Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten Dr.
Schramm sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, 1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20–22, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Lindinger und Dr. Andreas Pramer, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Veröffentlichung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 28. September 2017, GZ 3 R 115/17b-19, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Beklagte vertreibt im eigenen Namen und auf eigenes Risiko im Internet auf ihrer Website über eine mit dieser verlinkten Online-Plattform Gutscheine für Leistungen (Übernachtungen) anderer Unternehmen (Partner) über Auktionen oder zu Fixpreisen an Verbraucher. Sie weist in ihren Internetangeboten auf Folgendes hin:
„Nach Auktionsende/Kauf und erfolgreicher Zahlung erhalten Sie umgehend einen Link, wo Sie Ihren Gutschein downloaden/ausdrucken bzw. auch die Empfängerdaten ändern können.“
Auf dem an den Kunden gerichteten Gutschein werden die von dessen Überbringer beim Partner in Anspruch zu nehmenden Leistungen beschrieben und finden sich ua folgende Sätze (Anm: Fettdruck durch den Senat):
„Dieser Gutschein ist gültig ein Jahr ab Kauf, vorbehaltlich Verfügbarkeit. …
Es gelten die Geschäftsbedingungen der [Beklagten], …
Etwaige Gewährleistungsansprüche sind vom Reiseteilnehmer direkt an den Leistungspartner zu richten.“
Die Vorinstanzen verboten der Beklagten die Verwendung der beiden durch Fettdruck hervorgehobenen Klauseln.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:
1.1 Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch nach § 28 Abs 1 Satz 1 KSchG ist die tatsächliche oder drohende Verwendung (3 Ob 133/06i; 5 Ob 205/13b) unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) oder Formblätter als Vertragsbestandteile im geschäftlichen Verkehr.
1.2 AGB und Formblätter im Sinn des § 28 Abs 1 KSchG sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt (7 Ob 89/08a; RIS-Justiz RS0123499); gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in der Vertragsurkunde selbst aufgenommen sind, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat (9 Ob 14/17z mwN; RIS-Justiz RS0123499 [T2]). Auch auf Websites und deren Subpages enthaltene vorformulierte allgemeine Vertragsbedingungen, die der Verwender den auf diesem Weg mit Verbrauchern abgeschlossenen Verträgen von vornherein zugrundelegen will, unterliegen der Kontrolle gemäß § 28 KSchG (2 Ob 59/12h = RIS-Justiz RS0128261).
1.3 Die Beklagte meint, sie verwende die verbotenen Klauseln nicht im Sinn des § 28 Abs 1 KSchG. Sie stelle diese Klauseln nämlich nicht bei Abschluss des Vertrags dem Konsumenten. Diese würden zwischen dem Unternehmen, von dem die Beklagte die Gutscheine erwerbe, und dem Hotelunternehmen, das sich zur Leistung verpflichte, ausgehandelt und von der Beklagten (die diese Vereinbarung nicht ändern könne) den Gutscheinerwerbern zur Kenntnis gebracht. Die von der Beklagten dem Konsumenten gestellten Bedingungen fänden sich in ihren AGB und würden durch die Wiedergabe des für den Erwerber wesentlichen Inhalts des zwischen anderen Unternehmen abgeschlossenen Vertrags nicht geändert.
1.4.1 Dabei übersieht die Revisionswerberin, dass sich die Klausel betreffend Gültigkeitsdauer nach den Feststellungen des Erstgerichts in nahezu identischer Form („Dieser Gutschein ist gültig ein Jahr ab Kauf, vorbehaltlich Verfügbarkeit!“) schon bei den Angeboten auf der Website der Beklagten findet. Dadurch bringt die Beklagte zum Ausdruck, dass sie diese Bedingung den von ihr geschlossenen Verträgen zugrundelegen will. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte deshalb als Verwender der Klausel anzusehen ist, steht im Einklang mit der Rechtsprechung (2 Ob 59/12h).
1.4.2 In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 1 Ob 192/16s, auf die sich das Berufungsgericht berief und die Revisionswerberin nicht eingeht, wurde ausgesprochen, dass „Mitteilungen“, die vorformulierte und nicht im Einzelfall ausgehandelte Vertragsbedingungen etwa in einer Rechnung enthalten, AGB bzw Vertragsformblätter im Sinne von § 28 KSchG sind. Im Licht dieser Entscheidung bedarf die Auffassung, die Gutscheine seien hinsichtlich der Klausel „Etwaige Gewährleistungsansprüche sind vom Reiseteilnehmer direkt an den Leistungspartner zu richten.“ vorformulierte Vertragsbedingungen der Beklagten im Sinne des § 28 KSchG, keiner Korrektur.
2. Der Oberste Gerichtshof ist auch zur Auslegung von AGB-Klauseln nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RIS-Justiz RS0121516).
2.1 Bei Reisegutscheinen hat der Oberste Gerichtshof eine einjährige Gültigkeitsdauer, die bis zu drei Jahre nach deren Ablauf um ein weiteres Jahr verlängert werden kann, sodass insgesamt fünf Jahre für die Einlösung zur Verfügung stehen, als nicht gröblich benachteiligend angesehen (7 Ob 75/11x). Hingegen wurde zu 6 Ob 139/16h eine Verfallsfrist für (auch entgeltlich erworbene) „Prämienmeilen“ von 20 Monaten ohne „die Gültigkeit verlängernde, qualifizierte Aktivitäten“ und zu 7 Ob 22/12d eine Gültigkeitsdauer von zwei Jahren für Wertgutscheine, die – ähnlich den hier zu beurteilenden Gutscheinen – für touristische Dienstleistungen eingelöst werden konnten, als unzulässig beurteilt. Über den Einwand, sie schließe mit ihren Partnerunternehmen selbst nur zeitlich begrenzte Verträge, wurde die dort Beklagte darauf verwiesen, dass es ihr frei stehe, andere vertragliche Dispositionen zu treffen oder etwa durch das Vorsehen einer Rückzahlungsmöglichkeit eine Benachteiligung des Gutscheininhabers zu verhindern. Dasselbe trifft auch auf die hier zu beurteilende Regelung zu. Die Beurteilung des Berufungsgerichts der von der Beklagten verwendeten die Gültigkeit des Gutscheins betreffende Klausel als gröblich benachteiligend (§ 879 Abs 3 ABGB) ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden.
2.2 Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass zwischen der Beklagten und dem Verbraucher ein Vertrag über den Erwerb des Gutscheins zustande kommt, wobei die Beklagte dafür einsteht, dass das Partnerunternehmen die Leistungen zu den im Gutschein verbrieften Bedingungen erbringt; die Leistungen selbst werden jedoch (nur) vom Partnerunternehmen geschuldet und sind von diesem zu den von diesem festgelegten Bedingungen zu erbringen (vgl 6 Ob 169/15v).
Damit ist aber nach der Entscheidung des Senats 6 Ob 169/15v davon auszugehen, dass Leistungsstörungen sowohl im Verhältnis des Verbrauchers zum Partnerunternehmen als auch zur Beklagten auftreten können: Wird etwa der Gutschein nicht akzeptiert, muss dafür die Beklagte einstehen; wird hingegen vom Partnerunternehmen mangelhaft geleistet, muss sich der Verbraucher mit diesem auseinandersetzen.
Die Auffassung, dass eine – wie die zweite beanstandete – Klausel, die diese Zusammenhänge verschleiert, gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG verstößt, weil bei kundenfeindlichster Auslegung (vgl RIS-Justiz RS0016590) unklar bleibt, dass dem Verbraucher auch Ansprüche gegen die Beklagte aus dem mit ihr geschlossenen Vertrag zustehen, ist zutreffend. Das Transparenzgebot soll es nämlich dem Verbraucher ermöglichen, sich aus den AGB oder Vertragsbestandteilen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren (RIS-Justiz RS0115217 [T41]).
3. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens und die geltend gemachte Aktenwidrigkeit wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E121884European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00210.17A.0524.000Im RIS seit
05.07.2018Zuletzt aktualisiert am
13.02.2020