TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/21 I416 2198209-1

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Veröffentlicht am 21.06.2018
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Entscheidungsdatum

21.06.2018

Norm

AsylG 2005 §4a
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I416 2198209-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, alias XXXX, geb. am XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung, als Mitglied der ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48/ 3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.05.2018, Zl.1136899405/161627855 zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 02.12.2016 unter dem Namen XXXX, geb. am XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Nach Konsultationen im Rahmen der Dublin III Verordnung mit Italien wurde dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG, nachweislich am 21.01.2017 ausgehändigt, mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Dublin Zuständigkeit von Italien vorliegen würde. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme gab er in Anwesenheit der Rechtsberatung befragt, was gegen seine Ausweisung nach Italien sprechen würde, wörtlich an: "Für meine Gesundheit wäre das nicht gut. Und finanziell würde es mir dann auch schlechter gehen, da ich dort nichts bekomme. Und ich habe keine Möglichkeit, irgendwo zu wohnen."

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.02.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurückgewiesen und Italien für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz für zuständig erklärt, seine Außerlandesbringung angeordnet und seine Abschiebung nach Italien für zulässig erklärt. Die dagegen erhobene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.04.2017 als unbegründet abgewiesen.

4. Mit Beschluss des Straflandesgerichtes XXXX vom 19.03.2017 wurde über den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft wegen des Verdachtes des Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz verhängt und dieser mit Urteil des Straflandesgerichtes XXXX vom 13.06.2017 wegen § 27 Abs. 1 Z 1 (8. Fall) sowie § 27 Abs. 2a 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten davon 6 Monate bedingt auf eine Probezeit von drei rechtskräftig verurteilt.

5. Mit Schreiben vom 21.03.2017 wurde den italienischen Behörden mitgeteilt, dass die Transferzeit aufgrund der Verhaftung des Beschwerdeführers unter Verweis auf Art. 29/2 Dublin III VO auf 12 Monate ausgedehnt wird und der Transfer verschoben wird.

6. Am 13.06.2017 wurde der Beschwerdeführer aus der Haft entlassen und wurde gegen den Beschwerdeführer am 19.06.2017 ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG mit der Begründung, dass die Anordnung seiner Außerlandesbringung seit 28.04.2017 rechtskräftig sei, erlassen.

7. Am 06.03.2018 wurde der Beschwerdeführer unter dem Namen XXXX, geb. am XXXX, wegen des Verdachtes des Vergehens nach § 27 Abs. 2a (2. Fall) SMG, § 15 StGB festgenommen, über ihn die Untersuchungshaft verhängt und von der Staatsanwaltschaft XXXX Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen nach § 15 StGB, § 27 Abs. 2a (2. Fall) und § 27 Abs. 3 SMG erhoben.

8. Am 30.04.2018 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte der Beschwerdeführer nicht damit einverstanden zu sein, dass das Bundesamt gegebenenfalls Personenrecherchen durchführt. Hinsichtlich seines Gesundheitszustandes führte er aus, dass er kurzsichtig sei, sonst aber keine gesundheitlichen Probleme haben würde. Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab er an, XXXX zu heißen und am XXXX in Imo State in Nigeria geboren zu sein. Gefragt wer XXXX sei gab er an, dass dies sein Taufname sei. Er gab an, dass er einen nigerianischen Reisepass besitzen würde und eine Permesso di Soggiorno "PROT. SUSSIDIARIA" Weiters führte er aus, dass er der Volksgruppe der Igbo angehören würde, Christ sei und in Nigeria noch seine Mutter, sein Bruder (arbeitslos) und seine Schwester (Schneiderin) leben würden, zu denen er aber den Kontakt verloren habe. Er sei nicht verheiratet, habe keine Kinder, habe in Nigeria 6 Jahre die Grundschule besucht und habe zuletzt in XXXX in Imo State, in einem Haus das der Familie gehört gelebt, seine Mutter und Schwester würden immer noch dort leben. Er selbst sei Geschäftsmann gewesen und habe Elektronikwaren verkauft. Sein Heimatland habe er 2011 verlassen und sei 2016 illegal nach Österreich eingereist. Zu seinen persönlichen Verhältnissen in Österreich gab er zusammengefasst an, dass er bei seinem Liebhaber in Wien wohnen würde, Verwandte habe er in Österreich keine, er habe Freunde die ihm helfen würden, In Österreich gehöre er keinem Verein an, er habe früher Zeitungen verkauft und sei arbeitsfähig und würde gern las Koch arbeiten. Er führte weiteres aus, dass er an keinen Aus- und Weiterbildungen teilgenommen habe und nur ein paar Wörter Deutsch könne. Gefragt, ob er in einem anderen Land einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, gab er an, dass er in Griechenland den Ausgang seines Verfahrens nicht abgewartet habe und in Italien einen Asylstatus bekommen habe. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er wörtlich an: "Ich habe schon einen Asylstatus Italien. Ich hatte keine Dokumente mit damals und um einen Job zu bekommen, habe ich einen Antrag gestellt. Die habe mir gesagt, dass ich mit einem Permesso di Soggiorno hier nicht arbeiten darf. Weil ich nicht arbeiten konnte, habe ich hier in Österreich einen Antrag

gestellt." .... "Nein, das ist der einzige Grund. Mein Leben ist in

Italien sehr schwer. Ich habe keinen Job und deshalb bin ich hergekommen." Dies seien alle seine Gründe, warum er nach Österreich gekommen sei. Gefragt, warum er Nigeria verlassen habe, führte er aus, dass er seit seinem 18. Lebensjahr homosexuell sei. Gefragt, seit welchem Jahr gab er an 2006/2007 um dies sogleich auf 1996 oder 1998 zu korrigieren. Er habe auch einen Freund in Nigeria gehabt, dieser sei 1999 gestorben. Gefragt, wann er die Probleme wegen seiner Homosexualität bekommen habe, gab er an das erste Problem sei 2000 gewesen und das zweite im Jahr seiner Ausreise. Auf diese beiden Vorfälle angesprochen, gab er an, dass er dazu nichts sagen möchte und führte weiters wörtlich aus: "Ich brauche hier meine Geschichte nicht erzählen. Letztes Jahr wollten die Behörden meine Geschichte nicht hören und haben gesagt, dass mein Verfahren beendet ist. Gefragt gebe ich an meine Geschichte jetzt nicht erzählen zu wollen. Ich bin nicht in der Stimmung, weil ich im Gefängnis bin."

Er gab weiters an, dass die Polizei ihn gesucht und seinen Liebhaber 2011 festgenommen habe, er wolle aber darüber nicht reden, da er im Gefängnis sei. Auch seine Gemeinde habe versucht, ihn umzubringen. Nach seinem Problem sei er nach Lagos gegangen und habe dort für neun Jahre gelebt. Im Fall seiner Rückkehr befürchte er für 14 Jahre ins Gefängnis zu müssen oder dass ihm die Todesstrafe drohen würde. Die Möglichkeit eine Stellungnahme zu den Länderberichten abzugeben, beantwortete er mit "Nein das brauche ich nicht" und letztlich gab er befragt, ob er alle seine Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes vorbringen habe können und ob er seinem Vorbringen noch etwas hinzufügen möchte wörtlich an: "Ich fühle mich nicht wohl, weil ich im Gefängnis bin. Ich brauche kein Asyl. Wenn ich Asyl brauche mache ich auch ein Interview. Gefragt gebe ich an, dass ich nichts mehr zu sagen habe."

9. In weiterer Folge wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Kopie eines Reisepasses der Ferderal Republic of Nigeria, Nr. XXXX, ausgestellt am 15. März 2017, lautend auf XXXX und die Kopie einer Permesso di Soggiorno "PROT. SUSSIDIARIA" ausgestellt am XXXX durch die Ja XXXX übermittelt.

10. Im Rahmen einer Anfrage an das BMI, Polizeikooperationszentrum Thörl-Maglern, wurde dem Bundesamt mitgeteilt, dass das Permesso mit der Nr. XXXX am 10.10.2017 aberkannt worden ist, wobei kein Grund dafür im italienischen Datensystem ersichtlich ist. Folglich habe der Beschwerdeführer derzeit keinen gültigen italienischen Aufenthaltstitel.

11. Mit Bescheid vom 16.05.2018, Zl. 1136899405/161627855, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten "gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF" (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria gemäß "§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG" (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt (Spruchpunkt III.). "Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung "gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde "gemäß § 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass seine Abschiebung "gemäß § 46 FPG" nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht gewährt (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Zuletzt wurde "gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.). Die Unterschrift auf der Übernahmebestätigung für den verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer verweigert.

12. Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 16.05.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3, in 1170 Wien als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

13. Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 07.06.2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte darin inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen unsubstantiiert vor, dass er aufgrund seines Antrages auf internationalen Schutz in Italien von den dortigen Behörden, wegen seiner Verfolgung aufgrund seiner sexuellen Orientierung 2015 eine permesso di soggiorno protezione sussidiaria erhalten habe. Er führte weiters aus, dass die Behörde von Amtswegen darauf hinzuwirken habe, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht bzw. lückenhafte Angaben vervollständigt werden, angebotene Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Die belangte Behörde habe seine Einvernahme nur sehr oberflächlich durchgeführt so sei an relevanten Stellen nicht urgiert wurde bzw. wurde nicht manuduzierend erklärt, welche Auswirkungen seine Weigerung genauere Angaben zu machen haben würde. Die im Bescheid angeführte Aberkennung der Permesso di Soggiorno protezione sussidiaria sei nicht rechtskräftig, da Beschwerde gegen die Aberkennung erhoben worden sei und sei dies durch die Anwältin des Beschwerdeführers in Italien bestätigt worden. Darüberhinaus sei der Beschwerdeführer nach Entlassung aus seiner Strafhaft 2017 wieder nach Italien gereist und habe das Bundesamt diesen Umstand nicht erhoben. Er führte weiters aus, dass er alle seine Fluchtgründe wahrheitsgemäß angegeben habe und habe es die belangte Behörde unterlassen seine Freund XXXX, einen nigerianischen Staatsangehörigen und ebenfalls Asylwerber einzuvernehmen. Auch habe die Behörde es unterlassen ihm seine angeblichen Widersprüche vorzuhalten und entsprechend nachzufragen und den Beschwerdeführer aufzuklären, dass die Behörde nur auf Basis seiner Angaben eine Entscheidung treffen könne. Weiters führte er aus, dass das Bundesamt es unterlassen habe, seiner Entscheidung einschlägige, aktuelle und ausführliche Länderberichte zugrunde zu legen und brachte dazu diverse Berichte und BVwG Judikate vor. Der Beschwerdeführer monierte weiters eine mangelhafte Beweiswürdigung und führte dazu unter anderem an, das die Feststellung, sein Aufenthaltstitel sei nicht mehr gültig, unrichtig sei und habe die belangte Behörde auch nicht berücksichtigt, dass er in seiner Einvernahme psychisch unter Stress gestanden habe. Zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit führte er zusammengefasst aus, dass die Aufhebung seines subsidiären Schutzes nicht rechtskräftig sei, da eine Beschwerde beim "Corte Supreme di Cassazione" anhängig sei und würde auf den Beschwerdeführer im Fall, dass im kein subsidiärer Schutz zukommen würde die Dublin III VO zur Anwendung kommen, sowie wäre dem Bescheid nicht zu entnehmen weshalb das Verfahren am 27.03.2018, aufgrund seiner Asylantragstellung am 02.12.2016 gemäß § 28 AsylG zugelassen worden sei. Es werde daher beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gern. § 18 Abs. 5 BFA-VG zuerkennen; den hier angefochtenen Bescheid - behelfsweise unter Heranziehung anderer als der hier geltend gemachten Rechte - zur Gänze beheben und dem BF Asyl gemäß § 3 AsylG gewähren; in eventu für den Fall der Abweisung des obigen Beschwerdeantrages gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG feststellen, dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, sowie feststellen, dass die gem. § 52 FPG erlassene Rückkehrentscheidung unzulässig ist und dem BF gem. § 52 Abs 6 FPG die Möglichkeit einer Ausreise nach Italien zu gewähren ist; in eventu feststellen, dass die Rückkehrentscheidung gem. § 9 Abs 3 BVA-VG auf Dauer unzulässig ist, sodass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gem. § 55 AsylG vorliegen und dem BF daher gem. § 58 Abs 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung (plus) von Amts wegen zu erteilen ist; sowie in eventu feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG vorliegen und daher eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 Abs 1 AsylG von Amts wegen zu erteilen ist; eine mündliche Verhandlung gem. § 24 Abs. 1 VwGVG durchführen; sowie in eventu die ordentliche Revision zuzulassen; in eventu den hier angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen (§ 66 Abs 2 AVG, § 28 Abs 3 und 4 VwGVG). Weiters war der Beschwerde ein Konvolut an Unterlagen in italienischer Sprache sowie ein englischsprachiger Schriftverkehr zwischen der Rechtsvertretung und der italienischen Rechtsanwältin beigelegt.

14. Mit Schriftsatz vom 13.06.2018, bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt am 15.06.2018, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

15. Nach telefonischer Mitteilung durch das Bundesverwaltungsgericht vom 15.06.2018, dass die vorgelegten Unterlagen in die deutsche Amtssprache zu übersetzen sind, wurde mit Schriftsatz vom selbigen Tag Fristerstreckung bis 26.05.2018 ersucht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen, Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Dieser ergibt sich bedenkenlos aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 lauten:

"Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

(6) Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.

(7) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.

(8) Durch die Aufhebung der angefochtenen Weisung tritt jener Rechtszustand ein, der vor der Erlassung der Weisung bestanden hat; infolge der Weisung aufgehobene Verordnungen treten jedoch dadurch nicht wieder in Kraft. Die Behörde ist verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Die maßgebliche Bestimmung des § 4a Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, lautet:

Schutz im EWR-Staat oder in der Schweiz

§ 4a. Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat. § 4 Abs. 5 gilt sinngemäß.

Zu A) Behebung des Bescheides

Zur Frage betreffend der inhaltlichen Auseinandersetzung seitens der belangten Behörde mit dem Antrag auf internationalen Schutz vom 02.12.2016, der seitens der belangten Behörde bereits einmal mit Bescheid vom 03.02.2017 als unzulässig zurückgewiesen wurde, ist zu prüfen, ob sich die belangte Behörde betreffend der Zulässigkeit des Antrages und der Zulassung zum Verfahren gemäß § 28 BFA-VG nicht mit der gesetzlichen Bestimmung des § 4a AsylG näher auseinandersetzen hätte müssen. Im gegenständlichen Verfahren hat sich die belangte Behörde nämlich letztlich darauf gestützt, dass dem Beschwerdeführer der subsidiäre Schutz in Italien aberkannt worden sei und dies mit einer Anfrage an das Polizeikoordinationszentrum begründet. Im Rahmen dieser Anfrage wurde der belangten Behörde mitgeteilt, dass das "Permesso" von einer Gerichtskommission am 10.10.2017 aberkannt worden sei, wobei ein Grund dafür nicht aufscheinen würde und die genannte Person derzeit über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfügen würde. Weitere Erhebungen seitens der belangten Behörde wurden nicht durchgeführt.

Im Rahmen der Beschwerdeerhebung wurden dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr seitens der Rechtsvertretung Unterlagen und Dokumente vorgelegt, aus denen zweifelsfrei hervorgeht, dass der Beschwerdeführer die Aberkennung seines subsidiären Schutzes seitens des zuständigen "Corte di Appello di Venezia" beim "SUPREMA CORTE DI CASSAZIONE" angefochten hat und darüberhinaus auch der Ansicht ist, dass ihm der Status eines Asylberechtigten zustehen würde. Aus den vorliegenden, wenn auch auf Italienisch verfassten und derzeit noch nicht in Deutsch vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass eine Behandlung für den 18.07.2018 vorgesehen ist. Davon ausgehend steht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht fest, ob der Status eines subsidiär Schutzberechtigten dem Beschwerdeführer nicht doch zukommt, weshalb die belangte Behörde, zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass eine, keinem weiteren Rechtsmittel mehr zugängliche, Entscheidung über seinen Status in Italien vorliegen würde. Dahingehend ist dem Beschwerdevorbringen grundsätzlich zu folgen.

Ausgehend davon ist es auch für das Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich, aus welchem Grund das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den bereits rechtskräftig zurückgewiesenen Antrag auf internationalen Schutz, nunmehr doch zugelassen hat und eine inhaltliche Entscheidung getroffen hat.

Im gegenständlichen Fall ist aufgrund der Aktenlage deshalb auszuführen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das Verfahren hätte aussetzen müssen, um die höchstgerichtliche Entscheidung der italienischen Gerichte abzuwarten, um im Falle nach § 4a AsylG vorzugehen, dies insbesondere, da im Falle der Anwendbarkeit des § 4a AsylG die Dublin III VO keine Anwendung findet und sohin auch keine zeitliche Beschränkung, wie dem Verfahren nach § 5 AsylG immanent ist, zur Rückführung besteht. Bei negativer Entscheidung hätte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in weiterer Folge nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens eine inhaltliche Entscheidung treffen können.

Es widerspricht grundsätzlich den gesetzlichen Normen, ein weiteres materielles Asylverfahren in Österreich zu eröffnen, solange ein Drittstaatsangehöriger in einem anderen Mitgliedstaat subsidiären Schutz genießt. Dem ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes der gegenständliche Fall, in dem der Beschwerdeführer die Aberkennung seines bereits gewährten subsidiären Schutzes in Italien bekämpft, gleichzuhalten. Im gegenständlichen Fall ist auch nicht ersichtlich, warum die belangte Behörde sich einerseits die schriftliche Zustimmung zur Einholung der in Italien getroffenen Entscheidungen hinsichtlich seines Antrages auf internationalen Schutz einholt, wenn sie dies im weiteren Verlauf unterlässt und letztlich keinerlei Ermittlungen, hinsichtlich der ihm den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkennenden Entscheidung tätigt.

Zur Rechtslage ist zusammengefasst auszuführen, dass die seit dem 01.01.2014 anwendbare Dublin III-VO von einem, wie sich aus der Legaldefinition in ihrem Art. 2 lit. f ergibt, einheitlichen Status für Begünstigte internationalen Schutzes ausgeht, welcher gleichermaßen Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte umfasst. Die Dublin III-VO gilt nur für Asylwerber während des laufenden Asylverfahrens und nach einem - sowohl hinsichtlich des Asyls als auch hinsichtlich des subsidiären Schutzes - negativen Abschluss des Verfahrens. Auf Personen hingegen, denen bereits in einem Mitgliedstaat Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde und deren Asylverfahren zu beiden Fragen rechtskräftig abgeschlossen ist, findet die Dublin III-VO im Fall eines neuerlichen Antrages auf internationalen Schutz in einem anderen Mitgliedstaat keine Anwendung. Denn laut Art. 2 lit. c Dublin III-VO bezeichnet der Ausdruck "Antragsteller" einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde. In den Fallgruppen des Art. 18 Abs. 1 lit. a bis d Dublin III-VO betreffend die Wiederaufnahme von Asylwerbern werden zwar in lit. d die Personen angeführt, deren Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Asyls als auch hinsichtlich des subsidiären Schutzes rechtskräftig negativ entschieden wurde, nicht aber jene, deren Antrag hinsichtlich eines dieser beiden Punkte positiv entschieden wurde (vgl. dazu Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, K 22 zu Art. 2). Dahingehend ist auch im gegenständlichen Fall davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Rahmen seines Obsiegens gegen die aufhebende Entscheidung des "Corte di Appello di Venezia" in Italien wieder subsidiärer Schutz zukommt und dementsprechend dann nach § 4a AsylG 2005 vorzugehen wäre, wobei Frist für die Abschiebung nach Italien nicht vorgesehen ist.

Im Protokoll der Europäischen Kommission über die Sitzung des Dublin-Kontakt-Komitees vom 24.02.2014 vertrat die Kommission zu dieser Frage die Auffassung, dass nach Art. 6 Abs. 2 erster Satz Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG Drittstaatsangehörige, die sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates aufhalten und Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates sind, zu verpflichten sind, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben. Einen neuerlichen Asylantrag dieser Personen können die Mitgliedstaaten nach Art. 33 Abs. 2 lit. a Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU als unzulässig betrachten, wenn ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat.

Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Zuerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes geht auf die Statusrichtlinie 2011/95/EU zurück und soll nach deren 13. Erwägungsgrund dazu beitragen, die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zwischen den Mitgliedstaaten einzudämmen. Diese Angleichung wurde auch in die neukodifizierte Dublin III-VO übernommen und deren Anwendungsbereich wurde auf subsidiär Schutzberechtigte ausgeweitet (10. Erwägungsgrund der Dublin III-VO).

Da im gegenständlichen Fall das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht abschließend beurteilt werden kann, der Beschwerde darüberhinaus die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde und die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vorliegen, aufgrund des derzeitigen Verfahrensstandes, insbesondere unter Berücksichtigung der gerichtlich anhängigen Verfahren in Italien aufgrund der vorliegenden Aktenlage nicht möglich war, war spruchgemäß zu entscheiden.

Dahingehend konnte zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch ein Abspruch über die beantragte Fristverlängerung hinsichtlich der vorgelegten italienisch sprachigen Dokumente und deren Übersetzung unterbleiben, wobei diese grundsätzlich dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in weiter Folge zu übermitteln sein werden.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG unterbleiben, da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltstitel, Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht,
Mitgliedstaat, Rechtsgrundlage, Verfahrensführung, Zulassung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I416.2198209.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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