Entscheidungsdatum
25.06.2018Norm
AlVG §24Spruch
W255 2187940-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Sandra FOITL und Mag. Jutta KEUL als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 22.11.2017, GZ: 2017-0566-9-001539, betreffend die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie die Zurückweisung des Vorlageantrages vom 18.10.2017, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang:
1.1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX (im Folgenden: AMS) vom 18.07.2017 wurde ausgesprochen, dass die vom Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) bezogene Notstandshilfe 02.06.2017 gemäß § 33 iVm. §§ 38 und 24 Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) und § 2 Notstandshilfe-Verordnung mangels Notlage eingestellt werde.
1.2. Mit gesondert ergangenem Bescheid des AMS vom 18.07.2018 wurde der Bezug der Notstandshilfe durch den BF für den Zeitraum vom 05.06.2016 bis 25.09.2016, vom 12.10.2016 bis 13.11.2016, vom 14.11.2016 bis 23.11.2016 und vom 20.02.2017 bis 13.04.2017 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und die unberechtigt empfangene Leistung in Höhe von insgesamt EUR 5.210,43 gemäß § 25 Abs. 1 iVm. § 38 AlVG zurückgefordert. Begründend wurde ausgeführt, dass der BF seine Lebensgemeinschaft nicht dem AMS gemeldet habe. Aufgrund der angeforderten Lohnbescheinigung der Lebensgefährtin sei die Notstandshilfe neu beurteilt worden.
1.3. Mit Schreiben vom 24.07.2017 erhob der BF - mit (ua) folgendem Wortlaut: "Hiermit erhebe ich Beschwerde betreffend beider Bescheide" - fristgerecht Beschwerde gegen beide Bescheide des AMS vom 18.07.2017
1.4. Mit zwei separaten Schreiben vom 07.08.2017 ergänzte der BF jeweils seine Beschwerde vom 24.07.2017 und ging in diesen beiden separaten Schreiben (mit unterschiedlichem Inhalt) getrennt auf die beiden Bescheide des AMS vom 18.07.2018 (Einstellung der Notstandshilfe einerseits und Widerruf bzw. Rückforderung der Notstandshilfe andererseits) ein.
1.5. Mit Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 21.09.2017 wurde ausgesprochen, dass der Bescheid des AMS vom 18.07.2017 dahingehend abgeändert werde, dass die Zuerkennung der Notstandshilfe gemäß § 24 AlVG für den Zeitraum vom 05.06.2016 bis 25.09.2016, vom 12.10.2016 bis 13.11.2016, vom 14.11.2016 bis 23.11.2016 und vom 20.02.2017 bis 13.04.2017 widerrufen und die in diesem Zeitraum zu Unrecht bezogene Notstandshilfe in Höhe von insgesamt EUR 5.448,63 (statt EUR 5.210,43) gemäß § 25 AlVG zurückgefordert werde.
1.6. Mit gesonderter Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 21.09.2017 wurde ausgesprochen, dass auch die Beschwerde gegen den Bescheid des AMS betreffend die Einstellung der Notstandshilfe mangels Notlage gemäß § 33 in Verbindung mit §§ 38 und 24 Abs. 1 AlVG und § 2 Notstandshilfe Verordnung abgewiesen werde.
1.7. Am 06.10.2017 übermittelte der BF dem AMS einen Vorlageantrag vom 04.10.2017, in dem er sich ausschließlich gegen die Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 21.09.2017 im Hinblick auf die Einstellung der Notstandshilfe (nicht jedoch die zweite Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 21.09.2017 im Hinblick auf die Rückforderung des unberechtigt Empfangenen) aussprach und die Vorlage des diesbezüglichen Aktes an das Bundesverwaltungsgericht beantragte.
1.8. Mit Schreiben vom 18.10.2017 stellte der BF einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung des Vorlageantrags betreffend die Beschwerdevorentscheidung über den Widerruf der Zuerkennung der Notstandshilfe und Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Notstandshilfe. Begründend führte er im Wesentlichen aus, dass die Arbeiterkammer Wien zwei Vorlageanträge betreffend beider Beschwerdevorentscheidungen vom 21.09.2017 verfassen hätte sollen. Der BF habe in weiterer Folge einen Schriftsatz in doppelter Ausfertigung und einen Begleitbrief erhalten. Ihm sei hierbei jedoch nicht aufgefallen, dass nicht beide Vorlageanträge in einem Schriftsatz zusammengefasst worden waren. Daher habe er nur den Vorlageantrag hinsichtlich der Beschwerdevorentscheidung betreffend die Einstellung der Notstandshilfe eingebracht, nicht jedoch betreffend die Rückforderung der Notstandshilfe. Er verweise auf die einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu "Kanzleikräften", denn er habe darauf vertraut, dass der ausgehändigte Schriftsatz beide Verfahren betreffe. Es treffe ihn daher am Versäumen der Frist kein Verschulden.
Gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand brachte der BF einen Vorlageantrag ein.
Abschließend beantragte er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
1.9. Am 20.10.2017 erteilte das AMS dem BF einen Verbesserungsauftrag, da der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 18.10.2017 nicht unterschrieben war.
1.10. Am 02.11.2017 brachte der BF den verbesserten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim AMS ein.
1.11. Mit Bescheid des AMS vom 22.11.2017 wurde in Spruchpunkt 1. der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Versäumung der Frist zur Einbringung des Vorlageantrages gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 21.09.2016 betreffend den Widerruf der Zuerkennung der Notstandshilfe und Rückforderung des unberechtigt Empfangenen gemäß § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 1 AlVG in Verbindung mit § 33 VwGVG abgewiesen. Begründend führte das AMS aus, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gegeben seien, da kein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis glaubhaft gemacht werden habe können. Die Überprüfung der Vollständigkeit und des Inhalts der von der Arbeiterkammer überreichen Schriftsätze obliege der Eigenverantwortung des BF. Eine Bevollmächtigung der Arbeiterkammer liege darüber hinaus nicht vor, sodass dieser das sorglose Handeln nicht angelastet werden könne.
In Spruchpunkt 2. wurde der Vorlageantrag vom 18.10.2017 gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 21.09.2017 betreffend den Widerruf der Zuerkennung der Notstandshilfe und Rückforderung des unberechtigt Empfangenen gemäß §§ 24 Abs. 2, § 25 Abs. 1 und § 38 AlVG in Verbindung mit § 15 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.
1.12. Am 21.12.2017 brachte der BF die nun zu beurteilende Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. des Bescheides vom 22.11.2017 betreffend die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, ein. Darin führte er nach einer Zusammenfassung des vorliegenden Sachverhalts im Wesentlichen aus, dass die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hinsichtlich des Verschuldens von Kanzleikräften als unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis auf seinen Fall übertragbar sei und verwies weiters auf die in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand genannten Gründe.
1.13. Am 02.03.2018 wurden der Akt und die bezughabende Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
2. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
2.1. Feststellungen:
Mit Bescheid des AMS vom 18.07.2017 wurde der Bezug der Notstandshilfe des BF widerrufen und die unberechtigt empfangene Leistung zurückgefordert.
Mit Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 21.09.2017, zugestellt durch Hinterlegung am 26.09.2017, wurde der Bescheid vom 18.07.2017 betreffend den Widerruf und die Rückforderung der Notstandshilfe abgeändert.
Gegen die Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 21.09.2017 betreffend den Widerruf und die Rückforderung der Notstandshilfe wurde seitens des BF nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen ab Zustellung ein Vorlageantrag gestellt.
Am 18.10.2017 stellte der BF einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung des Vorlageantrages.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis die Frist zur Einbringung des Vorlageantrages gegen die Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 21.09.2017 versäumt hat.
Festgestellt wird, dass kein minderer Grad des Versehens vorliegt.
2.2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte sowie der nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsakte (zu W255 21879490-1 betreffend die Rückforderung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe und zu W255 2174664-2 betreffend die Einstellung der Notstandshilfe).
Der Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus den übereinstimmenden Ausführungen des BF und des AMS im angefochtenen Bescheid.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das bisherige Ermittlungsverfahren als hinreichend, um den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Aus den angeführten Gründen konnte der vorliegende Akteninhalt dem gegenständlichen Erkenntnis im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden. Zudem handelt es sich um eine Beurteilung von Rechtsfragen, ob das vom BF dargelegte Verhalten ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dargestellt und ob ein (bloß) minderer Grades des Versehens vorliegt.
2.3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
2.3.1. Die im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes lauten:
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,
bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,
beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.
(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.
2.3.2. In seiner Beschwerde führte der BF im Wesentlichen aus, dass er anlässlich der Entscheidungen des AMS bei der Arbeiterkammer Wien vorgesprochen und um Unterstützung gebeten habe, ohne dieser im gegenständlichen Verfahren Vollmacht zu erteilen bzw. als rechtsfreundlichen Vertreter bekanntzugeben. Die Arbeiterkammer Wien habe zugesagt, dass sie gegen die beiden Beschwerdevorentscheidungen des AMS (sowohl betreffend die Einstellung der Notstandshilfe als auch betreffend die Rückforderung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe) jeweils einen Vorlageantrag verfassen würde. Bei der Abholung habe der BF nur einen Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung betreffend die Einstellung der Notstandshilfe erhalten, nicht jedoch einen Vorlageantrag betreffend die Rückforderung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe. Er habe hierbei übersehen, dass dieser Schriftsatz keinen Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung betreffend den Widerruf und die Rückforderungen der Notstandshilfe beinhaltet habe, obwohl dies vereinbar gewesen sei. Er sei davon ausgegangen, dass beide notwendigen Vorlageanträge in einem Schriftsatz zusammengefasst würden. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Die Grundsätze der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Verschulden von "Kanzleikräften" seien auf seinen Fall übertragbar.
2.3.3. Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn der BF glaubhaft macht, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und ihn daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Ein Ereignis gilt dann als unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis jedenfalls dann, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann (VwGH 31.03.2005, 2005/07/0020).
Ein Verschulden der Partei hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit) handelt. Eine solche liegt dann vor, wenn der Partei ein Fehler unterläuft, der gelegentlich auch einer sorgfältigen Person unterlaufen kann (z.B. VwGH 20.06.2002, 2002/20/0230), wobei an einen rechtskundigen Parteienvertreter ein höherer Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist (VwGH 22.01.2003, 2002/04/0136).
Ausgeschlossen ist die Wiedereinsetzung jedenfalls dann, wenn der Partei Vorsatz oder offenkundige Sorglosigkeit vorzuwerfen ist.
Der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund muss bereits im Wiedereinsetzungsantrag bezeichnet und sein Vorliegen glaubhaft gemacht werden. Die Partei muss also jene Umstände, durch die sie an der Vornahme der Prozesshandlung gehindert wurde, konkret beschreiben. Glaubhaftmachung bedeutet, dass die Partei Beweismittel anbieten muss, durch die die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens des Wiedereinsetzungsgrundes dargetan wird. Es ist allein das Vorliegen des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes zu prüfen. Eine amtswegig Prüfung, ob allenfalls weitere Gründe für eine Wiedereinsetzung vorliegen, ist nicht vorgesehen. Nach Ablauf der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag kann der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund auch nicht mehr ausgewechselt werden (VwGH 25.02.2003, 2002/10/0223).
2.3.4. Fallbezogen ergibt sich Folgendes:
Der BF konnte mit seinem Vorbringen nicht schlüssig darlegen, inwiefern er durch ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis die Frist zur Einbringung des Vorlageantrags versäumt hat. Die Beschwerdevorentscheidung vom 21.09.2017 wurde dem BF am 26.09.2017 nachweislich durch Hinterlegung zugestellt. Dies wurde vom BF auch nicht bestritten.
Dem Vorbringen des BF hinsichtlich der Übertragbarkeit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Verschulden von Kanzleikräften auf den vorliegenden Fall kann aufgrund der Unterschiedlichkeit der zugrundeliegenden Sachverhalte nicht gefolgt werden: In der vom BF zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs spricht dieser aus, dass das Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes diesem als Verschulden zuzurechnen ist, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Rechtsanwalt muss den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als Hilfsapparates bedient. Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten von berufsmäßigen Parteienvertretern ermöglichen dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz Einhaltung der beruflichen Sorgfaltspflichten des Rechtsanwaltes bei der Kontrolle seines Kanzleiapparates und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen und dem Anwalt kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden vorzuwerfen ist (siehe VwGH 09.11.2016, Ra 2016/10/0071).
Die in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätze betreffen daher im Wesentlichen die Zurechnung von Fehlern eines Kanzleiangestellten, wenn keine ausreichende Organisation und Überwachung der Mitarbeiter vorhanden ist.
Die Arbeiterkammer Wien agierte im vorliegenden Fall jedoch nicht wie ein Angestellter für den BF, sodass auch das Kriterium eines Kontrollsystems nicht sinnvoll übertragen werden kann. Darüber hinaus wurde die Arbeiterkammer vom BF, wie dieser auch selbst in der Beschwerde ausführte, nicht bevollmächtigt und scheint auf keinem Schriftsatz offiziell auf. Das Ausführen von Rechtsmitteln sowie die Kontrolle des Inhalts des überreichten Schriftsatzes lagen daher zur Gänze in der Sphäre des BF.
Das Absenden des Vorlageantrages ohne genau Kenntnis dessen Inhalts stellt hierbei eine offenkundige Sorglosigkeit des BF dar. Dem BF war - wie dessen Antrag auf Wiedereinsetzung zu entnehmen ist - sogar bewusst, dass jeweils, daher gegen beide Beschwerdevorentscheidungen, ein Vorlageantrag eingebracht werden muss. Laut seinen Ausführungen habe ihm die Arbeiterkammer Wien auch zugesagt, dass gegen beide Beschwerdevorentscheidungen jeweils ein Vorlageantrag verfasst werden würde.
Der BF hat einen Vorlageantrag bei der Arbeiterkammer Wien abgeholt und diesen offenbar nicht einmal rudimentär gelesen, sondern schlicht angenommen, dass in diesem einen Vorlageantrag die beiden Vorlageanträge gegen beide Beschwerdevorentscheidungen zusammengefasst würde, obwohl dies - soweit aus den Ausführungen des BF zu entnehmen -zwischen ihm und der Arbeiterkammer Wien nicht vereinbart worden war und der BF zuvor jeweils auch zwei separate Beschwerdeergänzungen betreffend die Einstellung der Notstandshilfe einerseits und die Rückforderung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe andererseits, eingebracht hat.
Bei entsprechender Durchsicht der Unterlagen wäre dem BF leicht erkennbar gewesen, dass der Vorlageantrag betreffend die Rückforderung der Notstandhilfe fehlt und dieser nicht in dem vom BF rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag (zusammengefasst) enthalten war. Unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht hätte der Fehler somit leicht vermieden werden können. Es lag daher kein unabwendbares Ereignis vor. Es handelt sich weiters auch nicht um einen Fehler, der gelegentlich einer sorgfältigen Person unterlaufen kann. Das Unterlassen jeglicher Durchsicht eines Vorlageantrages ist jedenfalls grob sorgfaltswidrig. Ein Verschulden (bloß) minderen Grades ist keinesfalls gegeben.
Im gegenständlichen Fall ist daher zusammenfassend weder von einem unvorhergesehenem oder unabwendbarem Ereignis auszugehen, noch ist es dem BF gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihn nur ein minderer Grad des Verschuldens trifft.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war somit mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abzuweisen.
2.3.5. Zurückweisung wegen Verspätung
Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).
Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen (Abs. 3).
Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides des AMS wurde der Vorlageantrag des BF vom 18.10.2017 betreffend den Widerruf der Zuerkennung der Notstandshilfe und die Rückforderung des unberechtigt Empfangenen als verspätet zurückgewiesen.
Aufgrund der Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist festzuhalten, dass der Vorlageantrag des BF erst am 18.10.2017 und somit nach Verstreichen der zweiwöchigen Frist ab Zustellung der Beschwerdevorentscheidung des AMS durch Hinterlegung am 26.09.2017 eingebracht wurde. Die Zurückweisung des Vorlageantrages als verspätet erfolgte daher zu Recht.
2.4. Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der BF die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen.
Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde im vorliegenden Fall gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt schien. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt war damit weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante Neuerungen wurden in der Beschwerde nicht vorgetragen. Zudem liegt eine Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität vor. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W255.2187940.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.07.2018