TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/20 W192 2181237-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.06.2018
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Entscheidungsdatum

20.06.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W192 2181237-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.11.2017, Zahl 15-1094532010-151680908, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 i. d. g. F., § 9 BFA-VG i. d. g. F. und §§ 52, 55 FPG i. d. g. F. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise am 01.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 03.11.2015 gab der Beschwerdeführer an, der Volksgruppe der Farsen und dem islamischen Glauben sunnitischer Ausrichtung anzugehören. Er habe keine Ausbildung absolviert und sei zuletzt als Bauarbeiter tätig gewesen. Im Herkunftsstaat hielten sich unverändert seine Eltern und neun Geschwister im Alter zwischen 13 und 32 Jahren auf. Diese seien alle arbeitslos. Ein weiterer Bruder sei gemeinsam mit ihm nach Österreich gereist und hätte hier ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Der Beschwerdeführer stamme aus der Provinz Sar-e Pol und habe sich etwa 40 Tage zuvor zur Ausreise aus seinem Herkunftsstaat entschlossen. Er sei über den Iran und die Türkei nach Griechenland gelangt und von dort aus mit Bussen und Zügen über ihm nicht erinnerliche Länder nach Österreich gereist. Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer Belästigungen durch die Taliban und den Krieg ins Treffen. Die Taliban hätte sie seit über einem Jahr rekrutieren wollen und sie aufgefordert, im sogenannten Heiligen Krieg mitzukämpfen. Zu seinen Familienangehörigen in Afghanistan habe der Beschwerdeführer keinen Kontakt und wisse nicht, ob es diesen gut ginge. Da sie der afghanischen Regierung positiv gegenüberstünden, wären sie von den Taliban traktiert und immer wieder aufgefordert worden, für diese zu kämpfen. Ergänzend merkte der Beschwerdeführer an, sein Zielland sei von Anfang an Österreich gewesen, er wolle hier ein gutes Leben aufbauen und wenn möglich eine Schule besuchen. Ausschlaggebend für die Flucht aus Afghanistan sei der Krieg gewesen, der Beschwerdeführer wolle in Österreich arbeiten.

Mit Eingabe vom 30.08.2017 wurde durch den Beschwerdeführer unter gleichzeitiger Bekanntgabe der Vollmacht eines Rechtsanwalts Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 BVG eingebracht.

Nach Zulassung seines Verfahrens erfolgte am 16.11.2017 eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der Beschwerdeführer gab eingangs an, sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen, er sei vollkommen gesund und benötige keine Medikamente. Bei der Erstbefragung habe er ein wenig Probleme mit dem Dolmetscher gehabt, er glaube, dass dieser ihn nicht hundertprozentig verstanden hätte. Deswegen würde es ein paar Korrekturen geben. Der Beschwerdeführer habe jedoch die Wahrheit gesagt und die Niederschrift sei ihm auch rückübersetzt worden. An diesem Tag habe bei der Polizei jedoch großer Stress geherrscht, da sehr viele Leute befragt werden hätten müssen und die Erstbefragung daher nur kurz gedauert hätte. Zum Fluchtgrund hätte er angegeben, dass die Taliban um ein Uhr nachts zu ihnen gekommen wären und in der Nacht das Haus gestürmt hätten, was jedoch nicht protokolliert worden wäre. Diesen Umstand habe er nicht bereits bei der damaligen Rückübersetzung beanstandet, da er große Angst und Stress gehabt hätte. In Afghanistan sei er einfacher Landwirt und Schafhirte gewesen und hätte gedacht, dass die Taliban sie bis nach Europa verfolgt hätten und jetzt auftauchen würden. Auf Vorhalt, dass es nicht verständlich erscheine, eine Flucht nach Österreich unter der Annahme anzutreten, dass es hier die Taliban bei der Polizei geben würde, erwiderte der Beschwerdeführer, wenn man Angst habe und unter Stress stehe und wie er nicht besonders gebildet wäre, denke man vielleicht Falsches. Zum Teil Unrichtiges sei auch bezüglich des Alters seiner Verwandten, der finanziellen Lage seiner Familie sowie bezüglich der Dauer seiner Tätigkeit auf der Baustelle protokolliert worden.

Vom Beschwerdeführer wurde ein Konvolut an Unterlagen über in Österreich gesetzte Integrationsbemühungen vorgelegt. Identitätsdokumente besäße er nicht. Der Beschwerdeführer sei ledig, gehöre der Volksgruppe der Araber an und übe den muslimischen Glauben sunnitischer Ausrichtung aktiv aus. Ob sich seine zuletzt im Herkunftsstaat aufhältigen Angehörigen (Eltern, vier Brüder, drei Schwestern, Onkel, Cousins) immer noch in Afghanistan befänden, sei dem Beschwerdeführer nicht bekannt, er würde sich große Sorgen machen. Zu seinen Lebensumständen in Afghanistan führte der Beschwerdeführer aus, sein Vater sei als Landwirt tätig gewesen, seine Familie habe seit Generationen eine eigene Landwirtschaft betrieben und dadurch ihren Lebensunterhalt bestritten; der Beschwerdeführer habe sich seit seiner Kindheit um die Nutztiere gekümmert und habe nie eine Schule besucht. Die finanzielle Lage seiner Familie sei sehr gut gewesen, sie hätten ein eigenes Haus besessen und es hätte ihnen an nichts gefehlt. Über die finanziellen Erträge könne der Beschwerdeführer jedoch keine Auskunft geben. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Araber sei der Beschwerdeführer keinen Problemen ausgesetzt gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich zuletzt in der Nacht, als sie das fluchtauslösende Problem bekommen hätten, daheim aufgehalten. Ein genaues Datum könne er nicht benennen, da er Analphabet wäre. Es sei ihm auch nicht bekannt, um welche Jahreszeit es sich gehandelt hätte, es sei wohl Ende des Frühlings gewesen.

Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, in Afghanistan zunächst mit niemandem ein Problem gehabt und ein normales Leben geführt zu haben. Eines nachts sei zwischen Mitternacht und ein Uhr morgens bei ihnen angeklopft worden, ein Bruder hätte die Tür geöffnet und sei von den Leuten geschlagen worden, welche in der Folge das Haus betreten hätten. Auch sein Vater sei geschlagen worden. Die Leute hätten ihre Waffen auf sie gerichtet und ihnen befohlen, zu schweigen. Sie hätten dann zum Vater des Beschwerdeführers gesagt, dass sie Taliban wären und wüssten, dass in diesem Haus sechs Söhne leben würden, von welchen sie drei mitnehmen wollten, da sie sich im Jihad befänden, an welchem die jungen Burschen teilnehmen sollten. Sein Vater habe geantwortet, dass er sehr abhängig von seinen Söhnen wäre und ohne diese die Familie nicht ernähren könnte. Die Taliban hätten erwidert, dass der Jihad wichtiger wäre und den Vater und den Bruder des Beschwerdeführers abermals geschlagen. Sie hätten dem Vater dann erklärt, dass er drei Alternativen und eine Woche Zeit für eine Entscheidung haben würde; entweder drei Söhne, oder 10 Lak AFN jährlich oder im nächsten Jahr Mohn auf den Feldern anzubauen. Dann seien sie gegangen. Der Vater des Beschwerdeführers hätte dann gemeint, dass sie alle fliehen müssten, um nicht getötet zu werden. Sein Vater habe gemeint, dass jeder sein eigenes Leben retten müsste. Der Beschwerdeführer und ein Bruder seien zuerst gegangen, weshalb er nicht wisse, was mit den anderen Familienangehörigen passiert wäre. Auf Vorhalt, dass es angesichts der vom Beschwerdeführer geschilderten sehr engen familiären Beziehungen nicht nachvollziehbar erscheinen würde, dass man nicht einmal einen Treffpunkt oder eine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme besprochen hätte, erklärte der Beschwerdeführer, dazu nichts sagen zu können. Bei dem geschilderten Vorfall hätte es sich um die einzige Bedrohung durch die Taliban gehandelt. Nach dem Vorfall hätten sein Vater und sein Bruder sich lange beraten und nach etwa drei oder vier Stunden hätte der Beschwerdeführer sein Zuhause, ohne etwas mitzunehmen, verlassen. Auf Nachfrage betonte der Beschwerdeführer, dass sein Vater keinem der drei Vorschläge der Taliban, auch nicht der Zahlung von 10 Lak AFN, zugestimmt hätte. Auf Vorhalt der abweichenden Angabe seines Bruders, welcher anlässlich seiner Einvernahme zu Protokoll gegeben hätte, dass der Vater zugestimmt hätte, jährlich 10 Lak AFN zu zahlen, meinte der Beschwerdeführer, sich nicht erklären zu können, weshalb sein Bruder diese Aussage getätigt hätte. Ein Umzug in einen anderen Landesteil Afghanistans sei der Familie aufgrund der prekären Sicherheitslage innerhalb der Städte nicht möglich gewesen. Die Taliban hätten überall ihre Spione, auch am Flughafen. Auf die Frage, weshalb gerade der Beschwerdeführer als Person für die Taliban so interessant sein würde, dass man diesen überall suchen würde, erklärte der Beschwerdeführer, er sei einfacher Bürger, aber die Taliban könnten tun was sie wollen und sogar hochrangige Leute umbringen. Es sei genug, dass sie den Taliban widersprochen hätten. Weitere Gründe habe der Beschwerdeführer nicht. Er sei im Heimatland nie von Problemen mit den dortigen Behörden betroffen gewesen, sei nie festgenommen worden und habe sich nicht politisch betätigt. Der Beschwerdeführer verneinte weiters die Fragen nach Problemen aufgrund seiner Nationalität, seiner Religion, seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder der allfälligen Zughörigkeit zu einer sozialen Gruppe. Er hätte nur die Probleme mit den Taliban. Bis zu den besagten Problemen habe es nie Übergriffe auf seine Person gegeben.

Der Beschwerdeführer wurde anschließend über die Möglichkeit zur Abgabe zu einer schriftlichen Stellungnahme zu den seitens der Behörde herangezogenen Berichten zur Lage in seinem Herkunftsstaat informiert, worauf dieser verzichtete.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich führte der Beschwerdeführer aus, in seinem Flüchtlingsheim als Hausmeister tätig zu sein und regelmäßig einen Deutschkurs sowie ein Karatetraining zu besuchen. Gelegentlich helfe er bei der Verteilung von Waren durch eine Hilfsorganisation aus, ansonsten lerne er Deutsch und gehe mit seinen einheimischen Freunden aus.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Die Behörde stellte die Staatsangehörigkeit, Religion und Volksgruppenzugehörigkeit, nicht jedoch die präzise Identität des Beschwerdeführers fest. Angesichts der widersprüchlichen Ausführungen des Beschwerdeführers zu diesem Aspekt habe nicht festgestellt werden können, wie sich die wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers im Heimatland gestaltet hätte und über welche Art von Berufserfahrung dieser verfügen würde. Fest stünde, dass dieser Afghanistan im September 2015 auf dem Höhepunkt der Massenmigrationsbewegung verlassen hätte. Der Beschwerdeführer leide an keinen lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Erkrankungen und an keiner Beeinträchtigung seiner Arbeitsfähigkeit. Trotz mangelnder Schulbildung verfüge dieser über solide Lebenserfahrung. Der Beschwerdeführer sei nie einer Verfolgung von Seiten des afghanischen Staates ausgesetzt gewesen, ebensowenig sei dieser Verfolgung aufgrund seiner Religion oder Volksgruppenzugehörigkeit ausgesetzt gewesen. Der Beschwerdeführer habe Afghanistan aus Gründen der allgemeinen Wirtschaftslage unter Einbeziehung der Sicherheitslage zum Zwecke der Verbesserung seiner Lebensperspektive verlassen. Dass er selbst oder Anagehörige seiner Familie von den Taliban bedroht, verfolgt oder in sonst einer Weise benachteiligt worden wären, habe nicht festgestellt werden können. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei als widersprüchlich und unplausibel zu werten gewesen und stünde mit den Vorbringen seiner gemeinsam mit ihm nach Österreich gereisten Angehörigen nicht in Einklang. Der von ihm vorgebrachte Fluchtgrund habe nicht als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt werden können, der Beschwerdeführer sei im Herkunftsstaat in keiner Form bedroht, verfolgt oder sonst benachteiligt worden.

Der Beschwerdeführer sei in Afghanistan geboren worden, er sei innerhalb der afghanischen Gesellschaft aufgewachsen, spreche die Landessprache auf muttersprachlichem Niveau und sei mit den gesellschaftlichen, kulturellen und traditionellen Gegebenheiten seines Herkunftsstaats vertraut. Dieser wäre als junger, gesunder Mann in der Lage, seinen Lebensunterhalt selbständig zu verdienen und könnte seine Heimatprovinz auf sicherem Weg erreichen. Bei der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers handle es sich zufolge der vorliegenden Länderberichte um eine insgesamt relativ friedliche Provinz, in welcher es zwar zu vereinzelten Talibanaktivitäten käme, diese würden sich jedoch auf bestimmte Distrikte beschränken und deute die Zahl an den sicherheitsrelevanten Vorfällen im Beobachtungszeitraum darauf hin, dass eine unauffällige zivile Privatperson dort unbehelligt und in Sicherheit leben könnte. Zudem bestünden zumutbare innerstaatliche Schutzalternativen in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat, welche auf dem Luftweg gefahrlos erreichbar wären. Aus den vorliegenden Herkunftslandinformationen ergebe sich in Übereinstimmung mit höchstgerichtlicher Rechtsprechung, dass eine landesweite erhebliche Gefahr für Einzelpersonen, aufgrund eines bewaffneten Konflikts ums Leben zu kommen oder eine sonstige gleichsam jeden einzelnen Einwohner oder Rückkehrenden treffende Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK nicht vorliege. Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinem Recht auf Leben gefährdet wäre, der realen Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung oder der Gefahr der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Ebensowenig habe festgestellt werden können, dass ihm die Lebensgrundlage im Herkunftsstaat gänzlich entzogen wäre und er in eine existenzbedrohende Notlage gedrängt würde.

Der Beschwerdeführer sei gemeinsam mit seinem Bruder, dessen Ehefrau, deren gemeinsamer Tochter sowie dem minderjährigen Bruder seiner Schwägerin ins Bundesgebiet gereist, mit welchen er in keinem gemeinsamen Haushalt lebe und kein schützenswertes Familienleben führe. Seiner Schwägerin und deren Kernfamilie sei aufgrund der vorgebrachten westlichen Gesinnung der Status von Asylberechtigten zuerkannt worden.

Da der Beschwerdeführer angesichts der kurzen Dauer seines Aufenthaltes keine schützenswerten privaten Anknüpfungspunkte begründet habe, würden keine Hinderungsgründe gegen eine Rückkehrentscheidung vorliegen.

3. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine nunmehrige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 22.12.2017 fristgerecht Beschwerde ein. Begründend wurde nach zusammenfassender Wiedergabe des Verfahrensverlaufs im Wesentlichen ausgeführt, dass die Behörde eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers verabsäumt und keine Ermittlungen zur Problematik von Zwangsrekrutierungen sowie Verfolgung durch die Taliban infolge eines gescheiterten Zwangsrekrutierungsversuchs getätigt hätte. Die Sicherheitslage in Afghanistan erweise sich nach wie vor als äußerst prekär, in diesem Sinne hätten die UN in einem Bericht an den Sicherheitsrat kürzlich die Einstufung des Landes als ein Land im Krieg getätigt. Entgegen der Ansicht der Behörde stelle Kabul für den Beschwerdeführer keine sichere und zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative dar, was durch diverse nähe zitierte Berichte zu dort regelmäßig stattfindenden sicherheitsrelevanten Vorfällen sowie einen Kommentar zum Gutachten von Mag. Mahringer von Thomas Ruttig vom 28.08.2017 belegt würde. Aus dem angeführten Berichtsmaterial ergebe sich entgegen der Einschätzung der Behörde das Vorherrschen kriegsähnlicher Zustände, wobei eine baldige Besserung der Lage nicht absehbar wäre. Die Behörde habe es unterlassen, Ermittlungen zu allfälligen staatlichen Schutzmechanismen innerhalb Afghanistans durchzuführen. Rekrutierungen junger Männer durch die Taliban würden ein großes Problem innerhalb Afghanistans darstellen, demnach würden Männer im wehrfähigen Alter nach Ansicht des UNHCR zu den besonderen Risikoprofilen zählen und Personen, welche sich einer Rekrutierung widersetzen, ebenso wie ihre Familienmitglieder, der Gefährdung unterliegen, getötet oder bestraft zu werden. Es dürfe als notorisch vorausgesetzt werden, dass die Taliban sich des Mittels der Zwangsrekrutierung bedienen würde, um ihre Ränge aufzufüllen. Die Einstufung der Schilderungen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig basiere auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung. Dieser habe sein Vorbringen in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt detaillierter geschildert als bei der Erstbefragung, der daraus konstruierte Vorwurf zu Lasten des Beschwerdeführers erwiese sich als unzulässig. Ebensowenig erscheine es zielführend, dem Beschwerdeführer Widersprüche vorzuhalten, welche dieser zu Beginn seiner Einvernahme bereits selbst aufgegriffen und korrigiert hätte. Die Heranziehung des Gefühlsausdrucks zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit sei aus psychologischer Sicht nicht indiziert. Im Ergebnis sei nicht nachvollziehbar, welche Gedankengänge und Eindrücke der Behörde maßgebend gewesen wären, um zum Ergebnis einer gesamthaften Unglaubwürdigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers zu gelangen. Dem Beschwerdeführer drohe im Fall einer Rückkehr wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der jungen waffenfähigen bzw. wehrfähigen Männer und aufgrund der ihm unterstellten politischen Gesinnung wegen seines unkooperativen Verhaltes gegenüber der Taliban, zumal er vor einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban geflohen wäre. Wie aus den Länderfeststellungen hervorginge, werde die Menschenrechtslage in ganz Afghanistan von einem langanhaltenden intensiven bewaffneten Konflikt dominiert, welchem insbesondere Zivilisten zum Opfer fallen würden. Auch betreffend die Hauptstadt Kabul sowie Mazar-e Sharif und Herat komme es immer wieder zu Anschlägen und terroristischen Aktivitäten. Es gebe keine flächendeckende Staatsgewalt und es herrsche eine extreme Gefährdung, weshalb eine Abschiebung jedenfalls eine Verletzung von Artikel 3 EMRK bewirken würde. Der Beschwerdeführer zeige sich um eine Integration in Österreich bemüht und verfüge hier über ein aufrechtes Familienleben mit seinem Bruder und dessen Angehörigen, welchen der Status von Asylberechtigten zuerkannt worden wäre.

Mit Eingabe vom 02.01.2018 wurde ein weiterer Beschwerdeschriftsatz eingebracht, in welchen zusammenfassend ausgeführt wurde, dass sich der Verweis auf zwischen Erstbefragung und Einvernahme vor dem Bundesamt zutage getretene Widersprüche nicht haltbar erweise, zumal es Intention des Gesetzes wäre, dass der Fluchtgrund anlässlich der Erstbefragung in nur rudimentärer Weise geschildert würde. Der Vater des Beschwerdeführers werde den Taliban angeboten haben, eine Zahlung zu erwägen, und sei nicht verwunderlich, dass der bereits verletzte Bruder des Beschwerdeführers hier eine andere Wahrnehmung gewonnen hätte, dass nämlich der Vater tatsächlich zahlen wolle. Angesichts der geringfügigen Abweichung zwischen den Schilderungen des Beschwerdeführers und seines Bruders sei nicht auf deren Unglaubwürdigkeit zu schließen, da sie ihre Angaben im Falle einer erfundenen Fluchtgeschichte sicherlich aufeinander abgestimmt hätten. Die Behörde verweise zu Unrecht auf das Vorhandensein staatlichen Schutzes, tatsächlich hätte sich die Sicherheitslage innerhalb der letzten Jahre verschlechtert und die Taliban seien in der Lage gewesen, immer größere Teile des Landes zu beeinflussen oder gar zu kontrollieren. Dem Beschwerdeführer drohe im Falle einer Rückkehr eine ausweglose Lage, was durch einen näher zitierten Bericht von Friederike Stahlmann aus dem Asylmagazin 3/17 untermauert werde. Angesichts der begründeten Furcht des Beschwerdeführers vor den Taliban und dessen auswegloser Situation im Falle einer Rückkehr hätte ihm die Behörde internationalen Schutz zuerkennen müssen und sei eine Rückkehrentscheidung aufgrund dessen familiärer Verankerung in Österreich wohl auf Dauer unzulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist Muslim sunnitischer Ausrichtung. Seine Identität steht nicht fest. Er stammt aus der Provinz Sar-e Pul (Distrikt Sancharak), wo er gemeinsam mit seiner Familie (Eltern und zehn Geschwister) lebte. Der Beschwerdeführer besuchte im Herkunftsstaat keine Schule, auf welchem Weg der Beschwerdeführer bzw. seine Familie ihren Lebensunterhalt bestritten haben, steht nicht fest. Der Beschwerdeführer reiste im November 2015 gemeinsam mit einem seiner Brüder, dessen Ehefrau, deren minderjährigem Bruder und seiner minderjährigen Nichte illegal ins Bundesgebiet ein, wo er am 01.11.2017 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Den gemeinsam mit ihm eingereisten Angehörigen (IFA-Zln.: 15-1094530103, 15-1094529810, 15-1094530506 und 15-1094531002) wurde mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils der Status von Asylberechtigten zuerkannt, was im Wesentlichen mit einer westlichen Orientierung der Schwägerin des Beschwerdeführers begründet wurde.

Der Beschwerdeführer hat den Herkunftsstaat verlassen, um in Europa bessere Lebensbedingungen vorzufinden. Die als fluchtkausal geltend gemachte Bedrohung der Familie des Beschwerdeführers durch die Taliban respektive eine dem Beschwerdeführer konkret drohende Zwangsrekrutierung oder sonst individuelle Verfolgung durch die Taliban ist nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer hätte im Falle seiner Rückkehr keine Verfolgung seitens einer Talibangruppierung zu befürchten.

Es kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung außerhalb seiner Heimatprovinz, insbesondere in der Stadt Kabul, besteht für den Beschwerdeführer als alleinstehenden gesunden leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine solche Bedrohungssituation und liefe der Beschwerdeführer auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer leidet an keinen Erkrankungen. Als alleinstehender gesunder leistungsfähiger Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf liefe der Beschwerdeführer auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer leidet an keinen Erkrankungen.

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung im November 2015 durchgehend auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und bestreitet den Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung sowie durch seine gemeinnützige Tätigkeit als Hausmeister in seiner Flüchtlingsunterkunft. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er ist gesund und arbeitsfähig, absolvierte Deutschkurse, legte jedoch keinen Nachweis über eine bereits absolvierte Deutschprüfung vor. Mit seinem in Österreich als anerkannter Flüchtling aufhältigen Bruder und dessen Familie lebt der Beschwerdeführer in keinem gemeinsamen Haushalt und es bestehen keine wechselseitigen persönlichen oder finanziellen Abhängigkeiten. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten und keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

...

Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017).

Parlament und Parlamentswahlen

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9.2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016 vgl. auch: CRS 12.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9.2016).

Parteien

Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen, sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange - werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016).

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches von allen Parteien verlangte sich neu zu registrieren und zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern, müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015).

Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9.2016).

Friedens- und Versöhnungsprozess:

Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9.2016).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.9.2016), unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommen zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung, erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.9.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, int. Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.9.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 4.2.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

BBC News (4.2.2017): Afghan warlord Hekmatyar sanctions dropped by UN, http://www.bbc.com/news/world-asia-38867280, Zugriff 9.2.2017

CRS - Congressional Research Service (12.1.2017): Afghanistan:

Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 24.1.2017

CRS - U.S. Congressional Research Service (12.1.2015): Afghanistan:

Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf, Zugriff 20.10.2015

Die Zeit (22.9.2016): Kabul schließt Friedensabkommen mit berüchtigtem Milizenführer Hekmatjar, http://www.zeit.de/news/2016-09/22/afghanistan-kabul-schliesst-friedensabkommen-mit-beruechtigtem-milizenfuehrer-hekmatjar-22113008, Zugriff 5.10.2016

DW - Deutsche Welle (29.9.2016): Friedensabkommen in Afghanistan unterzeichnet,

http://www.dw.com/de/friedensabkommen-in-afghanistan-unterzeichnet/a-35923949, Zugriff 5.10.2016

IDEA - The International Institute for Democracy and Electoral Assistance (o.D.): Afghanistan: An Electoral Management Body Evolves,

http://www.oldsite.idea.int/publications/emd/upload/EMD_CS_Afghanistan.pdf, Zugriff 13.2.2017

Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,

http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 11.9.2014

NZZ - Neue Zürcher Zeitung (8.7.2014): Afghanischer Wahlsieger Ashraf Ghani,

http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/technokrat-populist-choleriker-1.18339044, Zugriff 31.10.2014

NZZ - Neue Zürcher Zeitung (22.1.2015): Leerlauf in Kabul Afghanistans endlose Regierungsbildung, http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/afghanistans-endlose-regierungsbildung-1.18466841, Zugriff 2.11.2015

NYT - The New York Times (29.9.2016): Afghan President, Insurgent Warlord Sign Peace Agreement,

http://www.nytimes.com/aponline/2016/09/29/world/asia/ap-as-afghanistan-peace-agreement.html?_r=0; Zugriff 5.10.2016

Pajhwok (19.1.2017): Wolesi Jirga, district council elections next year,

http://www.pajhwok.com/en/2017/01/19/wolesi-jirga-district-council-elections-next-year, Zugriff 24.1.2017

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Staatendokumentation des BFA (3.2014): Afghanistan; 2014 and beyond, http://www.bfa.gv.at/files/broschueren/AFGH_Monographie_2014_03.pdf, Zugriff 24.1.2017

The Express Tribune (30.9.2016): Afghanistan's Hizb-e-Islami declares ceasefire after peace deal, http://tribune.com.pk/story/1191258/afghanistans-hizb-e-islami-declares-ceasefire-peace-deal/, Zugriff 5.10.2016

Tolonews (19.1.2017): Hizb-e-Islami Slams Taliban As An Ignorant, Fanatic Group,

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USIP - United States Institute of Peace (3.2015): Political Parties in Afghanistan,

http://www.usip.org/sites/default/files/SR362-Political-Parties-in-Afghanistan.pdf, Zugriff 2.11.2015

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

1.12.2015 - 15.2.2016 16.2.2016 - 19.5.2016 20.5.2016 - 15.8.2016 16.8.2016 - 17.11.2016 1.12.2015 - 17.11.2016

sicherheitsrelevante Vorfälle 4.014 6.122 5.996 6.261 22.393

Bewaffnete Zusammenstöße 2.248 3.918 3.753 4.069 13.988

Vorfälle mit IED¿s 770 1.065 1.037 1.126 3.998

gezielte Tötungen 154 163 268 183 768

Selbstmordattentate 20 15 17 19 71

(UN GASC 13.12.2016; UN GASC 7.9.2016; UNGASC10.6.2016; UN GASC 7.3.2016; Darstellung durch die Staatendokumentation des BFA )

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

Haqqani-Netzwerk

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

Al-Qaida

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

Drogenanbau und Gegenmaßnahmen

Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen auch weiterhin den Aufstand und kriminelle Netzwerke (USDOD 12.2016). Laut einem Bericht des afghanischen Drogenbekämpfungsministeriums, vergrößerte sich die Anbaufläche für Opium um 10% im Jahr 2016 auf etwa 201.000 Hektar. Speziell in Nordafghanistan und in der Provinz Badghis, verstärkte sich der Anbau: Blaumohn wächst in 21 der 34 Provinzen, im Vergleich zum Jahr 2015, wo nur 20 Provinzen betroffen waren. Seit dem Jahr 2008 wurde zum ersten Mal von Opiumanbau in der Provinz Jawzjan berichtet. Helmand bleibt mit 80.273 Hektar (40%) auch weiterhin Hauptanbauprovinz, gefolgt von Badghis, Kandahar und der Provinz Uruzgan. Die potentielle Opiumproduktion im Jahr 2016 macht insgesamt 4.800 Tonnen aus - eine Steigerung von 43% (3.300 Tonnen) im Gegensatz zum Jahr 2015. Die hohe Produktionsrate kann einer Steigerung des Opiumertrags pro Hektar und eingeschränkter Beseitigungsbemühungen, aufgrund von finanziellen und sicherheitsrelevanten Ressourcen, zugeschrieben werden. Hauptsächlich erhöhten sich die Erträge aufgrund von vorteilhaften Bedingungen, wie z.B. des Wetters und nicht vorhandener Pflanzenkrankheiten (UN GASC 17.12.2016).

Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte

Die Taliban greifen weiterhin Mitarbeiter/innen lokaler Hilfsorganisationen und internationaler Organisationen an - nichtsdestotrotz sind der Ruf der Organisationen innerhalb der Gemeinschaft und deren politischer Einfluss ausschlaggebend, ob ihre Mitarbeiter/innen Problemen ausgesetzt sein werden. Dieser Quelle zufolge, sind Mitarbeiter/innen von NGOs Einschüchterungen der Taliban ausgesetzt. Einer anderen Quelle zufolge kam es im Jahr 2015 nur selten zu Vorfällen, in denen NGOs direkt angegriffen wurden (IRBC 22.2.2016). Angriffe auf Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen wurden in den letzten Jahren registriert; unter anderem wurden im Februar 2017 sechs Mitarbeiter/innen des Int. Roten Kreuzes in der Provinz Jawzjan von Aufständischen angegriffen und getötet (BBC News 9.2.2017); im April 2015 wurden 5 Mitarbeiter/innen von "Save the Children" in der Provinz Uruzgan entführt und getötet (The Guardian 11.4.2015).

Die norwegische COI-Einheit Landinfo berichtet im September 2015, dass zuverlässige Berichte über konfliktbezogene Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen vorliegen. Andererseits konnte nur eine eingeschränkte Berichtslage bezüglich konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokaler Angestellter ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 9.9.2015). Ferner werden rein

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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