TE Lvwg Erkenntnis 2018/6/22 VGW-151/016/3846/2018, VGW-151/016/3850/2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.06.2018
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Entscheidungsdatum

22.06.2018

Index

E2D Assoziierung Türkei
E2D E02401013
E2D E05204000
E2D E11401020
41/02 Passrecht Fremdenrecht
L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien

Norm

ARB 1/80 Art. 13
NAG §21 Abs1
NAG §24 Abs2
FRG 1997 §8 Abs1
FRG 1997 §8 Abs3
FRG 1997 §10 Abs2 Z2
WMG-VO §1 Abs2
WMG-VO §1 Abs4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter MMag. Dr. Böhm-Gratzl über die gemeinsame Beschwerde des 1.) mj. A. U., geb. 2015, und der 2.) mj. S. U., geb. 2012, beide türkische Staatsangehörige, beide vertreten durch H. U. als gesetzlicher Vertreter, vom 8.2.2018, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien, Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, vom jeweils 10.1.2018, ad. 1.) Zl. …-03 und ad. 2.) Zl. …-05, mit welchen die Anträge der Beschwerdeführer vom jeweils 10.8.2017 jeweils auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 des Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 145/2017 jeweils abgewiesen wurden, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 19.6.2018

zu Recht:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen und werden die angefochtenen Bescheide jeweils mit der Maßgabe bestätigt, dass die Wortfolge „wegen Ihrer unzulässigen Inlandsantragstellung“ im Spruch zu entfallen hat und als Rechtsgrundlage „§ 10 Abs. 2 Z 2 iVm § 8 Abs. 3 FrG, BGBl. I Nr. 75/1997 zu zitieren ist.

II. Gemäß § 31 Abs. 1 und § 17 VwGVG iVm § 76 Abs. 1 und 3 AVG wird den beschwerdeführenden Parteien der Ersatz der mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 20.6.2018, Zl. VGW-KO-016/554/2018-1, mit EUR 118,90 bestimmten Barauslagen für den der mündlichen Verhandlung vom 19.6.2018 beigezogenen nichtamtlichen Dolmetsch jeweils zur Hälfte auferlegt. Die beschwerdeführenden Parteien haben diese erwachsenen Barauslagen in genannter Höhe binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Der vorgeschriebene Betrag ist auf das Konto bei der UniCredit Bank Austria AG, Kontonummer AT16 1200 0006 9621 2729, lautend auf „MA 6, BA 40“ einzuzahlen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien, Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, vom jeweils 10.1.2018 wurden die Anträge der beiden beschwerdeführenden Parteien vom jeweils 10.8.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 NAG – im Wesentlichen – mit der Begründung abgewiesen, dass eine Antragstellung im Inland unzulässig gewesen sei.

Hiegegen richtet sich die form- und fristgerecht durch den Vater der beschwerdeführenden Parteien als gesetzlicher Vertreter erhobene gemeinsame Beschwerde vom 8.2.2018, in der – mit näherer Begründung – die Erteilung der Aufenthaltstitel begehrt wird.

Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung jeweils Abstand und legte die bezughabenden Verwaltungsakten dem erkennenden Gericht (einlangend am 22.3.2018) vor.

Das Verwaltungsgericht Wien führte in den gegenständlichen Rechtsachen am 19.6.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu der alle Verfahrensparteien und die Eltern der beschwerdeführenden Parteien, H. und G. U., als Zeugen sowie ein nichtamtlicher Dolmetsch für die türkische Sprache ordnungsgemäß geladen wurden. Während die belangte Behörde begründungslos keinen Vertreter zur Verhandlung entsandte, erschienen die genannten Zeugen, wobei der Vater der beschwerdeführenden Parteien zugleich als deren rechtlicher Vertreter fungierte, sowie der geladene Dolmetsch. Das bezughabende Verhandlungsprotokoll lautet – auszugsweise – wie folgt:

„Der BfV gibt zu Protokoll:

[...]

Es ist nicht möglich, dass die Anträge meiner Kinder im Ausland eingebracht werden. Meine Tochter besucht den Kindergarten. Mein Sohn A. ist daheim. Außerdem halten sich meine Ehegattin und mein anderer Sohn in Österreich auf.

Ich verweise im Übrigen auf mein schriftliches Beschwerdevorbringen.

Zeuge: H. U.

[...]

Der Zeuge gibt über Befragung des VL zu Protokoll:

Dass die Anträge verspätet eingebracht wurden, ist allein meine Schuld.

Ich unterhalte mich mit meiner Ehegattin und den Kindern in Türkisch und ab und zu in deutscher Sprache. Ich bin in Österreich noch nicht berufstätig. Ich beziehe aktuell Sozialleistungen.

Auf Vorhalt:

Es ist richtig, dass ich geringfügig beschäftigt bin. Ich arbeite ca. zehn Stunden pro Woche. Ich beziehe aus dieser Tätigkeit Euro 91,-- pro Monat. Ich bin als Zusteller tätig. Ich stelle Essen zu. Das Unternehmen befindet sich im … Bezirk.

Auf Vorhalt der Lohnnachweise:

Es kann auch sein, dass ich Euro 84,50 pro Monat verdiene. Ich erhalte kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

Ich beziehe nach wie vor Notstandshilfe. Ich beziehe sonst nur Wohnbeihilfe.

Auf Vorhalt des AMS-Portalauszuges: Ich beziehe nach wie vor Notstandshilfe. Von einem Termin zur Vorsprache habe ich noch nichts gehört.

Ich finanziere den Lebensunterhalt meiner Familie durch Sozialleistungen.

Ich suche seit 2013 nach einer Arbeitsstelle, habe eine solche aber noch nicht gefunden. Ich habe durch niemand sonst eine finanzielle Unterstützung. Meine Ehegattin ist auch ohne Beschäftigung. Wir haben kein sonstiges Vermögen.

Ich habe monatlich Euro 378,27 an Mietzins zu bezahlen. Die Höhe des Mietzinses variiert, den Grund dafür kann ich nicht angeben. Betriebskosten sind im Mietzins inkludiert. Zudem sind monatlich Raten für eine Rechtsschutz- und Kfz-Versicherung zu bezahlen.

Ich hatte ca. im Jahr 2011 oder 2012 aufgrund von Schulden in Höhe von Euro 40.000,-- einen Privatkonkurs. Dieser ist noch nicht beendet und müsste ich an die Gläubiger zahlen, sobald ich Arbeit finde. Ich habe keine Kreditschulden, weil ich aufgrund meines Privatkonkurses keinen Kredit mehr erhalte.

In der Türkei leben ein Onkel und eine Tante von mir und habe ich ab und zu telefonischen Kontakt mit ihnen. Die Eltern meiner Ehegattin leben in der Türkei. Meine Ehegattin hat täglich telefonischen Kontakt zu ihren Eltern. Meine Ehegattin hat eine Schwester, die in Österreich lebt. In Österreich leben auch meine Eltern, mein Bruder und meine Schwester. Ich habe regelmäßigen telefonischen Kontakt zu ihnen. Ich treffe meine Eltern zumindest jede zweite Woche. Bei diesen Treffen nehme ich meine Kinder auch mit. Alle meine Kinder sind in Österreich geboren. Meine Kinder haben sich zuletzt 2016 im Urlaub für zwei Monate in der Türkei aufgehalten. Weitere Aufenthalte waren aufgrund unserer finanziellen Situation nicht möglich. Wir haben uns damals bei den Eltern meiner Ehegattin aufgehalten. Wir planen eine weitere Reise zu ihnen von 13.07.2018 bis Ende August 2018.

Meine Tochter besucht einen Kindergarten …. Sie wird im kommenden September die Schule beginnen. Mein Sohn A. ist zurzeit daheim und wird ab September den Kindergarten besuchen. Mein Sohn M. besucht ebenfalls den Kindergarten. Meine Kinder haben keine sonstigen Bindungen zu Österreich. Freizeitaktivitäten finden innerhalb der Familie statt. Zu diesem Zeitpunkt wird mein jüngster Sohn von meiner Schwägerin beaufsichtigt. Meine beiden anderen Kinder sind im Kindergarten.

[...]

Zeugin: G. U.

[...]

Die Zeugin gibt über Befragung des VL zu Protokoll:

Ich unterhalte mich mit meinen Kindern in türkischer Sprache.

Ich bin aktuell nicht berufstätig. Im Moment habe ich keine konkrete Aussicht auf eine Arbeitsstelle. Ich werde auch zuwarten, bis mein jüngerer Sohn im Kindergarten ist.

Mein Ehegatte ist aktuell geringfügig berufstätig. Er arbeitet in der Woche 1,5 bis 2 Stunden. Ich habe mir das aber noch nie genau überlegt. Er arbeitet in der Pizzeria ‚…‘ in Wien.

Wir beziehen aktuell Wohnbeihilfe. Ich beziehe aktuell Notstandshilfe. Wir finanzieren den Lebensunterhalt unserer Familie durch den Bezug der Sozialleistungen und aufgrund der geringfügigen Tätigkeit meines Ehegatten. Wir erhalten keine sonstige finanzielle Unterstützung. Ich habe kein Sparguthaben, sondern nur ein Bankkonto.

Der Mietzins beläuft sich auf monatlich 670,-- Euro, doch erhalten wir Wohnbeihilfe, sodass nur ca. 380,-- Euro zu zahlen sind. Im Mietzins sind glaube ich die Betriebskosten enthalten.

Der BfV gibt auf ergänzende Befragung an:

Die Kfz-Versicherung beläuft sich auf 245,-- Euro pro Quartal. Die Rechtsschutzversicherung wurde bei …, die Haushaltsversicherung bei … abgeschlossen.

Die Zeugin gibt zu Protokoll:

Ich habe keine Schulden, insbesondere keine Kreditschulden.

In der Türkei leben meine Eltern und drei meiner Geschwister, eine meiner Schwestern lebt in Österreich. Insgesamt haben meine Eltern sechs Kinder. Ich habe zu meinen Eltern regelmäßigen telefonischen Kontakt. Dies trifft auch auf meine in der Türkei lebenden Geschwister zu. Wir können einmal im Jahr oder einmal alle zwei Jahre in die Türkei reisen und treffen meine Angehörigen dann. Zu diesen Anlässen nehme ich auch meine Kinder in die Türkei mit. In Österreich leben außer meiner Schwester keine weiteren nahen Angehörigen von mir. Zu meiner in Österreich lebenden Schwester habe ich täglich telefonischen und nahezu täglichen persönlichen Kontakt.

Meine Kinder sind alle in Österreich geboren. Meine Kinder haben sich zuletzt im Jahr 2016 für sieben Wochen in der Türkei aufgehalten. Wir waren damals bei meinen Eltern und meinen Geschwistern.

Mein Sohn A. ist zuhause. Meine Tochter S. besucht den Kindergarten und ist danach auch bei mir. Meine Kinder haben Freunde aus dem Kindergarten und aus unserer Nachbarschaft.

Im Fall, dass die Bf ihre Anträge in der Türkei stellen müssten, könnten sie den Kindergarten nicht besuchen. Sie sind das Leben in Österreich gewöhnt und würde es zu einer Trennung vom Vater kommen. Meine Tochter beginnt im September mit dem Schulbesuch und darf sie diesen keinesfalls verpassen.

Es ist richtig, dass für den Sommer ein Urlaub mit den Kindern in der Türkei geplant ist. Wir werden uns mit den Kindern bei meinen Eltern aufhalten. Auch die Eltern meines Ehegatten werden zu dieser Zeit in der Türkei sein und können wir auch bei denen bleiben. Wir planen vier bis fünf Wochen in der Türkei zu bleiben.

In diesem Moment besuchen zwei meiner Kinder den Kindergarten. Mein jüngster Sohn wird von meiner Schwester beaufsichtigt.

[...]

Der BfV verzichtet auf Schlussausführungen. Ich beantrage die Erteilung der Aufenthaltstitel für meine Kinder.

Auf die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung sowie auf die mündliche Verkündung der Entscheidung wird verzichtet. Die Entscheidung ergeht schriftlich.“

Das Verwaltungsgericht Wien nimmt den folgenden – entscheidungserheblichen – Sachverhalt an:

Beide Beschwerdeführer, deren Eltern sowie der erstgeborene Bruder sind türkische Staatsangehörige. Der Erstbeschwerdeführer ist am … 2015 geboren und im Besitz eines bis zum 6.8.2020 gültigen Reisepasses der Türkei. Die Zweitbeschwerdeführerin ist am … 2012 geboren und hat einen bis 23.7.2022 gültigen türkischen Reisepass inne. Ihre Eltern halten sich auf Grund von gültigen Aufenthaltstiteln für den Zweck „Daueraufenthalt – EU“ rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet auf. Der am … 2013 geborene Bruder hat einen bis 14.12.2018 gültigen Aufenthaltstitel für den Zweck „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ inne.

Der Erstbeschwerdeführer bzw. die Zweitbeschwerdeführerin hatten bis 4.8.2017 bzw. bis 31.7.2017 gültige Aufenthaltstitel für den Zweck „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ inne. Am 10.8.2017 brachte deren Vater als gesetzlicher Vertreter Anträge auf Verlängerung dieser Titel bei der belangten Behörde ein. Jene Behörde wies diese Anträge mit Bescheiden vom 10.1.2018 wegen unzulässiger Inlandsantragstellung ab. Hiegegen richtet sich die vorliegende gemeinsame Beschwerde vom 8.2.2018.

Der Vater der beschwerdeführenden Parteien ist in Österreich seit 2015 geringfügig als Arbeiter für zehn Wochenstunden beschäftigt und lukriert hieraus ein monatliches Einkommen iHv EUR 84,50. Darüber hinaus bezieht er seit 2013 Sozialleistungen, zuletzt Notstandshilfe iHv EUR 964,21 monatlich. Hinzu kommt Familienbeihilfe iHv EUR 585,20 pro Monat. Er hat monatlich EUR 81,67 für eine Kfz-Haftpflichtversicherung zu zahlen, hat zudem Geldschulden iHv EUR 40.000,– und befindet sich in Privatkonkurs, leistet allerdings aktuell keine Raten an seine Gläubiger.

Die Mutter der beschwerdeführenden Parteien ist seit 2011 ohne Beschäftigung und bezieht aktuell Notstandshilfe iHv EUR 319,38 monatlich. Sie hat pro Monat EUR 670,– an Mietzins inkl. Betriebskosten, EUR 22,17 für eine Rechtsschutzversicherung und EUR 15,96 für eine Haushaltsversicherung zu zahlen.

Sonstiges finanzielles Vermögen wurde nicht vorgebracht. Eine Änderung der finanziellen Situation ist in naher Zukunft nicht zu erwarten.

Beide beschwerdeführende Parteien und deren Bruder sind in Österreich geboren und halten sich seitdem – von Urlauben abgesehen – durchgehend im Inland auf. Sie wohnen mit ihren Eltern und ihrem Bruder in einer Haushaltsgemeinschaft in Wien. Neben der Kernfamilie leben die Großeltern der beschwerdeführenden Parteien väterlicherseits sowie Geschwister ihres Vaters und eine Schwester ihrer Mutter in Österreich. Zu jenen besteht regelmäßiger Kontakt. Der Erstbeschwerdeführer wird daheim durch seine Mutter betreut, die Zweitbeschwerdeführerin besucht zurzeit einen Kindergarten. Die beschwerdeführenden Parteien haben freundschaftliche Kontakte im Umfeld ihrer Familie, ihrer Nachbarschaft und – im Fall der Zweitbeschwerdeführerin – infolge des Kindergartenbesuches. Sonstige integrationsbegründende Umstände wurden nicht vorgebracht.

In der Türkei leben nach wie vor die Großeltern der beschwerdeführenden Parteien mütterlicherseits sowie drei Geschwister ihrer Mutter und besteht regelmäßiger Kontakt zu jenen. Persönlicher Kontakt findet zumindest jedes zweite Jahr im Rahmen eines mehrwöchigen Urlaubes am Wohnsitz jener Großeltern statt. Der nächste mehrwöchige Aufenthalt ist für Juli und August 2018 geplant. Die Familie der beschwerdeführenden Parteien kommuniziert weit überwiegend in türkischer Sprache.

Zur Beweiswürdigung:

Die obigen Feststellungen gründen sich auf dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, auf dem Beschwerdevorbringen, den im Beschwerdeverfahren ergänzend aufgenommenen Beweisen (vgl. die Urkundenvorlage der beschwerdeführenden Parteien vom 25.4.2018) sowie insbesondere auf den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien am 19.6.2018, in welcher sowohl der Vater als auch die Mutter der Beschwerdeführer zeugenschaftlich vernommen wurden, wobei ihre Angaben – im Wesentlichen – gleichlautend und daher glaubhaft waren. Auch sonst hatte der erkennende Richter infolge des persönlichen Eindrucks, den er von den Zeugen gewinnen konnte, keinen Grund an deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln.

Dass sich die finanzielle Situation der Familie der beschwerdeführenden Parteien in naher Zukunft nicht verbessern wird, ergibt sich zum einen aus dem vom erkennenden Richter gewonnenen Eindruck, dass die Eltern der beschwerdeführenden Parteien nicht erkennbar willens sind, eine Beschäftigung zu finden, sondern ihren Lebensunterhalt weiterhin einzig durch den Bezug von Sozialleistungen zu sichern gedenken, zum anderen aus der Tatsache, dass der Vater der beschwerdeführenden Parteien bei Aufnahme einer Vollzeit-Erwerbstätigkeit Ratenzahlungen an seine Gläubiger zu leisten hätte.

Im Übrigen trifft die beschwerdeführenden Parteien – nicht zuletzt nach § 29 Abs. 1 NAG – eine Mitwirkungspflicht an der Feststellung des hier maßgeblichen Sachverhaltes. Auf Grund dessen sind sie insbesondere gehalten, integrationsbegründende Umstände, welchen maßgebliche Bedeutung zukommen könnte, initiativ geltend zu machen (vgl. etwa VwGH 22.1.2014, 2012/22/0245).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes korrespondiert mit der amtswegigen Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken. Die Offizialmaxime entbindet daher die Parteien nicht davon, durch substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Dort, wo es dem Verwaltungsgericht nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen, was insbesondere bei jenen personenbezogenen Umständen der Fall sein wird, deren Kenntnis sich das Verwaltungsgericht nicht von Amts wegen verschaffen kann (vgl. VwGH 6.3.2008, 2007/09/0233; 28.2.2014, 2012/03/0100). Unterlässt es eine Partei, im Verfahren genügend mitzuwirken oder konkrete Beweisangebote vorzubringen, so handelt das Verwaltungsgericht im Allgemeinen nicht rechtswidrig, wenn es weitere Erhebungen unterlässt (vgl. hiezu VwGH 17.2.1994, 92/16/0090). Das Verwaltungsgericht kann demnach aus einer Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen der Beweiswürdigung für die Partei negative Schlüsse ziehen.

Der entscheidungserhebliche Sachverhalt steht damit abschließend fest.

Das Verwaltungsgericht Wien hat hiezu erwogen:

Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. etwa VwGH 8.9.2015, Ra 2015/18/0134; 12.9.2016, Ro 2016/04/0014).

Der Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes richtet sich nach § 27 VwGVG. In diesem Rahmen ist das Verwaltungsgericht auch befugt, Rechtswidrigkeitsgründe aufzugreifen, die im Beschwerdeschriftsatz nicht vorgebracht wurden (vgl. etwa VwGH 26.3.2015, Ra 2014/07/0077).

Das erkennende Gericht hat auf Grund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erkenntnisses zu entscheiden (vgl. VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076), sodass Änderungen des entscheidungserheblichen Sachverhaltes im Stadium des Beschwerdeverfahrens beachtlich und vom Amts wegen aufzugreifen sind.

Zur Anwendbarkeit des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80:

In den Fällen der – die türkische Staatsangehörigkeit besitzenden – beschwerdeführenden Parteien ist vorab zu prüfen, ob hier die Bestimmungen des Beschlusses Nr. 1/80 des – durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei, ABl. 1964/217, 3685, geschaffenen – Assoziationsrates (im Folgenden: ARB 1/80) Anwendung finden.

Der ARB 1/80 findet auf türkische Staatsangehörige Anwendung, die in einem Mitgliedsstaat als Arbeitnehmer beschäftigt sind und deren Aufenthalt und Beschäftigung im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedsstaates ordnungsgemäß ist oder die als Arbeitnehmer tätig werden wollen, sowie auf deren Familienangehörige, soweit jene mit dem türkischen Arbeitnehmer tatsächlich in häuslicher Gemeinschaft leben, auch wenn sie selbst keine eigene Beschäftigung als Arbeitnehmer ausüben (vgl. EuGH 21.10.2003, Rs. C-317/01, Abatay, Rn. 81 ff.).

Der Begriff des „Arbeitnehmers“ in diesem Sinne hat eine unionsrechtliche Bedeutung und darf nicht eng ausgelegt werden. Er ist anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der Rechte und Pflichten der betroffenen Person kennzeichnen (vgl. bspw. EuGH 19.11.2002, Rs. C-188/00, Kurz, Rn. 32; so etwa auch VwGH 18.12.2012, 2010/09/0185).

Als Arbeitnehmer ist jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. EuGH 4.2.2010, Rs. C-14/09, Genc, Rn. 19; so etwa auch VwGH 18.12.2012, 2010/09/0185).

Ab welcher Grenze eine Tätigkeit als „völlig untergeordnet und unwesentlich“ anzusehen ist, hängt von einer Gesamtbewertung des Arbeitsverhältnisses ab. Bei der Gesamtbewertung des Arbeitsverhältnisses sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: die Arbeitszeit, die Höhe der Vergütung, ein Anspruch auf bezahlten Urlaub, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung des Tarifvertrags, die Dauer des Arbeitsverhältnisses im Unternehmen (vgl. EuGH 4.2.2010, Rs. C-14/09, Genc, Rn. 26 f.; so etwa auch VwGH 18.12.2012, 2010/09/0185).

Im Lichte dessen ist im konkreten Fall maßgeblich, dass der Vater der beschwerdeführenden Parteien in Österreich durchgehend seit 2015 eine geringfügige Beschäftigung als Arbeiter ausübt und als solcher auch sozialversicherungsrechtlich gemeldet ist. Wenngleich er ein geringes Entgelt ins Verdienen bringt und seine Beschäftigung eine geringe Wochenstundenzahl aufweist, so kann hier dennoch keine „völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit“ im Sinne der obzitierten Rechtsprechung angenommen werden. Die beiden beschwerdeführenden Parteien wiederum leben mit ihrem Vater tatsächlich in häuslicher Gemeinschaft.

Demnach sind die Gewährleistungen des ARB 1/80 auf die beschwerdeführenden Parteien anwendbar.

Zur Anwendbarkeit des Fremdengesetzes 1997:

Art. 13 ARB 1/80 ordnet an, dass die Vertragsparteien des Abkommens „für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen“ dürfen (sog. Stillhalteklausel). Dies normiert gleichsam Art. 41 des Zusatzprotokolls vom 23.11.1970 zum Assoziationsabkommen EWG-Türkei (ABl. L 1972/293, 3).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert, sind infolgedessen die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels im Fall von Familienangehörigen türkischer Staatsangehöriger nicht anhand der Normen des NAG, sondern anhand der günstigeren Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997) – FrG, BGBl. I Nr. 75/1997 – ungeachtet dessen mittlerweile erfolgten Außer-Kraft-Tretens – zu messen (vgl. hiezu zB VwGH 15.12.2011, 2007/18/0430; 19.1.2012, 2011/22/0313).

Im Unterschied zu § 24 Abs. 1 NAG war nach dem FrG die Einbringung eines Verlängerungsantrages an keine prozessuale Frist gebunden. Die Befristung mit dem Ende der Gültigkeitsdauer des vorangegangenen Aufenthaltstitels wurde erst mit In-Kraft-Treten des NAG in seiner Stammfassung BGBl. I Nr. 100/2005 normiert. Zudem sah § 24 Abs. 2 NAG bis zur Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 vor, dass Anträge, die bis zu sechs Monate nach dem Ende der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels gestellt werden, als Verlängerungsanträge zu gelten haben.

Die nunmehrige Regelung in § 24 Abs. 2 NAG idF BGBl. I Nr. 145/2017 stellt sohin jedenfalls eine „neue Beschränkung“ gegenüber der nach dem FrG geltenden Rechtslage dar und hat sohin in den Anlassfällen – infolge von Art. 13 ARB 1/80 – unangewendet zu bleiben. Die von der belangten Behörde getroffene Annahme, die Einbringung der gegenständlichen Verlängerungsanträge sei verspätet erfolgt, erweist sich somit als unrichtig.

Demnach aber liegen hier keine Erstanträge, sondern vielmehr Verlängerungsanträge vor. Im Lichte des § 21 Abs. 1 NAG, welcher die grundsätzliche Verpflichtung zur Auslandsantragstellung alleine für Erstanträge normiert, waren die Beschwerdeführer folglich zur Antragstellung im Inland berechtigt. Diese Berechtigung würde ihnen im Übrigen auch nach § 14 Abs. 2 FrG zukommen.

Die von der belangten Behörde zur Abweisung der verfahrenseinleitenden Anträge herangezogene Begründung erweist sich aus all dem als verfehlt.

Zu den Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels:

Die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach den Bestimmungen des FrG lauten in ihrer Stammfassung BGBl. I Nr. 75/1997 – auszugsweise – wie folgt:

„Erteilung der Einreise- und Aufenthaltstitel

§ 8. (1) Einreise- und Aufenthaltstitel können Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern diese ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12). Visa können nur befristet, Aufenthaltstitel auch unbefristet erteilt werden. Visa und befristete Aufenthaltstitel dürfen nur insoweit erteilt werden, als ihre Gültigkeitsdauer jene des Reisedokumentes nicht übersteigt. Die Gültigkeitsdauer des Reisedokumentes soll jene eines Visums um mindestens drei Monate übersteigen. Sammelvisa dürfen nur Fremden erteilt werden, denen ein Sammelreisepaß ausgestellt wurde.

(2) Für die Erteilung der Aufenthaltstitel ist zwischen Erstniederlassungsbewilligung und weiterer Niederlassungsbewilligung sowie zwischen Erstaufenthaltserlaubnis und weiterer Aufenthaltserlaubnis zu unterscheiden.

(3) Die Behörde hat bei der Ausübung des in Abs. 1 eingeräumten Ermessens jeweils vom Zweck sowie von der Dauer des geplanten Aufenthaltes des Fremden ausgehend

1. auf seine persönlichen Verhältnisse, insbesondere seine familiären Bindungen, seine finanzielle Situation und die Dauer seines bisherigen Aufenthaltes,

2. auf öffentliche Interessen, insbesondere die sicherheitspolizeilichen und wirtschaftlichen Belange, die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und die Volksgesundheit und

3. auf die besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes Bedacht zu nehmen.

(4) Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, nicht führen, dürfen sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen.

(5) Für die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels bedarf es des Nachweises eines Rechtsanspruches auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft für den Fremden, der sich hier niederlassen will. Dieser Nachweis ist auch für die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels erforderlich; er gilt für in Österreich geborene Kinder als erbracht, wenn der Familie die vor der Geburt bewohnte Unterkunft weiterhin zur Verfügung steht.

[…]

Versagung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels

        § 10. (1) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn

1. gegen den Fremden ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht;

2. der Aufenthaltstitel zeitlich an den durch ein Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden soll;

3. der Aufenthaltstitel - außer für Saisonarbeitskräfte (§ 9), für begünstigte Drittstaatsangehörige (§ 47) oder Angehörige von Österreichern (§ 49) - nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 28 oder § 29) erteilt werden soll;

4. sich der Fremde nach Umgehung der Grenzkontrolle nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält;

5. der Fremde unentschuldigt einer Ladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung (§ 96 Abs. 1 Z 5), in der diese Folge angekündigt ist, nicht Folge leistet oder an der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht mitwirkt.

(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere versagt werden, wenn

1. der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt;

2. der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruches;

3. der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;

4. der Aufenthalt des Fremden die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat beeinträchtigen würde;

5. Grund zur Annahme besteht, der Fremde werde nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Titels das Bundesgebiet nicht unaufgefordert verlassen.

(3), (4) […]

Versagung eines Aufenthaltstitels

§ 12. (1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist außer in den Fällen des § 10 Abs. 4 zu versagen, wenn Fremde, die hiezu gemäß § 8 Abs. 5 verpflichtet sind, keinen Rechtsanspruch auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft nachweisen.

(2), (3) […]“

Ausgehend hievon ist für den vorliegenden Fall wie folgt festzustellen:

Gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 FrG darf der Aufenthalt der beschwerdeführenden Parteien im Inland zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 Abs. 2 Z 2 FrG hat sich die Behörde – und damit auch das erkennende Gericht – bei Berechnung des Unterhaltsbedarfs einer Familie im Regelfall nur an jenem Gesamtbetrag zu orientieren, welcher nach Auffassung der jeweiligen Landesregierung im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides – bzw. hier des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes – zur Deckung des Bedarfes für einen Haushaltsvorstand und der jeweiligen Zahl der unterhaltsberechtigten Haushaltsangehörigen auch dann ausreichend ist, wenn daneben keine weiteren Mittel zur Verfügung stehen (vgl. hiezu etwa VwGH 21.12.2001, 2000/19/0153; 3.4.2009, 2008/22/0711). Die mit einer Unterkunft einhergehenden Kosten sind bei dieser Berechnung zu berücksichtigen (vgl. VwGH 3.12.1999, 99/19/0094).

Die – infolgedessen nach Ansicht des erkennenden Gerichts einschlägige – Verordnung der Wiener Landesregierung zum Gesetz zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien 2018 (WMG-VO 2018), LGBl. Nr. 3, lautet – auszugsweise – wie folgt:

„Mindeststandards, Grundbeträge zur Deckung des Wohnbedarfs

und Geringfügigkeitsgrenze

§ 1. (1) […]

(2) Für volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen in einer Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 WMG leben, beträgt der Mindeststandard EUR 647,28

(3) […]

(4) Für minderjährige Personen gemäß § 7 Abs. 2 Z 3 WMG beträgt der Mindeststandard EUR 233,02.

(5) […]“

Demnach führt die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen Fremden in der Regel dann zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, wenn dem – wie hier – in Wohngemeinschaft mit ihren Eltern und ihrem Bruder lebenden beschwerdeführenden Parteien im Fall einer Anspruchsberechtigung nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz – vor dem Abzug regelmäßiger Aufwendungen – ein Netto-Monatseinkommen von zumindest EUR 647,28 (Richtsatz für ein Ehepaar) + 3 x EUR 233,02 (Richtsatz für drei Kinder), demnach insgesamt EUR 880,34, zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse zur freien Verfügung stehen.

Die beschwerdeführenden Parteien selbst beziehen keine finanziellen Einkünfte. Ihre Eltern lukrieren monatlich finanzielle Mittel iHv EUR 1.953,29 (= EUR 84,50 [geringfügige Beschäftigung des Vaters] + 964,21 [Notstandshilfe des Vaters] + 319,38 [Notstandshilfe der Mutter] + 585,20 [Familienbeihilfe]). Die Zuschüsse aus Mitteln der Wohnbeihilfe bilden keinen Einkommensbestandteil und bleiben daher hier unberücksichtigt.

Demgegenüber haben jene regelmäßige Ausgaben iHv EUR 789,80 (= EUR 670,– [Mietzins] + 15,96 [Haushaltsversicherung] + 22,17 [Rechtsschutzversicherung] + 81,67 [Haftpflichtversicherung]). Unter aliquoter Berücksichtigung der Geldschulden des Vaters der beschwerdeführenden Parteien (vgl. VwGH 11.11.2013, 2012/22/0017 ua.) iHv EUR 3.333,33 (= EUR 40.000,– / 12) ergibt sich in Summe eine monatliche Gesamtbelastung iHv EUR 4.123,13.

Die finanziellen Belastungen übersteigen demnach die finanziellen Einkünfte um EUR 2.169,84. Folglich stehen den beschwerdeführenden Parteien die finanziellen Mittel zur Sicherung ihrer Lebensbedürfnisse nicht zur freien Verfügung und stellt ihr Aufenthalt in Österreich bereits aktuell eine finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft dar. Eine Änderung der Situation ist pro futuro nicht zu erwarten.

Die Erteilungsvoraussetzung des § 10 Abs. 2 Z 2 FrG wird daher gegenständlich nicht erfüllt.

Folglich ist im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß § 8 Abs. 1 FrG zu prüfen, ob die begehrten Aufenthaltstitel – trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes – unter Berücksichtigung der in Abs. 3 par. cit. genannten Kriterien zu erteilen sind (vgl. etwa VwGH 14.5.1999, 97/19/0651; 8.9.2000, 99/19/0095). Integrationsbegründende Umstände, denen maßgebliche Bedeutung zukommen könnte, sind dabei initiativ geltend zu machen (vgl. hiezu zB VwGH 22.1.2014, 2012/22/0245). Dem Kindeswohl ist ein hoher Stellenwert einzuräumen (vgl. zB VfGH 28.2.2012, B 1644/10).

Hiezu ist festzustellen, dass beide beschwerdeführenden Parteien in Österreich geboren sind und sich bislang regelmäßig und auf Grund wiederholt ausgestellter Aufenthaltstitel auch rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben. Die Dauer des rechtmäßigen Inlandsaufenthaltes beträgt im Fall des Erstbeschwerdeführers somit nahezu drei Jahre, im Fall der Zweitbeschwerdeführerin rund sechs Jahre. Deren Eltern verfügen über eine Berechtigung zum Daueraufenthalt in Österreich und kommt dem ebenso große Bedeutung zu wie der Tatsache, dass der Bruder der beschwerdeführenden Parteien einen – wenngleich zeitlich befristeten – Aufenthaltstitel innehat. Die Zeitbeschwerdeführerin besucht z.Zt. einen Kindergarten, während der Erstbeschwerdeführer daheim betreut wird. Die Großeltern der beschwerdeführenden Parteien väterlicherseits, die Geschwister des Vaters sowie eine Schwester der Mutter leben in Österreich und besteht regelmäßiger Kontakt zu jenen.

Demgegenüber ist festzustellen, dass die Familie der beschwerdeführenden Parteien in Österreich weder wirtschaftlich noch sozial integriert ist. Der Lebensunterhalt der beschwerdeführenden Parteien wurde bislang alleine durch den Bezug von Sozialleistungen durch ihre Eltern gesichert. Die Mutter ist seit Jahren ohne Beschäftigung. Der Vater geht einer bloß rudimentären geringfügigen Beschäftigung nach. Beide zeigen keine erkennbare Absicht eine Verbesserung ihrer finanziellen Situation in naher Zukunft anzustreben. Wie oben dargelegt, decken die finanziellen Einkünfte nicht annähernd die erforderlichen finanziellen Mittel. Vielmehr ergibt sich ein Negativbetrag (zur Berücksichtigung der Differenz zwischen verfügbaren und notwendigen finanziellen Mitteln vgl. jüngst VwGH 22.3.2018, Ra 2017/22/0186). Die familieninterne Kommunikation erfolgt weit überwiegend in türkischer Sprache. Dass die beschwerdeführenden Parteien selbst die deutsche Sprache beherrschen würden, ist nicht vorgebracht worden. Freizeitaktivitäten finden innerhalb der Familie statt. In der Türkei leben die Großeltern der beschwerdeführenden Parteien mütterlicherseits und drei Geschwister ihrer Mutter, besteht nach wie vor regelmäßiger Kontakt zu jenen und werden jene zumindest jedes zweite Jahr für mehrere Wochen besucht, wobei in dieser Zeit eine Wohnsitznahme im Haushalt der Großeltern mütterlicherseits erfolgt. Der nächste dortige Aufenthalt ist im Juli und August 2018 geplant. Infolge der mangelnden wirtschaftlichen und sozialen Integration der Familie der beschwerdeführenden Parteien in Österreich und auf Grund des Alters der beschwerdeführenden Parteien, in welchem jedenfalls von einer Anpassungsfähigkeit an ein neues Umfeld auszugehen ist, erscheint den beschwerdeführenden Parteien auch ein längerfristiger Aufenthalt in der Türkei mit ihren Eltern, insbesondere mit ihrer Mutter, und eine dortige Fortsetzung des Familienlebens aus Sicht des Verwaltungsgerichtes noch zumutbar. Da vor diesem Hintergrund bei einer abweisenden Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde eine Trennung der Familie nicht zwingend ist, ist eine Gefährdung des Kindeswohles auch nicht zu befürchten.

Das Verwaltungsgericht Wien verkennt nicht, dass mit der Abweisung jener Beschwerde ein erheblicher Eingriff in das Privat- und Familienleben der beschwerdeführenden Parteien einhergeht. Im Lichte der obigen Darlegungen kommt das Verwaltungsgericht jedoch zum Schluss, dass gegenständlich – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Dauer des Aufenthaltes der beschwerdeführenden Parteien in Österreich zehn Jahre nicht erreicht – das öffentliche Interesse an der Versagung der begehrten Aufenthaltstitel das private Interesse an Erteilung derselben noch überwiegt und dass daher der hier vorgenommene Eingriff noch verhältnismäßig ist.

Da demnach eine Voraussetzung für die Erteilung der begehrten Aufenthaltstitel nicht gegeben ist und es sich hiebei um kumulative gesetzliche Voraussetzungen handelt, erübrigt sich die Prüfung weiterer Erteilungsvoraussetzungen.

Der Beschwerde war daher im Ergebnis keine Folge zu geben, wenngleich – ausgehend von den obigen Darlegungen – der Spruch der angefochtenen Bescheide wie oben ersichtlich zu korrigieren war.

Ergänzend erlaubt sich das Verwaltungsgericht Wien festzuhalten, dass hier nicht übersehen wird, dass den beschwerdeführenden Parteien bei gleichem oder ähnlichem Sachverhalt in der Vergangenheit durchaus Aufenthaltstitel erteilt worden waren. Doch hindert dies das Verwaltungsgericht nicht daran, nunmehr korrigierend vorzugehen (vgl. VfSlg. 13.856/1994; VwGH 22.12.2004, 2003/12/0222).

Zum Ersatz von Barauslagen:

Der – in gegenständlicher Beschwerdesache durchgeführten – öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien wurde v.a. zur Einvernahme der Mutter der beschwerdeführenden Parteien ein nichtamtlicher Dolmetsch für die türkische Sprache beigezogen.

Die – vom nichtamtlichen Dolmetsch in der Verhandlung gelegte – Gebührennote, gegen welche kein Einwand erhoben wurde, wurde sodann auf ihre sachliche und rechnerische Richtigkeit hin überprüft und wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 20.6.2018, VGW-KO-016/554/2018-1, das zustehende Honorar mit EUR 118,90 festgesetzt.

Jene Barauslagen sind den beschwerdeführenden Parteien gemäß § 17 VwGVG iVm § 76 Abs. 1 und 3 AVG nunmehr der Höhe nach jeweils zur Hälfte aufzuerlegen, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.

Zum Revisionsausspruch:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (obzitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal auch die Gesetzeslage eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053; 3.7.2015, Ra 2015/03/0041). Zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen (vgl. VwGH 24.3.2014, Ro 2014/01/0011; 28.4.2015, Ra 2014/19/0177).

Schlagworte

Anwendungsbereich ARB 1/80, Stillhalteklausel, Arbeitnehmerbegriff, autonome Auslegung, finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

Anmerkung

VwGH v. 31.1.2019, Ra 2018/22/0193-0194; Aufhebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.151.016.3846.2018

Zuletzt aktualisiert am

15.03.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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