TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/26 I419 2194721-2

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Veröffentlicht am 26.06.2018
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Entscheidungsdatum

26.06.2018

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §13
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I419 2192708-1/3E

I419 2194721-1/4E

I419 2194721-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Tomas JOOS als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Florian Burger und Stefan Frieß als Beisitzer über die Beschwerden von XXXX gegen die Bescheide des AMS, Kufstein vom 17.01.2018, Zl. XXXX, vom 23.03.2018, Zl. XXXX, und vom 05.05.2018, Zl. XXXX, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A) 1. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 17.01.2018 wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

2. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 23.03.2018 wird stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

und beschlossen:

3. Das Verfahren über die Beschwerde gegen den Bescheid vom 05.05.2018 wird eingestellt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer bezog aufgrund eines Antrags vom 25.12.2017 Notstandshilfe in Höhe von € 30,31 täglich.

In der Betreuungsvereinbarung vom 09.11.2017 wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer gesundheitliche Einschränkungen habe, die bei der Stellensuche berücksichtigt werden müssten. Eine Vermittlung werde durch lange Abwesenheit vom Arbeitsmarkt und durch das Alter des Beschwerdeführers erschwert.

Das AMS werde den Beschwerdeführer bei der Suche nach einer Stelle als Baumeister bzw. Hilfsarbeiter unterstützen, wobei der gewünschte Arbeitsort in den Bezirken Kufstein, Kitzbühel oder Schwaz liegen solle.

Mit den beiden bekämpften Bescheiden sprach die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 AlVG für 22.12.2017 bis 15.02.2018 (erster Bescheid) und für 28.02. bis 24.04.2018 (zweiter Bescheid) verloren habe und ihm keine Nachsicht erteilt werde. In einer kurzen Begründung hielt die belangte Behörde sinngemäß fest, dass der Beschwerdeführer die Arbeitsaufnahme bei dem jeweiligen potenziellen Dienstgeber vereitelt habe. Gründe für eine Nachsicht hätten nicht vorgelegen oder berücksichtigt werden können.

Am 03.05.2018 hat das AMS die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen den zweiten Bescheid ausgeschlossen, wogegen der Beschwerdeführer ebenfalls eine Beschwerde erhob.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist geprüfter Baumeister und Zimmermeister. Er war zuletzt bis Mai 2013 und für drei Wochen im Oktober 2017 angemeldet beschäftigt. Nach eigenen Angaben betrieb er bis 2016 ein Studium der Richtung Bauingenieurwesen an einer Universität in Deutschland.

Ihm steht zum Erreichen eines Arbeitsplatzes ein PKW oder eine Fahrmöglichkeit zur Verfügung, um den Arbeitsplatz zu erreichen. Er fährt selbst einen PKW.

Der Beschwerdeführer leidet an einem Karpaltunnelsyndrom an beiden Mittelarmnerven, Bewegungseinschränkung aufgrund Streckdefizits von drei Fingern links nach einem Bruch der Unterarme 1978 sowie bereits bestehenden und noch drohenden Bandscheibenvorfällen im Bereich der Halswirbelsäule.

Aufgrund dieser körperlichen Einschränkungen sind eine Dauerbelastung der Handgelenke, wiederholte oder monotone Belastungen wie z. B. Drehbewegungen, ständiges Drücken und Drehen etc., Arbeiten in unergonomischen Haltungen wie z. B. permanente Streckstellung der Halswirbelsäule oder häufige oder gar ständige Überkopfarbeiten, häufige Kälte-, Nässe- oder Zugluftbelastungen zu vermeiden.

Der Beschwerdeführer verfügt über uneingeschränkte Grob- und Feinmotorik beider Hände und uneingeschränkte Beweglichkeit der Handgelenke. Leichtes und mittleres Heben, leichtes und mittleres Tragen ist ihm möglich, daher Heben und Tragen von Lasten bis 15 kg. Ebenso ist zeitweises Stehen, zeitweises Sitzen und zeitweises Bücken sowie zeitweises Knien zumutbar.

Betreffend die Arbeitszeit sind dem Beschwerdeführer Ganztagestätigkeiten und Wechseldienst zumutbar, Schicht- und Nachtarbeit nicht.

Das AMS hat bereits am 23.02.2017 und am 19.07.2017 ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe wegen Vereitelung verloren habe. Die Beschwerde gegen den ersten Bescheid hat dieses Gericht abgewiesen, die gegen den zweiten ist noch unerledigt.

1.1 Zum ersten bekämpften Bescheid

Am 20.12.2017 hat das AMS dem Beschwerdeführer eine Saisonstelle als Kraftfahrer in einem Beherbergungsbetrieb im Bezirk Kufstein zugewiesen. Dabei hätte er in der Wintersaison als Fahrer im Shuttledienst Hotelgäste zum Lift und zurück befördern sollen, dazu auch deren Ausrüstung.

Tags darauf erkundigte sich der Beschwerdeführer beim genannten Betrieb telefonisch, ob im Rahmen der angebotenen Stelle auch "schwerere Lasten" gehoben werden müssten, wie z. B. "Equipment" der Fahrgäste. Er erhielt die Auskunft, dass die Hotelgäste samt deren "Sport-Equipment" zu befördern seien, demnach Letzteres auch zu heben, in den Kleinbus zu laden und auch wieder abzuladen. Der Beschwerdeführer werde auch Schnee zu räumen haben.

Auf die Gegenfrage des Betriebsinhabers nach dem Grund der Erkundigungen erklärte der Beschwerdeführer, er sei wegen Bandscheibenvorfällen in der Halswirbelsäule beim Heben von Lasten etwas eingeschränkt. Der Betriebsinhaber äußerte darauf, dass der Beschwerdeführer dann die Aufgaben nicht entsprechend erfüllen können werde, zeigte sich verärgert, dass das AMS ihm "Kranke" schicke und beendete das Telefonat.

Eine nachfolgende schriftliche Bewerbung des Beschwerdeführers blieb erfolglos.

In der Folge wurde der Beschwerdeführer am 04.01.2018 wegen des Nichtzustandekommens einer zugewiesenen Beschäftigung von der belangten Behörde vernommen. Dabei erklärte er den Hergang wie festgestellt. Gegen die Stelle habe er Einwendungen aus Gründen seiner körperlichen Fähigkeiten, der Gesundheit und Sittlichkeit.

Dazu legte er eine Bestätigung eines Allgemeinmediziners, eine weitere eines Neurologen und das Gutachten eines Sport- und Allgemeinarztes vor.

Dem Beschwerdeführer war bewusst, dass es sich bei dieser zugewiesenen Stelle um eine zumutbare Beschäftigung handelt und dass durch seine Aussage zumindest die Chancen auf eine Anstellung verringert werden, was er billigend in Kauf nahm.

1.2 Zum zweiten bekämpften Bescheid

Am 22.02.2018 wies das AMS dem Beschwerdeführer eine Stelle als Produktionsmitarbeiter beim Dienstgeber XXXX, einem Personaldienstleister zu, der diesen als Produktionsarbeiter in einem Gewürzwerk im Bezirk Kufstein einsetzen wollte. Als eine der Anforderungen wurde Schichtbereitschaft genannt, als Arbeitszeit "Vollzeit" und "Schichtbetrieb".

Der Beschwerdeführer vereinbarte ein Bewerbungsgespräch für 27.02.2018, bei dem ihm mitgeteilt wurde, dass er auf der ausgeschriebenen Stelle im Ablauf der Gewürzabfüllung tätig werden solle. Dabei sind Lasten von über 15 kg zu heben.

Der Beschwerdeführer gab in diesem Gespräch an, sein bisheriger beruflicher Tätigkeitsbereich sei besonders wegen des Karpaltunnelsyndroms an beiden Händen daran ausgerichtet gewesen, dass deswegen manuell für ihn belastende Tätigkeiten nicht "zielführend" sind. Dank entsprechender Schul- und Ausbildungsabschlüsse habe er einen Berufsweg ohne solche Tätigkeiten einschlagen können. Er wies auch ein ärztliches Attest vor.

Die Gesprächspartnerin schloss daraus, dass dem Beschwerdeführer eine Produktionstätigkeit wegen "Einschränkung [gemeint: der Verwendung der] Hände nicht auf Dauer möglich" sei. Das wurde als Bewerbungsergebnis im AMS-Formular festgehalten. Eine Anstellung unterblieb in der Folge.

Dazu niederschriftlich einvernommen, wandte der Beschwerdeführer fehlende Zumutbarkeit der zugewiesenen Beschäftigung ein, und zwar wegen der Arbeitszeit sowie aus Gründen der körperlichen Fähigkeiten und der Gesundheit. Es entspreche "sinngemäß den Tatsachen", dass er aufgrund der "Probleme" mit seinen Händen nicht für die Produktionsstelle infrage komme. Aus dem Stellenangebot sei abzuleiten, dass es im Wesentlichen um Tätigkeiten gehe, die fachärztlich nicht empfohlenen Belastungen entsprächen und daher mit Verschlechterungen seiner Gesundheit und sehr langen Krankenständen verbunden wären.

Anschließend erließ das AMS den in Spruchpunkt A 2. genannten Bescheid betreffend den Anspruchsverlust für die acht Wochen ab 28.02.2018 und begründete, der Beschwerdeführer habe die Arbeitsaufnahme beim genannten Personaldienstleister mit möglichem Arbeitsantritt an diesem Tag verweigert. Wer sich weigere, eine zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen vereitle, verliere [...] den Anspruch.

Dieser Bescheid bezog sich nur auf die zugewiesene ausgeschriebene Stelle im Ablauf der Gewürzabfüllung.

Am 03.05.2018 erstellte das AMS einen Aktenvermerk, wonach laut Telefonauskunft der seinerzeitigen Gesprächspartnerin dem Beschwerdeführer auch Produktionstätigkeiten in anderen Bereichen vorgestellt worden seien, wo die zu hebenden Lasten bis zu ein oder fünf Kilogramm schwer sind, und dieser ebenso sofort eingesetzt werden hätte können. Dieser habe aber gleich "abgewunken und gesagt, dass er mit seinen Händen überhaupt nicht mehr arbeiten könne", außer als Baumeister. Für die Gesprächspartnerin sei darauf das Gespräch beendet gewesen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergaben sich aus den vorgelegten Akten des AMS, betreffend die gesundheitliche und die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit aus den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen und im Speziellen dem Gutachten vom 06.03.2017. Ergänzend wurden die beiden Stellungnahmen des Gutachters im Verfahren I404 2174309-1 dieses Gerichts eingesehen, auf die der Beschwerdeführer in Punkt

2.7 seiner Stellungnahme im Zuge der Niederschrift im zweiten vorliegenden Verfahren am 14.03.2018 hingewiesen hatte.

Die Angabe betreffend das Studium ist dem vom Beschwerdeführer verwendeten Lebenslauf zu entnehmen.

2.1 Zum ersten bekämpften Bescheid

Der Ablauf des Gesprächs ergibt sich aus dem - vom Beschwerdeführer im Zuge der Einvernahme am 04.01.2018 vorgelegten - Schriftsatz.

Das Beschwerdevorbringen, wonach davon auszugehen sei, dass er "schwere Gegenstände", neben Schiausrüstung auch "Reisekoffer, Reisetaschen, sonstiges Equipment" der Fahrgäste "und dergleichen mehr" manuell zu heben und zu transportieren gehabt hätte, und die verlangten Tätigkeiten eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes auslösen würden (Punkte 5.3 und 5.8 der Beschwerde) findet weder in diesem Schriftsatz noch im sonstigen Verfahren eine Basis.

Die Feststellung, wonach dem Beschwerdeführer die Zumutbarkeit der Stelle bewusst war, ergibt sich daraus, dass es - zumindest in den alpinen Bundesländern - bekannt ist, dass ein Paar Alpinskier mit montierten Bindungen deutlich weniger als 15 kg wiegt. Es lässt sich nämlich mühelos mit einer Hand tragen und schultern, wie auch Nicht-Sportler im Winter immer wieder beobachten können. Snowboards sowie Sprung- und Tourenskier sind meist noch erheblich leichter als Alpinskier. Selbst wenn Skischuhe montiert sind, was beim Transport der Gäste vom Hotel zum Lift und retour eher nicht der Fall ist, können diese abgenommen und getrennt gehoben werden.

Der Beschwerdeführer ist in Tirol geboren sowie in die Schule gegangen und hat laut Lebenslauf den Großteil seines Lebens in diesem Bundesland verbracht. Daher konnte er mit seiner Lebenserfahrung, und als Baumeister in Maßen und Gewichten bewandert, ausschließen, dass die Wintersportgeräte der Fahrgäste mehr wögen als er heben durfte.

Seine Bemerkung, er sei wegen Bandscheibenvorfällen in der Halswirbelsäule beim Heben von Lasten etwas eingeschränkt, war demnach nicht erforderlich. Sie war daneben zum gewählten Zeitpunkt - nämlich nach Information über die geforderte Arbeitsleistung geäußert - auch bestens geeignet, eine Anstellung des Beschwerdeführers zu verhindern, was diesem - gerade in der Situation nach der Gegenfrage des Betriebsinhabers - bewusst sein musste.

2.2 Zum zweiten bekämpften Bescheid

Der Ablauf des Gesprächs ergibt sich aus dem - vom Beschwerdeführer im Zuge der Einvernahme am 14.03.2018 vorgelegten - Schriftsatz und der Nachricht der potenziellen Arbeitgeberin an das AMS vom 16.03.2018. Soweit Sachverhaltselemente erstmals im Aktenvermerk vom 03.05.2018 vorkommen, können sie nicht zur einem Tatbestand beigetragen haben, den das AMS bereits am 23.03.2018 als erfüllt ansah.

Der ausgefüllte Vermerk "Bewerbungsergebnis" wurde vom Beschwerdeführer vorgelegt.

Die Feststellung, wonach sich der Bescheid des AMS nur auf die zugewiesene Stelle bezog, ergibt sich aus der Bescheidbegründung, wo § 10 Abs. 1 AlVG zitiert wird und, dem zeitlichen Ablauf gemäß, keine Rede von weiteren Arbeitsmöglichkeiten ist, die sich dem Beschwerdeführer geboten hätten. Diese Stellen finden erstmals im Aktenvermerk vom 03.05.2018 Erwähnung.

3. Rechtliche Beurteilung:

In § 56 Abs. 2 AlVG ist angeordnet, dass das Gericht über Beschwerden gegen Bescheide einer AMS-Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören.

Zu A) Abweisung der Beschwerde gegen den ersten und Behebung des zweiten Bescheids

3.1 Zum Anspruchsverlust:

§ 10 Abs. 1 AlVG legt fest, dass eine Person, die sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle des AMS zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die auf diese Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld verliert. Das gilt nach § 38 AlVG auch für die Notstandshilfe.

Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit dieser im angefochtenen Bescheid verhängten Sanktion ist, dass die zugewiesene Beschäftigung als zumutbar und auch sonst geeignet in Betracht kommt, der Arbeitslose ein Verhalten gesetzt hat, das geeignet war, das Zustandekommen der Beschäftigung zu vereiteln, und dass dieses Verhalten kausal für das Nichtzustandekommen sowie vorsätzlich darauf gerichtet war.

Der Beschwerdeführer bringt in beiden Fällen sinngemäß vor, die zugewiesene Arbeit sei ihm nicht zumutbar.

Dies trifft im ersten Fall wie gezeigt nicht zu, sodass in diesem nun das Verhalten des Beschwerdeführers rechtlich zu beurteilen ist.

Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen von der ausdrücklichen Weigerung - auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten zunichtemacht, das nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen (VwGH 23.03.2015, Ro 2014/08/0023).

Ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinn des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, hängt zunächst davon ab, ob es für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zu bejahen, muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz genügt, nicht jedoch bloß fahrlässiges Handeln. (VwGH 23.03.2015, Ro 2014/08/0023 mwH)

Für die Ursächlichkeit ist es nicht Voraussetzung, dass das Beschäftigungsverhältnis ohne die Vereitelungshandlung in jedem Fall zustande gekommen wäre. Vielmehr ist Kausalität dann gegeben, wenn die Chancen für das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses aufgrund der Vereitelungshandlung jedenfalls verringert wurden. (VwGH 18.06.2014, 2012/08/0187 mwH).

Es entspricht der Lebenserfahrung, dass die Wahrscheinlichkeit, eine offene Stelle zu erhalten sinkt, wenn ein Bewerber trotz der Tatsache, dass ihm eine Tätigkeit gesundheitlich und körperlich zumutbar ist, Bedenken ins Treffen führt, die sich auf seine körperliche Eignung für die Aufgaben beziehen. Das hat der Beschwerdeführer getan und damit die Chance einer Beschäftigung vermindert.

Wie bereits dargelegt, war dem Beschwerdeführer bewusst, dass es sich um eine zumutbare Beschäftigung handelt und seine Ausführungen zumindest die Chancen auf eine Anstellung verringern, wobei er dieses Resultat ernstlich für möglich gehalten und sich mit seinem Eintreten abgefunden hat. Es war somit zumindest ein bedingter Vorsatz gegeben.

Nach all dem waren die Voraussetzungen der in § 10 Abs. 1 in Verbindung mit § 38 AlVG vorgesehenen Sanktion des Verlusts der Notstandshilfe erfüllt.

Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 bis 4 AlVG um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft.

Da der Beschwerdeführer zuletzt 2017 wegen einer einschlägigen Pflichtverletzung sanktioniert worden war, und seither keine neue Anwartschaft erwarb, wurde die Dauer des Anspruchsverlusts - indem die Tagesdaten acht Wochen ab dem ersten Tag erfassen - richtig angegeben.

Demnach war die Beschwerde gegen den ersten Bescheid abzuweisen.

3.2 Zur Aufhebung des zweiten Bescheides:

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, bezog sich das AMS im zweiten angefochtenen Bescheid nur auf die ursprünglich in Aussicht genommene Beschäftigung in dem Gewürzwerk, nicht aber auf die darauf laut Aktenvermerk vom 03.05.2018 unter der Voraussetzung angebotenen Produktionstätigkeiten, die Hebe- und Tragemöglichkeit des Beschwerdeführers nicht zu überschreiten.

Die ursprünglich in Aussicht genommene, zugewiesene Beschäftigung war dem Beschwerdeführer jedoch nach den Feststellungen wegen der Schichtarbeit und wegen der zu hebenden Lasten von mehr als 15 kg nicht zumutbar. Der Beschwerdeführer musste diese konkrete Stelle demnach nicht annehmen.

Das AMS verweist in seiner Stellungnahme vom 08.05.2018 im Zuge der Aktenvorlage auf den Vermerk vom 03.05.2018 und bringt sinngemäß vor, unter den gegebenen Umständen habe sich damit dem Beschwerdeführer eine Arbeitsmöglichkeit im Sinn des § 9 Abs. 1 AlVG geboten. Nach dieser Bestimmung ist arbeitswillig, wer bereit ist, nicht nur eine vom AMS [...] vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sondern auch von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen, soweit sie zumutbar ist.

Damit wird der bekämpfte Bescheid im Nachhinein - dem Gericht gegenüber - auf einen anderen, nachträglich hervorgekommenen Sachverhalt gestützt. Es mag sein, dass eine der angeblich angebotenen Alternativbeschäftigungen auch unter dem Aspekt der Arbeitszeit und allen anderen Kriterien zumutbar gewesen wäre, jedoch wird das weder ausdrücklich behauptet, noch ergibt es sich aus den vorliegenden Akten.

Wenn das AMS nach entsprechenden Ermittlungen in einem separaten Verfahren zur Ansicht gelangt, der Beschwerdeführer hätte die Verpflichtung gehabt, sich für eine alternativ angebotene und zumutbare Stelle zu entscheiden, so wird es den Beschwerdeführer dazu zu hören und allenfalls einen auf diesen Sachverhalt gestützten Bescheid zu erlassen haben.

Würde der Beschwerdeführer hingegen im Beschwerdeverfahren mit diesem "Vorwurf" erstmals konfrontiert und dann vom Gericht darüber abgesprochen, hieße das, dass das verwaltungsgerichtliche Verfahren gleichsam in erster und letzter Instanz stattfände (vgl. VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084). Der "Austausch" des Sachverhalts würde demnach, auch wenn er gegen kein Neuerungsverbot verstößt, dem Beschwerdeverfahren den grundsätzlichen Charakter eines die verwaltungsbehördliche Entscheidung überprüfenden Verfahrens nehmen, in welchem diese Entscheidung allenfalls abgeändert, ersetzt oder aufgehoben wird. Verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die eine solche der Verwaltungsbehörde vertreten, sind nur für den Fall vorgesehen, dass Letztere qualifiziert säumig ist.

Da dem im Bescheid vom 23.03.2018 angeführten Sachverhalt die unrichtige Annahme zu Grunde liegt, dass die zugewiesene Beschäftigung in dem Gewürzwerk zumutbar gewesen sei, war dieser also zu beheben.

3.3 Zur Nichterteilung einer Nachsicht:

Nach § 10 Abs. 3 AlVG ist der Verlust des Anspruches nach Anhörung des Regionalbeirates in berücksichtigungswürdigen Fällen, z. B. bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise nachzusehen.

Berücksichtigt man den Zweck des § 10 AlVG, den zeitlich befristeten Ausschluss vom Leistungsbezug als Sanktion für jene Arbeitslosen vorzusehen, die es durch eine Verletzung ihrer Pflichten bei der Arbeitssuche in Kauf nehmen, dass die Versichertengemeinschaft über Gebühr belastet wird, kann ein berücksichtigungswürdiger Fall im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG nur vorliegen, wenn der Arbeitslose danach entweder selbst ein Verhalten gesetzt hat, welches den potenziellen Schaden ganz oder teilweise wieder beseitigt (also insbesondere durch baldige Aufnahme einer anderen Beschäftigung), oder wenn ihm sein Verhalten ausnahmsweise aus besonderen (jedenfalls nicht dauerhaften und auch die Verfügbarkeit oder die Arbeitsfähigkeit nicht ausschließenden) Gründen im Einzelfall nicht vorgeworfen werden kann. Es kommt dabei aber nicht auf persönliche finanzielle Umstände an, ebenso wenig auf Umstände, die schon im Zusammenhang mit der Zumutbarkeit der Beschäftigung im Sinne des § 9 Abs. 2 und 3 AlVG von Bedeutung sind.

Die Behörde hat daher zu entscheiden, ob ein berücksichtigungswürdiger Fall im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG vorliegt, und - wenn ja - anschließend unter Abwägung aller für die Nachsichtsentscheidung maßgebenden Umstände des Einzelfalles eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, in welchem Ausmaß eine Nachsicht von der Sperrfrist zu gewähren ist. Diese letztgenannte Entscheidung unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nur insoweit, als die Behörde von ihrem Ermessen grob unrichtigen oder dieses Ermessen überschreitenden Gebrauch gemacht hat.

Obwohl die amtswegige Prüfung des Sachverhalts zumindest eine Auseinandersetzung mit möglichen Nachsichtsgründen im Sinn des § 10 Abs. 3 AlVG erfordert, muss die Behörde nur solche Gründe prüfen, die der Arbeitslose vorbringt oder für die es sonstige Hinweise in den Akten gibt.

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer keine die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung aufgenommen. Ebenso wenig haben sich im Verfahren besondere Gründe ergeben, aus denen dem Beschwerdeführer sein Verhalten nicht vorgeworfen werden konnte. Solche Gründe ergeben sich insbesondere nicht aus seinem Vorbringen, wonach der temporäre Verlust der Notstandshilfe ihn vor "extreme bzw. unüberwindbare existentielle Schwierigkeiten" stelle.

3.3 Zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung

Mit der vorliegenden Entscheidung wird der Bescheid vom 23.03.2018 aufgehoben. Da damit eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen wurde, ist die gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung vom 03.05.2018 getrennt erhobene Beschwerde gegenstandslos, sodass darüber nicht mehr abzusprechen ist. (Vgl. VwGH 30.01.2015, Ra 2014/02/0174)

Das Verfahren die eigens erhobene Beschwerde dagegen betreffend war demnach mit Beschluss einzustellen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu Zuweisungsfähigkeit und Vereitelungshandlungen. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich anzusehen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Antrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Fallbezogen liegt dem Bundesverwaltungsgericht ein umfassender Verwaltungsakt mit einem ausreichenden Ermittlungsverfahren und entsprechenden Ermittlungsergebnissen vor.

Eine mündliche Erörterung und die Einvernahme der Parteien hätte daher keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lassen. Der Sachverhalt war entscheidungsreif im Sinne des eben angeführten § 24 Abs. 4 VwGVG. Daher konnte von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden.

Da demnach keine Verhandlung anberaumt wurde, war der für den Fall einer Verhandlung gestellte Antrag des Beschwerdeführers vom 18.05.2018 auf Verfahrenshilfe gegenstandslos, sodass ein darüber nicht zu entscheiden ist.

Schlagworte

Gegenstandslosigkeit, Verfahrenseinstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I419.2194721.2.00

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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