TE OGH 2018/5/29 8Ob61/18f

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Veröffentlicht am 29.05.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Mag. Karin Luxbacher, Mag. Julia Tesch-Kohlbeck Rechtsanwälte GesbR in Korneuburg, gegen die beklagte Partei R*****, vertreten durch Mag. Beate Holper, Rechtsanwältin in Wien, als Verfahrenshelferin, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26. Jänner 2018, GZ 43 R 482/17g-42, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision zeigt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht auf.

1. Voraussetzung der Scheidung der Ehe nach § 55 Abs 1 EheG sind kumulativ sowohl eine unheilbare Ehezerrüttung als auch die zumindest dreijährige Aufhebung der „häuslichen Gemeinschaft“ (Weitzenböck in Schwimann/Kodek4 § 55 EheG Rz 4).

2.1 Unter häuslicher Gemeinschaft in diesem Sinne ist die Geschlechtsgemeinschaft, Wohnungsgemeinschaft und Wirtschaftsgemeinschaft zu verstehen. Erst wenn alle drei Voraussetzungen weggefallen sind, kann von einer Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft gesprochen werden (RIS-Justiz RS0057116).

2.2 Ob im konkreten Fall die Voraussetzungen zur Annahme der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0052929). Das Gesetz erfordert für eine Scheidung wegen unheilbarer Zerrüttung der Ehe die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft während einer bestimmten Zeit, nicht aber den Abbruch jeglichen persönlichen Kontakts (RIS-Justiz RS0057125). Gelegentliche Besuche, Gespräche über gemeinsam zu regelnde Angelegenheiten, Unterstützung in abgegrenzten Teilbereichen und wirtschaftliche Kontakte der Eheleute sowie selbst fallweiser Geschlechtsverkehr sprechen nicht gegen die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft im Sinne des § 55 EheG (RIS-Justiz RS0056987; RS0057167; RS0057036 [T1 und T2]; Weitzenböck aaO Rz 11).

2.3 Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass vereinzelte gemeinsame Aktivitäten wie zwei- oder dreimaliges Schwimmen in einem Badeteich und ein gemeinsamer Ausflug samt Übernachtung auf einer Almhütte in einem Zeitraum von mehr als drei Jahren nicht als Fortsetzung oder Wiederaufnahme der häuslichen Gemeinschaft zu werten sind, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Daran ändert auch regelmäßiger telefonischer Kontakt nichts, der nach den Feststellungen vor allem vom Beklagten ausging, zumal – wie der Beklagte einräumt – „die Klägerin oft nicht abgehoben“ hat. Ebenso wenig vermag der vom Beklagten behauptete „Austausch von Zärtlichkeiten ab und zu“ bzw die ein- oder auch zweimalige Vornahme – nicht näher konkretisierter – geschlechtlicher Handlungen eine ehegerechte häusliche Gemeinschaft zwischen den Parteien zur Darstellung zu bringen. Dazu bedarf es daher weder weiterer Feststellungen noch ist die vom Beklagten in diesem Zusammenhang geltend gemachte Aktenwidrigkeit bzw Mangelhaftigkeit des Verfahrens erheblich. Das gemeinsame Singen in einem Chor und in einem Volksliedensemble und damit verbundene regelmäßige Proben begründen gleichfalls keine geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft, fehlt es solchen Gruppenaktivitäten typischerweise an Intimität und Paarbezogenheit. Damit ist die Annahme der Vorinstanzen, dass die häusliche Gemeinschaft hier jedenfalls seit Jänner 2014 aufgehoben war, als dem Beklagten über Antrag der Klägerin mit einstweiliger Verfügung insbesondere das Verlassen der Ehewohnung aufgetragen und die Rückkehr dorthin verboten worden war (vgl EFSlg 38.741; Weitzenböck aaO Rz 10), nicht korrekturbedürftig.

3.1 Eine unheilbare Ehezerrüttung ist dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat, wobei es genügt, dass der Kläger die eheliche Gesinnung verloren hat (RIS-Justiz RS0056832). Die Frage, ob eine Ehe objektiv unheilbar zerrüttet ist, stellt eine auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen nach objektivem Maßstab zu beurteilende Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0043423 [T6]). Die Zerrüttung ist dann unheilbar, wenn die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden geistigen, seelischen und körperlichen Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten ist (RIS-Justiz RS0056832 [T3]).

Entgegen der Meinung des Revisionswerbers reicht bloß einseitige Zerrüttung (Stabentheiner in Rummel3 § 55 EheG Rz 4) und hat es die Klägerin, da die beiden Voraussetzungen des § 55 Abs 1 EheG voneinander unabhängig sind (Weitzenböck aaO Rz 4), auch nicht in der Hand, die dreijährige Frist für die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft durch die Behauptung zu umgehen, sie habe bereits vor dieser Zeitspanne die eheliche Gesinnung verloren. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Ehe der Parteien unheilbar zerrüttet ist, ist durch die Feststellungen gedeckt, wonach die Ehe für die Klägerin seit dem der Wegweisung des Beklagten im Jänner 2014 vorangehenden Vorfall endgültig beendet ist und sie geschieden sein möchte.

3.2 Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens zeigt der Beklagte allein mit der Behauptung, das Berufungsgericht habe sich nicht hinreichend mit den geltend gemachten Berufungsgründen auseinandergesetzt, schon mangels Relevanz nicht auf (RIS-Justiz RS0043027).

Textnummer

E121900

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00061.18F.0529.000

Im RIS seit

06.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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