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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1997 §10 Abs4;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/19/0233Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde 1. der am 8. Mai 1986 geborenen J J und 2. der am 13. Juli 1990 geborenen L J, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 19. Oktober 1999, 1. zu Zl. 307.967/3-III/11/99 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin), und 2. zu Zl. 307.978/3-III/11/99 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), jeweils betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen, gleich lautenden Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 19. Oktober 1999 wurden als solche auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen gewertete Anträge der Beschwerdeführerinnen auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres jeweils aus, die Beschwerdeführerinnen hätten am 11. September 1997 durch ihren gesetzlichen Vertreter im Wege der österreichischen Botschaft in Belgrad an das Amt der Wiener Landesregierung Erstanträge auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen gestellt und diese Anträge mit der Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft mit ihrer Mutter begründet. Auf Grund der der "nunmehr geltenden Rechtslage" seien die Anträge vom 11. September 1997 als Anträge auf Erteilung von Erstniederlassungsbewilligungen zu werten. Anhand der Aktenlage stehe fest, dass die Beschwerdeführerinnen seit ihrer im September 1998 erfolgten Einreise (ohne erforderliche Bewilligung) nach Österreich noch immer, und somit unrechtmäßig, im Bundesgebiet aufhältig seien. Diese Beurteilung werde dadurch bekräftigt, dass die Beschwerdeführerinnen "zur Zeit" in Wien zur Schule gingen. Ihre Mutter hätte selbst die Aufenthalte der Beschwerdeführerinnen in Österreich bestätigt. Da die Beschwerdeführerinnen als jugoslawische Staatsbürgerinnen der Sichtvermerkspflicht unterlägen, hielten sie sich "illegal" im Bundesgebiet auf. Der "illegale" Aufenthalt stelle nach Ansicht der Berufungsbehörde einen schweren Verstoß gegen das österreichische Fremdenrecht dar. Der gesetzliche Vertreter der Beschwerdeführerinnen, ihre Mutter, habe gezeigt, dass er nicht gewillt sei, die österreichischen Gesetze einzuhalten und zu respektieren. Die Tatsache des unrechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerinnen stelle bereits für sich allein eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit dar, weil das Verhalten der Beschwerdeführerinnen auf andere Fremde "durchaus Beispielswirkung haben könnte". Somit liege ein Versagungsgrund vor, weshalb keine Niederlassungsbewilligung erteilt werden könne. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK sei die Verweigerung des Aufenthaltstitels, sofern damit das Privat- und Familienleben eines Antragstellers "angegriffen würde", nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele notwendig sei. Ein Aufenthaltstitel dürfe demnach nicht verweigert werden, wenn die Auswirkungen einer solchen Entscheidung auf die Lebenssituation des Fremden oder seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen bei Nichterteilung des Aufenthaltstitels. Bei dieser Abwägung sei auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Antragstellers und seiner Familienangehörigen sowie die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen. Bei Abwägung der privaten Interessen der Beschwerdeführerinnen mit den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK habe die erkennende Behörde sehr wohl berücksichtigt, dass durch den Aufenthalt ihrer Mutter in Österreich unabsprechbare familiäre Bindungen zum Bundesgebiet bestünden. Dennoch könne unter den angegebenen Umständen keinesfalls ein Aufenthaltstitel erteilt werden, weil nach der vorstehenden Abwägung die erkennende Behörde zur Ansicht gelangt sei, dass die öffentlichen Interessen zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele höher zu werten seien als die nachteiligen Folgen einer Verweigerung des Aufenthaltstitels auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerinnen, zumal dem Fehlverhalten des unrechtmäßigen Aufenthaltes, insbesondere wegen der Beispielswirkung anderen Fremden gegenüber, größere Bedeutung beizumessen sei, sowie das Interesse an einem geordneten Fremdenwesen es erfordere, dass Fremde, die nach Österreich einwandern wollten, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhielten. Es sei demnach spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde. In ihrem ursprünglichen Beschwerdeschriftsatz führten die Beschwerdeführerinnen aus, sie erhöben die Beschwerde "wegen Verletzung der gesetzlich gewährleisteten Rechte und wegen Verletzung der Vorschrift der Abwicklung eines mängelfreien Verwaltungsverfahrens". Ausgeführt wurde weiters, sie hätten bereits in ihren Berufungen vorgebracht, bis 1995 in Jugoslawien bei den Eltern ihres Vaters gelebt zu haben. Die Großeltern seien nicht mehr in der Lage, sich um sie zu kümmern, der Kindesvater sei blind und daher ebenfalls nicht in der Lage, für die Beschwerdeführerinnen zu sorgen. Die Großeltern hätten ebenfalls einen schlechten Gesundheitszustand und seien auch entsprechend alt, sodass sie ihrerseits sich nicht mehr um die Beschwerdeführerinnen kümmern könnten. Ihre Mutter hätte sie daher Anfang September 1998 nach Österreich gebracht. Es sei richtig, dass sie in Österreich die Schule besuchen. Es liege hier "durchaus ein Fall des § 10/4 FrG 1997 vor". Eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen wäre auf Grund der gegebenen Situation geboten.
Nachdem den Beschwerdeführerinnen der Beschwerdeschriftsatz gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zurückgestellt und sie aufgefordert worden waren, das Recht, in dem verletzt zu sein sie behaupten, bestimmt zu bezeichnen, ob sie sich nämlich im Recht auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder im Recht auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung verletzt erachteten, gaben jene in einem ergänzenden Schriftsatz bekannt, dass sie sich "im Recht auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis verletzt" erachteten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des FrG 1997 lauten (auszugsweise):
"§ 7. (1) Die Aufenthaltstitel werden als
1.
Aufenthaltserlaubnis oder
2.
Niederlassungsbewilligung
erteilt.
...
(3) Auf Dauer niedergelassene Drittstaatsangehörige, das sind jene, die
1. in Österreich einen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen haben oder
2. in Österreich zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit an einem Wohnsitz niedergelassen sind,
brauchen außer in den in Abs. 4 genannten Fällen eine Niederlassungsbewilligung.
...
§ 8. (1) Einreise- und Aufenthaltstitel können Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern diese ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12).
...
(2) Für die Erteilung der Aufenthaltstitel ist zwischen Erstniederlassungsbewilligung und weiterer Niederlassungsbewilligung sowie zwischen Erstaufenthaltserlaubnis und weiterer Aufenthaltserlaubnis zu unterscheiden.
...
§ 10.
...
(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z. 2) insbesondere versagt werden, wenn
...
3. der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;
...
(4) Die Behörde kann Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z. 2, 3 und 4 sowie gemäß Abs. 2 Z. 1, 2 und 5 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Fälle liegen insbesondere vor, wenn die Fremden einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 ausgesetzt sind. ...
...
§ 19. (1) Fremden, die sich auf Dauer niederlassen wollen, kann auf Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung erteilt werden, wenn die Voraussetzungen eines zweiten Abschnitts über die Erteilung von Aufenthaltstiteln bis auf weiteres gesichert scheinen. ...
...
§ 112. Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, oder gemäß der §§ 113 und 114 anhängig werden, sind nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. ..."
Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass am 1. Jänner 1998, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des FrG 1997, die Verfahren zur erstmaligen Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung über die Anträge der Beschwerdeführerinnen, die noch nie über Aufenthaltstitel verfügten, noch anhängig waren. Die Rechtsauffassung der belangten Behörde, die Verfahren seien gemäß § 112 FrG 1997 nach diesem Gesetz, im vorliegenden Fall als Verfahren zur Erteilung von Erstaufenthaltstiteln (näherhin: von Erstniederlassungsbewilligungen, zumal ja mit diesen Anträgen die Begründung eines Hauptwohnsitzes im Inland angestrebt wurde) fortzuführen gewesen, kann demnach nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Das Beschwerdevorbringen zielt darauf ab zu zeigen, dass auf Grund der besonderen Umstände (u.a. der Blindheit des Vaters der Beschwerdeführerinnen sowie der fehlenden Möglichkeit einer weiteren Obsorge durch ihre Großeltern in Jugoslawien) besonders berücksichtigungswürdige Fälle vorlägen, in denen gemäß § 10 Abs. 4 FrG 1997 aus humanitären Gründen die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen geboten wäre.
Mit diesem Vorbringen verkennen die Beschwerdeführerinnen aber, dass es sich bei einer (Erst-)Niederlassungsbewilligung, auf die ihre Anträge nach dem Vorgesagten gemäß § 112 FrG 1997 als gerichtet gelten, um einen anderen Aufenthaltstitel als die von ihnen nunmehr für geboten erachtete Aufenthaltserlaubnis nach § 10 Abs. 4 FrG 1997 handelt. So wäre z.B. selbst dann, wenn ihnen nach Beschwerdeerhebung Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 10 Abs. 4 FrG 1997 (von Amts wegen) erteilt worden wären, ihr rechtliches Interesse an einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes nicht weggefallen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 1999, Zl. 98/19/0190). Auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 10 Abs. 4 FrG 1997 besteht allerdings nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein Rechtsanspruch. Überdies steht die Möglichkeit der Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis von Amts wegen der Versagung einer beantragten Niederlassungsbewilligung nicht entgegen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1999, Zl. 98/19/0229).
Daraus folgt, dass die Beschwerdeführerinnen durch die Versagung der Erteilung der von ihnen beantragten Niederlassungsbewilligungen nicht in dem von ihnen alleine geltend gemachten Recht auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis verletzt worden sind. Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG die angefochtenen Bescheide - so die ständige hg. Rechtsprechung - auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes nur im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) zu überprüfen hatte, eine Verletzung in dem ausschließlich geltend gemachten Recht auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aber nicht erfolgt ist, war der Beschwerde der Erfolg versagt. Soweit die Beschwerdeführerinnen in ihrem ursprünglichen Beschwerdeschriftsatz auch vorbrachten, sie erachteten sich durch die angefochtenen Bescheide wegen Verletzung der Vorschriften der Abwicklung eines mängelfreien Verwaltungsverfahrens verletzt, sind sie im Lichte der ständigen hg. Rechtsprechung darauf zu verweisen, dass sie damit ganz offensichtlich nur einen Grund, auf den sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG stützt (behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften), genannt haben.
Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von den Beschwerdeführerinnen behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 4. Februar 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999190232.X00Im RIS seit
30.05.2001