TE Vwgh Erkenntnis 2000/2/16 99/01/0092

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Veröffentlicht am 16.02.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der S B in R, geboren am 23. Juni 1971, vertreten durch Dr. Werner Posch, Rechtsanwalt in 2640 Gloggnitz, Hauptstraße 37, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. Dezember 1998, Zl. 204.081/0-III/07/98, betreffend 1. Asylgewährung und 2. Feststellung gemäß § 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin reiste am 2. Juni 1998 nach Österreich ein. Sie ist jugoslawische Staatsangehörige, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an.

Am 3. Juni 1998 beantragte die Beschwerdeführerin die Gewährung von Asyl; zu ihren Fluchtgründen befragt, gab sie im Wesentlichen an: Sie habe in Prush, einem Ort nahe Gjakova, gewohnt. Seit Anfang März 1998 sei ihr Heimatdorf mehrmals von serbischen Polizisten und Militärangehörigen beschossen worden. Alle Häuser des Dorfes seien beschädigt worden und die Bewohner hätten aus Furcht, eines Tages von den Polizisten oder Soldaten im Zuge der erwähnten Angriffe verletzt oder getötet zu werden, im Mai 1998 das Dorf verlassen.

Mit Bescheid vom 12. Juni 1998 wies die Behörde erster Instanz den Asylantrag ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Die von der Beschwerdeführerin geschilderten Ereignisse seien Ausdruck der in ihrem Heimatland herrschenden Bürgerkriegssituation. Konkrete, individuell gegen die Asylwerberin gerichtete, Verfolgungshandlungen lägen nicht vor. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien sei zulässig, da sich die vorgebrachte Bedrohungssituation nur auf einen Teil des Staatsgebietes erstrecke.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin insbesondere vor, ein staatliches Verfolgungsprogramm habe die Vertreibung aller Albaner aus dem Kosovo zum Ziel. Die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte werde erreicht, da praktisch jeder Albaner auf Grund seiner ethnischen Zugehörigkeit gefährdet sei, Opfer von Übergriffen und Misshandlungen durch die serbische Polizei oder von militärischen Angriffen zu werden.

Mit Schreiben vom 26. November 1998 hielt der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) der Beschwerdeführerin u.a. vor, seit dem Abkommen vom 13. Oktober 1998 habe sich die Polizei großteils aus den umkämpften Dörfern zurückgezogen. Die Bundesrepublik Jugoslawien habe im Kosovo 16 humanitäre Zentren eingerichtet, in welchen Serben und Albaner tätig seien. Bei der Rückkehr in den Kosovo bestehe eventuell die Gefahr von Polizeiübergriffen für UCK-Mitglieder, deren Familienangehörige, sowie für Männer aus UCK-Gebieten, da ihnen oftmals vorgeworfen werde, die UCK zu unterstützen. Für Frauen sei diese Gefahr bei einer Rückkehr nicht gegeben, da der Vorwurf der UCK-Mitgliedschaft bei Frauen nicht erfolge. Es gebe weiters keine Anhaltspunkte für Vergewaltigungen von Albanerinnen durch serbische Polizisten. Bis Jahresende sollen fünf Regionalvertretungen von OSZE-Beobachtern eingerichtet werden. Wann in jedem Dorf ein Beobachter sein werde, lasse sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sagen, vermutlich im Frühjahr 1999. Der Berufungsbehauptung, wonach im Kosovo eine Gruppenverfolgung ethnischer Albaner stattfände, könne jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gefolgt werden, da in den meisten ländlichen Gebieten die UCK die Kontrolle habe. Die für eine Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte liege nicht vor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde mit Spruchpunkt 1. die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab und stellte im Spruchpunkt 2. gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde geht selbst davon aus, dass die Beschwerdeführerin aus einem Gebiet stammt, welches seit dem Überfall vom 28. Februar 1998 auf eine reguläre Polizeipatrouille durch "albanische Separatisten" von den Reaktionen der serbischen Sonderpolizei besonders betroffen war. Sie meint jedoch, im Hinblick auf die jüngste Entwicklung im Kosovo seit dem 13. Oktober 1998 ("Holbrooke/Milosevic-Abkommen") seien die Gründe, weshalb die Beschwerdeführerin ihr Heimatland verlassen habe, weggefallen.

Die belangte Behörde lässt dabei außer Betracht, dass dem erwähnten Abkommen vom 13. Oktober 1998 monatelange Kampfhandlungen zwischen serbischen Sicherheitskräften und der UCK, die mit Übergriffen auf die albanisch-stämmige Zivilbevölkerung verbunden waren, vorangegangen sind. Vor dem Hintergrund der lange Zeit andauernden Repressionen hätte es jedoch eines längeren Beobachtungszeitraumes bedurft, um eine Prognose dergestalt vorzunehmen, wie sie von der belangten Behörde angestellt wurde. In diesem Punkt gleicht der angefochtene Bescheid im Ergebnis jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 8. September 1999, Zl. 99/01/0126, zugrunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird daher auf den diesbezüglichen Begründungsteil des genannten Erkenntnisses verwiesen.

Hinsichtlich der Entscheidung über Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides genügt es auf das hg. Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/01/0566 zu verweisen.

Aus den dort angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Februar 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999010092.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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