Entscheidungsdatum
14.06.2018Index
41/02 StaatsbürgerschaftNorm
StbG 1985 §10 Abs1 Z6Text
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Mag. Ivica Kvasina über die Beschwerde des Herrn B. P. gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35 - Einwanderung und Staatsbürgerschaft, vom 16.06.2017, Zl. …, mit welchem der Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom 19.04.2017 gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz (StbG), abgewiesen wurde
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Antrag vom 19.04.2017, bei der belangten Behörde persönlich gestellt, begehrte der Beschwerdeführer die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.
Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid ab und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass das Einbürgerungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG vorliegen würde. Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig eine Beschwerde.
Der Verwaltungsakt wurde seitens der belangten Behörde am 04.08.2017 (einlangend) an das Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung weitergeleitet.
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Informationsverbund Zentrales Fremdenregister (IZR), das AMS Behördenportal, Strafregister, den Versicherungsdatenauszug und in das Verwaltungsstrafregister des Magistrats der Stadt Wien, durch Anfragen an die Landespolizeidirektion Wien (LPD), die belangte Behörde, Finanzstrafregister, Verkehrsamt, und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA).
Aus dem den Beschwerdeführer betreffenden Administrativakt der belangten Behörde zur Zl. …, den vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumenten und Unterlagen sowie den vom Verwaltungsgericht Wien getätigten Abfragen ergibt sich folgender, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer, Staatsbürger der Republik Bulgarien, wurde am … 1980 in T., Bulgarien, geboren und zog im Jahre 2008 nach Österreich um. Seither hält er sich ununterbrochen und rechtmäßig in Österreich auf. Er ist unbescholten und verfügt über eine Geburtsurkunde und einen gültigen Reisepass der Republik Bulgarien. Er ist mit einer bulgarischen Staatsbürgerin verheiratet, und ist für zwei Kinder sorgepflichtig.
Am 30.01.2017 hat der Beschwerdeführer die Prüfung über die Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des Landes Wien gemäß § 10a StbG erfolgreich bestanden. Laut vorgelegten Zeugnis des Universität Wien vom 16.03.2016 verfügt der Beschwerdeführer über Deutschkenntnisse auf B1–Niveau GERS.
Laut Berichten der LPD Wien liegen betreffend den Beschwerdeführer folgende Vormerkungen vor:
1.) Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien vom 9. April 2013 zur GZ:
… wurde gegen den Antragsteller wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 52 Z 2 StVO, eine Geldstrafe von EUR 70,00 verhängt. Dieser Strafverfügung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Antragsteller hat am 9. März 2013 um 15.18 Uhr in Wien, S.-platz Fahrtrichtung stadteinwärts das (mit dem) Kraftfahrzeug Kennzeichen W-4 deutlich sichtbar aufgestellte Verbotszeichen „Einfahrt verboten“ nicht beachtet.
2.) Mit Anzeige der Landespolizeidirektion Wien an die Staatsanwaltschaft Wien vom 25. Februar 2016 zur GZ: … wurde gegen den Antragsteller wegen § 83 und § 107 StGB ermittelt, dies wurde am 18. April 2016 zur GZ: … nach außergerichtlichem Tatausgleich eingestellt, somit erfolgte ein Rücktritt gemäß § 204/1 StPO.
Dieser Anzeige liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 28. Jänner 2016 um 21:13 Uhr wurden Einsatzkräfte der Polizei nach Wien, P.-gasse, beordert. Beim Eintreffen wurden die Beamten von Frau Y. P., der Ehegattin des Beschwerdeführers erwartet, die angab, dass sie und der Beschwerdeführer einen Streit hatten und er sie dabei an den Haaren riss und mit der Faust auf den Kopf schlug. Im Zuge der Einvernahme bei der Polizeiinspektion gab die Ehegattin auch an, dass sie von ihrem Ehemann gefährlich bedroht wurde. Bei der Ehegattin wurde bei einer amtsärztlichen Untersuchung eine leichte Körperverletzung festgestellt. Nach der ersten Befragung gestand der Beschwerdeführer, dass er handgreiflich gegenüber seiner Ehegattin wurde. Laut Angabe des Beschwerdeführers gab es Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und seiner Ehegattin, wobei der Beschwerdeführer sie an den Haaren am Hinterkopf festgehalten habe und in die Küche schubste, damit sie nicht vor den Kinder streiten würden. Auch die Tochter des Beschwerdeführers, Be. P., wurde befragt und gab an, dass sie während des Streites der Eltern anwesend war und auch beobachtet hat, wie ihr Vater die Mutter an den Haaren riss.
Das Verwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG Z 1 erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
§ 28 Abs. 1 und 2 VwGVG lauten:
„(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“
Gemäß § 64a Abs. 25 StbG sind zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I 68/2017, mithin dem 01.10.2017, anhängige Verfahren nach den Bestimmungen in der Fassung vor dem BGBl. I 68/2017 zu Ende zu führen.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 idF vor dem BGBl. I 68/2017 lauten:
„Verleihung
§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn
1. er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war;
2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist;
3. er nicht durch ein inländisches Gericht wegen eines Finanzvergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist;
4. gegen ihn nicht wegen des Verdachtes einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat oder eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig ist;
5. durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft die internationalen Beziehungen der Republik Österreich nicht wesentlich beeinträchtigt werden;
6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;
7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder der Fremde seinen Lebensunterhalt aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen dauerhaft nicht oder nicht in ausreichendem Maße sichern kann und
8. er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde.
(1a) Eine gemäß Abs. 1 Z 2 oder 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie in Strafregisterauskünfte an die Behörde nicht aufgenommen werden darf. Eine gemäß Abs. 1 Z 2 oder 3 maßgebliche Verurteilung liegt vor, wenn sie wegen einer Jugendstraftat erfolgt.
(1b) Nicht zu vertreten hat der Fremde seinen nicht gesicherten Lebensun- terhalt insbesondere dann, wenn dieser auf einer Behinderung oder auf einer dauerhaften schwerwiegenden Krankheit beruht, wobei dies durch ein ärztliches Gutachten nachzuweisen ist.
(2) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden nicht verliehen werden, wenn
1. bestimmte Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 Z 2, 3, 5, 8, 9 und Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, vorliegen; § 53 Abs. 5 FPG gilt;
2. er mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung mit besonderem Unrechtsgehalt, insbesondere wegen § 99 Abs. 1 bis 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, wegen § 37 Abs. 3 oder 4 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, § 366 Abs. 1 Z 1 i.V.m. Abs. 2 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, wegen §§ 81 bis 83 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991, oder wegen einer schwerwiegenden Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005, des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, des Grenzkontrollgesetzes (GrekoG), BGBl. Nr. 435/1996, oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, rechtskräftig bestraft worden ist; § 55 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG), BGBl. Nr. 52/1991, gilt;
3. gegen ihn ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung anhängig ist;
4. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;
5. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;
6. gegen ihn das mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG einhergehende Einreiseverbot weiterhin aufrecht ist oder gegen ihn in den letzten 18 Monaten eine Ausweisung gemäß § 66 FPG rechtskräftig erlassen wurde oder
7. er ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können.
(3) Einem Fremden, der eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt, darf die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden, wenn er
1. die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen unterläßt, obwohl ihm diese möglich und zumutbar sind oder
2. auf Grund seines Antrages oder auf andere Weise absichtlich die Beibehaltung seiner bisherigen Staatsangehörigkeit erwirkt.
(4) (…)
(5) Der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z 7) ist dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt vom Fremden nachgewiesen werden, wobei jedenfalls die letzten geltend gemachten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt liegen müssen. Im geltend gemachten Zeitraum müssen die eigenen Einkünfte des Fremden ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, der letzten drei Jahre entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und durch Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. Wird in den letzten geltend gemachten sechs Monaten unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt Kinderbetreuungsgeld gemäß den Bestimmungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes – KBGG, BGBl. I Nr. 103/2001, bezogen, so gilt in dem Zeitraum in dem Kinderbetreuungsgeld bezogen wird, der Lebensunterhalt jedenfalls als hinreichend gesichert.
(6) …
(7) …
Im Hinblick auf die Vormerkungen des Beschwerdeführers und die Frage, ob ein Einbürgerungshindernis gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG vorliegt, kann Folgendes festgehalten werden:
Nach § 10 Abs 1 Z 6 ist die Verleihung der Staatsbürgerschaft nur dann zulässig, wenn der Verleihungswerber nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt, noch andere in Art 8 Abs 2 EMRK genannte öffentliche Interessen (nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Gesundheit und der Moral, Schutz der Rechte und Freiheiten) gefährdet. Die zum Teil nur sehr schwer zu erklärenden Begriffe wie „bejahende Einstellung zur Republik“, „Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit“ und „öffentliche Interessen“ lassen einen weiten Interpretationsspielraum zu. Dementsprechend ist die Rechtsprechung des VwGH zur Z 6 zahlreich und kasuistisch.
Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 12.03.1968, Zl. 1274/67 ausgeführt, dass der Kompetenztatbestand „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit“ in der Weise umschrieben ist, dass er die Setzung und Vollziehung von Vorschriften, die in erster Linie der Abwehr und der Unterdrückung der allgemeinen gefahren für Leben, Gesundheit, Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung im Inneren dienen, umfasst. Bei der Beurteilung, ob eine Person mit Rücksicht auf von ihr begangene strafbare Handlungen eine Gefahr für öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit iSd Z 6 bildet, spielt keine Rolle ob sie Bundes- oder Landesgesetze übertreten hat, oder ob die Verstöße von den Gerichten oder von den Verwaltungsbehörden zu ahnden sind. Wesentlich erscheint lediglich, dass es sich um einen Rechtsbruch handelt, der den Schluss gerechtfertigt erscheinen lässt, ein Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zur Abwehr und Unterdrückung von Gefahren für Leben, Sicherheit, Gesundheit, öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Vorschriften missachten (vgl. Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1, [1969] S 78-79). Zur Erstellung der Prognose in Bezug auf das künftige Verhalten des Staatsbürgerschaftswerbers iSd Z 6 kommt es auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung an (VwGH 20.10.1999, 99/01/0228). Es spielt keine Rolle, ob es sich bei den Verstößen um eine Angelegenheit der allgemeinen Sicherheitspolizei oder einer speziellen Verwaltungspolizei handelt. Taten haben bei der nach Z 6 vorzunehmenden Beurteilung grundsätzlich dann weniger Gewicht, wenn sie weiter zurückliegen. Dabei ist auch der Zeitraum des Wohlverhaltens nach einer Straftat zu beachten (vgl VwGH 04.04.2001, 99/01/0369).
Bei Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen der Z 6 vorliegen, ist das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers zu berücksichtigen. Dieses wird wesentlich durch das Charakterbild bestimmt, welches sich aus den vom Verleihungswerber begangenen Straftaten ergibt. Handelt es sich bei diesen um einen Rechtsbruch, der den Schluss gerechtfertigt erscheinen lässt, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche zur Abwehr und Unterdrückung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Vorschriften missachten, so ist die Gefahr im Sinne der Z 6 gegeben, wobei Schutzobjekt dieser Bestimmung auch die Normen des Staatsbürgerschaftsrechtes und Passrechtes (nunmehr Fremdenrechts) sind. Bei der Prüfung der Persönlichkeit des Verleihungswerbers im Sinne der Z 6 stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab. Es sind daher auch begangene Straftaten in die Beurteilung mit einzubeziehen, hinsichtlich derer die Verurteilung bereits getilgt ist (vgl VwGH 14.01.1987, 86/01/0280).
Die Beurteilung der zwingenden Verleihungsvoraussetzung der Z 6 ist einer Ermessensübung im Sinne des § 11 vorgelagert und liegt nicht im (freien) Ermessen der Behörde (VwGH 22.08.2007, 2005/01/0067). § 11 StbG soll insbesondere als Ausdruck einer Interpretationsmaxime konzipiert sein, wonach die in Zusammenhang mit Verleihungen wesentlichen Normen des StbG so auszulegen sind, dass keine Entscheidung ohne Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des Fremden ergeht.
Wie die belangte Behörde zutreffend ausführte, knüpft § 10 Abs. 1 Z 6 StbG auch nicht an eine gerichtliche Verurteilung an, sondern an das Verhalten eines Verleihungswerbers. Auch Taten, hinsichtlich derer es zu einer Verfahrenseinstellung (nach Diversion) kommt – wie im vorliegenden Fall - gehören zum Gesamtverhalten, von dem die Staatsbürgerschaftsbehörde bei ihrer Prüfung auszugehen hat (VwGH 21.11.2013, 2013/01/0002).Wie der VwGH bereits mehrfach dargelegt hat, fallen Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit (§ 83 Abs. 1 StGB) bei der gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG zu treffenden Prognose besonders schwer ins Gewicht. Im Allgemeinen ist nach derartigen Straftaten ein ausreichend langer Zeitraum des Wohlverhaltens erforderlich, um eine positive Prognose gerechtfertigt erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 31.03.2010, 2008/01/0331, wonach vier Jahre Wohlverhalten als zu kurz gewertet wurden, ungeachtet einer diversionellen Erledigungsmöglichkeit).
Das Reißen an den Haaren und Schlagen auf den Kopf - vor allem im Beisein seines minderjährigen Kindes - zeugen von einem äußerst rücksichtslosen Verhalten des Beschwerdeführers und einer niedrigen Hemmschwelle. Zudem liegt die beschriebene Tat erst etwas mehr als zwei Jahre zurück (28.01.2016). Es kann daher keinesfalls von einem ausreichend langem Wohlverhalten gesprochen werden, ungeachtet der Tatsache, dass dies bis dato ein Einzelfall war (vgl. VwGH 25.05.2004, 2003/01/0662). Auch die Begehung von (gravierenden) Straftaten gegen Ende des Aufenthalts in Österreich - wenngleich nach langjährigem davor gelegenem Wohlverhalten - indiziert, dass sich die Persönlichkeit des Beschwerdeführers gegen Ende seines Aufenthalts zum Schlechten entwickelt hat (vgl. VwGH 19.01.2000,99/01/0377).
Der belangten Behörde kann daher insgesamt nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund der genannten Übertretungen unter Berücksichtigung insbesondere des relativ kurzen Zeitraumes seit der letzten Vormerkung keine positive Prognose zukünftigen Wohlverhaltens des Beschwerdeführers erstellt hat, zumal die letzte maßgebliche Übertretung relativ kurz (etwas mehr als ein Jahr) vor Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgte.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Verleihungsvoraussetzung, Gefahr für öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, Wohlverhalten, Prognosebeurteilung, positive Zukunftsprognose, maßgebliche Sachlage, ErmessensübungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.152.071.10867.2017Zuletzt aktualisiert am
03.07.2018