TE OGH 2018/5/16 2Ob198/17g

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Veröffentlicht am 16.05.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. M***** G*****, 2. Dr. A***** G*****, 3. B***** G*****, 4. Dr. J***** C*****, 5. R***** K*****, 6. M***** M*****, 7. DI C***** M*****, 8. Dr. M***** M*****, 9. Dr. M***** M*****, 10. Dr. C***** F*****, 11. S***** L*****, alle vertreten durch Dr. Christine Fischer-Lode, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen die beklagte Partei A***** B*****, vertreten durch Dr. Alois Schneider, Rechtsanwalt in Rattenberg, wegen Unterlassung (Streitwert 30.500 EUR) und Zahlung von 10.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 18. September 2017, GZ 2 R 70/17m-41, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 22. März 2017, GZ 41 Cg 40/16z-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Begehren, der beklagten Partei zu untersagen, Dritten ausgehend von ihren Ufergrundstücken Nr ***** und ***** der EZ ***** die Nutzung des *****sees EZ ***** zu ermöglichen, abgewiesen wird.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 27.996,24 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin 4.036,29 EUR Umsatzsteuer, 3.778,50 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger und der Beklagte sind Miteigentümer eines Sees in Tirol. Der Beklagte ist – wie auch andere Miteigentümer – Alleineigentümer von Ufergrundstücken. Der See wurde seit den 1960er-Jahren von den jetzt dem Beklagten gehörenden Grundstücken aus zum Baden genutzt. Auf einem dieser Grundstücke betreibt der Beklagte – wie schon sein Vater, der die Ufergrundstücke in den 1960er-Jahren erworben hatte – einen Campingplatz.

Der See wurde von allen Miteigentümern mit Verträgen aus 1975 und 2004 jeweils befristet dem Land Tirol verpachtet, wobei der zweite Pachtvertrag am 31. 5. 2015 endete. In den Verträgen war vorgesehen, dass sich die Miteigentümer (Verpächter) für sich und ihre Familienangehörigen das Recht vorbehielten, den See kostenlos zu nutzen. Das Land hatte Sorge zu tragen, dass aufgrund von Vereinbarungen mit den Eigentümern der Ufergrundstücke Parkflächen, Liegewiesen und andere Freizeitanlagen errichtet würden. Durch die der Allgemeinheit ermöglichte Nutzung des Sees sollte kein über die Laufzeit des Vertrags hinausgehendes Recht am See entstehen; das Land hatte daher Gewähr zu leisten, dass der See nur von Grundstücken aus betreten werden durfte, deren Eigentümer mit dem Land diesbezügliche Vereinbarungen geschlossen hatten.

Solche Verträge schloss das Land auch mit dem Beklagten. Nach diesen Verträgen lukrierte das Land die Eintrittsgelder der Tagesgäste auf den Ufergrundstücken des Beklagten; diesem wurde aber zudem gestattet, dass seine Campingplatzgäste im See baden durften.

Zuletzt verpachtete der Beklagte seine Ufergrundstücke dem Land (ebenfalls) bis 31. Mai 2015. Diesen Vertrag lösten das Land und der Beklagte mit gerichtlichem Vergleich vom 12. September 2011 auf, sodass der Beklagte die Ufergrundstücke wieder selbst nutzen konnte. Im Vergleich verpflichtete sich der Beklagte zur Zahlung von 15.000 EUR an das Land. Aus dem Zusammenhalt mit einem früheren Vergleichsvorschlag ergibt sich, dass es sich dabei um die Abgeltung der (gewerblichen) Seebenutzung durch den Beklagten während der Laufzeit des Seepachtvertrags handelte. In diesem Vergleichsvorschlag war eine jährliche Zahlung von 8.000 EUR für 2012, 2013 und 2014 vorgesehen gewesen, um „die Seebenützung vornehmen zu können und den Entfall der Badegebühren abzudecken.“

Im Mai 2015 schlossen die Kläger, aber nicht der Beklagte mit dem Land einen weiteren Pachtvertrag über den See. Darin ist vorgesehen, dass der (ebenfalls als Verpächter bezeichnete) Beklagte den See für sich und seine Gäste ausgehend von seinen Ufergrundstücken aus zum Baden nutzen darf. Dies führte zu einer Verminderung des Pachtzinses gegenüber den vorherigen Verträgen, weil das Land diese Grundstücke nun nicht mehr selbst bewirtschaften konnte. Im Pachtvertrag wird eine zwischen den Verpächtern „zu treffende“ Nutzungsvereinbarung erwähnt, die aber nicht zustande kam.

Die Kläger beantragten zunächst im Außerstreitverfahren, dem Beklagten zu untersagen, Dritten ausgehend von seinen Ufergrundstücken die Nutzung des Sees zu ermöglichen. Dieses Begehren wurde rechtskräftig in das streitige Verfahren überwiesen. Dort dehnten die Kläger ihr Begehren auf Zahlung eines Benutzungsentgelts von (zuletzt) 10.000 EUR aus. Dieses Zahlungsbegehren wurde rechtskräftig in das außerstreitige Verfahren überwiesen. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist daher ausschließlich das Unterlassungsbegehren. Zu dessen Begründung bringen die Kläger vor, dass der Beklagte gegen die seit 1975 „einvernehmlich geübte Benutzungsordnung“ verstoße, wonach den Miteigentümern des Sees nur eine private Nutzung gestattet sei. Da die übermäßige Nutzung im Widerspruch zur einvernehmlichen Benützungsregelung stehe und eigenmächtig erfolgt sei, könnten sie diese Art der Nutzung untersagen. In den aktuellen Pachtvertrag mit dem Land Tirol sei zwar aufgenommen worden, dass die Nutzung des Sees durch Gäste des Beklagten vorbehalten bleibe. Es sei jedoch ausdrücklich festgehalten worden, dass diesbezüglich zwischen den Miteigentümern eine interne Benützungsregelung abgeschlossen werde. Dies habe der Beklagte verweigert. Aus dem Vergleich mit dem Land könne der Beklagte keine Rechte gegen die Miteigentümer ableiten. Der Beklagte habe nicht das Recht ersessen, seinen Gästen das unentgeltliche Baden zu ermöglichen, weil dieses Recht ausschließlich aufgrund der Vereinbarung mit dem Land als Pächter des Sees ausgeübt worden sei.

Der Beklagte wendet ein, sein Recht zur Seenutzung ergebe sich aus seinem Miteigentumsanteil. Die von den Klägern behauptete Benützungsordnung sei zu keinem Zeitpunkt rechtswirksam gewesen. Die Nutzung des Sees durch seine Gäste entspreche der Verkehrsübung im Sinn des § 828 Abs 1 ABGB. Jedenfalls liege aber Ersitzung vor, weil die Gäste seines Campingplatzes seit jeher im See gebadet hätten. Das Klagebegehren sei unschlüssig, weil es nicht auf eine Unterlassung, sondern auf eine Verpflichtung zur Verhinderung der Nutzung durch Dritte abziele. Die Klage sei eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung, sodass es dafür eines einstimmigen Beschlusses bedurft hätte.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt. Die Kläger seien als Miteigentümer des Sees zur Klage befugt. Der Beklagte habe wegen der wiederholt abgeschlossenen Verträge kein Recht des Seezugangs ersessen. Er habe auch nicht aufgezeigt, weshalb die in den auch von ihm geschlossenen Verträgen enthaltenen Benützungsvereinbarungen nicht mehr wirksam sein sollten. Aus dem Vergleich mit dem Land über die Nutzung seiner eigenen Liegenschaft könne er keine Rechte gegen die Miteigentümer am See ableiten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und ließ die Revision nicht zu.

Die Kläger seien aktiv legitimiert. Ersitzung liege nicht vor, weil der See von den Ufergrundstücken aus aufgrund von Vereinbarungen mit dem Pächter genutzt worden sei. Aus dem Vergleich zur Beendigung des Pachtverhältnisses über die Ufergrundstücke könne der Beklagte keine Rechte gegen die Miteigentümer am See ableiten. In den 1975 und 2004 geschlossenen Pachtverträgen über den See sei vorgesehen gewesen, dass nur die Streitteile und ihre Familienmitglieder den See unentgeltlich nutzen dürften. Diese Benutzungsregelung sei aufrecht, weswegen sich der Beklagte nicht auf sein Nutzungsrecht iSv § 828 ABGB berufen könne.

Mit seiner außerordentlichen Revision strebt der Beklagte die Abweisung des Unterlassungsbegehrens an, hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Er macht insbesondere geltend, dass er aufgrund seines Miteigentumsanteils ein Recht auf eine die anderen Miteigentümer nicht ausschließende Nutzung der gemeinsamen Sache habe. Eine bindende Benutzungsvereinbarung sei nicht festgestellt.

Die Kläger beantragen in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. Die Verträge von 1975 und 2004 enthielten eine Benützungsregelung, die den Kläger binde.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Befristung der in den Seepachtverträgen enthaltenen Benutzungsregelung nicht beachtet hat; sie ist aus diesem Grund auch berechtigt.

1. Grundsätzlich kann jeder Miteigentümer die gemeinsame Sache ohne Absprache mit den anderen nutzen; Grenze ist nur der konkrete (tatsächliche) Gebrauch der übrigen (RIS-Justiz RS0013211).

1.1. Ist die Gebrauchsmöglichkeit an sich unbeschränkt, kann jeder Miteigentümer sie auch unbeschränkt ausüben (1 Ob 712/76 MietSlg 28.050; RIS-Justiz RS0013197). Als Beispiel für eine solche unbeschränkte Gebrauchsmöglichkeit wird regelmäßig
– zurückgehend auf
Klang in Klang2 III (1952) 1093 – das Spazieren in einem gemeinsamen Garten genannt (1 Ob 712/76, 1 Ob 650/92). Das Baden in einem gemeinsamen See ist dieser Fallgestaltung gleichzuhalten. Im konkreten Fall schließt dessen Nutzung durch den Beklagten – durch (auch gewerbsmäßige) Gewährung des Zugangs an Badende von seinen Ufergrundstücken aus – die Nutzung durch die anderen Miteigentümer faktisch nicht aus; auch diese können im See baden, ihre Gäste darin baden lassen oder den See auf andere Weise nutzen.

1.2. Die Differenzierung zwischen beschränkter und unbeschränkter Gebrauchsmöglichkeit wird zwar in der Lehre als wenig sinnvoll kritisiert, weil es entscheidend darauf ankomme, ob die anderen Miteigentümer durch die Gebrauchshandlung beeinträchtigt würden (H. Böhm in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 828 Rz 31; Pittl/Steiner, Rechtsnatur und Rechtsfolgen des Widerspruchs eines [schlichten] Miteigentümers gegen die übermäßige Nutzung durch einen anderen Miteigentümer, wobl 2013, 8 [11 f]). Dabei können aber jedenfalls nur solche Beeinträchtigungen relevant sein, die dem Ausschluss der anderen Miteigentümer zumindest nahe kommen. Denn sonst führte diese Auffassung dazu, dass die Regelung der konkreten Benutzung vom dafür vorgesehenen Außerstreitverfahren in den Prozess verschoben würde: Jede Benutzungshandlung, die nur irgendwie Miteigentümer beeinträchtigte – etwa das Abstellen eines Fahrzeugs auf einem nicht besonders zugewiesenen Parkplatz, wenn auch ein anderer Miteigentümer sein Fahrzeug kurz darauf ebenfalls dort abstellen will – wäre rechtswidrig und könnte daher mit Unterlassungsklage verfolgt werden (vgl Apathy, Der possessorische Schutz gegenüber Eigenmächtigkeiten eines Miteigentümers, JBl 1977, 341). Ein solches Verständnis kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.

1.3. Im konkreten Fall schließt der Beklagte durch die gewerbliche Seenutzung die anderen Miteigentümer nicht von der Nutzung aus. Es gibt auch keinen Anhaltspunkt, dass er die anderen Miteigentümer in einer Weise beeinträchtigt, die faktisch einem Ausschluss nahe käme. Damit ist lediglich zu prüfen, ob sich aus den Seepachtverträgen (unten 2.) oder aus einer „faktischen Gebrauchsordnung“ (unten 3.) Einschränkungen des an sich bestehenden Nutzungsrechts ergeben.

2. Aus den Seepachtverträgen lässt sich keine solche Beschränkung ableiten.

2.1. Diese Verträge enthielten zwar die Bestimmung, dass die Miteigentümer nur zur privaten Nutzung des Sees durch sie und ihre Angehörigen berechtigt waren. Diese Regelung bezog sich aber auf das Verhältnis der Miteigentümer zum Pächter: Ohne sie wäre jegliche Nutzung durch die Verpächter vertragswidrig gewesen, weil Gegenstand des Bestandvertrags gerade das Überlassen der Nutzungsmöglichkeit ist (§ 1090 ABGB). Das schließt eine Eigennutzung durch den Bestandgeber grundsätzlich aus.

2.2. Den Verträgen kann zwar auch eine Vereinbarung der Miteigentümer dahin entnommen werden, dass die Nutzungen des Sees nach Maßgabe des jeweiligen Bestandvertrags dem Pächter überlassen werden. Diese Verträge waren indes jeweils befristet. Aus dem Abschluss befristeter Verträge kann aber (mangels anderer darauf weisender Indizien) keine konkludente Vereinbarung dahin abgeleitet werden, dass auch nach Ablauf des jeweiligen Vertrags nur eine solche Drittnutzung zulässig sein sollte, dass die Miteigentümer also zum Abschluss eines weiteren Pachtvertrags verpflichtet wären. Die Befristung spricht vielmehr dafür, dass eine solche Bindung gerade nicht gewollt war.

2.3. Dass eine die Eigennutzung ausschließende Vereinbarung abseits der Bestandverträge getroffen worden wäre, haben die Kläger nicht konkret vorgebracht. Damit besteht jedenfalls keine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Beklagten, die an sich zulässige Eigennutzung zu unterlassen.

3. Auch auf eine bestehende Gebrauchsordnung können sich die Kläger nicht berufen.

3.1. Nach § 828 Abs 1 Satz 2 ABGB kann bei Uneinigkeit kein Miteigentümer „in der gemeinschaftlichen Sache eine Veränderung vornehmen, wodurch über den Anteil des anderen verfügt würde.“ Aus diesem „Veränderungsverbot“ (Sailer in KBB5 § 828 Rz 8; Gruber/Sprohar-Heimlich in Schwimann/Kodek4 § 828 Rz 27) wird in ständiger Rechtsprechung abgeleitet, dass eine eigenmächtige Veränderung der bisherigen Benützungsverhältnisse durch einzelne Miteigentümer ein rechtswidriger Eingriff in die Anteilsrechte der anderen sei, der diese zur negatorischen Klage berechtige (1 Ob 701/77 SZ 51/56; 1 Ob 128/06i wobl 2007/31 [Call]; 1 Ob 213/07s wobl 2008/85 [Oberhofer/Vonkilch/Call]; 10 Ob 53/08d wobl 2008/109 [Vonkilch/Call]; 1 Ob 145/12y immolex 2014/7 [Hagen]).

3.2. Gegenstand dieser Entscheidungen waren jeweils konkrete Nutzungshandlungen einzelner Miteigentümer.

(a) Strittig war dabei in den meisten Fällen die Inanspruchnahme einer die anderen Miteigentümer ausschließenden Nutzung der gesamten Sache oder von Teilen davon, etwa das Verbringen beweglicher Sachen (1 Ob 701/77), das Einziehen in eine bisher vermietete Wohnung (10 Ob 53/08d) oder die ausschließliche Nutzung einzelner Räume als Rechtsanwaltskanzlei (1 Ob 213/07s). Auf die insofern strittige Frage, ob eine faktische Alleinnutzung bis zu einer abweichenden – einvernehmlichen oder gerichtlichen – Benützungsregelung rechtmäßig ist, untersagt werden kann oder (wenigstens) einen Anspruch auf Benutzungsentgelt begründet (dazu insb Vonkilch, Zur [Un-]Rechtmäßigkeit übermäßigen Gebrauchs der gemeinsamen Sache durch den Miteigentümer, wobl 2006, 138 ff; H. Böhm in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 828 Rz 32 mwN; aus der Rsp zur Frage des Benutzungsentgelts 2 Ob 248/08x wobl 2010/108 [Vonkilch]) kommt es hier nicht an, weil kein Fall einer ausschließlichen Nutzung vorliegt.

(b) In 1 Ob 128/06i wurde demgegenüber auch eine aufgrund der Inbetriebnahme eines Ausschanks erhöhte, die Mitberechtigten aber nicht ausschließende Nutzung eines über Realrechte im Miteigentum stehenden Hofraums als eigenmächtige Veränderung gewertet, die einen Unterlassungsanspruch begründete. Grund für die Annahme einer relevanten Veränderung waren die erhöhte Belästigung der anderen Miteigentümer durch Lärm und Abgase und mögliche rechtliche Nachteile aufgrund Ansprüchen dritter Nutzer nach § 1319 ABGB. Dass eine erhöhte tatsächliche Nutzung eine unzulässige Veränderung sein könnte, lässt sich (obiter) auch den Entscheidungen 1 Ob 145/12y und (wohl) auch 1 Ob 187/17g entnehmen. Diese Entscheidungen betrafen aber jeweils eine gegenüber der bisherigen Übung geänderte Nutzung. Gab es keine solche Übung, hat es demgegenüber jedenfalls beim allgemeinen Grundsatz zu bleiben, dass nur eine dem Ausschluss der anderen faktisch nahe kommende Nutzung als rechtswidrig angesehen werden kann (oben 1.).

3.3. Auf den hier zu beurteilenden Fall können die letztgenannten Entscheidungen nicht unmittelbar übertragen werden, weil sie jeweils Änderungen in der tatsächlichen Nutzung der gemeinsamen Sache betrafen. Das trifft hier nicht zu. Denn die tatsächliche Nutzung des Sees hat sich gerade nicht geändert; es steht nicht fest, dass jetzt mehr Badegäste als früher den See von den Ufergrundstücken des Beklagten aus betreten. Die Veränderung liegt ausschließlich auf rechtlicher Ebene, nämlich darin, dass die faktisch unveränderte Nutzung – Betreten des Sees ausgehend von den insofern gewerblich genutzten Grundstücken des Beklagten – nun nicht mehr aufgrund einer Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung (Verpachtung des Sees) durch den Pächter, sondern unmittelbar aufgrund des Miteigentums als Eigennutzung durch den Beklagten erfolgt.

3.4. Dass es sich bei der Verpachtung um eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung handelte, folgt aus den Umständen des konkreten Falls.

(a) Zwar liegt grundsätzlich eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung vor, wenn ein Bestandvertrag mit einem Dritten zu ortsüblichen Bedingungen geschlossen wird (RIS-Justiz RS0013584; 2 Ob 244/07g); der Vertragsabschluss kann in diesem Fall mit bindender Wirkung für alle Miteigentümer durch die Mehrheit (oder einen allenfalls bestellten Verwalter) erfolgen (RIS-Justiz RS0013564). Das gilt auch bei einer Verpachtung von Grundstücken zur gärtnerischen Nutzung auf die Dauer von zehn Jahren, wenn sie zwischen den Vertragspartnern und ihren Rechtsvorgängern bereits „mehrmals“ auf diese Dauer erfolgt war (4 Ob 554/68 MietSlg 20.051).

(b) Eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung ist demgegenüber anzunehmen, wenn der Vertragsabschluss gegen die den übrigen Miteigentümern bekannten Interessen eines Minderheitseigentümers erfolgt (3 Ob 71/86 SZ 59/203; 5 Ob 102/01p; RIS-Justiz RS0013589). Soweit in 3 Ob 71/86 (und damit auch im Rechtssatz RS0013589, nicht aber in 5 Ob 102/01p) auch auf die Kenntnis des Bestandnehmers abgestellt wird, soll offenkundig dessen Vertrauen auf einen im Rahmen der ordentlichen Verwaltung von der Mehrheit (oder einem Verwalter) geschlossenen Vertrag geschützt werden. Für die ex ante anzustellende Beurteilung, ob ein Vertragsabschluss der ordentlichen oder außerordentlichen Verwaltung zuzurechnen ist, kann der Kenntnisstand des Vertragspartners nicht maßgebend sein.

(c) Im vorliegenden Fall besteht ein enger tatsächlicher Zusammenhang zwischen der Nutzung des Sees und der Nutzung der strittigen Ufergrundstücke: Ein Badebetrieb ist auf den Grundstücken nur möglich, wenn der Betreiber auch ein Recht auf die Nutzung des Sees hat. Dieses Recht verliert der Beklagte durch Abschluss eines Pachtvertrags über den See. Er ist dann faktisch gezwungen, entweder auch den Badebetrieb zu verpachten oder aber (wie zuletzt) für die Nutzung des Sees zu zahlen. Damit greift der Abschluss eines Pachtvertrags offenkundig in seine Interessen als Miteigentümer des Sees ein. Es besteht daher kein Zweifel, dass eine Verpachtung – soweit sie nicht, wie der zuletzt von der Mehrheit abgeschlossene Pachtvertrag, die Interessen des Beklagten wahrt – eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung ist. Wegen der besonderen Interessenlage ist dieser Sachverhalt auch nicht mit der mehrfachen befristeten Verpachtung gärtnerisch genutzter Grundstücke (4 Ob 554/68, oben [a]) zu vergleichen.

3.5. Auf dieser Grundlage ist zu prüfen, ob eine befristete Regelung, wonach die gesamte Sache in Bestand gegeben wird, nach Ablauf der Befristung als „faktische“ Gebrauchsordnung dazu führt, dass eine Eigennutzung erst nach einer entsprechenden – einvernehmlichen oder gerichtlichen – Neuregelung der Benutzung zulässig ist. Das trifft nach Ansicht des Senats nicht zu.

(a) Befristen Miteigentümer eine Benutzungsregelung, so geben sie damit zu erkennen, dass sie gerade keine endgültige Regelung wollen. Es verstieße daher gegen den Grundsatz der Privatautonomie, einzelne Miteigentümer auch nach Ablauf dieser Frist an diese Regelung zu binden. Vielmehr wird eine solche Vereinbarung regelmäßig dahin auszulegen sein, dass nach ihrem Ablauf entweder eine neue Regelung getroffen werden muss oder sonst wieder das allgemeine Regime des § 828 ABGB gilt. Anders gewendet: Eine „faktische“ Gebrauchsordnung, die auf einer befristeten Vereinbarung beruht, ist regelmäßig auch selbst befristet. Mangels einvernehmlicher oder gerichtlich verfügter Neuregelung sind Benutzungshandlungen daher nach Ablauf der Befristung jedenfalls soweit rechtmäßig, als andere Miteigentümer nicht von der Nutzung der ganzen Sache oder eines Teils davon ausgeschlossen oder in einer dem Ausschluss nahe kommenden Weise beeinträchtigt werden (oben Punkt 1.).

(b) Das gilt insbesondere für eine befristete Verpachtung oder Vermietung der gemeinsamen Sache. Entschließen sich die Miteigentümer zu einer solchen Verwaltungsmaßnahme, so folgt daraus eine vertragliche Beschränkung ihres aus dem Miteigentum folgenden Nutzungsrechts. Fällt diese Beschränkung wegen Beendigung des Bestandvertrags weg, gilt wieder die allgemeine Regel, dass jeder Miteigentümer die Sache in der oben dargestellten Weise nutzen darf. Daher ist die Nutzung durch den Kläger, die jene durch die anderen Miteigentümer nicht ausschließt oder in einer dem Ausschluss nahe kommenden Weise beeinträchtigt (oben 1.), nicht rechtswidrig.

(c) Wollen die Kläger anderes, müssen sie eine Regelung im Außerstreitverfahren herbeiführen. Die von ihnen offenbar – trotz gegenteiligem Vertragsabschluss mit dem Land – angestrebte umfassende Verpachtung wäre wegen der gegenläufigen Interessen des Beklagten eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung (oben 3.4.); daher wäre bei einem bloßen Mehrheitsbeschluss – anders beim derzeit bestehenden Vertrag, der die Interessen des Klägers nicht beeinträchtigt und daher der ordentlichen Verwaltung zuzurechnen ist – eine Genehmigung durch das Gericht erforderlich (RIS-Justiz RS0013665). Die Kläger könnten auch eine Benutzungsregelung beantragen, die eine Eigennutzung durch den Beklagten auf andere Weise ausschließt oder einschränkt. In beiden Fällen hätte das Außerstreitgericht eine von Billigkeitserwägungen getragene Ermessensentscheidung zu treffen (RIS-Justiz RS0013650 [T2]), die sich am Interesse der Gesamtheit der Miteigentümer zu orientieren hat (8 Ob 551/87; RIS-Justiz RS0013703 [T1]). Erst ein Verstoß gegen eine solche Regelung könnte dann mit einem Unterlassungsbegehren verfolgt werden. In einer Benützungsregelung könnte zudem die gewerbliche Nutzung des Sees durch den Beklagten von der Zahlung eines Benutzungsentgelts abhängig gemacht werden. In dem Verfahren über das Zahlungsbegehren, das rechtskräftig in das Außerstreitverfahren überwiesen wurde, werden diese Fragen mit den Parteien zu erörtern sein.

4. Mangels rechtswidrigen Verhaltens des Beklagten besteht derzeit kein Unterlassungsanspruch der Kläger. Die angefochtene Entscheidung ist daher dahin abzuändern, dass das Unterlassungsbegehren abgewiesen wird. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Aus der befristeten Vermietung oder Verpachtung einer gemeinsamen Sache kann im Regelfall nicht abgeleitet werden, dass die Miteigentümer nach Ablauf der Befristung aufgrund einer dadurch begründeten „faktischen Gebrauchsordnung“ neuerlich zum Abschluss eines Bestandvertrags verpflichtet wären. Vielmehr darf jeder Miteigentümer die Sache bis zu einer gegenteiligen einvernehmlichen oder gerichtlichen Regelung jedenfalls soweit selbst nutzen, als er die anderen nicht von der Nutzung ausschließt oder sie in einer dem Ausschluss nahe kommenden Weise beeinträchtigt.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich für das erstinstanzliche Verfahren auf § 43 Abs 1 ZPO und für das Rechtsmittelverfahren auf § 41 iVm § 50 ZPO.

5.1. Das Erstgericht hatte über das mit 30.500 EUR bewertete Unterlassungsbegehren und ein Zahlungsbegehren von (zuletzt) 10.000 EUR zu entscheiden. Zum Zahlungsbegehren sprach es rechtskräftig aus, dass dieses „im außerstreitigen Verfahren zu behandeln und zu entscheiden“ sei. Das darüber geführte Verfahren erklärte es aber nicht für nichtig, sodass § 51 ZPO nicht anwendbar ist. Bei dieser atypischen Fallgestaltung lässt sich in Bezug auf das Zahlungsbegehren kein Obsiegen einer Partei feststellen, weswegen die darauf entfallenden Kosten gegeneinander aufzuheben sind. In Bezug auf das Unterlassungsbegehren hat der Beklagte zur Gänze obsiegt, sodass die Kläger zum Ersatz seiner Kosten auf Basis einer Bemessungsgrundlage von 30.500 EUR verpflichtet sind. Das gilt allerdings nur für die Kosten des Zivilprozesses, also für die Verfahrenshandlungen ab Klagebeantwortung. Eine Grundlage für die Honorierung der davor im Außerstreitverfahren erbrachten Leistungen ist nicht erkennbar. Der nach der vorbereitenden Tagsatzung eingebrachte Schriftsatz vom 16. 8. 2016 ist aufgrund der Kosteneinwendungen der Kläger nur nach TP 2 zu honorieren.

5.2. Im Rechtsmittelverfahren hat der Beklagte zur Gänze obsiegt. Die Kläger sind daher zum Kostenersatz verpflichtet.

Textnummer

E121865

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00198.17G.0516.000

Im RIS seit

04.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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