TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/18 W260 2167251-1

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Veröffentlicht am 18.06.2018
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Entscheidungsdatum

18.06.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W260 2167251-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Vorsitzender und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Verein ChronischKrank, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 16.06.2017, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des in Höhe von fünfzig (50) von Hundert (vH) festgestellten Grades der Behinderung vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführerin beantragte am 09.02.2017 beim Bundessozialamt, nunmehr Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice; in der Folge "belangte Behörde" genannt) die Ausstellung eines Behindertenpasses und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.

2. Die Beschwerdeführerin brachte mit Schreiben vom 27.02.2017 namens ihrer nunmehrigen bevollmächtigten Vertreterin, dem Verein ChronischKrank, der belangten Behörde weitere medizinische Befunde und zwei private medizinische Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Neurologie/Psychiatrie zur Vorlage.

3. Zur Überprüfung des Antrages holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin ein.

In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 19.04.2017 erstellten Gutachten vom 10.06.2017, wurden die Leiden "Belastungsreaktionen, somatoforme Störungen und posttraumatische Belastungsstörung ED 2012", "Lähmungen der peripheren Nerven, Läsion des Nervus peronaeus links", "Zwerchfellbruch, Operation nach Nissen 2010" und "Entfernung der Gebärmutter 2013" mit einem Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 vH festgestellt.

Dazu führte die Gutachterin aus, das Leiden 2 erhöhe Leiden 1 um eine Stufe bei wechselseitig ungünstiger Leidensbeeinflussung. Bei Leiden 3 und 4 bestehe kein funktionelles Zusammenwirken.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.06.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 BBG ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH fest.

Dem Bescheid wurde das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie beigelegt.

5. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin namens ihrer bevollmächtigten Vertreterin (im Ergebnis) fristgerecht Beschwerde. Darin brachte sie im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe die Leiden 1 und 2 gemäß der Einschätzungsverordnung zu gering bewertet.

6. Zur Überprüfung des Beschwerdevorbringens holte das Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Allgemeinmedizin ein.

Nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 03.04.2018 durch die medizinische Sachverständige wurden die Leiden "1. Posttraumatische Belastungsstörung", "2. Chronisches Schmerzsyndrom", "3. Peronaeusparese links", "4. Zwerchfellbruch, Operation nach Nissen 2010" und "5. Entfernung der Gebärmutter 2013" mit einem Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 50 vH festgestellt.

Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung führte die medizinische Sachverständige aus, dass die vormals als Leiden 1 eingestufte "Belastungsreaktionen, somatoforme Störungen und posttraumatische Belastungsstörung ED 2012" nunmehr getrennt auszuweisen sei. Aufgrund der traumatisierenden Biografie ergebe sich eine gesonderte Einschätzung dieses Leidens und sei nicht mit einer Schmerzstörung zu vermischen, da diese Folge eines Arbeitsunfalles gewesen sei.

7. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.05.2018 wurde den Parteien das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und ihnen diesbezüglich eine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Die Parteien gaben keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich die Beschwerdeführerin mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 vH.

1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Klinischer Status - Fachstatus: kommt in Begleitung des LG mit einem Rollator und angelegter Peronäusschiene links in Konfektionssschuhen zur Untersuchung, Raucherin, Rechtsdominanz, Hautbild unauffällig, freie Beweglichkeit der Wirbelsäule und aller Gelenke, Auskleiden selbständig, Trophik und Tonus beider Beine seitengleich ungestört, hinkend links, aber volle Belastung möglich, kein Fallfuß, Zehen-und Fersenstand links erschwert, keine Hyperalgesie linker Fuß, milder Temperaturunterschied zu rechts, im Unterschenkelbereich werden links Dysästhesien angegeben, obere Extremitäten und intern keine relevanten Auffälligkeiten;

Gesamtmobilität - Gangbild: links leicht hinkend, angedeuteter, aber kein ausgeprägter Steppergang, belastet das linke Bein gleichstark wie rechts (wird beim Hinausgehen beobachtet)

Status Psychicus: allseits orientiert, freundlich-bemüht, verzagt, fraglich demonstrativ dysphorisch, Affekt und Antrieb ausgeglichen, kein Hinweis auf Denkstörungen

1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der Funktionseinschränkungen

Pos. Nr.

GdB %

1

Posttraumatische Belastungsstörung

03.05.01

40

2

Chronisches Schmerzsyndrom

04.11.02

30

3

Peronaeusparese links

04.05.13

30

4

Zwerchfellbruch, Operation nach Nissen 2010

07.03.05

10

5

Entfernung der Gebärmutter 2013

08.03.02

10

Gesamtgrad der Behinderung 50 vH

 

 

 

Das führende Leiden 1 wird

durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht.

1.3. Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 09.02.2017 bei der belangten Behörde ein.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1. und 1.3.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen und zur Antragsstellung eines Behindertenpasses ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2) Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Ausmaß, werden die diesbezüglichen Beurteilungen in dem seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten psychiatrisch neurologischen Sachverständigengutachtens vom 03.04.2018 - in freier Beweiswürdigung - zu Grunde gelegt.

Bezüglich die einzelnen Funktionseinschränkungen, die Art der Leiden und deren Ausmaß, ist das eingeholte Sachverständigengutachten schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf.

Die getroffenen Einschätzungen auf Grundlage der Anlage der Einschätzungsverordnung, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen sowie den durch die Beschwerdeführerin vorgelegten Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Die Beschwerdeführerin wendet in ihrer Beschwerde ein, dass die Einstufung der Position 03.05.01 auf nur 30 % und 04.05.13 auf ebenfalls nur 30 % im von der belangten Behörde eingeholten Gutachten vom 10.06.2017 eingestuft worden sei und ist hinsichtlich der Position 03.05.01 im Recht. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

Was die in der Beschwerde angeführte "zu geringe Einstufung" betreffend der Peronaeusparese betrifft, führt die nervenfachärztliche Sachverständige im Gutachten vom 03.04.2018 nachvollziehbar aus, dass diese von der belangten Behörde vorgenommene Einschätzung mit einem Grad der Behinderung von 30 vH korrekt eingestuft wurde, da die Beschwerdeführerin zwar eine Peronaeusschiene trug und auch offenbar immer wieder trägt, aber laut Befund vom Rehabilitationszentrum Kittsee vom 26.1.2017 wird das Rehabilitationsziel Verbesserung der Gehfähigkeit beschrieben und auch beschrieben, dass die Gehfähigkeit gebessert werden konnte, dies ohne Peronaeusschiene. Daraus ist nachvollziehbar anzunehmen, dass diese Schiene nicht immer getragen werden muss oder nicht immer getragen wurde oder wird, und die Einschätzung korrekt erfolgte.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde keine weiteren medizinischen Unterlagen vor. Die Beschwerdeführerin ist daher - was die vorgenommenen einzelnen Einstufungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen betrifft - den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit der in den vorliegenden Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 03.04.2018 getroffenen Einzeleinstufungen der festgestellten Leiden. Diesbezüglich werden sie daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Betreffend den Gesamtgrad der Behinderung wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 251/2012, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

§ 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft. (§ 54 Abs. 12 BBG auszugsweise)

Da der gegenständliche Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses am 21.10.2016 gestellt wurde, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung zu beurteilen.

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung, was die vorgenommenen Einzeleinstufungen der festgestellten Leiden betrifft, das medizinische Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 03.04.2018 zu Grunde gelegt. Die getroffenen Einschätzungen auf Grundlage der Anlage der Einschätzungsverordnung, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und den von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Wie bereits oben ausgeführt, ist die Beschwerdeführerin diesem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Die unter der laufenden Nummer 1 festgestellte Funktionseinschränkung "Posttraumatische Belastungsstörung" ist gemäß der Positionsnummer 03.05.01 und einem Grad der Behinderung von 40 vH eingestuft. Die Einschätzung erfolgte aufgrund der sozialen Störungen und Beeinträchtigungen mit Behandlungen ohne Remissionen länger als ein Jahr im oberen Rahmensatz richtigerweise mit dem oberen Rahmensatz dieser Positionsnummer.

Als Leiden Nummer 2 ist ein "Chronische Schmerzyndrom" unter der Positionsnummer 04.11.02 "Mittelschwere Verlaufsform" mit dem unteren Rahmensatz von 40 vH eingeschätzt.

Die unter der laufenden Nummer 3 eingeschätzte "Peronaeusparese links" ist mit der Positionsnummer 04.05.13 "Teillähmung bis Ausfall des nervus peronaeus" eine Stufe unter dem oberen Rahmensatz und einem Grad der Behinderung von 30 vH festgesetzt, da die Parese aufgrund einer Knöchelfraktur (Typ Wber A 06/2014, konservativ versorgt) mit regionalem Schmerzsyndrom (ED 12/2014,Opiattherapie ab 9/2016) bedingt ist.

Der als Leiden 4 eingeschätzte "Zwerchfellbruch, Operation nach Nissen 2010" ist mit der Positionsnummer 07.03.05 "Gastroösophagealer Reflux" im unteren Rahmensatz und einem Grad der Behinderung von 10 vH festgesetzt, da die Beschwerdeführerin unter Dauermedikation und Kostanpassung stabil ist, und sich das Körpergewicht im Normbereich befindet.

Die als Leiden 5 eingeschätzte "Entfernung der Gebärmutter 2013" ist nach Positionsnummer 08.03.02 als "Fehlbildung, Fehlen, Entfernung der Gebärmutter" mit einem fixen Richtsatz von 10 vH einzuschätzen.

Gemäß § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt, oder wenn zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

Die Einstufung des Leidens 1 "posttraumatische Belastungsstörung" mit der Positionsnummer 03.05.01 wurde von der belangten Behörde zu gering eingestuft, da auf Grund der biografischen traumatischen Geschehnisse, welche im Rahmen der Anamnese ausführlich und nachvollziehbar von der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie in ihrem Gutachten vom 03.04.2018 ausgeführt werden, von einer schweren Störung auszugehen ist, und zahlreiche soziale Störungen vorliegen, womit sich ein GdB von 40 vH ergibt. Durch das nunmehr gesondert als Leiden 2 festgestellte "Schmerzsyndrom" liegt eine wesentliche wechselseitige nachteilige Auswirkung des (neuen) Leidens 2 auf das Leiden 1 vor, der durch Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung um eine Stufe von 40 vH auf 50 vH Rechnung getragen wird.

Da das Leiden 2 den Grad der Behinderung des führenden Leidens 1 wegen funktioneller Relevanz um eine Stufe auf 50 vH erhöht, liegen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall wurde der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholten Sachverständigengutachten geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W260.2167251.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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