TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/18 I419 2009354-2

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Veröffentlicht am 18.06.2018
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Entscheidungsdatum

18.06.2018

Norm

AVG §19
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
VwGVG §13 Abs2

Spruch

I419 2009354-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT, gegen den Bescheid des BFA vom 28.05.2018, Zl. XXXX,

A) 1. zu Recht: Die Beschwerde wird betreffend Spruchpunkt I als unbegründet abgewiesen.

und beschließt:

2. Der Beschwerde wird betreffend Spruchpunkt II stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer nigerianischer Staatsangehörigkeit reiste 2014 ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, den das BFA am 10.06.2014 verbunden mit einer Rückkehrentscheidung und der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen abwies, was dieses Gericht am 28.03.2017 bestätigte.

Mit dem bekämpften Bescheid hat das BFA dem Beschwerdeführer aufgetragen, am 08.06.2018 zu einem genannten Zeitpunkt in einer bestimmten Räumlichkeit des BFA in Wien als Beteiligter persönlich zu erscheinen, an den nötigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments mitzuwirken und dabei Dokumente mitzubringe, welche die Identität des Beschwerdeführers oder seine Staatsangehörigkeit bescheinigen, z. B. Ausweise oder Reisepass. Für sein Fernbleiben ohne wichtigen Grund wurde eine 14-tägige Haftstrafe angekündigt (Spruchpunkt I). Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde schloss das BFA aus (Spruchpunkt II).

Aus der Begründung ergibt sich, dass der Termin, den der Beschwerdeführer nicht wahrgenommen hat, der Identitätsfeststellung dienen sollte.

Die Beschwerde bringt vor, dass die Rückkehrentscheidung nicht durchsetzbar sei, weil der Beschwerdeführer begünstigter Drittstaatsangehöriger sei. Daher - und weil er bereits Inhaber eines Reisepasses sei, was dem LH von Wien aus dem NAG-Verfahren bekannt sei - hätte das BFA ihn nicht vorladen dürfen, weil eine Identifizierung nicht nötig sei.

Beantragt wurde unter anderem die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter I wiedergegebene Verfahrensgang wird festgestellt.

Zusätzlich werden folgende Feststellungen getroffen:

Der Beschwerdeführer ist seit 2016 mit einer ungarischen Staatsangehörigen verheiratet, die sich anschließend erstmals im Inland anmeldete und mit der er in Wien zusammen mit Hauptwohnsitz angemeldet ist. Beide arbeiten angemeldet bei einer Firma in Niederösterreich, die Ehegattin seit 21.11.2017 als Arbeiterin.

Der LH von Wien hat den Antrag des Beschwerdeführers auf einen Aufenthaltstitel als begünstigter Drittstaatsangehöriger am 26.02.2018 abgewiesen, da dieser eine Aufenthaltsehe eingegangen sei und kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht habe, wogegen die Beschwerde beim VwG Wien eingebracht wurde, welches noch nicht darüber entschieden hat.

Ein Strafverfahren gegen die Eheleute aus dem genannten Grund hat die StA Wien wegen Verjährung eingestellt.

Der Beschwerdeführer hat dem BFA keinen Reisepass vorgelegt. Der Meldebehörde hat er den vom BFA ausgestellten Ausweis als Asylwerber vorgewiesen. Seine Identität steht nicht fest.

Es steht nicht fest, ob dem Beschwerdeführer ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukommt. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der bekämpfte Bescheid wurde vom BFA der LPD Wien am 29.05.2018 mit dem Ersuchen übermittelt, ihn dem Beschwerdeführer nachweislich zuzustellen, welche ihn am Tag vor dem angeordneten Erscheinen der Ehefrau des Beschwerdeführers ausgehändigt und den Beschwerdeführer tags darauf telefonisch vom Termin informiert hat.

Weiters wurde der Bescheid noch der im seinerzeitigen Asylverfahren als Verfahrenshelferin bestellten Rechtsanwältin zugestellt, und zwar am Tag des angeordneten Erscheinens, allerdings nach der vorgesehenen Uhrzeit. Eine eigenhändige Zustellung wurde weder angeordnet noch durchgeführt.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das Register der Sozialversicherungen, das Strafregister und das Zentrale Melderegister Beweis erhoben.

Bereits im Erkenntnis dieses Gerichts im Asylverfahren wurde festgehalten, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststeht (S. 5). Seither sind zu dieser Frage keine tauglichen Beweismittel vorgelegt worden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Bestätigung Spruchpunkt I und Aufhebung Spruchpunkt II

Der Beschwerdeführer bringt vor, angesichts der Ehe mit einer Ungarin sei die Rückkehrentscheidung nicht durchsetzbar, der Bescheid des LH von Wien nicht rechtskräftig, und er erwarte ein Obsiegen im Beschwerdeverfahren vor dem VwG Wien.

Zudem sei die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde zu Unrecht aberkannt worden, da keine Gefahr im Verzug vorliege.

Die angedrohte Haft kann - im Gegensatz zu den Ausführungen der Beschwerde - nach § 19 Abs. 3 AVG nur dann verhängt werden, wenn sie im Bescheid angedroht und dieser zu eigenen Handen zugestellt wurde. Im Hinblick auf den Entfall der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung - s. 3.2 - ist die Verpflichtung zum Erscheinen auch nicht so zeitgerecht entstanden, dass der Termin noch nicht verstrichen gewesen wäre.

Unter diesen Gesichtspunkten muss nicht weiter untersucht werden, ob die Höhe der angedrohten Strafe für eine erstmalige Androhung verhältnismäßig ist.

3.1 Zur Mitwirkungspflicht:

§ 46 Abs. 2 FPG legt die Mitwirkungspflicht "an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments im erforderlichen Umfang" unabhängig davon fest, ob bereits eine Abschiebung möglich ist.

Der VwGH hat dazu ausgeführt, "dass bloße Vorbereitungen für eine allfällige Abschiebung - etwa die Erwirkung eines Heimreisezertifikates - unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig sind, solange nicht feststeht, dass eine Ausreiseverpflichtung nicht besteht" (20.12.2016, Ra 2016/21/0354 mwH). Das ist nach den Feststellungen der Fall.

§ 46 Abs. 2a FPG sieht dazu vor, dass das BFA die Mitwirkungspflicht des Abs. 2 mittels Bescheid auferlegen kann, und verweist dabei auf

§ 19 Abs. 2 bis 4 AVG, der Form und Inhalt von einfachen Ladungen und Ladungsbescheiden bestimmt.

Dieses ist nach Abs. 2a jederzeit ermächtigt, bei der ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom BFA zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

Die genannten Verpflichtungen des Fremden kann ihm das BFA nach Abs. 2b mit Bescheid auferlegen. Für die Auferlegung der Mitwirkung- und Teilnahmeverpflichtung gilt § 19 Abs. 2 bis 4 sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG).

§ 19 Abs. 2 bis 4 AVG bestimmt Form und Inhalt von einfachen Ladungen und Ladungsbescheiden. In der Ladung ist nach Abs. 2 außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In ihr ist auch bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt, und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.

Weder aus dem Bescheid noch aus der Beschwerde ergibt sich, dass das BFA in dieser Hinsicht den Beschwerdeführer im Unklaren gelassen hätte.

Dabei liegt es in der Natur der Sache, konkret der Identitätsfeststellung zur Erlangung eines - hier: nigerianischen - Ersatzreisedokuments, dass der Fremde persönlich zu erscheinen hat.

Die Argumentation, das BFA hätte der Mitwirkung des Beschwerdeführers nicht bedurft, weil dieser einen Reisepass besitze, geht insofern ins Leere, als dieser - wenn vorhanden - dem BFA nicht zur Verfügung steht.

Da die bescheidmäßige Verpflichtung des Beschwerdeführers aus diesen Gründen zu Recht erging, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I abzuweisen.

3.2 Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:

Nach § 22 Abs. 3 VwGVG kann das Bundesverwaltungsgericht Bescheide gemäß § 13 VwGVG auf Antrag aufheben, wenn es die Voraussetzungen des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt.

Im vorliegenden Fall traf die belangte Behörde im Sinne des § 13 Abs. 2 VwGVG eine Abwägung der öffentlichen Interessen und der Interessen des Beschwerdeführers am vorzeitigen Vollzug des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass die öffentlichen Interessen überwiegen. Diese Interessensabwägung ist nicht zu beanstanden. Sie ist nachvollziehbar und entspricht dem gesetzlichen Rahmen des § 13 Abs. 2 VwGVG.

Allerdings kommt es bei der Entscheidung über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 13 Abs. 2 VwGVG nicht nur auf ein Überwiegen der öffentlichen Interessen gegenüber den Interessen des Beschwerdeführers an der Durchsetzung des bekämpften Bescheides an. Zusätzlich muss der vorzeitige Vollzug des Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten sein. Eine solche "Gefahr im Verzug-Situation" wird vom BFA im bekämpften Bescheid nicht behauptet, wenn es argumentiert, dass für die aufenthaltsbeendende Maßnahme ein Reisedokument erforderlich sei, ohne welches das BFA seiner Aufgabe nicht nachkommen könne.

Auch die Erklärung, dass sich der Beschwerdeführer durch das Fortsetzen seines Aufenthalts strafbar mache, zeigt keine Gefahr in Verzug auf.

Zwar lag es im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf - die Amtshandlung fand innerhalb der Beschwerdefrist statt - im öffentlichen Interesse, dass der Bescheid bereits mit seiner Zustellung die Pflicht zum Erscheinen erzeugt.

Die angeführten Gründe, die für das Überwiegen der öffentlichen Interessen sprechen, den bekämpften Bescheid vorzeitig zu vollziehen, begründen aber für sich alleine und in ihrer Gesamtheit, keine Situation, die auf Gefahr in Verzug schließen ließe.

Der bekämpfte Bescheid verpflichtet den Beschwerdeführer zur Mitwirkung bei der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes. Eine solche Verpflichtung begründet ohne Hinzukommen weiterer Gründe keine derartige Dringlichkeit der Vollstreckung, die als Gefahr in Verzug zu werten ist. Daher fehlt für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ein nach § 13 Abs. 2 VwGVG erforderliches Tatbestandsmerkmals, weshalb Spruchpunkt II aufzuheben war.

Diese Entscheidung war gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss zu fällen, da damit keine materielle Erledigung des Verfahrens erfolgte. Aus § 22 Abs. 1 f VwGVG ergibt sich, dass die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen oder auszuschließen ist. Die hier vorgenommene Aufhebung eines behördlich verfügten Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung als Entscheidung nach § 22 Abs. 3 VwGVG hatte demnach ebenfalls durch Beschluss zu erfolgen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Mitwirkungspflicht nach § 46 FPG im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der hier zu prüfende Sachverhalt ist, soweit er entscheidungswesentlich ist, zwischen den Parteien unstrittig, es waren lediglich Rechtsfragen zu beantworten. Wie gezeigt, ist es nicht wesentlich, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung betreffend die mögliche Aufenthaltsehe aussteht.

Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über die Beschwerde gegen einen Bescheid nach § 13 Abs. 2 oder 3 VwGVG ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden, das heißt grundsätzlich ohne Verhandlung (VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Demnach hatte eine Verhandlung zu unterbleiben.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall, ersatzlose Behebung,
Gesamtbetrachtung, Identitätsfeststellung, Ladungsbescheid,
mangelnder Anknüpfungspunkt, Mitwirkungspflicht,
Spruchpunktbehebung, Staatsangehörigkeit, Verfahrensführung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I419.2009354.2.00

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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