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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde der am 1. Juni 1976 geborenen I M in Wien, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Oktober 1999, Zl. 125.231/2-III/11/99, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 28. Oktober 1999 wies der Bundesminister für Inneres den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Beschwerdeführerin habe am 1. Juli 1997 im Wege der österreichischen Botschaft in Preßburg beim Amt der Wiener Landesregierung einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt. Auf Grund der nunmehr geltenden Rechtslage sei dieser Antrag als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten. Der Landeshauptmann von Wien habe diesen Antrag mit Bescheid vom 4. Juni 1999 abgewiesen. Die Beschwerdeführerin sei polnische Staatsbürgerin und sohin zu einem sichtvermerksfreien Aufenthalt von drei Monaten im Bundesgebiet berechtigt. Während des sichtvermerksfreien Aufenthalts sei eine Erwerbstätigkeit ausgeschlossen. Erhebungen der Bundespolizeidirektion Wien am 31. August 1999 hätten ergeben, dass sich die Beschwerdeführerin seit dem Juni 1997 "ununterbrochen in Österreich" aufhalte. Dies habe sie persönlich angegeben. Sie habe weiters angegeben, dass sie an einer Adresse im 15. Wiener Gemeindebezirk, L-Gasse, gewohnt habe, ohne dort polizeilich gemeldet gewesen zu sein. Seit dem 9. März 1999 bewohne sie eine Wohnung im 15. Wiener Gemeindebezirk, K-Gasse, und sei dort auch aufrecht gemeldet. Im Rahmen einer Stellungnahme habe der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin bekannt gegeben, dass die Erhebungen der Bundespolizeidirektion Wien offenbar unvollständig geblieben seien, weil die Beschwerdeführerin auch in der L-Gasse ordnungsgemäß gemeldet gewesen sei. Eine Fotokopie des Meldezettels sei der Berufungsbehörde vorgelegt worden. Aus dieser Kopie gehe hervor, dass sich die Beschwerdeführerin am 20. Juni 1997 an der "zuvor genannten Adresse" (L-Gasse) angemeldet habe. Weiters habe der rechtsfreundliche Vertreter ausgeführt, dass es sohin unzutreffend sei, dass sich die Beschwerdeführerin "illegal" im Bundesgebiet aufgehalten hätte, so dass die öffentlichen Interessen keineswegs durch ihren Aufenthalt gefährdet gewesen seien. Auf Grund der eigenen Angaben der Beschwerdeführerin stehe es für die Berufungsbehörde fest, dass sie sich nachweislich seit dem 20. Juni 1997 "bis dato" im Bundesgebiet aufhalte. Diesen Umstand habe sie auch in ihrer Stellungnahme vom 4. Oktober 1999 nicht bestritten. Vielmehr habe sie selbst ausgeführt, seit 20. Juni 1997 in Österreich polizeilich gemeldet und sohin nicht "illegal" im Bundesgebiet aufhältig gewesen zu sein. Unbeschadet des Vorbringens der Beschwerdeführerin sei bei der Beurteilung ihres Antrags allein maßgeblich, dass § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 zwingend die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung ausschließe, wenn der Aufenthaltstitel nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden solle. Auf Grund der vorliegenden Aktenlage sei ersichtlich, dass die Einreise der Beschwerdeführerin in das österreichische Bundesgebiet sichtvermerksfrei erfolgt sei, diese ihren sichtvermerksfreien Aufenthalt über die gesetzlich bestimmte Dauer fortgesetzt habe und mit dem gegenständlichen Antrag einen Aufenthalt habe verlängern wollen. Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes sei der Antrag daher gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 abzuweisen gewesen. Im Hinblick auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zitiert wird das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1999, Zl. 98/19/0229) erübrige sich das Eingehen auf eventuelle private und familiäre Interessen, weil das Vorliegen des § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 8 MRK geschützte Grundrecht darstelle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die § 10 Abs. 1 Z. 3, § 28 Abs. 1 und 4 sowie § 112 FrG 1997 lauten:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn
...
3. der Aufenthaltstitel - außer für Saisonarbeitskräfte (§ 9), für begünstigte Drittstaatsangehörige (§ 47) oder Angehörige von Österreichern (§ 49) - nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 28 oder § 29) erteilt werden soll;
...
§ 28. (1) Sofern die Bundesregierung zum Abschluss von Regierungsübereinkommen gemäß Art. 66 Abs. 2 B-VG ermächtigt ist, kann sie zur Erleichterung des Reiseverkehrs unter der Voraussetzung, dass Gegenseitigkeit gewährt wird, vereinbaren, dass Fremde berechtigt sind, ohne Visum in das Bundesgebiet einzureisen und sich in diesem aufzuhalten.
...
(4) In Übereinkommen gemäß Abs. 1 und den Verordnungen gemäß Abs. 3 kann unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit vorgesehen werden, dass Fremden ein Aufenthaltstitel auch nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden kann.
...
§ 112. Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, oder gemäß der §§ 113 und 114 anhängig werden, sind nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. ..."
Art. 1 Abs. 1 des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Volksrepublik Polen über die gegenseitige Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 330/1972 idF BGBl. III Nr. 122/1999, lautet:
"Artikel 1
(1) Die Staatsbürger eines jeden der beiden Staaten, die Inhaber eines der im Artikel 3 angeführten Reisedokumente sind, dürfen ohne Sichtvermerk des anderen Staates in dessen Hoheitsgebiet einreisen, sich dort bis zu drei Monaten aufhalten und aus ihm ausreisen."
Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass am 1. Jänner 1998, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des FrG 1997, das Verfahren zur erstmaligen Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung über den Antrag der Beschwerdeführerin, die auch nach ihrem eigenen Vorbringen noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügte, noch anhängig war. Die Rechtsauffassung der belangten Behörde, das Verfahren sei gemäß § 112 FrG 1997 nach diesem Gesetz, im vorliegenden Fall als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels (näherhin: einer Erstniederlassungsbewilligung) fortzuführen gewesen, kann demnach nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die maßgebliche Feststellung der belangten Behörde, sie halte sich im Anschluss an eine sichtvermerksfreie Einreise in das Bundesgebiet in diesem auf.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28. Jänner 1999, Zl. 98/19/0229, mit näherer Begründung ausgeführt hat, ist für die Frage, ob der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 vorliegt, maßgebend, dass sich der Antragsteller im Anschluss an eine sichtvermerksfreie Einreise im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Bundesgebiet aufhält, ohne dass er zwischenzeitig eine Berechtigung zum Aufenthalt auf Grund eines gewöhnlichen Sichtvermerkes, einer Aufenthaltsbewilligung, oder aber eines Aufenthaltstitels oder eines Aufenthaltsvisums (Visum D) nach dem FrG 1997 erlangt hätte.
Da die Beschwerdeführerin nicht bestreitet, sich im Anschluss an eine sichtvermerksfreie Einreise im Bundesgebiet aufzuhalten und für die Ausstellung von Berechtigungen zum Aufenthalt an sie keine Anhaltspunkte bestehen, ist der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 wirksam geworden.
Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, sie sei entgegen der unpräzisen Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde zu ihrer Antragstellung (nach einer ersten sichtvermerksfreien Einreise in das Bundesgebiet) nach Preßburg ausgereist und danach neuerlich sichtvermerksfrei ins Bundesgebiet wieder eingereist, zeigt sie eine Relevanz des damit behaupteten Verfahrensmangels schon deswegen nicht auf, weil auf Grund ihres unbestrittenen Aufenthaltes nach dieser erneuten sichtvermerksfreien Einreise ebenfalls der Versagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 verwirklicht wäre (vgl. zu einer solchen Konstellation das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1999).
Ist wie im vorliegenden Fall ein Versagungsgrund wirksam geworden, so ist die Erteilung einer Bewilligung nach § 8 Abs. 1 FrG 1997 ausgeschlossen.
Wie die belangte Behörde zu Recht erkannte, hat bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 gestützten Entscheidung eine Bedachtnahme auf durch Art. 8 MRK geschützte Interessen nicht zu erfolgen (vgl. auch hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1999).
Soweit die Beschwerdeführerin weiters vorbringt, es erscheine keineswegs sachgerecht, dass sie im Ergebnis die Entscheidung über ihren gestellten Antrag "fast ausschließlich im Ausland abzuwarten" habe, "nachdem es zulässig" sei, sichtvermerksfrei aus- und einzureisen, sie demnach bei einer derartigen Interpretation gegenüber anderen Fremden, die keinen Antrag auf Erstniederlassungsbewilligungen gestellt hätten, schlechter gestellt sei, ist ihr zu entgegnen, dass eine derartige Ungleichbehandlung nicht vorliegt. Durch die Stellung eines Antrags auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung ändert sich nämlich nichts an der Zulässigkeit einer sichtvermerksfreien Einreise. Dass hingegen ein Fremder den Erfolg seines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vereitelt, wenn er von seiner Möglichkeit zur sichtvermerksfreien Einreise, Gebrauch macht, begegnet angesichts des rechtspolitischen Spielraums des Gesetzgebers keinen verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Gleichberechtigung von Fremden untereinander. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf § 28 Abs. 4 FrG 1997, wonach im Sichtvermerksabkommen vorgesehen werden kann, dass Fremden ein Aufenthaltstitel auch nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden kann. Dass in dem für die Beschwerdeführerin maßgeblichen Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen keine derartige (begünstigende) Bestimmung enthalten ist, hat nicht die Unsachlichkeit der dargestellten österreichischen Gesetzeslage zur Folge. Damit ist aber auch für die von der Beschwerdeführerin für erforderlich gehaltene verfassungskonforme Reduktion des Bedeutungsgehaltes des § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 kein Raum.
Da schon der Inhalt der Beschwerde somit erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
Wien, am 4. Februar 2000
Schlagworte
Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000190007.X00Im RIS seit
11.07.2001