Entscheidungsdatum
02.05.2018Norm
AWG 2002 §74Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch MMag. Dr. Michaela Lütte als Einzelrichterin über die Beschwerde des Herrn A, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 29. September 2017, Zl. ***, betreffend die Vorschreibung von Kommissionsgebühren, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) ersatzlos behoben.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) iVm Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Sachverhalt und Feststellungen:
1.1. Der Nachbar des Beschwerdeführers erstattete bei der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach (in der Folge: belangte Behörde) am 24. September 2012 eine Anzeige betreffend die Lagerung und Verwendung von geteerten Telefonmasten auf dem im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Grundstück Nr. ***, KG ***. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2016 gab der Nachbar als „Nachtrag“ zu dieser Anzeige bekannt, dass zusätzlich zu den gelagerten Telefonmasten auf dem bezeichneten Grundstück ein Schuppen errichtet sei, dessen Tragekonstruktion ebenfalls aus geteerten Telefonmasten bestehe. Am 24. September 2012 sei bei einer baubehördlichen Überprüfung festgestellt worden, dass es sich um ein konsensloses Gebäude handle.
1.2. In Folge dieser Anzeige holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten betreffend die teerölimprägnierten Holzmasten ein (Gutachten vom 06. November 2012) und übermittelte dieses Gutachten mit Schreiben vom 14. November 2012 dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme, die durch den – damaligen – Vertreter des Beschwerdeführers am 28. November 2012 erfolgte.
1.3. Laut Aktenvermerk vom 21. Dezember 2012 teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde mit, dass der og. Schuppen (Gartenhaus) derzeit von ihm abgerissen werde; die beiden teerimprägnierten Steher würden ordnungsgemäß entsorgt, die restlichen salzimprägnierten Holzsteher auf einem Traktoranhänger in einem Stadel gelagert werden.
1.4. Am 08. Jänner 2013 erteilte die belangte Behörde der technischen Gewässeraufsicht (im Haus) den Auftrag zu erheben, wohin die teerimprägnierten Holzteile entsorgt worden seien bzw. wohin die salzimprägnierten Holzteile verbracht würden. In einem Aktenvermerk des beauftragten Organs der technischen Gewässeraufsicht vom 14. Jänner 2013 betreffend einen Ortsaugenschein am 10. Jänner 2013 ist insbesondere festgehalten, dass konstruktive Teile (Steher und Träger aus Telefonmasten) noch vorhanden seien, wobei zwei Stück Steher teerölimprägnierte Telefonmasten, die sonstigen konstruktiven Teile salzimprägnierte Telefonmasten seien.
1.5. Am 25. Jänner 2013 führte die belangte Behörde eine Verhandlung betreffend die Lagerung von gefährlichen Abfällen auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, unter Beiziehung einer chemisch-technischen Amtssachverständigen durch. Die Verhandlung diente – gemäß der Ladung sowie dem in der Verhandlungsschrift wiedergegebenen Sachverhalt – insbesondere der Klärung der Frage, ob die salzimprägnierten Telefonmasten, die zur Konstruktion des sich auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, befindlichen teilweise abgedeckten Schuppens verwendet wurden, als gefährliche Abfälle im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) anzusprechen seien, sowie der Festlegung der weiteren Vorgehensweise betreffend diese Telefonmasten. Hierzu wurde in der Verhandlung Befund und Gutachten durch eine chemisch-technische Amtssachverständige erstellt, wonach die salzimprägnierten Telefonmasten als Abfälle zu qualifizieren seien und aus technischer Sicht bis zum 31. März 2013 zu entsorgen seien.
Ein Bescheid betreffend die Entfernung oder Entsorgung der salzimprägnierten Masten (etwa gemäß § 74 AWG 2002) wurde gegenüber dem Beschwerdeführer nicht erlassen.
1.6. Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 13. September 2017, Zl. ***, wurde dem Beschwerdeführer für die Überprüfungsverhandlung am 25. Jänner 2013 „hinsichtlich der Lagerung von gefährlichen Abfällen am Grundstück Nr. ***, KG ***“ die Tragung der Kommissiongebühren für die Teilnahme von drei Amtsorganen für vier halbe Stunden (pro Organ und halber Stunde 13,60 Euro) in Höhe von 165,60 Euro aufgetragen.
Begründend ist ausgeführt, dass Gegenstand der Verhandlung insbesondere der auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, befindliche teilweise abgedeckte Schuppen, mit einer Konstruktion aus Stehern und Trägern aus ehemaligen Telefonmasten, gewesen sei. Das gegenständliche Verfahren sei zwar infolge einer Anzeige des Nachbarn begonnen worden, die weiteren Amtshandlungen und insbesondere die Verhandlung am 25. Jänner 2013 seien aber aufgrund der unsachgemäßen Lagerung und Verwendung von ehemaligen Telefonmasten auf dem Grundstück des Beschwerdeführers erfolgt. Die Amtshandlung sei daher durch das Verschulden des Beschwerdeführers sowie die Lagerung und die Verwendung von gefährlichem Abfall im Einflussbereich des Beschwerdeführers verursacht.
1.7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit E-Mail vom 27. September 2017 Vorstellung. Begründend führt er aus, dass die Masten nicht ihm sondern seinem Vater gehören würden und dieser ein Nutzungsrecht am Grundstück gehabt hätte. Das Grundstück hätte zuvor seinen Eltern gehört und die Masten seien dort schon Jahrzehnte gelagert gewesen. Zudem weist er darauf hin, dass der Boden – im Unterschied zur Behauptung des Nachbarn – nicht verseucht sei und es nicht – im Sinne des § 76 AVG – sein Verschulden sei, dass die Masten dort gelagert gewesen seien.
1.8. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 29. September 2017 wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers mit der Begründung abgewiesen, dass in der gegenständliche Überprüfungsverhandlung festgestellt worden sei, dass die Telefonmasten als (gefährlicher) Abfall anzusehen seien, da sie nicht mehr in der ursprünglichen Verwendung stünden. Gemäß § 74 AWG 2002 sei subsidiär zum Verursacher der Liegenschaftseigentümer mit den erforderlichen Maßnahmen zu beauftragen, wenn „er der Lagerung oder Ablagerung entweder zugestimmt oder diese geduldet oder ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat“. „Aufgrund des festgestellten Verstoßes gegen die Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes“ sei es unstrittig, dass die Amtshandlung durch das Verschulden des Beschwerdeführers verursacht worden sei und die Lagerung und Verwendung von gefährlichem Abfall in seinem Einflussbereich gestanden habe, weshalb die Kommissiongebühren von ihm zu tragen seien.
1.9. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 26. Oktober 2017 rechtzeitig Beschwerde, in der er – auf das Wesentliche zusammengefasst – ausführt, dass die Masten nicht ihm sondern seinem Vater gehören würden, der ein Nutzungsrecht am Grundstück gehabt hätte. Die Masten würden dort seit 30 Jahren lagern, der Schuppen sei vor ca. 30 Jahren von seinem Vater gebaut worden und ein Bau im Sinne des § 78 Abs. 9 AWG 2002. Eine Verunreinigung (Verseuchung) des Bodens sei nicht festgestellt worden. Aus Sicht des Beschwerdeführers sei entweder der Anzeiger oder der Besitzer der Masten für die vorgeschriebenen Kosten zuständig.
2. Beweiswürdigung:
Die insoweit unstrittigen Feststellungen – einschließlich des dargelegten Verfahrensgangs – konnten in unbedenklicher Weise im Hinblick auf den eindeutigen Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der belangten Behörde getroffen werden.
Die in Punkt 1.5. getroffene Feststellung, dass dem Beschwerdeführer die Entfernung oder Entsorgung der gegenständlichen Telefonmasten nicht mit Bescheid vorgeschrieben wurde, wurde überdies von der Behörde gegenüber dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich telefonisch am 13. April 2018 bestätigt.
3. Rechtslage:
3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) lauten:
„Anzuwendendes Recht
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
[…]“
„Verhandlung
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
[…]“
„Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
[…]“
3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) lauten:
„Kosten der Behörden
§ 75. (1) Sofern sich aus den §§ 76 bis 78 nicht anderes ergibt, sind die Kosten für die Tätigkeit der Behörden im Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu tragen.
(2) Die Heranziehung der Beteiligten zu anderen als den in den §§ 76 bis 78 vorgesehenen Leistungen, unter welchem Titel immer, ist unzulässig.
(3) Die gesetzlichen Bestimmungen über die Stempel- und Rechtsgebühren des Bundes bleiben unberührt.“
„§ 76. (1) Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen. Kosten, die der Behörde aus ihrer Verpflichtung nach § 17a erwachsen, sowie die einem Gehörlosendolmetscher zustehenden Gebühren gelten nicht als Barauslagen. Im Falle des § 52 Abs. 3 hat die Partei für die Gebühren, die den nichtamtlichen Sachverständigen zustehen, nur soweit aufzukommen, als sie den von ihr bestimmten Betrag nicht überschreiten.
(2) Wurde jedoch die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht, so sind die Auslagen von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind.
(3) Treffen die Voraussetzungen der vorangehenden Absätze auf mehrere Beteiligte zu, so sind die Auslagen auf die einzelnen Beteiligten angemessen zu verteilen.
[…]“
„§ 77. (1) Für Amtshandlungen der Behörden außerhalb des Amtes können Kommissionsgebühren eingehoben werden. Hinsichtlich der Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühren ist § 76 sinngemäß anzuwenden.
(2) Die Kommissionsgebühren sind in Pauschalbeträgen (nach Tarifen) oder, soweit keine Pauschalbeträge (Tarife) festgesetzt sind, als Barauslagen nach § 76 aufzurechnen. Die Pauschalbeträge (Tarife) sind nach der für die Amtshandlung aufgewendeten Zeit, nach der Entfernung des Ortes der Amtshandlung vom Amt oder nach der Zahl der notwendigen Amtsorgane festzusetzen.
(3) Die Festsetzung der Pauschalbeträge (Tarife) erfolgt durch Verordnung der Bundesregierung, für die Behörden der Länder und Gemeinden durch Verordnung der Landesregierung.
[…]“.
3.3. § 74 AWG 2002 lautet auszugsweise:
„Subsidiäre Haftung für Behandlungsaufträge
§ 74. (1) Ist der gemäß § 73 Verpflichtete nicht feststellbar, ist er zur Erfüllung des Auftrags rechtlich nicht imstande oder kann er aus sonstigen Gründen nicht beauftragt werden, so ist der Auftrag nach Maßgabe der folgenden Absätze dem Eigentümer der Liegenschaft, auf der sich die Abfälle befinden, zu erteilen. Ersatzansprüche des Liegenschaftseigentümers an den gemäß § 73 Verpflichteten bleiben unberührt.
(2) Eine Haftung des Liegenschaftseigentümers besteht, wenn er der Lagerung oder Ablagerung entweder zugestimmt oder diese geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Die Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers haften, wenn sie von der Lagerung oder Ablagerung Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mussten. Die Haftung des Liegenschaftseigentümers und der Rechtsnachfolger besteht nicht bei gesetzlichen Duldungspflichten.
(3) Erfolgte die Lagerung oder Ablagerung von Abfällen vor dem 1. Juli 1990, so ist Abs. 2 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Liegenschaftseigentümer nur dann zur umweltgerechten Behandlung herangezogen werden darf, wenn er die Ablagerungen auf eigenem Boden ausdrücklich gestattet und daraus in Form einer Vergütung für die Inanspruchnahme seines Eigentums einen Vorteil gezogen hat. Seine Leistungspflicht ist jedoch auf jenen Wert des Vorteiles begrenzt, der die übliche Vergütung für die Inanspruchnahme seines Eigentums überstieg. Lässt sich die übliche Vergütung nicht vergleichsweise feststellen, ist sie nach dem Wert des verursachten Nutzungsentgangs und der verursachten sonstigen Nachteile – ausgenommen die Leistungspflicht nach Abs. 1 – zu bemessen.
[…]“
4. Erwägungen:
4.1. Die Beschwerde ist berechtigt.
4.2. Die Behörde ist gemäß § 75 Abs. 1 AVG verpflichtet, die Kosten für ihre Tätigkeit im Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu tragen, sofern sich aus den §§ 76 bis 78 AVG nicht anderes ergibt. Für Amtshandlungen der Behörde außerhalb des Amtes können gemäß § 77 Abs. 1 AVG Kommissionsgebühren eingehoben werden, wobei hinsichtlich der Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühren § 76 AVG sinngemäß anzuwenden ist. Die Behörde ist daher verpflichtet, bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 76 AVG die Beteiligten zum Ersatz der Kommissionsgebühren heranzuziehen (vgl. mit näheren Hinweisen auf die Rechtsprechung Hengstschläger/Leeb, AVG2, § 77 Rz. 3).
Gemäß § 76 Abs. 2 letzter Satz AVG belasten den Beteiligten die Auslagen einer von Amts wegen angeordneten Amtshandlung dann, wenn die Amtshandlung durch sein Verschulden herbeigeführt worden ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die in § 76 Abs. 2 AVG vorgesehene Heranziehung eines Beteiligten voraus, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem schuldhaften Verhalten des Beteiligten und der mit Kosten verbundenen Amtshandlung besteht und die einzelnen Verfahrenshandlungen, welche die Kosten verursacht haben, zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts erforderlich waren. Bei der Prüfung der Frage, ob Verschulden im Sinne des § 76 Abs. 2 AVG vorliegt, sei vom Verschuldensbegriff des § 1294 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzesbuches (ABGB) auszugehen; ein solches Verschulden falle jemandem nur zur Last, wenn ihn zumindest der Vorwurf treffe, er habe es an der gehörigen Aufmerksamkeit oder dem gehörigen Fleiß fehlen lassen (vgl. umfassend VwGH 25.02.2016, Ra 2015/07/0170, mwN).
Demnach fallen in den Anwendungsbereich des § 76 Abs. 2 letzter Satz AVG primär Amtshandlungen, die in einem verwaltungspolizeilichen Auftragsverfahren vorgenommen werden. Das hierfür erforderliche Verschulden kann nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere darin erblickt werden, wenn der Beteiligte einen konsenslosen Zustand herstellt oder verwaltungspolizeiliche Anordnungen nicht befolgt (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG2, § 76 Rz. 50 f).
4.3. § 74 AWG 2002 regelt die subsidiäre Haftung des Liegenschaftseigentümers für Behandlungsaufträge. Eine solche kommt gemäß § 74 Abs. 1 leg.cit. nur dann in Betracht, wenn der gemäß § 73 AWG 2002 Verpflichtete nicht feststellbar ist, dieser zur Erfüllung des Auftrags rechtlich nicht imstande ist oder aus sonstigen Gründen nicht beauftragt werden kann. Darüber hinaus besteht eine Haftung des Liegenschaftseigentümers nur bei Erfüllung der in § 74 Abs. 2 AWG 2002 genannten Voraussetzungen, nämlich insbesondere wenn der Liegenschaftseigentümer der Lagerung oder Ablagerung zugestimmt oder diese geduldet sowie ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat (vgl. etwa VwGH 21.11.2012, 2009/07/0017, wonach die Zustimmung bzw. Duldung der Ablagerung sowie die Unterlassung zumutbarer Abwehrmaßnahmen unabhängige, nebeneinander bestehende Tatbestandselemente sind). Erfolgte die Lagerung bzw. Ablagerung vor dem 01. Juli 1990, regelt § 74 Abs. 3 AWG 2002 die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine subsidiäre Haftung des Liegenschaftseigentümers.
4.4. In der Begründung des angefochtenen Bescheides ist zunächst – ohne Feststellungen über die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen für eine subsidiäre Liegenschaftseigentümerhaftung zu treffen – der Wortlaut des § 74 Abs. 2 zweiter Satz AWG 2002 wiedergegeben. Des Weiteren ist ausgeführt, dass „[a]ufgrund des festgestellten Verstoßes gegen die Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes“ unstrittig sei, dass die Amtshandlung durch das Verschulden des Beschwerdeführers verursacht worden und die Lagerung und Verwendung von gefährlichem Abfall in seinem Einflussbereich gestanden sei. Die Kommissionsgebühren seien daher von ihm zu tragen.
4.5. Hierzu ist auszuführen, dass, ähnlich wie eine vom Verschulden abhängige verwaltungsrechtliche Bestrafung eines Liegenschaftseigentümers gemäß § 79 AWG 2002 nur bei Nichtbefolgung eines nach § 74 AWG 2002 erteilten Auftrags zulässig ist (vgl. § 79 Abs. 2 Z 21 leg.cit.), einem Liegenschaftseigentümer vom Verschulden im Sinne des § 1294 ABGB abhängige Kosten im Kontext des § 74 AWG 2002 nur dann auferlegt werden dürfen, wenn den Liegenschaftseigentümer ein Verschulden an der Amtshandlung, etwa aufgrund der Nichteinhaltung einer ihn treffenden Verpflichtung, trifft.
Wenn einem Liegenschaftseigentümer jedoch kein Auftrag gemäß § 74 AWG 2002 erteilt wurde, kann den Liegenschaftseigentümer auch kein Verschulden an einer Amtshandlung, resultierend aus der Nichteinhaltung einer ihn treffenden Verpflichtung, treffen: Für die Haftung des Liegenschaftseigentümers ist nicht alleine die (etwaige) Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 74 Abs. 2 AWG 2002 ausreichend (konkrete Feststellungen hierzu wurden im vorliegenden Fall nicht getroffen), sondern muss ein entsprechender behördlicher Auftrag erlassen worden sein.
Ein Verschulden des Beschwerdeführers im Sinne des § 76 Abs. 2 AVG kommt somit infolge der Subsidiarität der Liegenschaftseigentümerhaftung gemäß § 74 AWG 2002 jedenfalls erst dann in Betracht, wenn dem Beschwerdeführer ein Auftrag gemäß § 74 AWG 2002 erteilt worden wäre. Dies ist gemäß den oben getroffenen Feststellungen nicht der Fall.
Nur wenn der Beschwerdeführer als Liegenschaftseigentümer mit Bescheid gemäß § 74 AWG 2002 zur Entfernung der salzimprägnierten Telefonmasten verpflichtet worden wäre, wäre im Weiteren – im Sinne des Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – zu prüfen gewesen, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen einem schuldhaften Verhalten des Beschwerdeführers und der mit Kosten verbundenen Amtshandlung am 23. Jänner 2013 besteht bzw. ob den Beschwerdeführer der Vorwurf trifft, er habe es an der gehörigen Aufmerksamkeit oder dem gehörigen Fleiß fehlen lassen.
4.6. Da der Beschwerdeführer schon mangels einer ihn treffenden Verpflichtung nicht im Sinne des § 76 Abs. 2 AVG schuldhaft gehandelt hat, war spruchgemäß zu entscheiden.
5. Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Eine öffentliche mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt und konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
6. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und sich auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp. zur Unzulässigkeit der Revision in derartigen Fällen zB VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0343).
Schlagworte
Umweltrecht; Abfallwirtschaft; Subsidiäre Haftung; Verfahrensrecht; Kommissionsgebühr; Kostenersatz;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1317.001.2017Zuletzt aktualisiert am
05.07.2018