TE Dsk BescheidWissenschaftStatistikArchiv 2018/4/9 DSB-D202.201/0003-DSB/2018

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Veröffentlicht am 09.04.2018
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Norm

DSG 2000 §14 Abs2 Z5
DSG 2000 §14 Abs2 Z6
DSG 2000 §46 Abs3
DSG 2000 §46 Abs2 Z2
DSG 2000 §4 Z2
AVG §78
BVwAbgV §1
BVwAbgV §3 Abs1
BVwAbgV TP1

Text

GZ: DSB-D202.201/0003-DSB/2018 vom 9.4.2018

 

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet-)Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

Achtung: Dieses RIS-Dokument enthält zwei sachlich zusammenhängende Bescheide, die am selben Tag zur selben Geschäftszahl ergangen sind. Der zweite Bescheid befindet sich unter dem ersten.

BESCHEID

SPRUCH

Die Datenschutzbehörde entscheidet über den Antrag der Erika A***, BA (Antragstellerin) vom 20. Dezember 2017, verbessert mit einer weiteren Eingabe vom 30. März 2018, auf Erteilung einer Genehmigung gemäß § 46 Abs. 3 DSG 2000 wie folgt:

I.       Der Antragstellerin wird die Genehmigung erteilt, für das Verfassen einer Masterarbeit an der FH U*** zum Thema „Wirksamkeitsstudie der Pflegedrehscheibe des Sozialamtes der Stadt N*** mit Fokus Case und Care Management“ die in den Falldokumentationen Case- und Caremanagement der Stadt N*** verarbeiteten Daten von Klientinnen und Klienten zu verwenden (zu speichern und auszuwerten).

II.      Zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen werden folgende Auflagen erteilt:

1.   Die Ermittlung und die Verwendung der Daten erfolgt ausschließlich durch die Antragstellerin selbst.

2.   Personenbezogene Daten werden aus den eingesehenen Datenbeständen nur im absolut unerlässlichen Ausmaß von der Antragstellerin für Zwecke des gegenständlichen wissenschaftlichen Projekts verarbeitet. Die Aufzeichnungen werden gelöscht, sobald diese für Zwecke der Ausarbeitung der besagten wissenschaftlichen Forschung nicht mehr benötigt werden.

3.   Der Zugang zu den Aufzeichnungen mit personenbezogenen Daten ist durch die Antragstellerin in geeigneter Weise entsprechend § 14 Abs. 2 Z 5 und 6 DSG 2000 abzusichern, z.B. durch Verschluss (bei Aufzeichnungen auf Papier) oder durch Passwort (bei elektronischen Aufzeichnungen).

III.    Gemäß § 78 AVG iVm §§ 1, 3 Abs. 1 und TP 1 BVwAbgV hat die Antragstellerin eine Verwaltungsabgabe in Höhe von

Euro 6,50

zu entrichten.

Rechtsgrundlagen: § 46 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, sowie § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51 idgF, iVm §§ 1, 3 Abs. 1 und TP 1 der Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983 (BVwAbgV), BGBl. Nr. 24 idgF.

BEGRÜNDUNG

A. Verfahrensgang und Feststellungen

1. Begehrt wird die Nutzung der in den Falldokumentationen Case- und Caremanagement der Stadt N*** verarbeiteten Daten von Klientinnen und Klienten, die Pflegedienstleistungen in Anspruch nehmen. Die Stadt N***, die im Wege des Sozialamtes diese Datenbestände verarbeitet, stellt diese zur Verfügung und befürwortet die Auswertung.

Die im Rahmen einer Masterarbeit an der FH U*** unter Betreuung von Prof. Dr. E*** MPH durchgeführte Arbeit dient der Evaluation des Pilotprojektes „Pflegedrehscheibe Case und Care Management“ des Sozialamtes der Stadt N*** und soll die Effektivität der Einrichtung näher beleuchten. Ziel der Masterarbeit ist, auf Einzelfallebene eine vergleichende Analyse der Case Management Fälle der Drehscheibe durchzuführen, die eine Aussage über die Effektivität der Betreuung geben soll. Dabei werden Datensätze von ca. 1.600 Personen verarbeitet und diese queranalysiert. Die tatsächlich herangezogenen Fälle bzw. personenbezogenen Daten der Klientinnen und Klienten werden schließlich codiert und die Ergebnisse als Sammelauswertung dargestellt, sodass auf einzelne Personen nicht rückgeschlossen werden kann.

Die Einholung der Zustimmung der einzelnen Betroffenen ist aufgrund der sehr hohen Anzahl (ca. 1.600 Personen) sowie der veränderten Lebenssituation angesichts der Hochaltrigkeit des Klientels (mögliches Ableben bzw. alterspsychiatrische Beeinträchtigung wie Demenz) nicht möglich.

Darüber hinaus werden Fokusgruppeninterviews mit Vertreterinnen und Vertretern aus Netzwerkpartnergruppen geführt, wobei diese eine Einwilligungserklärung für die weitere Verwendung des Interviewmaterials für die Masterarbeit unterschreiben.

2. Die Antragstellerin ist Studentin des Masterstudienganges „Integriertes Versorgungsmanagement“ an der FH U***. Sie kann auf eine 15-jährige Berufserfahrung als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin zurückgreifen. Sie ist derzeit Angestellte im Bereich strategische und operative Planung der Geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt N***. Sie hat eine Verschwiegenheitserklärung der Stadt N*** unterschrieben.

3. Es besteht ein öffentliches Interesse seitens der Stadt N*** und auch des Landes Steiermark an der Evaluation des Pilotprojektes „Pflegedrehscheibe Case und Care Management“, zumal das Land Steiermark beabsichtigt, in den Bezirkshauptmannschaften Pflegedrehscheiben zu implementieren, um die Versorgungsqualität pflege- und betreuungsbedürftiger Personen nachhaltig zu verbessern und einen längeren Verbleib im häuslichen Umfeld der Betroffenen zu gewährleisten.

4. Es ist keine Publikation der Masterarbeit vorgesehen.

5. Dem Antrag beigelegt ist eine Erklärung gemäß § 46 Abs. 3a DSG 2000 des Sozialamtes der Stadt N*** betreffend Einsichtnahme in Datenbestände des Referates ** – Pflegedrehscheibe.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Antrag sowie der Erklärung der Stadt N*** nach § 46 Abs. 3 DSG 2000.

B. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus

1. Gemäß § 46 Abs. 3 DSG 2000 ist eine Genehmigung der Datenschutzbehörde für die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und Statistik auf Antrag des Auftraggebers der Untersuchung zu erteilen, wenn

1. die Einholung der Zustimmung der Betroffenen mangels ihrer Erreichbarkeit unmöglich ist oder sonst einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeutet und

2. ein öffentliches Interesse an der beantragten Verwendung besteht und

3. die fachliche Eignung des Antragstellers glaubhaft gemacht wird.

Sollen sensible Daten ermittelt werden, muss ein wichtiges öffentliches Interesse an der Untersuchung vorliegen; weiters muss gewährleistet sein, dass die Daten beim Auftraggeber der Untersuchung nur von Personen verwendet werden, die hinsichtlich des Gegenstandes der Untersuchung einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen oder deren diesbezügliche Verlässlichkeit sonst glaubhaft ist.

a) Zum Vorliegen eines unverhältnismäßigen Aufwandes zur Einholung der Zustimmung von Betroffenen

Die Anzahl der zu kontaktierenden Personen ist einerseits sehr hoch (ca. 1.600). Andererseits ist nicht gesichert, dass diese Personen, bei denen es sich um pflegebedürfte Menschen handelt, aufgrund ihres Gesundheitszustandes sowie aufgrund ihres Alters ihre Zustimmung im Sinne des § 4 Z 14 DSG 2000 wirksam erteilen können. Gegebenenfalls wären vertretungsbefugte Personen (Sachwalter, Erwachsenenbetreuer) heranzuziehen, die der Antragstellerin jedoch nicht von vornherein bekannt sind.

Die Einholung von Zustimmungserklärungen stellt daher einen unverhältnismäßigen Aufwand dar.

b) Zum Vorliegen eines wichtigen öffentlichen Interesses an der beantragten Verwendung

Da im vorliegenden Fall sensible Daten im Sinne des § 4 Z 2 DSG 2000 verwendet werden sollen, ist ein wichtiges öffentliches Interesse an der Untersuchung nachzuweisen.

Das Forschungsprojekt befasst sich mit der Evaluation eines Pilotprojektes in N***, wobei ein Interesse des Landes Steiermark besteht, im Falle einer positiven Evaluierung ähnliche Projektes landesweit zu implementieren und die (häusliche) Pflege von Betroffenen zu verbessern. Es ist somit von einem wichtigen öffentlichen Interesse am vorliegenden Forschungsprojekt auszugehen.

c) Zur fachlichen Eignung und Verlässlich der Antragstellerin

Bei der Antragstellerin handelt es sich um eine Studentin einer einschlägigen Studienrichtung an der FH U***, die zudem auf eine langjährige Erfahrung als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin zurückgreifen kann. Derzeit ist sie in einem einschlägigen Berufsbereich tätig und hat eine entsprechende Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet.

Die beantragte Bewilligung war daher zu erteilen.

2. Die erteilten Auflagen dienen einerseits der Datenvermeidung, indem die Löschung des Personenbezugs zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgetragen wird, zum anderen der Datensicherheit bei der Verwendung der Daten, u.a. durch Beschränkung der zulässigerweise Einblick zu gewährenden Personen.

3. Ausdrücklich nicht von diesem Bescheid umfasst ist die Verwendung personenbezogener Daten aus Fokusgruppeninterviews, da diese Personen der Verwendung ihrer Daten für Zwecke der Verfassung der gegenständlichen Masterarbeit zustimmen und folglich eine Genehmigung der Datenschutzbehörde nicht erforderlich ist (§ 46 Abs. 2 Z 2 DSG 2000).

4. Der Kostenpunkt des Spruchs (Verwaltungsabgabe) stützt sich auf die zitierten Bestimmungen. Die Erteilung einer Genehmigung der Datenverwendung für wissenschaftliche Forschung und Statistik ist nicht von der Gebühren- und Abgabenbefreiungsklausel des § 53 Abs. 1 DSG 2000 umfasst.

Die Verwaltungsabgabe war gemäß § 78 Abs. 1 AVG iVm §§ 13, 53 Abs. 1 DSG 2000 vorzuschreiben. Demnach ist für Anträge nach § 13 DSG 2000 keine Befreiung von Verwaltungsabgaben normiert. [Rest gekürzt, Gebührenmitteilung]

BESCHEID

SPRUCH

Die Datenschutzbehörde entscheidet über den Antrag der Olga B***, BA (Antragstellerin) vom 20. Dezember 2017, verbessert mit einer weiteren Eingabe vom 30. März 2018, auf Erteilung einer Genehmigung gemäß § 46 Abs. 3 DSG 2000 wie folg

?    Der Antrag wird zurückgewiesen.

Rechtsgrundlagen: § 46 Abs. 2 und 3 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF.

BEGRÜNDUNG

A. Verfahrensgang und Feststellungen

1. Begehrt wird die Genehmigung der Datenschutzbehörde zur Verwendung personenbezogener Daten zur Verfassung einer Masterarbeit an der FH U*** unter Betreuung von Prof. Dr. E*** MPH zum Thema „Case und Care Management Modelle und Vergleich von Best Practices in den Regionen Steiermark, Oberösterreich, Vorarlberg.“

Im Zuge dessen sollen die gesetzlichen Rahmenbedingungen, Strukturen, Prozesse und Arbeitsweisen von drei Best Practice Case und Care Management Modellen recherchiert, erfragt und analysiert sowie anschließend verglichen werden. Weiters werden die zentralen Aussagen bzw. Ergebnisse der insgesamt neun qualitativen Experten-Interviews, die mittels Fragebogen persönlich oder telefonisch durchgeführt werden, interpretiert und generalisiert dargestellt. Die Interviewpartner haben eine Einverständniserklärung unterschrieben, wonach die weitere Verwendung des Interviewmaterials für die Masterarbeit der Antragstellerin zulässig ist. Die Daten werden in nicht-personenbezogener Form in der Masterarbeit verwertet. Klienten- bzw. klientinnenbezogene Daten [Anm. gemeint aus Datenbeständen der Stadt N*** – Pflegedrehscheibe] werden nicht verwendet.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Antrag.

B. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus

1. Gemäß § 46 Abs. 2 Z 2 dürfen Daten für Zwecke wissenschaftlicher Forschung und Statistik, die nicht unter Abs. 1 fallen, nur mit Zustimmung der Betroffenen verwendet werden.

Wie aus dem Antrag ersichtlich, stimmen die herangezogenen Interviewpartner der Verwendung ihrer Daten für Zwecke der Verfassung der Masterarbeit zu.

Dass darüber hinaus personenbezogene Daten verwendet werden sollen, ist dem Antrag nicht zu entnehmen. Die Verwendung von Daten aus der Pflegedrehscheibe wird ausdrücklich verneint.

2. Eine Genehmigung der Datenschutzbehörde ist somit nicht erforderlich, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

[Rest gekürzt, Gebührenmitteilung]

Schlagworte

Datenverwendung für wissenschaftliche Forschung und Statistik, Sozialforschung, Pflegemanagement, sensible Daten, Genehmigung der Auswertung von Falldokumentationen eines Sozialamts, Auflagen, keine Genehmigung für Befragung bei Zustimmung erforderlich

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:DSB:2018:DSB.D202.201.0003.DSB.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.07.2018
Quelle: Datenschutzbehörde Dsb, https://www.dsb.gv.at
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