TE Lvwg Erkenntnis 2017/5/5 VGW-221/042/14144/2016/VOR

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Veröffentlicht am 05.05.2017
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Entscheidungsdatum

05.05.2017

Index

50/01 Gewerbeordnung
40/01 Verwaltungsverfahren
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

Norm

GewO 1994 §13 Abs3
GewO 1994 §13 Abs4
GewO 1994 §26 Abs3
GewO 1994 §340 Abs1
AVG §78
BVwAbgV 1983 §3
BVwAbgV 1983 Anlage 1, TP 135 litd
VwGVG §17
VwGVG §28 Abs1
B-VG Art. 11 Abs2
B-VG Art. 13
B-VG Art. 130

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. DDr. Tessar nach Erhebung einer Vorstellung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 63, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 07.11.2016, GZ: VGW-221/042/RP28/9166/2016, betreffend die Beschwerde des Hrn. M. Me., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 63, vom 8.6.2016, Zl.: ..., mit welchem gemäß § 26 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994 die Nachsicht vom Ausschluss von der Ausübung von Gewerben verweigert wurde, zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG wird bestimmt, dass der erstinstanzliche Spruch zu lauten hat wie folgt:

„Gemäß § 26 Abs. 2 GewO 1994 wird Herrn M. Me., geboren am ...1981, die Nachsicht vom Ausschluss von der Ausübung der Gewerbe: 1. „Verkauf von Pommes Frites, Langos, Kartoffelpuffern, gebratenen Kartoffeln und Früchten auf der Straße“ sowie 2. „Gastgewerbe in der Betriebsart Verabreichung von Speisen in einfacher Art und der Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hiebei nicht mehr als 8 Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden“ erteilt.“

II.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Der Spruch des bekämpften Bescheides lautet:

„Gemäß § 26 Abs. 2 GewO 1994 wird Herrn M. Me., geboren am ...1981 […] die Nachsicht vom Ausschluss von der Ausübung der Gewerbe: 1. „Verkauf von Pommes Frites, Langos, Kartoffelpuffern, gebratenen Kartoffeln und Früchten auf der Straße“ sowie 2. „Gastgewerbe in der Betriebsart Verabreichung von Speisen in einfacher Art und der Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hiebei nicht mehr als 8 Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden“ verweigert.“

Begründend wurde seitens der belangten Behörde nebst der Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen ausgeführt, dass der Nachsichtswerber von der Gewerbeausübung ausgeschlossen sei, weil gegen ihn wegen der rechtskräftigen Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen mangels eines zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 10.2.2016, GZ: ..., ein Ausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 3 GewO 1994 vorliege. Weiters habe der Nachsichtswerber Ratenvereinbarungen mit der Wiener Gebietskrankenkasse nicht eingehalten und habe er auch keinen ausreichenden Nachweis seiner liquiden Mittel vorgelegt. Aus diesen Gründen kam die belangte Behörde zu dem Schluss, dass die beantragte Nachsicht zu verweigern sei.

Dagegen richtet sich die fristgerecht im Wege des rechtsfreundlichen Vertreters eingebrachte Beschwerde des nunmehrigen Beschwerdeführers, in der er ausführt, er verfüge über ein Sparbuch (Einlage € 8.030,--) zur Abdeckung anfallender Verbindlichkeiten. Auch habe er die Forderungen der Wiener Gebietskrankenkasse zu 100% erfüllt. Die Versagensgründe liegen daher nicht mehr vor, daher sei die Nachsicht zu gewähren.

Aus dem der Beschwerde beigeschlossenen erstinstanzlichen Akt ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer laut den im Akt erliegenden GISA-Abfragen zwischen dem 10.6.2015 und dem 10.2.2016 über die Gewerbeberechtigung für das Gewerbe „Gastgewerbe in der Betriebsart Verabreichung von Speisen in einfacher Art und den Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hiebei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden“ und zwischen dem 31.5.2012 und dem 10.2.2016 über die Gewerbeberechtigung für das Gewerbe „Kleinverkauf von Pommes Frites, Langos, Kartoffelpuffern, gebratenen Kartoffeln und Früchten auf der Straße (Maronibrater)“ verfügt hatte.

Die Endigung beider Gastgewerbe erfolgte aufgrund der rechtskräftigen Nichteröffnung oder Aufhebung eines gegen den Beschwerdeführer geführten Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens (§ 13 Abs. 3 und § 13 Abs. 5 erster Satz GewO i.V.m. § 85 Z 2 GewO).

In weiterer Folge brachte der Beschwerdeführer zwei Nachsichtsansuchen gemäß § 26 der Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994 bei der belangten Behörde ein.

Mit Schreiben vom 4.3.2016 stellte er ein Nachsichtsansuchen bezüglich des „Gastgewerbes in der Betriebsart Verabreichung von Speisen in einfacher Art und der Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hiebei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden“ und des Gewerbes „Kleinverkauf von Pommes Frites, Langos, Kartoffelpuffern, gebratenen Kartoffeln und Früchten auf der Straße (Maronibrater)“.

In Bearbeitung des Falles ermittelte der Magistrat der Stadt Wien als für die Erledigung der Anträge zuständige Behörde, dass der Nachsichtswerber im Zuge der Gewerbeausübung der oben genannten Gewerbe mit der Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge in Rückstand geraten war. Die zuständige Sozialversicherung (Wiener Gebietskrankenkasse) hatte deswegen den, dem oa Gerichtsbeschluss zugrunde gelegenen Insolvenzantrag gestellt.

Diese Abweisung des Insolvenzantrages stellt gemäß § 13 GewO 1994 einen Endigungsgrund für alle Gewerbeberechtigungen dar. Auf Grund dieses rechtskräftigen Gerichtsbeschlusses wurden daher die oa Gewerbeberechtigungen per 10.2.2016 gelöscht.

Anlässlich der am 21.3.2016 durchgeführten Verhandlung führte der Beschwerdeführer aus, dass er nur eine Nachsicht hinsichtlich des Gewerbes „Gastgewerbe in der Betriebsart Verabreichung von Speisen in einfacher Art und den Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hiebei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden“ beantrage. Im Zuge dieser Einvernahme verzichtete der Beschwerdeführer zudem auf die Erteilung der beantragten Nachsicht für das Gewerbe „Kleinverkauf von Pommes Frites, Langos, Kartoffelpuffern, gebratenen Kartoffeln und Früchten auf der Straße (Maronibrater)“.

In der am 14.4.2016 erfolgten Verhandlung mit dem Beschwerdeführer führte der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Außenstände gegenüber der Wiener Gebietskrankenkasse aus, dass er inzwischen zwei der vereinbarten Raten beglichen habe. In dieser Verhandlung wurde der Beschwerdeführer angewiesen, die von ihm getätigten Ratenzahlung durch Belege nachzuweisen. Zudem wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, seine Zahlungsfähigkeit gegenüber der Behörde durch entsprechende Beweismittel nachzuweisen.

In dieser Verhandlung zog der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Erteilung einer Nachsicht hinsichtlich des Gewerbes „Gastgewerbe in der Betriebsart Verabreichung von Speisen in einfacher Art und den Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hiebei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden“ zurück.

Zudem stellte der Beschwerdeführer während dieser Verhandlung durch Vorlage eines Antragsschriftsatzes vom 14.4.2016 ein Nachsichtsansuchen bezüglich des Gewerbes „Kleinverkauf von Pommes Frites, Langos, Kartoffelpuffern, gebratenen Kartoffeln und Früchten auf der Straße (Maronibrater)“.

Gleichzeitig legte der Antragsteller den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 21.1.2016 zur GZ: ... vor, mit welchem festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer zahlungsunfähig sei und das gegen ihn beantragte Insolvenzverfahren mangels eines zur Deckung der Kosten eines Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens nicht eröffnet werde. Die Zahlungsunfähigkeit des Beschwerdeführers sah das Gericht aufgrund des Umstands, dass der Beschwerdeführer die mit der Wiener Gebietskrankenkasse vereinbarte Ratenvereinbarung nicht eingehalten hatte, und daher Terminverlust eingetreten war, als erwiesen an.

In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer am 2.5.2016 vor der belangten Behörde neuerlich einen Nachsichtserteilungsantrag betreffend das Gewerbe „Gastgewerbe in der Betriebsart Verabreichung von Speisen in einfacher Art und den Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hiebei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden“.

Während des gesamten erstbehördlichen Verfahrens ist der Beschwerdeführer dem ihm auferlegten Auftrag, die von ihm geleisteten Ratenzahlungen an die Wiener Gebietskrankenkasse zu belegen, nicht nachgekommen.

Da dieser Aufforderung keine Folge geleistet worden war, erließ die Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid.

In der dagegen frist- und formgerecht im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters eingebrachten Beschwerde führte der nunmehrige Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass er seine Rückstände bezahlt habe und legte ein Sparbuch in Kopie vor, das sein liquiden Mittel nachweisen solle.

Diese Beschwerde wurde dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Rechtspfleger zur Zl. VGW-221/042/RP28/9166/2016 zugewiesen.

Das Verwaltungsgericht Wien ersuchte mit Schreiben vom 12.10.2016 an die Wiener Gebietskrankenkasse um Auskunft über allfällige offene Forderungen.

In ihrer Antwort vom 20.10.2016 teilte die Gebietskrankenkasse mit, dass der Beschwerdeführer seinen kompletten Rückstand beglichen habe und keine offenen Forderungen ihm gegenüber mehr bestehen.

Am 7.11.2016 wurde vor dem Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche Verhandlung abgehalten, an der der Beschwerdeführer mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung und ein Vertreter der belangten Behörde teilnahmen. In dieser Verhandlung legte der Beschwerdeführer zum Nachweis seiner liquiden Mittel ein auf den Beschwerdeführer lautendes Sparbuch mit einem Guthaben von EUR 8.030,-- vor.

In weiterer Folge wurde mit hg Erkenntnis vom 7.11.2016, Zl. VGW-221/042/RP28/9166/2016, über die gegenständliche Beschwerde mit nachfolgendem Spruch abgesprochen:

„Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.“

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt:

„Nach Durchführung der Verhandlung steht fest, dass keine Bedenken vorliegen, dass dem BF bei Erteilung einer Gewerbeberechtigung nicht genügend Finanzmittel zur Verfügung stünden. Aus Sicht des Verwaltungsgerichtes Wien konnte daher die entsprechende Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 3 GewO 1994 erteilt werden.“

Gegen dieses Erkenntnis erhob die belangte Behörde mit Schriftsatz vom 14.11.2016 das Rechtsmittel der Vorstellung. In dieser wurde vorgebracht, dass im gegenständlichen Verfahren keine der Voraussetzungen für die Befugnis des Verwaltungsgerichts vom Absehen der Erlassung einer meritorischen Entscheidung vorgelegen sei. Daher sei das Verwaltungsgericht nicht befugt gewesen, den bekämpften Bescheid (bloß) zu beheben.

Aus den in § 24 Abs. 2 VwGVG genannten Gründen konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen.

Das Verwaltungsgericht hat erwogen:

1.) Zu Spruchpunkt I)

Gemäß § 340 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde auf Grund der Anmeldung des Gewerbes (§ 339 Abs. 1 GewO) zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes durch den Anmelder in dem betreffenden Standort vorliegen. Liegen die Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes vor und hat die Anmeldung nicht ein in Abs. 2 leg. cit. genanntes Gewerbe zum Gegenstand, so hat die Behörde den Anmelder längstens binnen drei Monaten in das Gewerberegister einzutragen und diesen durch Übermittlung eines Auszugs aus dem Gewerberegister von der Eintragung zu verständigen.

Gemäß § 13 Abs. 3 GewO 1994 sind Rechtsträger von der Gewerbeausübung als Gewerbetreibende (§ 38 Abs. 2 GewO) ausgeschlossen, wenn 1. das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig nicht eröffnet oder aufgehoben wurde, und 2. der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in den genannten Insolvenzfall gewährt wird, noch nicht abgelaufen ist. Dies gilt auch, wenn ein mit dem angeführten Ausschlussgrund vergleichbarer Tatbestand im Ausland verwirklicht wurde.

Der Ausschlussgrund liegt gemäß § 13 Abs. 4 GewO nicht vor, wenn im Rahmen des Insolvenzverfahrens der Sanierungsplan vom Gericht bestätigt wurde und dieser erfüllt worden ist oder wenn im Rahmen des Insolvenzverfahrens das Gericht den Zahlungsplan des Schuldners bestätigt hat und der Zahlungsplan erfüllt worden ist oder nach Durchführung eines Abschöpfungsverfahrens die Restschuldbefreiung erteilt wurde und unwiderrufen geblieben ist.

Gemäß § 26 Abs. 2 GewO 1994 hat die Behörde im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 3 GewO 1994 die Nachsicht von diesem Ausschluss zu erteilen, wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage des Rechtsträgers erwartet werden kann, dass er den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird.

Aus dem Wortlaut "wenn ... erwartet werden kann" in der Bestimmung des § 26 Abs. 3 GewO ergibt sich, dass keine Bedenken vorliegen dürfen, die eine derartige Erwartung ausschließen. Die im Gesetz definierte Erwartung setzt jedenfalls voraus, dass der Nachsichtswerber über die erforderlichen liquiden Mittel verfügt, um die mit der beabsichtigten Gewerbeausübung im Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten - und zwar bei Fälligkeit - abdecken zu können (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/04/0191; 12.12.2001, 2001/04/0231; 26.6.2013, 2013/03/0042). Dabei ist auf ein (Nicht-)Verschulden des Nachsichtswerbers am früheren Konkurs Bedacht zu nehmen und auf die für das in Aussicht genommene Gewerbe erforderlichen liquiden Mittel abzustellen. Den Nachsichtswerber trifft eine Mitwirkungspflicht (VwGH 23.11.1993, 93/04/0001; 28.1.1993, 92/04/0207; 10.12.1991, 91/04/0169; 26.6.2013, 2013/03/0042).

§ 28 Abs. 1 und 2 VwGVG lautet:

„(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Über Beschwerden hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltsdurch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(2) Die Erkenntnisse sind im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen. Sie sind zu begründen. Hat eine Verhandlung in Anwesenheit von Parteien stattgefunden, so hat in der Regel das Verwaltungsgericht das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen sogleich zu verkünden (§ 29 Abs. 1 und 2 VwGVG).“

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 14.4.2016 bei der belangten Behörde den Antrag auf Nachsicht bezüglich des Gewerbes „Kleinverkauf von Pommes Frites, Langos, Kartoffelpuffern, gebratenen Kartoffeln und Früchten auf der Straße (Maronibrater)“ gestellt hat.

Weiters beantragte der Beschwerdeführer mit bei der belangten Behörde am 2.5.2016 eingelangtem Schriftsatz die Erteilung einer Nachsicht betreffend das Gewerbe „Gastgewerbe in der Betriebsart Verabreichung von Speisen in einfacher Art und den Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hiebei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden“.

Zudem ist unstrittig, dass mit rechtskräftigem Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 21.01.2016, GZ. ..., die Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen mangels eines zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens bestimmt worden ist. Es liegt sohin der Gewerbeausschlussgrund des § 13 Abs. 3 GewO 1994 vor.

Weiters wird festgestellt, dass auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage des Rechtsträgers erwartet werden kann, dass er den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird.

Diese Feststellung gründet einerseits auf dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mittlerweile alle Schulden bei der Wiener Gebietskrankenkasse beglichen hat. Da der gegenständliche Insolvenzverfahrenseinleitungsantrag von der Wiener Gebietskrankenkasse gestellt worden ist, besteht daher kein Anlass, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer bestehenden Verschuldung seinerseits an der Führung eines Gewerbebetriebs beeinträchtigt sein wird. Es besteht daher auch kein Anlass, dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach dieser mittlerweile alle seine Schulden beglichen hat, nicht zu folgen.

Zudem ist als erwiesen anzusehen, dass der Beschwerdeführer über ein jederzeit abrufbares Geldvermögen in der Höhe von jedenfalls € 8.030,-- verfügt.

In Anbetracht der vom Beschwerdeführer in Aussicht genommenen Gewerbetätigkeiten ist auch nicht davon auszugehen, dass es für die erfolgreiche Führung dieser beiden Gewerbe eines besonders hohen Startkapitals bedarf.

Im gegenständlichen Fall ist vom Verwaltungsgericht Wien zu beurteilen, ob die Voraussetzungen vorliegen, dass der Antragsteller und Beschwerdeführer trotz formaler Erfüllung eines Ausschlussgrundes im Sinne des § 13 Abs. 3 oder 4 GewO 1994 eine Gewerbeberechtigung erlangen kann.

In Anbetracht dieser Feststellung, wonach erwartet werden kann, dass er künftig den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird, ist zu folgern, dass somit die Voraussetzungen zur Erteilung der Nachsicht vom Ausschluss von der Ausübung der Gewerbe: „Verkauf von Pommes Frites, Langos, Kartoffelpuffern, gebratenen Kartoffeln und Früchten auf der Straße“ und „Gastgewerbe in der Betriebsart Verabreichung von Speisen in einfacher Art und der Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hiebei nicht mehr als 8 Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden“, vorliegen.

2) Begründung der Nichtvorschreibung einer Verwaltungsabgabe i.S.d. § 3 Abs. 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983:

2.1) maßgebliche Rechtsgrundlagen:

§ 78 AVG in der seit dem 1.1.2014 in Geltung stehenden Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, lautet wie folgt:

(1) Den Parteien können in den Angelegenheiten der Bundesverwaltung (unmittelbare oder mittelbare Bundesverwaltung, übertragener Wirkungsbereich der Gemeinden in Bundesangelegenheiten) für die Verleihung von Berechtigungen oder sonstige wesentlich in ihrem Privatinteresse liegende Amtshandlungen der Behörden Bundesverwaltungsabgaben auferlegt werden, sofern die Freiheit von derlei Abgaben nicht ausdrücklich durch Gesetz festgesetzt ist. Wenn ein im Verwaltungsverfahren als Partei auftretender Rechtsträger zur Vollziehung der Gesetze berufen ist, so unterliegt er insoweit der Verpflichtung zur Entrichtung von Bundesverwaltungsabgaben nicht, als die Amtshandlung eine unmittelbare Voraussetzung der dem Rechtsträger obliegenden Vollziehung der Gesetze bildet. Die Gebietskörperschaften unterliegen ferner der Verpflichtung zur Entrichtung einer Bundesverwaltungsabgabe nicht, wenn diese der als Partei einschreitenden Gebietskörperschaft zufließen würde.

(2) Für das Ausmaß der Bundesverwaltungsabgaben sind, abgesehen von den durch Gesetz besonders geregelten Fällen, durch Verordnung der Bundesregierung zu erlassende Tarife maßgebend, in denen die Abgaben mit festen Ansätzen, die nach objektiven Merkmalen abgestuft sein können, bis zum Höchstbetrag von 1 090 Euro im einzelnen Fall festzusetzen sind.

(3) Das Ausmaß der Verwaltungsabgaben in den Angelegenheiten der Landes- und Gemeindeverwaltung richtet sich nach den auf Grund des Finanz-Verfassungsgesetzes und des Finanzausgleichsgesetzes bestehenden landesgesetzlichen Vorschriften.

(4) Die Bundesverwaltungsabgaben sind von der Behörde einzuheben und fließen der Gebietskörperschaft zu, die deren Aufwand zu tragen hat.

(5) Die Art der Einhebung ist für die Bundesbehörden durch Verordnung der Bundesregierung, für die Behörden der Länder und Gemeinden durch Verordnung der Landesregierung zu regeln.

Aufgrund der Bestimmung des § 78 AVG i.d.F. BGBl. Nr. 45/1968 wurde der derzeit unverändert seit der Stammfassung BGBl. Nr. 24/1983 der Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983 in Geltung stehende § 3 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983 erlassen. Diese Bestimmung lautet wie folgt:

„(1) Ergeht im Zusammenhang mit der Verleihung einer Berechtigung oder mit einer sonstigen Amtshandlung, für die eine Verwaltungsabgabe zu entrichten ist, ein Bescheid nach § 56 oder § 57 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950, so ist die Vorschreibung der Verwaltungsabgabe in dessen Spruch aufzunehmen. Dies gilt auch für Bescheide der Berufungsbehörden, wenn der Anlaß für die Entrichtung der Verwaltungsabgabe erst durch ihren Bescheid gegeben wird.

(2) Liegt der Fall des Abs. 1 nicht vor, so ist die Verwaltungsabgabe, wenn sie nicht ohne weiteres entrichtet wird, durch einen abgesonderten Bescheid nach § 57 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 vorzuschreiben. Wird gegen einen solchen Bescheid Vorstellung erhoben und darauf ein neuer Bescheid gemäß § 56 erlassen, so richtet sich der Instanzenzug – unbeschadet der Bestimmungen des Art. 3 des Verwaltungsentlastungsgesetzes, BGBl. Nr. 277/1925, – nach den für die betreffende Angelegenheit geltenden Vorschriften.“

Gemäß Anlage 1, Tarifpost 135 lit. d BVwAbgV ist für die Erteilung einer Nachsicht vom Ausschluss der Gewerbeausübung (§§ 26 und 27 GewO 1973, entspricht § 26 GewO 1994) eine Bundesverwaltungsabgabe in der Höhe von € 32,70 zu entrichten.

2.2) Problemstellung:

Gegenständlich ist zu prüfen, ob im Falle der Abweisung eines Nachsichterteilungsantrags durch die Bezirksverwaltungsbehörde, in dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichts, welches aufgrund einer Beschwerde gegen diesen abweisenden Bescheid in der Sache i.S.d. § 8 AVG meritorisch entscheidet und die Nachsicht erteilt, die infolge der Nachsichterteilung dem Grunde nach entstandene Verwaltungsabgabe gemäß § TP 135 lit. d Bundesverwaltungsabgabenverordnung betragsmäßig vorzuschreiben ist.

Zu solch einer Verpflichtung des aufgrund einer Beschwerde gegen einen abweisenden Nachsichterteilungsantrag die Nachsicht erteilenden Verwaltungsgerichts kann man nur dann gelangen, wenn man zum Ergebnis gelangt, dass bei dieser Konstellation das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Verwaltungsabgabe gemäß § TP 135 lit. d Bundesverwaltungsabgabenverordnung (allenfalls unter Anwendung des § 17 VwGVG) Normadressat des § 78 AVG ist und als „Behörde“ i.S.d. § 78 Abs. 4 AVG einzustufen ist.

Zur Klärung dieser Frage erscheint es zweckmäßig die Bestimmung des § 78 AVG (insbesondere im Hinblick auf seine verfassungsrechtliche Kompetenzgrundlage) näher zu analysieren.

2.3) Analyse des § 78 AVG:

2.3.1) § 78 AVG ist keine verfahrensrechtliche Gesetzesnorm i.S.d. Art. 11 Abs. 2 B-VG:

2.3.1.1) Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Art. 11 Abs. 2 B-VG:

Art. 11 Abs. 2 B-VG ist Teil der Kompetenzartikel der Artt. 10 bis 15 B-VG.

§ 11 Abs. 2 B-VG lautet wie folgt:

„Soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften als vorhanden erachtet wird, werden das Verwaltungsverfahren, die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes, das Verwaltungsstrafverfahren und die Verwaltungsvollstreckung auch in den Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung den Ländern zusteht, durch Bundesgesetz geregelt; abweichende Regelungen können in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen nur dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind.“

Auf Grundlage des Art. 13 Abs. 1 B-VG, wonach die Zuständigkeiten des Bundes und der Länder auf dem Gebiet des Abgabenwesens durch ein eigenes Bundesverfassungsgesetz („Finanz-Verfassungsgesetz“) geregelt werden, wurde durch F-VG Novelle BGBl. I Nr. 103/2007 die Verfassungsbestimmung des § 7 Abs. 6 F-VG geschaffen. Gemäß § 7 Abs. 6 F-VG regelt die Bundesgesetzgebung die allgemeinen Bestimmungen und das Verfahren für die von den Abgabenbehörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden verwalteten Abgaben. Nach den Materialien stellt diese Bestimmung eine lex specialis zum Art. 11 Abs. 2 B-VG dar (vgl. RV 289 BlgNR 23. GP, S 14). Aufgrund dieser Bestimmung des § 7 Abs. 6 F-VG findet daher Art. 11 Abs. 2 B-VG auf das abgabenrechtliche Verfahren vor Abgabenbehörden keine Anwendung.

Art. 11 Abs. 2 B-VG regelt insbesondere, unter welchen Voraussetzungen der Bundesgesetzgeber bzw. die Landesgesetzgeber zur Erlassung von verfahrensrechtlichen Bestimmungen befugt sind.

Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen regeln die Art der Vollziehung von materiellrechtlichen Bestimmungen. Nach dem Konzept der Kompetenzverteilung ist der Materiengesetzgeber im Hinblick auf eine bestimmte kompetenzrechtliche Materie sowohl zur Erlassung von materiellrechtlichen Gesetzesbestimmungen, als auch zur Erlassung von die Vollziehung der materiellrechtlichen Gesetzesbestimmungen regelnden verfahrensrechtlichen Gesetzesbestimmungen befugt. So gesehen gründen verfahrensrechtliche Bestimmungen (sofern verfassungsrechtlich [vgl. etwa Art. 11 Abs. 2 B-VG oder § 7 Abs. 6 F-VG] nicht anderes vorgesehen ist) auf demselben Kompetenztatbestand als die materiellrechtlichen Bestimmungen, deren Vollziehung der Gegenstand der jeweiligen verfahrensrechtlichen Bestimmungen ist.

Demgegenüber sind die aufgrund der Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Art. 11 Abs. 2 B-VG vom Bundesgesetzgeber erlassenen bundesgesetzlichen Verfahrensvorschriften kompetenzneutral.

Zudem ist aus dem Konzept der Bundesverfassung zu folgern, dass die nicht auf die Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Art. 11 Abs. 2 B-VG gegründeten verfahrensrechtlichen Bestimmungen nicht kompetenzneutral, sondern auf einen oder mehrere der (materienrechtlichen) Kompetenztatbestände der Artt. 10 bis 15 B-VG gegründet sind; handelt es bei diesen doch entweder um materiellrechtliche Gesetzesnormen oder aber um verfahrensrechtliche Gesetzesnormen, welche von einem Materiengesetzgeber aufgrund eines oder mehrerer Kompetenztatbestände erlassen worden sind.1

Schon die obangeführte Begriffsabgrenzung zwischen einer materiellrechtlichen und einer verfahrensrechtlichen Norm impliziert daher, dass eine materiellrechtliche Gesetzesnorm nicht aufgrund der Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Art. 11 Abs. 2 B-VG erlassen sein kann.

Bei Zugrundelegung der oa Darlegungen stellt § 78 AVG jedenfalls dann keine kompetenzneutrale, daher auf dem Bedarfsgesetzgebungstatbestand des Art. 11 Abs. 2 B-VG gegründete Gesetzesnorm dar, wenn diese Bestimmung auf einen anderen Kompetenztatbestand als Art. 11 Abs. 2 B-VG gründet.

2.3.1.2) § 78 AVG gründet auf den Kompetenztatbestand des Art. 13 B-VG; § 78 AVG ist daher nicht kompetenzneutral:

Der Verfassungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnisses konkludent oder explizit zum Ausdruck gebracht, dass verwaltungsabgabenrechtliche Normen (insbesondere die Bestimmung des § 78 AVG) als auf Art. 13 B-VG i.V.m. den Bestimmungen des F-VG gestützte abgabenrechtliche Normen einzustufen sind. Sohin ist eine Regelung, welche eine Verwaltungsabgabe vorschreibt, keinesfalls kompetenzneutral bzw. auf den Bedarfsgesetzgebungskompetenztatbestand des Art. 11 Abs. 2 B-VG stützbar.

In den zu dieser Frage wesentlichen Judikaten führte der Verfassungsgerichtshof aus wie folgt:

Gemäß dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 30.6.1950, Zl. K II-2/50, sind die Erteilung der Genehmigung zur Errichtung, Übertragung, Erweiterung, Verlegung, Verpachtung, Änderung der Bezeichnung und der Erweiterung des Berechtigungsumfanges einer Privatheilanstalt, die sanitätsbehördliche Genehmigung der Betriebsanlage einer solchen Anstalt und die Genehmigung der Bestellung ihres leitenden Arztes Angelegenheiten, hinsichtlich welcher nach dem gegenwärtigen Stande der Kompetenzverteilung gemäß Art. 12 Abs 1 Z 2 B-VG die Vollziehung den Ländern zusteht. Unter Zugrundelegung dieser Feststellung stellte der Verfassungsgerichtshof zudem klar, dass die Erstellung der Tarife der für diese Genehmigungen zu entrichtenden Verwaltungsabgaben Landessache ist.

In seinem Erkenntnis vom 10.12.1965, Zl. V 12/65, führte der Verfassungsgerichtshof zu § 78 AVG aus wie folgt:

„Dem Antrag auf Aufhebung der im Abschnitt V (Leichenwesen und Bestattungswesen, Heilanstalten und Pflegeanstalten) enthaltenen Bestimmung des Punktes 26 lit. b des einen Bestandteil der Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. Dezember 1958, LGBl. Nr. 470 (Landes-Verwaltungsabgabenverordnung 1959) , bildenden Tarifes über das Ausmaß der Verwaltungsabgaben in den Angelegenheiten der Landesverwaltung wird keine Folge gegeben.

Die Regelung der Verwaltungsabgaben gehört nicht zur Materie "Verwaltungsverfahren" . Die Verwaltungsabgaben sind Abgaben i. S. der Finanzverfassung. Da die Landesgesetzgebung nach dem F-VG 1948 zuständig ist, die Abgaben zu regeln, an deren Ertrag der Bund nicht (auch nicht zum Teil) beteiligt ist, ist die Landesgesetzgebung zuständig, Verwaltungsabgaben einzuführen und zu regeln, deren Ertrag den Ländern (Gemeinden) zufließt. Seit dem FAG 1959, BGBl. Nr. 97, werden unter Z 17 des § 9 Abs 1 als ausschließliche Landesabgaben, Gemeindeabgaben die Landes- Verwaltungsabgaben und Gemeinde-Verwaltungsabgaben ausdrücklich genannt.

Seit § 78 AVG 1950 seines Verfassungsranges entkleidet wurde, sind somit für die Zuständigkeit zur Regelung der Verwaltungsabgaben ausschließlich die Bestimmungen des Finanz-Verfassungsgesetzes maßgebend. Dies bedeutet, daß § 78 Abs 1, 2, 4 und 5 AVG 1950 bei verfassungskonformer Auslegung seither nur mehr für die Bundesverwaltungsabgaben gilt und daß § 78 Abs 3 AVG 1950 nur eine Verweisung ohne normativen Inhalt darstellt. Der Umstand, daß im § 1 des NÖ Landes-Verwaltungsabgabengesetzes vom 30. Oktober 1958, LGBl. Nr. 469, der § 78 AVG 1950 zitiert wird, ist ohne Bedeutung und bewirkt keine Verfassungswidrigkeit dieses Landesgesetzes, weil die irrige Auffassung des Landesgesetzgebers, die Formulierung des § 78 übernehmen zu müssen, nicht den Inhalt der Regelung berührt.

Nach § 1 des NÖ Landes-VerwaltungsabgabenG können Verwaltungsabgaben nur Parteien auferlegt werden. Das sind gemäß § 8 AVG 1950 Personen, die am Verwaltungsverfahren vermöge eines Rechtsanspruches oder vermöge eines rechtlichen Interesses beteiligt sind. In den Fällen, in denen bei der Totenbeschau überhaupt eine Parteistellung gegeben ist, ist die Durchführung der Totenbeschau in der Regel zwar auch im öffentlichen Interesse, aber doch wesentlich im Privatinteresse gelegen.“

Zu keinem anderen Ergebnis gelangte der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.3.1968, Zl. B 471/67, in welchem er u.a. ausführte wie folgt:

„Die Erteilung von straßenpolizeilichen Bewilligungen zur Aufstellung von Selbstbedienungsständen zu Zeitungsverkaufszwecken gemäß § 82 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) , BGBl. Nr. 159/1960, i. d. F. BGBl. Nr. 204/1964, ist eine Angelegenheit der örtlichen Straßenpolizei i. S. des Art. 118 Abs 3 Z 4 B-VG, i. d. F. BGBl. Nr. 205/1962, denn sie liegt innerhalb des Teiles der Straßenpolizei, der im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet ist, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden (vgl. die bezüglich der Sicherheitspolizei in Art. 15 Abs 2 B-VG i. d. F. BGBl. Nr. 205/1962 getroffene Legaldefinition, die für die Abgrenzung anderer örtlicher Polizeiangelegenheiten analog anzuwenden ist) . In dieser Feststellung liegt jedoch keine Aussage darüber, ob auch andere gemäß § 82 StVO 1960 zu erteilende Bewilligungen der örtlichen Straßenpolizei zuzuordnen sind.

Der Umstand, daß die Erteilung dieser Bewilligungen der örtlichen Straßenpolizei zuzuordnen ist und daher vom eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde umfaßt wird, begründet auch die behördliche Zuständigkeit zur Vorschreibung von Verwaltungsabgaben nach den in Betracht kommenden gemeinderechtlichen Bestimmungen.

Handelt es sich bei der Vorschreibung von Verwaltungsabgaben um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde aus dem Bereich der Landesvollziehung, dann ist in Oberösterreich nicht § 78 AVG 1950 und die Landesverwaltungsabgabenverordnung 1966, LGBl. Nr. 23/1966, sondern § 1 des Oberösterreichischen Verwaltungsabgabengesetzes, LGBl. Nr. 1/1957, i. d. F. Nr. 8/1967, und die Gemeindeverwaltungsabgabenverordnung 1957, LGBl. Nr. 13/1957, jetzt i. d. F. LGBl. Nr. 64/1967, anzuwenden. Der Bestand der Gemeindeverwaltungsabgabenverordnung 1957 schließt es aus, in denkmöglicher Weise eine Angelegenheit der Gemeindeverwaltung der Landesverwaltungsabgabenverordnung 1966 zu subsumieren. Diese denkunmögliche Anwendung der Verordnung kommt einer Gesetzlosigkeit gleich, weil sich eine der angewendeten Tarifpost der Landesverwaltungsabgabenverordnung 1966 dem Gegenstand und der Höhe nach entsprechende Tarifpost in der Gemeindeverwaltungsabgabenverordnung nicht findet und somit die denkunmögliche Anwendung der die unmittelbare Rechtsgrundlage für die Vorschreibung der Verwaltungsabgabe bildenden Verordnung einer denkunmöglichen Anwendung der die Verordnung tragenden gesetzlichen Bestimmungen des OÖ VerwaltungsabgabenG gleichkommt.

Die Regelung der Verwaltungsabgaben gehört nicht zur Materie "Verwaltungsverfahren". Die Verwaltungsabgaben sind Abgaben i. S. der Finanzverfassung.“

In seinem Erkenntnis vom 15.12.1969, Zl. B 255/69, bekräftigte der Verfassungsgerichtshof seine bisherige Judikatur und betonte erneut, dass Verwaltungsabgaben Abgaben i. S. der Finanzverfassung sind. Wegen ihres engen Zusammenhanges mit dem Verwaltungsverfahren wurden laut diesem Erkenntnis die Bundesverwaltungsabgaben im § 78 AVG 1950 geregelt. Diese Gesetzesbestimmung, die bis zur Verwaltungsverfahrensgesetz-Novelle 1948, BGBl. Nr. 49/1948, als Verfassungsbestimmung galt und sowohl Verwaltungsabgaben in Angelegenheiten der Bundesverwaltung als auch (ausgenommen das Ausmaß) der Landesverwaltung und Gemeindeverwaltung umfasste, bringt, wie der Verfassungsgerichtshof betont, zum Ausdruck, dass die Vorschreibung von Verwaltungsabgaben an die Durchführung bestimmter Amtshandlungen der Behörden gebunden ist. Da § 78 Abs. 1 AVG 1950 die Auferlegung von Verwaltungsabgaben an die Verleihung von Berechtigungen oder sonstige Amtshandlungen der Behörden anknüpft, bestimme § 78 Abs. 4 AVG 1950, „dass die Verwaltungsabgaben von der in der Sache in erster Instanz zuständigen Behörde einzuheben sind“. Die Bestimmungen des § 78 AVG 1950 (ausgenommen § 78 Abs 3 AVG, der nur eine Verweisung ohne normativen Inhalt darstelle) gelten, seit sie ihres Charakters als Verfassungsbestimmungen entkleidet waren, bei verfassungskonformer Auslegung nur noch für Verwaltungsabgaben in Angelegenheiten der Bundesverwaltung. Dies sei nunmehr auch durch die Neufassung des § 78 AVG durch das Bundesgesetzblatt BGBl. 45/1968, klargestellt worden. Die Bestimmungen des § 78 AVG 1950 haben daher bei Landesabgaben und Gemeindeabgaben keine Anwendung mehr zu finden. Weiters hob der Verfassungsgerichtshof zur Bestimmung des § 59 Abs. 1 NÖ Grundverkehrsgesetz, welcher ebenso wie § 78 Abs. 4 AVG der zuständigen Behörde erster Instanz die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Vorschreibung von Verwaltungsabgaben vorschrieb, hervor, dass durch diese Zuständigkeitsvorschrift auch der Instanzenzug gegen die Vorschreibung einer Verwaltungsabgabe nach diesem Landesgesetz geregelt sei.

Dass § 78 AVG eine abgabenrechtliche materiell-rechtliche Norm, und daher keine verfahrensrechtliche Norm ist, stellt zudem auch der Gesetzgeber klar, wenn dieser im Art. I Abs. 3 Z 1 EGVG bestimmt, dass die Verwaltungsverfahrensgesetze in den Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben und Beiträge, die von den Abgabenbehörden erhoben werden, mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben nach § 78 AVG, nicht anzuwenden sind. Somit stuft der Gesetzgeber die (Bundesverwaltungsabgaben regelnde) Bestimmung des § 78 AVG als eine materiell-rechtliche Bestimmung, auf welche die verfahrensgesetzlichen Vorschriften des AVG (und daher nicht die der BAO) anzuwenden sind, ein. Würde der Gesetzgeber die Bestimmung des § 78 AVG als eine verfahrensgesetzliche Vorschrift einstufen, hätte dieser diese Bestimmung nicht den verfahrensgesetzlichen Vorschriften gegenüber gestellt, sondern vielmehr höchstens klar gestellt, dass es sich auch bei der Regelung von Verwaltungsabgaben um Bestimmungen verfahrensrechtlicher Natur handelt.

Bei Zugrundelegung dieser obangeführten, insbesondere kompetenzrechtlichen Feststellungen des Verfassungsgerichtshofs ist sohin davon auszugehen, dass Verwaltungsabgaben i.S.d. § 78 AVG vom finanzverfassungsrechtlichen Abgabenbegriff i.S.d. Art. 13 B-VG erfasst sind, und daher Regelungen abgabenrechtlicher Natur sind (und sohin auch nicht als kompetenzneutrale Bestimmungen einzustufen sind).

Die Kompetenz zur Erlassung von Bestimmungen, welche die Regelung von Verwaltungsabgaben zum Gegenstand haben, gründet daher nicht auf die Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Art. 11 Abs. 1 B-VG, sondern auf den Kompetenztatbestand des Art. 13 B-VG i.V.m. den kompetenzrechtlichen Regelungen des F-VG (vgl. dazu auch Kneihs B., Die Zuständigkeit zur Regelung der „allgemeinen Bestimmungen“, in der BAO, in: Holoubek/Lang [Hrsg], die allgemeinen Bestimmungen der BAO [2012] 17 [34ff]).

2.3.1.3) § 78 AVG ist ausschließlich eine materiellrechtliche Norm:

Verwaltungsabgabenrechtliche Bestimmungen sind daher abgabenrechtliche Bestimmungen i.S.d. Art. 13 B-VG und folglich nicht kompetenzneutral.

Gemäß Art. I Abs. 2 Z 1 i.V.m. Art. I Abs. 3 Z 1 EGVG finden auf das Verwaltungsabgabenverfahren (trotz der Qualifikation der verwaltungsabgabenrechtlichen Bestimmungen als abgabenrechtliche Bestimmungen, auf welche das AVG ja gemäß Art. I Abs. 3 Z 1 EGVG grundsätzlich keine Anwendung findet) die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des AVG Anwendung. Sohin sind die Bestimmungen des § 78 AVG (jedenfalls größtenteils) materienrechtliche Bestimmungen, bei deren Vollziehung (erst aufgrund des Art. I Abs. 2 Z 1 i.V.m. Art. I Abs. 3 Z 1 EGVG) die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des AVG anzuwenden sind.

Aufgrund dieser kompetenzrechtlichen Einordnung des § 78 AVG als materiellrechtliche Norm regelt § 78 AVG (wie vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 15.12.1969, B 255/69, ausdrücklich klargestellt wurde) nur Verwaltungsabgaben, welche von der Bundesgesetzgebungs- und -vollzugskompetenz erfasst sind. Demgegenüber werden die Verwaltungsabgaben, welche in die landesrechtliche Vollzugskompetenz fallen, (wie sich aus den oa verfassungsgerichtlichen Entscheidungen auch ersehen lässt) durch landesgesetzliche Bestimmungen näher geregelt.

In diesem Zusammenhang sei auch klar gestellt, dass es sich bei der Bestimmung des § 78 Abs. 4 AVG um keine verfahrensrechtliche, sondern um eine materiellrechtliche Norm handelt. Zu diesem Ergebnis hat man deshalb zu gelangen, da dem Materiengesetzgeber (allein) die Befugnis zur Bestimmung der erstinstanzlichen Zuständigkeit zur Vollziehung materiell-rechtlicher Bestimmungen zukommt. Zuständigkeitsregelungen fallen kompetenzrechtlich stets in die Kompetenz des Materiengesetzgebers, und daher nicht in die Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Art. 11 Abs. 2 B-VG.

Diese Zuordnung gilt auch für die Bestimmungen des AVG, durch welche eine erstinstanzliche Vollzugszuständigkeit normiert wird. Auch diese Bestimmungen sind keine Normen verfahrensrechtlicher Natur, sondern materiellrechtliche Regelungen (vgl. etwa. VwGH 3.4.2009, 2008/22/0666), und daher nicht kompetenzneutral.

Dem Materiengesetzgeber kommt nach dem Konzept der Kompetenzverteilung die Kompetenz zur gesetzlichen Regelung nachfolgender organisationsrechtlicher Materien zu:

1) Zuständigkeitsregelungen, durch welche bestimmte Vollzugsorgane mit der erstinstanzlichen Vollziehung von (bestimmten näher konkretisierten) Vollzugsagenden als zuständige Behörden betraut werden (daher die Regelungen der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit),

2) verfahrensrechtliche Bestimmungen (sofern sie nicht aufgrund der Bedarfskompetenz der Bundes normiert worden sind) und

3) die juristische Personen des öffentlichen Rechts einrichtenden Rechtsnormen

In Abweichung von diesem Grundsatz normieren Art. 11 Abs. 2 B-VG (im Hinblick auf die Verfahrensführung durch Behörden) und Art. 136 Abs. 2 B-VG (im Hinblick auf die Verfahrensführung durch Verwaltungsgerichte) eine Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Bundes zur Regelung verfahrensrechtlicher Bestimmungen i.S.d. obangeführten Punktes 2. Demgegenüber erfasst die Bedarfsgesetzgebungskompetenz der Art. 11 Abs. 2 B-VG und Art. 136 Abs. 2 B-VG nicht auch die Kompetenz zur Erlassung von Zuständigkeitsnormen.2

Dass auch der einfache Bundesgesetzgeber des AVG diese Zuständigkeitsbestimmungen des AVG als materiellrechtliche Bestimmungen einstuft, lässt sich daraus ersehen, dass der Bundesgesetzgeber im AVG in den Bestimmungen, in welchen er für die Vollziehung einer bestimmten Agende die Zuständigkeit einer bestimmten bzw. bestimmbaren Behörde normiert, den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen auf die Vollziehung von Bundesgesetzen (daher auf die Vollziehung der Gesetze, bezüglich derer ihm eine Gesetzgebungskompetenz zukommt) einschränkt. Die Zuständigkeitsregelungen des AVG sind folglich keine verfahrensrechtlichen Bestimmungen, und folglich auch in den Materien, welche nicht auf Grundlage der Gesetzgebungskompetenz des Bundes geregelt werden, nicht beachtlich. Eine solche explizite Beschränkung auf den Bereich der Bundesverwaltung enthält nicht nur die allgemeine Zuständigkeitsnorm des § 2 AVG, sondern auch die im Hinblick auf die Vollziehung von Bundesverwaltungsabgaben ergangene Zuständigkeitsnorm des § 78 Abs. 4 AVG. Sohin wurde auch vom Bundesgesetzgeber des AVG mit hinreichender Deutlichkeit klar gestellt, dass die Bestimmung des § 78 Abs. 4 AVG nicht auf dem Bedarfsgesetzgebungskompetenztatbestand des Art. 11 Abs. 2 B-VG gründet. Vielmehr handelt es sich (zumindest weitestgehend) um eine materiell-rechtliche Bestimmung (und daher um keine Regelung verfahrensrechtlicher Natur im Sinne des Konzepts der Bundesverfassung).

§ 78 AVG enthält zudem soweit ersichtlich keine Regelung verfahrensrechtlicher Natur, daher keine Norm, welche den Vollzug von Bundesverwaltungsabgaben näher regelt. Auch das zeigt, dass § 78 AVG (zumindest weitgehend) als eine materiellrechtliche Regelung zu qualifizieren ist.

2.3.1.4) Verwaltungsabgabeverfahren gemäß § 78 AVG und Verwaltungsverfahren, in welchen eine Verwaltungsabgabe entsteht, sind unterschiedliche Sachen i.S.d. § 8 AVG:

Wie zuvor aufgezeigt, unterscheiden sich Verwaltungsabgaben i.S.d. § 78 AVG wesensmäßig von den Verwaltungsverfahren, deren Abschluss das Entstehen eines Verwaltungsabgabentatbestands zur Folge hat:

Bei Verwaltungsabgaben i.S.d. § 78 AVG handelt es sich materienrechtlich um Abgaben i.S.d. Abgabenbegriffs des F-VG. Verwaltungsabgabenrechtliche Normen gründen daher kompetenzrechtlich auf Art. 13 B-VG i.V.m. dem F-VG. Folglich erfolgt die Erlassung eines Bescheids, mit welchem eine Verwaltungsabgabe vorgeschrieben wird, regelmäßig3 nicht in Vollziehung der Materie, welche in dem die Verwaltungsabgabe auslösenden Verfahren vollzogen wird.

Damit ist aber auch klargestellt, dass es sich bei der verwaltungsrechtlichen Materie, im Rahmen deren Vollziehung ein Verwaltungsabgabentatbestand entsteht, und bei der verwaltungsrechtlichen Materie, welcher das verwaltungsabgabenrechtliche Verfahren zuzuordnen ist, (grundsätzlich) um unterschiedliche verwaltungsrechtliche Materien handelt. Der Verfahrensgegenstand jedes dieser beiden erstinstanzlichen Verfahren ist daher eine andere, jeweils eigenständige Sache i.S.d. § 8 AVG.

2.3.1.5) ein Beschwerdeverfahren, dem eine Beschwerde gegen eine Verwaltungsabgabenvorschreibung gemäß § 78 AVG zugrunde liegt, und ein Verwaltungsverfahren, welchem eine Beschwerde gegen einen Bescheid, mit welchem ein Verwaltungsverfahren, in welchem eine Verwaltungsabgabe entstanden ist, abgeschlossen wird, zugrunde liegt, sind unterschiedliche Sachen i.S.d. § 28 VwGVG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG:

Ebenso ist schon aufgrund dieses Umstands der Vollziehung (selbst kompetenzrechtlich) unterschiedlicher Verwaltungsmaterien zu folgern, dass diese beiden Bescheide (Bescheid, mit dem eine Verwaltungsverfahrensabgabe vorgeschrieben wird, und Bescheid, mit dem das Verfahren, in dessen Rahmen die Verwaltungsabgabe entstanden ist, abgeschlossen wird) unterschiedliche Sachen i.S.d. § 8 AVG zum Gegenstand haben. Schon aus diesem Grund ist jede dieser Sachen i.S.d. § 8 AVG mit einem eigenständig bekämpfbaren Bescheid abzuschließen. Das wiederum hat zur Folge, dass jeder in einer dieser Sachen i.S.d. § 8 AVG ergehende Bescheid durch Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht bekämpft werden kann bzw. unbekämpft gelassen werden kann. Es ist daher auch möglich, dass jeder dieser Bescheide eigenständig und zu einem anderen Zeitpunkt als der jeweilig andere erlassen werden kann (so explizit VwGH 18.3.2015, Ra 2015/04/0003). Auch dieser Umstand macht deutlich, dass im Falle der Erhebung von Beschwerden gegen jeden dieser Bescheide, über diese Beschwerden in einem jeweils eigenständigen (wenn auch gemeinsam führbaren) Beschwerdeverfahren abzusprechen ist; daher der Verfahrensgegenstand jeder der Beschwerde jeweils eine andere Sache i.S.d. § 28 VwGVG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG darstellt.

Im Falle der Bekämpfung eines jeden in einer dieser Sachen i.S.d. § 8 AVG ergehenden Bescheids durch eine Beschwerde ist daher Sache des Beschwerdeverfahrens i.S.d. § 28 VwGVG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG ausschließlich der jeweilig bekämpfte Bescheid.

Wenn daher im Falle der Erlassung sowohl 1) eines Bescheids, mit dem eine Verwaltungsverfahrensabgabe vorgeschrieben wird, als auch 2) eines Bescheids, mit dem das Verfahren, in dessen Rahmen die Verwaltungsabgabe entstanden ist, abgeschlossen wird, nur der Bescheid, mit dem das Verfahren, in dessen Rahmen die Verwaltungsabgabe entstanden ist, abgeschlossen wird, bekämpft wird, ist Sache des Beschwerdeverfahrens i.S.d. § 28 Abs. 1 VwGVG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG nicht auch die Frage, ob der Bescheid, mit dem eine Verwaltungsverfahrensabgabe vorgeschrieben wird, rechtsrichtig ist oder nicht.

Diese Schlussfolgerung bringt zudem aber auch deutlich zum Ausdruck, dass in einem Beschwerdeverfahren, dessen Sache i.S.d. § 28 VwGVG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG die Beschwerde gegen einen Bescheid, mit welchem das Verfahren, in dessen Rahmen die Verwaltungsabgabe entstanden ist, abgeschlossen wird, ist, nur über die Rechtsrichtigkeit dieses bekämpften Bescheids abzusprechen ist. Sache dieses Beschwerdeverfahrens ist daher nicht auch die Frage, ob aufgrund dieses bekämpften Bescheids oder aufgrund der an Stelle dieses Bescheids tretenden Gerichtsentscheidung eine Verwaltungsabgabe i.S.d. § 78 AVG vorzuschreiben ist.

Damit ist aber auch klargestellt, dass jedenfalls nicht aufgrund der Bestimmung des § 17 VwGVG ein Verwaltungsgericht gehalten sein kann, erstmals (und sohin auch erstinstanzlich) eine Verwaltungsabgabe vorzuschreiben. § 17 VwGVG stellt nämlich nur eine Regelung dar, welche bestimmt, welche verfahrensrechtliche Regelungen (i.S.d. Art. 11 Abs. 2 B-VG) von einem Verwaltungsgericht im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens (im Hinblick auf eine Sache i.S.d. § 28 VwGVG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG) zusätzlich zu den bereits im VwGVG angeführten Bestimmungen zu vollziehen sind. Durch § 17 VwGVG wird daher nicht angeordnet, dass ein Verwaltungsgericht zusätzlich zur Sache i.S.d. § 28 VwGVG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG auch noch in einer Angelegenheit, bei welcher es sich gar nicht um eine Sache i.S.d. § 28 VwGVG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG handelt, eine (noch dazu meritorische) Entscheidung zu treffen hat.

Zudem vermag durch § 17 VwGVG auch aufgrund des Umstands, dass es sich bei der Regelung des § 78 AVG um keine verfahrensrechtliche Regelung (i.S.d. Art. 11 Abs. 2 B-VG) handelt, nicht angeordnet zu werden, dass § 78 AVG im Beschwerdeverfahren zu vollziehen ist; verweist doch § 17 VwGVG nur auf verfahrensrechtliche Regelungen (i.S.d. Art. 11 Abs. 2 B-VG).

2.3.1.6) Gebot der gesetzlichen Festlegung der erstinstanzlichen Zuständigkeit zur Vollziehung eines Verwaltungsabgabeverfahrens durch den nach dem F-VG zuständigen abgabenrechtlichen Materiengesetzgeber i.S.d. Art. 13 B-VG

Schon diese Zuordnung zu unterschiedlichen kompetenzrechtlichen Materien und die damit verbundene Folgerung des Vorliegens unterschiedlicher Verfahrensgegenstände i.S.d. § 8 AVG bzw. i.S.d. § 28 VwGVG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG zeigt deutlich, dass ein Materiengesetzgeber, welcher zur Regelung einer Materie, im Rahmen deren Vollziehung ein Verwaltungsabgabentatbestand entsteht, nur im Hinblick auf diese (eigene) Materie ein bestimmtes Vollzugsorgan mit der erstinstanzlichen Agendenvollziehung betrauen kann. Dagegen ist solch ein Materiengesetzgeber in Vollziehung dieser Materie nicht befugt zu bestimmen, welche Vollzugsorgane zur erstinstanzlichen Vollziehung anderer materiellrechtlicher Materien zuständig sind.

Dies wieder hat zur Folge, dass der zur Regelung von Abgaben i.S.d. Art. 13 B-VG befugte Materiengesetzgeber (und nicht der Materiengesetzgeber, in Vollziehung dessen Materie ein Verwaltungsabgabentatbestand entsteht) zu bestimmen hat, welches Vollzugsorgan zur Vorschreibung einer bestimmten Verwaltungsabgabe erstinstanzlich zuständig ist. Wenn durch den zuständigen Materiengesetzgeber kein Vollzugsorgan mit der erstinstanzlichen Vollziehung einer bestimmten materiellrechtlichen Rechtsmaterie betraut wird, ist folglich diese Rechtsmaterie nicht vollziehbar.4 Daraus ist zwingend zu folgern, dass im Falle der Nichtfestlegung durch den (gemäß dem F-VG) zuständigen abgaberechtlichen Materiengesetzgeber, welches Vollzugsorgan zur erstinstanzlichen Vollziehung eines Verwaltungsabgabeverfahrens zuständig ist, kein Vollzugsorgan (und sohin auch nicht das Vollzugsorgan, welches erstinstanzlich zur Vollziehung der Materie, im Rahmen deren Vollziehung ein bestimmter Verwaltungsabgabentatbestand entsteht, befugt ist) zur bescheidmäßigen Vorschreibung dieser Verwaltungsabgabe befugt ist.

Demgegenüber folgt (sofern gesetzlich nichts anderes normiert ist) die Kompetenz zur erstinstanzlichen Vollziehung einer verfahrensrechtlichen Norm (insbesondere zur Erlassung eines Bescheids in diesem Verfahren) der Kompetenz zur erstinstanzlichen Vollziehung der Verfahrensgegenstände, im Hinblick auf deren Vollziehung diese verfahrensrechtliche Norm vollzogen wird. Wenn daher der Gesetzgeber (Verfahrensgesetzgeber oder Materiengesetzgeber) nicht bestimmt, welches Vollzugsorgan zur Vollziehung einer bestimmten verfahrensrechtlichen Norm befugt ist, ist das für die Vollziehung der Sachmaterie zuständige Organ zur erstinstanzlichen Vollziehung der jeweiligen verfahrensrechtlichen Norm befugt (bzw. verpflichtet). Zu diesem Ergebnis hat man deshalb zu gelangen, da ein erstinstanzlicher, ein Verwaltungsverfahren abschließender Bescheid und ein in Vollziehung dieses Verfahrens ergehender verfahrensrechtlicher Bescheid den materienrechtlich selben Gegenstand behandeln. Da nämlich die Festlegung des zuständigen Materiengesetzgebers, welches Vollzugsorgan zur erstinstanzlichen Vollziehung zuständig ist, - sofern gesetzlich nicht anderes bestimmt - im Hinblick auf einen konkreten materienrechtlichen Gegenstand ergeht, erfasst diese Zuständigkeitsnorm auch die im Rahmen der Vollziehung dieses Verfahrensgegenstands ergeh

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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