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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des am 21. Februar 1970 geborenen P J, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juni 1997, Zl. 307.877/4-III/11/97, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Angelegenheit des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer verfügte zuletzt über eine bis zum 14. August 1996 gültige Aufenthaltsbewilligung. Er stellte an diesem Tag beim Magistrat der Stadt Wien einen Antrag auf Verlängerung dieser Bewilligung.
Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 17. September 1996 ab. Adressiert war der abweisende Bescheid an die in den Antragsunterlagen angegebene Adresse im 12. Wiener Gemeindebezirk. Nach den Angaben des im Verwaltungsakt erliegenden Rückscheines wurde am 30. September 1996 ein Zustellversuch unternommen, eine Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt und das Schriftstück beim Postamt 1120 Wien hinterlegt. Als Beginn der Abholfrist war der 1. Oktober 1996 angegeben.
Mit Schreiben seines Rechtsvertreters vom 13. Februar 1997, zur Post gegeben am selben Tag, stellte der Beschwerdeführer beim Amt der Wiener Landesregierung einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. September 1996. Unter einem holte der Beschwerdeführer die Berufung nach. Zur Begründung seines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führte der Beschwerdeführer aus, er habe Anfang Februar (1997) vom Arbeitsamt erfahren, dass bereits ein negativer Bescheid "der MA 62" ergangen sei. Er sei daraufhin am 3. Februar zur Magistratsabteilung 62 gegangen und habe die Kopie des Bescheides vom 17. September 1996 erhalten, wobei ihm mitgeteilt worden sei, dass dieser Bescheid seit 15. Oktober 1996 rechtskräftig sei. Er habe eine Hinterlegungsanzeige nicht erhalten und habe mit seiner Schwester "über die Sache gesprochen". Seine Schwester habe ihm mitgeteilt, dass es im Herbst 1996 wiederholt vorgekommen sei, dass Fremde in das Postkästchen, das etwas aufgebogen gewesen sei, Werbematerial hineingestopft hätten. Sie habe wiederholt dieses Werbematerial, das zum Teil zerknüllt gewesen sei, "einfach herausgenommen und weggeworfen". Es sei dem Beschwerdeführer nur so erklärbar, dass die Hinterlegungsanzeige auf diese Art ebenfalls abhanden gekommen sei. Er habe jedenfalls von der Zustellung des Bescheides keinerlei Kenntnis erlangt. Als Beweismittel bot der Beschwerdeführer die Einvernahme seiner Schwester an.
Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 25. Februar 1997 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG ab. In der Begründung wurde ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Rechtswidrigkeit eines Zustellvorganges, d.h. Rechtsunwirksamkeit einer Zustellung, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht der zum Ziel führende Rechtsbehelf sei, weil mangels des Beginnes des Laufes der Berufungsfrist auch keine Frist versäumt werden könne.
In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer neuerlich vor, seine Schwester habe ihm mitgeteilt, dass es im Herbst 1996 wiederholt vorgekommen sei, dass Fremde in das Postkästchen, das etwas aufgebogen gewesen sei, Werbematerial hineingestopft hätten, seine Schwester dann dieses Werbematerial, das zum Teil zerknüllt gewesen sei, einfach herausgenommen und weggeworfen habe. Offensichtlich sei auf diese Art auch die Hinterlegungsanzeige verschwunden. Es liege daher sehr wohl ein Grund für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor.
Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 30. Juni 1997 gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 71 Abs. 1 AVG ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. September 1996 sei nachweislich am 1. Oktober 1996, nach einem Zustellversuch am 30. September 1996, beim zuständigen Postamt hinterlegt und am 15. Oktober 1996 in Rechtskraft erwachsen. Am 3. Februar 1997 sei der Beschwerdeführer persönlich beim Magistrat der Stadt Wien erschienen; dabei sei ihm mitgeteilt worden, dass der erwähnte Bescheid bereits rechtskräftig sei. Er begründe seinen Wiedereinsetzungsantrag damit, dass ihm seine Schwester mitgeteilt habe, dass im Herbst 1996 wiederholt vorgekommen sei, dass Fremde in das Postkästchen, das etwas aufgebogen gewesen sei, Werbematerial hineingestopft hätten. Sie habe dieses Werbematerial wiederholt herausgenommen und weggeworfen. Es sei dem Beschwerdeführer daher nur so erklärbar, dass die Hinterlegungsanzeige auf diese Art ebenfalls abhanden gekommen sei. Von der erkennenden Behörde sei das zuständige Postamt mit Schreiben vom 15. Mai 1997 um Klärung des Sachverhaltes aufgefordert worden. Dieses habe nach Prüfung mitgeteilt, dass die Sendung nicht behoben worden sei, aber auch für diesen Zeitraum keine Meldungen über defekte Postkästchen aufschienen. Die Zustellung des Bescheides sei daher ordnungsgemäß erfolgt. Ergänzend werde bemerkt, dass der Beschwerdeführer sonst keine Beweise angeführt habe, die die vom Gesetz aufgestellte "Vermerkung" (offenbar gemeint: Vermutung) der ordnungsgemäßen Zustellung und Hinterlegung zu widerlegen geeignet erscheinen ließen. Auf Grund der von der Berufungsbehörde vorangeführten Feststellungen schließe sich dieser der erstinstanzlichen Entscheidung im vollen Umfang an.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Bei dem in Beschwerde gezogenen Bescheid handelte es sich nicht um einen rechtskräftigen Bescheid, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 des Aufenthaltsgesetzes) versagt wurde. Der angefochtene Bescheid ist daher - entgegen der Ansicht der Erstbehörde - nicht gemäß § 113 Abs. 6 (bzw. Abs. 7) des Fremdengesetzes 1997 außer Kraft getreten. Eine vorzeitige Beschlussfassung gemäß § 115 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 war daher nicht möglich.
§ 71 Abs. 1 Z. 1 VwGG lautete in der für die Überprüfung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung (auszugsweise):
"§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist ... ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, ... und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, ..."
Dem Beschwerdeführer ist zunächst einzuräumen, dass die Unkenntnis von der Zustellung eines Bescheides einen Wiedereinsetzungsgrund bilden kann, sofern die Unkenntnis nicht auf einem Verschulden beruht, welches den Grad minderen Versehens überschreitet (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1997, Zl. 97/08/0022). Dennoch ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 71 AVG, dass der Wiedereinsetzungsantrag ein Vorbringen über seine Rechtzeitigkeit zu enthalten hat und dass anzugeben ist, aus welchem Grund der Antragsteller den Tatbestand des § 71 Abs. 1 AVG als erfüllt ansieht. Dabei trifft den Antragsteller die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund bereits im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen, was aber als Grundlage ein entsprechendes behauptungsmäßiges Antragsvorbringen voraussetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Dezember 1998, Zlen. 96/19/3315, 3316, 3674 und 3675).
Der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers enthielt jedoch keinerlei detailliertes sachverhaltsbezogenes Vorbringen dazu, was er üblicherweise unternahm um sicherzustellen, dass er - soweit möglich - von ihn betreffenden Schriftstücken oder Hinterlegungsanzeigen rechtzeitig Kenntnis erlangen konnte. Insbesondere fehlen nähere Angaben dazu, wie viele Personen Zugang zur Hausbrieffachanlage hatten, wer die Entleerung der Hausbrieffachanlage besorgte, wie oft eine solche Entleerung erfolgte und welche Vorkehrungen der Beschwerdeführer für den Fall der Entleerung der Hausbriefanlage durch seine Schwester traf, damit ihm tunlichst kein für ihn bestimmtes Schriftstück entginge. Im Hinblick auf das Fehlen jeglicher derartiger Ausführungen ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen darzutun, dass ihn an der Versäumung der Berufungsfrist kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden träfe (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1999, Zlen. 97/19/0217 bis 0219, 0231 bis 0239).
Die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages durch die belangte Behörde erfolgte daher, wenngleich diese in der Begründung des angefochtenen Bescheides eine rechtlich fundierte Auseinandersetzung mit den Wiedereinsetzungsgründen des Beschwerdeführers unterlassen hat, im Ergebnis zu Recht.
Soweit der Beschwerdeführer das Unterlassen einer Einvernahme seiner Schwester rügt, ist ihm zu entgegnen, dass auf der Basis seines Wiedereinsetzungsvorbringens eine Einvernahme seiner Schwester nicht erforderlich war, weil auch bei Zutreffen der diesbezüglichen Angaben im Wiedereinsetzungsantrag kein anderer Bescheid hätte ergehen können.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 4. Februar 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997191484.X00Im RIS seit
20.11.2000