwendung nach datenschutzrechtlichen Bestimmungen nicht vorliegt“), dass die Beklagten eine derartige Genehmigung nicht eingeholt haben. Die Beklagten sind auf dieses Thema in ihrem Vorbringen nicht eingegangen. Ob allein ein Verstoß gegen die Bestimmungen der Vorabkontrolle und/oder der Kennzeichnungspflicht (§ 50d DSG) einen Unterlassungsanspruch nach § 32 Abs 2 DSG begründen, muss im vorliegenden Verfahren mangels – wie gezeigt werden wird  – Entscheidungsrelevanz allerdings nicht erörtert werden.

7. Nach der Entscheidungspraxis der Datenschutzbehörde ist eine Videoüberwachung zur Gewinnung von Beweismitteln für einen Zivilrechtsstreit nicht zulässig, weil die Gewinnung von Beweismitteln für einen Zivilrechtsstreit unter keinen der gesetzmäßigen Gründe für einen solchen Eingriff in das Geheimhaltungsrecht des Betroffenen falle, die in den § 50a Abs 3 und 4 DSG taxativ (arg: „ausschließlich“) aufgezählt seien, sodass für eine allgemeine Interessenabwägung in diesem Fall kein Platz bleibe; im Fall eines bloßen Beweisnotstands könne vom Vorliegen eines Notstands iSd § 1306a ABGB keine Rede sein, setze dieser doch nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0027175) eine „gefährliche Situation“ voraus (DSB-D215.463/0006-DSB/2014; DSB-D213.453/0003-DSB/2016; DSB-D216.309/0007-DSB/2017; DSB-D216.405/0006-DSB/2017 ua). Aus der Empfehlung der Datenschutzbehörde DSB-D213.453/0003-DSB/2016 ist für die Beklagten nichts zu gewinnen, hält doch auch diese fest, dass eine ungekennzeichnete Videoüberwachung mit dem Zweck, bekannte oder unbekannte Personen bei einer Straftat oder einer zivilrechtlich haftbar machenden Handlung zu betreten und entsprechende Beweismittel zu gewinnen (private Videofalle), nicht vom gesetzmäßigen Zweck einer Videoüberwachung gemäß § 50a Abs 2 DSG gedeckt ist.

8. Schon vor der Regelung der Videoüberwachung durch die DSG-Novelle 2010 stützte der Oberste Gerichtshof die Unzulässigkeit privater Videoüberwachung auf den Persönlichkeitsschutz des § 16 ABGB (6 Ob 2401/96y SZ 70/18; 7 Ob 89/97g; 6 Ob 6/06k; 8 Ob 108/05y; vgl RIS-Justiz RS0009003, RS0107155). Dass die Videoüberwachung der Beklagten in die absolut geschützte Geheimsphäre der Kläger und der anderer Betroffener eingreift, wodurch die Rechtswidrigkeit indiziert ist (vgl RIS-Justiz RS0120423), ist unstrittig. In der Entscheidung 8 Ob 108/05y wurde ausgesprochen, dass die Erlangung eines Beweismittels in einem Zuständigkeitsstreit in einem Exekutionsverfahren durch eine Videoüberwachung einem schützenswerten Interesse dient, das den Eingriff rechtfertigt; die angestrebte Information diene einem legitimen Zweck.

9. Nach Auffassung der Vorinstanzen hat sich an der Bejahung dieses Rechtfertigungsgrundes durch die Regelung der Videoüberwachung im DSG nichts geändert, weil eine Videoüberwachung gemäß § 50a Abs 2 DSG zum Schutz des Eigentums einschließlich der Beweissicherung vorgenommen werden könne. Nach den Gesetzesmaterialien stelle § 50a DSG nicht den Anspruch, alle denkbaren Fälle, in denen eine Videoüberwachung im Licht des § 1 Abs 1 und 2 DSG zulässig ist, abschließend zu regeln.

10. Diese Ansicht überzeugt nicht:

10.1 Die von den Vorinstanzen bezogenen ErläutRV 472 BlgNR 24. GP führen aus:

„… Entsprechend dem Wunsch des Datenschutzrates erfolgt daher – aufbauend auf dem System der §§ 6 und 7 – nunmehr eine explizite Regelung, die Videoüberwachung durch Private in bestimmten Fällen (etwa zum Eigentumsschutz oder im Rahmen rechtlicher Sorgfaltsfristen [gemeint offensichtlich: Sorgfaltspflichten] anerkennt. Im Hinblick auf die mannigfachen Möglichkeiten des Videoeinsatzes kann § 50a jedoch nicht den Anspruch einer abschließenden Berücksichtigung aller denkbaren Fälle erheben, in denen Videoüberwachung im Lichte von § 1 Abs 1 und 2 zulässig sein kann. Daher gilt § 50a (ähnlich § 47) nur vorbehaltlich einer spezielleren Regelung in einem Materiengesetz.“

10.2 Diese Intention des Gesetzgebers bringt der letzte Satz des Abs 1 des § 50a DSG zum Ausdruck. Die Zulässigkeit einer Videoüberwachung zur Erlangung von Beweismitteln in einem Zivilrechtsstreit ist aber in einem anderen Gesetz nicht normiert. Eine Beweissicherung iSd § 50a Abs 2 DSG ist ein rechtmäßiger Zweck einer Videoüberwachung, wenn sie mit einem der in dieser Gesetzesstelle genannten Zwecke (Schutz des überwachten Objekts; Schutz der überwachten Person; Erfüllung rechtlicher Sorgfaltspflichten) verbunden ist und ein Betroffener durch die Videoüberwachung nicht in seinen schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen verletzt ist. Zu den in § 50a Abs 4 DSG nach seinem klaren Wortlaut taxativ (arg: ausschließlich) aufgezählten Gründen, die eine private Videoüberwachung rechtfertigen, gehört die Erlangung von Beweismitteln in einem Zivilrechtsstreit nicht.

11. Dieses Ergebnis einer typisierenden Interessenabwägung durch den Gesetzgeber im Rahmen der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit einer Videoüberwachung ist auch der Prüfung, ob eine Videoüberwachung eine Persönlichkeitsverletzung verwirklicht, zugrunde zu legen. Sonst käme es zu dem Widerspruch, dass dem Betroffenen ein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch nach § 32 Abs 2 DSG zustünde, weil mit einer gesetzwidrigen Videoüberwachung Daten des Betroffenen nach der Legaldefinition des § 4 Z 8 und 9 DSG entgegen den Bestimmungen des DSG verwendet werden, sein Persönlichkeitsrecht aber nicht verletzt wäre.

12. Nach alldem werden die Kläger durch die von den Beklagten in Auftrag gegebene permanente Videoüberwachung des Grundstücks .178/2 in ihrem Persönlichkeitsrecht und in ihrem Grundrecht auf Datenschutz verletzt, weil die Videoüberwachung des Grundstücks .178/2 mangels eines in § 50a Abs 4 DSG genannten Grundes nicht zulässig ist. Für die hier nicht zu beurteilende Verwertbarkeit von Aufnahmen einer privaten Videoüberwachung als Beweismittel in einem Zivilprozess ist daraus nichts abzuleiten.

13. Bei Persönlichkeitsverletzungen werden von der Rechtsprechung Unterlassungsansprüche auch dann bejaht, wenn sie gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen sind (6 Ob 231/16p mwN; 6 Ob 6/06k). Bei bereits erfolgtem Verstoß stehen auch Beseitigungsansprüche zu (6 Ob 231/16p; 6 Ob 6/06k), die allerdings nicht von vornherein mit einem Entfernungsbegehren gleichgesetzt werden können (8 Ob 125/11g; 6 Ob 6/06k; vgl 8 Ob 108/05y). Da die Überwachung oder die Schaffung des Eindrucks der Überwachung des eigenen (mit Nutzungsrechten anderer nicht belasteten) Grundstücks grundsätzlich als zulässig angesehen wird (6 Ob 6/06k; 8 Ob 125/11g) und die Videoüberwachung des Grundstücks .179 mit dem Haus der Beklagten das Persönlichkeitsrecht der Kläger oder ihr Recht auf Datenschutz nicht verletzen könnte, stößt das von den Klägern erhobene allgemeine Entfernungsbegehren auf Bedenken. Zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung muss die Formulierung des Begehrens mit den Klägern erörtert werden, weshalb spruchgemäß vorzugehen war.

14. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

Schlagworte

Videoüberwachung eines Sevitutsweges,

Textnummer

E121907

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00016.18Y.0524.000

Im RIS seit

06.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.01.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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