TE OGH 2018/6/21 12Os61/18i

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Veröffentlicht am 21.06.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Juni 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Geschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Enes S***** und weitere Beschuldigte wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 20 HR 14/15p des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Fuat I***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 20. April 2018, AZ 9 Bs 139/18m (ON 1118 der Ermittlungsakten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Graz der Beschwerde des Fuat I***** gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 5. April 2018 (ON 1077, 1078) nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der vom Landesgericht mit Beschluss vom 28. Jänner 2017 verhängten und mehrmals vorgesetzten Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und lit b StPO an.

Das Beschwerdegericht erachtete den Beschuldigten dringend verdächtig, er habe sich zumindest seit dem Jahr 2011 bis 14. Oktober 2016 in G***** als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB)

1./ an der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat, somit an einem auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung mehrere terroristische Straftaten (§ 278c StGB), und zwar Morde (§ 75 StGB), Körperverletzungen nach §§ 84 bis 87 StGB, schwere Nötigungen (§ 106 StGB) und schwere Sachbeschädigungen (§ 126 StGB) begangen werden, welche Taten geeignet sind, eine schwere oder längere Zeit anhaltende Störung des öffentlichen Lebens oder eine schwere Schädigung des Wirtschaftslebens herbeizuführen, und die mit dem Vorsatz begangen werden, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern, öffentliche Stellen oder internationale Organisationen zu Handlungen, Duldungen oder zu Unterlassungen zu nötigen und die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Grundstrukturen eines Staates ernsthaft zu erschüttern oder zu zerstören, im Rahmen der kriminellen Ausrichtung dieser terroristischen Vereinigung mit dem Wissen beteiligt, dass er dadurch die Vereinigung oder deren strafbare Handlungen fördert (§ 278b Abs 2 StGB iVm § 278 Abs 3 dritter Fall StGB),

indem er in dem von salafistisch-dschihadistischem Gedankengut geprägten Verein T***** – Islamischer Glaubensverein die Funktion des Obmanns ausübte, die kriminelle Ausrichtung des Vereins durch Einflussnahme auf das dort verbreitete dschihadistische und salafistische Gedankengut und die für die Rekrutierung neuer Mitglieder der terroristischen Vereinigung bzw kriminellen Organisation des Islamischen Staates maßgeblichen Entscheidungen im Verein T***** als gemeinsam mit Nihad J***** verantwortlicher Entscheidungsträger des Glaubensvereins wesentlich mitbestimmte, religiöse Schriften, die sich an der streng salafistischen Ideologie des Takfirismus des Nedzad B***** (alias Ebu M*****) orientierten, an Mitglieder des Glaubensvereins verteilte, sich an deren Radikalisierung beteiligte und sie in ihrem Vorhaben, am Dschihad teilzunehmen, bestärkte, somit psychische Unterstützung zur Stärkung der Gruppenmoral oder einzelner Mitglieder in ihrer Bereitschaft zur Ausführung von Vereinigungstaten leistete und die Ausreise von zumindest 37 Mitgliedern des Glaubensvereins T***** im August 2014 und am 20. Dezember 2014 nach Syrien mitorganisierte, damit sich diese dort der Terrororganisation Islamischer Staat anschließen;

2./ an der als Islamischer Staat bezeichneten kriminellen Organisation, welche als eine auf längere Zeit angelegte unternehmensähnliche Verbindung einer größeren Zahl von Personen das Ziel verfolgt, in Syrien und im Irak einen radikal-islamistischen Gottesstaat (Kalifat) zu errichten und zur Erreichung dieses Zieles terroristische Straftaten gemäß dem § 278c Abs 1 StGB zu begehen, somit – wenn auch nicht ausschließlich – auf die wiederkehrende geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln, Kernmaterial und radioaktiven Stoffen, gefährlichen Abfällen, Falschgeld oder Suchtmittel ausgerichtet ist, die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang anstrebt und die andere zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen versucht, durch die unter 1./ angeführten Taten im Rahmen der kriminellen Ausrichtung dieser terroristischen Organisation in dem Wissen beteiligt, dass er dadurch die Vereinigung oder deren strafbare Handlungen fördert.

Diese Verdachtslage subsumierte das Oberlandesgericht den Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (1./) und der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (2./).

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Fuat I*****.

Die Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts kann im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nach ständiger Judikatur nur nach Maßgabe der Kriterien der Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden (RIS-Justiz RS0110146, RS0112012 [T6] und RS0114488 [insbesondere T2]).

Eine Betrachtung der Verdachtslage aus der Sicht des Untersuchungshäftlings ohne konkreten Bezug zur Begründung des Oberlandesgerichts nimmt dem Obersten Gerichtshof jedoch die Möglichkeit, der Beschwerde zu erwidern (RIS-Justiz RS0112012). Die vorliegende Grundrechtsbeschwerde geht – ebenso wie jene desselben Beschuldigten zu 12 Os 3/18k – auf die Erwägungen des Beschwerdegerichts überhaupt nicht ein, sondern führt lediglich „Gegenbeweise“ zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft an.

Das Vorbringen, „die Gerichte hätten berücksichtigen müssen, dass der Beschuldigte unbescholten ist“, entzieht sich ebenfalls – worauf der Oberste Gerichtshof zu dem wortidenten Beschwerdevorbringen zu 12 Os 3/18k bereits hingewiesen hat – einer inhaltlichen Erwiderung, weil unklar bleibt, ob damit die Annahme des dringenden Tatverdachts oder der Haftgründe bekämpft werden soll.

Die unsubstantiierte Behauptung, „es geht nichts weiter“, „die U-Haft ist unverhältnismäßig lang“, wird dem Begründungsgebot des § 3 Abs 1 Satz 1 GRBG nicht gerecht, sodass sich die Grundrechtsbeschwerde auch betreffend die Verhältnismäßigkeit einer meritorischen Erledigung entzieht (RIS-Justiz RS0120790 [T1]; vgl neuerlich 12 Os 3/18k).

Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.

Textnummer

E121870

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00061.18I.0621.000

Im RIS seit

04.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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