Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** Ö*****, L***** N*****, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Binder-Novak, Rechtsanwältin in St. Pölten, gegen die beklagte Partei G***** S*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Unterlassung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 20. Dezember 2017, GZ 21 R 197/17d-82, mit dem die Berufung der beklagten Partei gegen das (End-)Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 7. August 2017, GZ 14 C 614/13g-77, zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird, soweit er sich gegen die Zurückweisung der Berufung in der Hauptsache richtet, nicht Folge gegeben. Soweit sich der Rekurs gegen die Zurückweisung der Berufung im Kostenpunkt richtet, wird er zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 314,71 EUR (darin 52,45 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Rekursbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten in seinem Urteil, das „Befahren über das Grundstück“ der klagenden Partei Nr 160/2 (und somit auch über das im diesem Urteil angeschlossenen Plan markierte Wegstück), inneliegend EZ 105 KG ***** (Punkt 1.), und das „Befahren über das Grundstück“ der klagenden Partei Nr 38/5 (und somit auch über den in der Natur erkennbaren, unmittelbar beim Hütteneingang vorbeiführenden Weg), inneliegend EZ 60 KG *****, in einem 5 Tage pro Jahr übersteigenden Ausmaß zu unterlassen (Punkt 2.). Weiters hat das Erstgericht in Punkt 3. des Urteilsspruchs „die darüber hinausgehenden Mehrbegehren (…) abgewiesen“ und den Beklagten zum Kostenersatz in näher bezeichneter Höhe verpflichtet (Punkt 4.).
Das Berufungsgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss die Berufung des Beklagten, die sich nur gegen die Punkte 3. und 4. des Ersturteils richtete, in der Hauptsache als unzulässig und im Kostenpunkt als verspätet zurück. Betreffend den abweislichen Teil der Entscheidung in der Hauptsache sei der Beklagte nicht beschwert und für die Kostenrüge sei – mangels zulässiger Berufung – nur die vom Beklagten nicht gewahrte Frist von 14 Tagen offen gestanden.
Gegen diesen Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den klagsabweisenden erstinstanzlichen Entscheidungsteil so zu formulieren, dass bestimmt bezeichnete Begehren als abgewiesen gelten und ihm nur ein näher bezifferter geringerer Betrag an Prozesskosten zur Zahlung auferlegt werde.
Der Kläger erstattete eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise diesen abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
In der Hauptsache ist der Rekurs zulässig (RIS-Justiz RS0043893), aber nicht berechtigt. Betreffend den Kostenpunkt ist der Rekurs jedenfalls unzulässig.
1. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist ein Eingriff in die geschützte Rechtssphäre des Rechtsmittelwerbers (RIS-Justiz RS0006497). Es ist nur derjenige rechtsmittellegitimiert, der durch die bekämpfte Entscheidung (formell oder materiell) beschwert ist. Formelle Beschwer liegt vor, wenn die Entscheidung von dem ihr zu Grunde liegenden Antrag des Rechtsmittelwerbers zu seinem Nachteil abweicht. Die formelle Beschwer reicht aber nicht immer aus. Der Rechtsmittelwerber muss auch materiell beschwert sein. Materielle Beschwer liegt vor, wenn die (materielle oder prozessuale) Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt wird (RIS-Justiz RS0041868). Die Beschwer muss zur Zeit der Erhebung des Rechtsmittels gegeben sein und zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen; andernfalls ist das Rechtsmittel von Amts wegen als unzulässig zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0041770).
2. Grundsätzlich kann nur der durch den Spruch Beschwerte ein Rechtsmittel ergreifen (RIS-Justiz RS0041735). Allein aus den Gründen einer Entscheidung kann eine Beschwer in der Regel nicht abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0043947; RS0041929; ausgenommen etwa die prozessuale Beschwer des Zwischenurteils oder Zwischenfeststellungsantrags).
3. Aus dem Spruch des Ersturteils folgt zweifelsfrei, dass das Erstgericht alle vom Kläger erhobenen Begehren entscheiden, also keine unerledigt lassen wollte. Der Beklagte zeigt im Zusammenhang mit dem Umstand, dass das Erstgericht nicht alle abgewiesenen Begehren in seinem Spruch konkret formuliert, sondern diese pauschal als die über den stattgegebenen Teil „hinausgehenden Mehrbegehren“ bezeichnet hat, keine die Zulässigkeit seiner Berufung rechtfertigende Beschwer auf. Aus einer ausdrücklichen Formulierung der abgewiesenen Begehren im Spruch des Ersturteils könnte der Beklagte nämlich – entgegen seiner Ansicht – in einem Folgeprozess mit einem gleichlautenden Begehren nicht gleichsam automatisch den Einwand einer res iudicata ableiten:
4. Das Ausmaß der Bindungswirkung wird zwar grundsätzlich durch den Urteilsspruch bestimmt (RIS-Justiz RS0041331; RS0041357); für dessen Auslegung sind aber erforderlichenfalls die Entscheidungsgründe heranzuziehen, was insbesondere dann gilt, wenn der Umfang der Rechtskraftwirkung eines abweisenden Urteils festgestellt werden soll (RIS-Justiz RS0043259; RS0041357 [T9]). Die rechtskräftige Verneinung eines Anspruchs ist nämlich auf den vom Gericht zur Abweisung herangezogenen Sachverhalt – den „maßgeblichen Sachverhalt“ eingeschränkt (5 Ob 502/96 mwN). Deshalb beschränkt sich die rechtskräftige Verneinung des Anspruchs grundsätzlich auf den vom Gericht zur Abweisung herangezogenen Grund, hindert aber die Geltendmachung desselben Begehrens aus anderen rechtserzeugenden Tatsachen nicht (10 Ob 33/16z). Der Beklagte ist daher in dieser Konstellation jedenfalls auf die Prüfung der Entscheidungsgründe verwiesen und vermag daher eine, seine Berufung gegen den klagsabweislichen Teil des Ersturteils rechtfertigende, (prozessuale) Beschwer nicht aufzuzeigen. Die Zurückweisung seiner Berufung in der Hauptsache ist somit nicht zu beanstanden.
5. Soweit sich der Beklagte gegen die Zurückweisung seines Rechtsmittels im Kostenpunkt wendet, ist der Rekurs absolut unzulässig. Unter den Rechtsmittelausschluss im Kostenpunkt fallen auch rein formelle Entscheidungen; so ist etwa auch ein – hier vorliegender – Beschluss auf Zurückweisung eines Kostenrekurses wegen Verspätung unanfechtbar (RIS-Justiz RS0044963 [T26]).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Bemessungsgrundlage beträgt (wie im zweitinstanzlichen Verfahren) 1.500 EUR.
Textnummer
E121876European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00086.18Z.0524.000Im RIS seit
05.07.2018Zuletzt aktualisiert am
05.07.2018