TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/13 W191 1313691-3

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Veröffentlicht am 13.06.2018
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Entscheidungsdatum

13.06.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §46 Abs2a
FPG §46 Abs2b
VwGVG §13 Abs2

Spruch

W191 1313691-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX alias XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Nepal, vertreten durch Migrantinnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2018, Zahl 390360904-180434447, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 46 Abs. 2a und 2b Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. stattgegeben und dieser gemäß § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein nepalesischer Staatsangehöriger, reiste am 20.10.2006 irregulär in Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG). Dabei gab er an, am 01.07.1984 geboren zu sein.

1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (in der Folge BAA) vom 09.07.2007 wurde dieser Antrag gemäß §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen und der BF gemäß § 10 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nepal ausgewiesen.

1.3. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 21.07.2011 als unbegründet ab.

1.4. Im Verfahren zur Durchführung seiner Ausreise wurde der BF am 28.10.2011 bei der Bundespolizeidirektion (BPD) Wien einvernommen. Dabei gab er an, ausreisewillig zu sein, jedoch über keine identitätsbezeugenden Dokumente zu verfügen. Zudem füllte der BF ein Formblatt zur Erlangung eines Heimreisezertifikates aus, auf dem er sein Geburtsdatum mit XXXX angab.

1.5. Am 02.12.2011 langte bei der BPD Wien eine Bestätigung der Caritas (der Erzdiözese Wien) ein, wonach der BF freiwillig in sein Heimatland zurückkehren wolle.

1.6. Am 24.09.2014 stellte der BF beim neu eingerichteten Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 56 Abs. 1 AsylG. Auch diesmal gab er sein Geburtsdatum mit XXXX an. Dem Antrag lagen diverse Unterlagen bei, u.a. die Kopie eines Reisepasses lautend auf den Namen des BF mit dem Geburtsdatum XXXX , ausgestellt am 25.02.2008 in Berlin. Außerdem lag die Kopie einer nepalesischen Geburtsurkunde, lautend auf den Namen des BF und das Geburtsdatum XXXX , bei.

1.7. Mit "Bescheid" vom 07.09.2015, Zahl C17 313.691-0/2008/10E, wies das BFA den Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG ab.

1.8. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) mit Erkenntnis vom 16.11.2017 als unzulässig zurück, da mangels einer Unterschrift durch den genehmigungsberechtigten Organwalter kein Bescheid vorgelegen sei.

1.9. Im fortgesetzten Verfahren vor dem BFA wurde der BF am 08.05.2018 niederschriftlich einvernommen. Er machte Angaben zu seinen Lebensumständen in Nepal und in Österreich. Auf die Abgabe einer Stellungnahme zu den ihm vorgelegten "aktuellen Länderfeststellungen zu Nepal" (offenbar das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA, ohne Bezeichnung und Erstellungsdatum) verzichtete der BF.

Dem BF wurde zur Kenntnis gebracht, dass sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß "§ 55 AsylG" abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen werde. Er halte sich unrechtmäßig in Österreich auf und habe das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen. Sollte er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, habe er mit Zwangsmaßnahmen (Schubhaft, Abschiebung) zu rechnen. Außerdem wurde ihm zur Kenntnis gebracht, dass er seit 01.11.2017 verpflichtet sei, sich selbst um ein Reisedokument zu kümmern, und ihm diese Verpflichtung auch mittels Mitwirkungsbescheid auferlegt werden könne.

1.10. Mit Bescheid des BFA vom 08.05.2018 wurde dem BF aufgetragen, gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments mitzuwirken, im Konkreten habe er binnen sieben Tagen ab Zustellung das beigelegte Formblatt zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates mit seinen richtigen Identitätsdaten komplett auszufüllen und an das BFA zu übermitteln. Wenn er diesem Auftrag ohne wichtigen Grund (Krankheit, Behinderung, andere wichtige Gründe) nicht Folge leiste, müsse er damit rechnen, dass eine Haftstrafe von 14 Tagen verhängt werde (Spruchpunkt I.)

In Spruchpunkt II. wurde eine aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ausgeschlossen.

In der Bescheidbegründung stellte die belangte Behörde fest, der BF gehe seit 18.12.2015 einer illegalen Beschäftigung nach und sei seiner Verpflichtung zur Ausreise bisher nicht nachgekommen, obwohl er über einen gültigen Reisepass verfüge [Anmerkung richtig: verfügt habe]. Seine Schwester halte sich in Österreich auf, jedoch sei deren Asylantrag mit Bescheid des BFA - nicht rechtskräftig - abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen worden.

Die Auferlegung der Mitwirkung sei erforderlich gewesen, um die Erfüllung der gesetzlichen Mitwirkungspflicht des BF durchsetzen zu können.

Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde sei ausgeschlossen worden, da ein überwiegendes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheides bestehe.

1.11. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben seines gewillkürten Vertreters ohne Datum fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim BVwG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit "infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften" ein.

In der Beschwerdebegründung wurde moniert, dass der BF bereits am 24.09.2014 beim BFA einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 56 Abs. 1 AsylG eingebracht habe, der bis heute nicht erledigt sei. In einem ordnungsgemäßen Verfahren wäre zunächst über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (modifiziert) gemäß § 55 AsylG abzusprechen gewesen. Mit der beabsichtigten Vorgangsweise werde der Anspruch des BF auf Berücksichtigung von Art. 8 EMRK bzw. Art. 7 der Grundrechtecharta unterlaufen.

Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde sei unverständlich, da von einer "Gefahr im Verzug" keine Rede sein könne.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA und des BAA, beinhaltend die Niederschriften der Einvernahmen des BF sowie die gegenständliche Beschwerde, und durch Einsicht in die Vorakten des BFA bzw. BAA, des Asylgerichtshofes und des BVwG.

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

3.1. Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX alias XXXX alias XXXX , ist nepalesischer Staatsangehöriger und nach seinen Angaben geschieden. Seine Ex-Gattin lebt in Österreich, ihr gemeinsames Kind bei den Eltern der Kindsmutter in Nepal.

3.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde am 21.07.2011 rechtskräftig negativ erledigt; seither hält sich der BF unrechtmäßig in Österreich auf, der BF ist seiner Verpflichtung zur Ausreise nicht nachgekommen. Aus seinen Angaben und vorgelegten Schriftstücken haben sich bisher drei verschiedene Geburtsdaten ergeben.

3.3. Der BF hat - insbesondere im Rahmen seines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 56 AsylG vom 24.09.2014 - die Ausübung von Erwerbstätigkeiten angegeben und belegt.

3.4. Der Antrag der Schwester des BF, die im Jahr 2011 den Reisepass des BF nach Nepal mitgenommen habe und im Jahr 2013 wieder nach Österreich gekommen sei, ist - nicht rechtskräftig - mit Bescheid des BFA abgewiesen (und eine Rückkehrentscheidung erlassen) worden.

4. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten samt Vorakten des BAA, des BFA, des Asylgerichtshofes und des BVwG.

5. Rechtliche Beurteilung:

5.1. Anzuwendendes Recht:

Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des AsylG in der geltenden Fassung samt jenen Normen, auf welche das FPG und das AsylG verweisen, anzuwenden.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

5.2. Rechtlich folgt daraus:

Zu Spruchteil A):

5.2.1. Die gegenständliche, zulässige und rechtzeitige Beschwerde wurde am 05.05.2018 beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage am 08.06.2018 beim BVwG eingegangen.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter.

5.2.2. Das BVwG stellt weiters fest, dass das Verwaltungsverfahren in wesentlichen Punkten rechtmäßig durchgeführt wurde, wenngleich die hinreichende Darlegung des Vorliegens von Gefahr in Verzug (siehe Behebung von Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) bezüglich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde nicht erkannt werden konnte.

5.2.3. Zur Beschwerde:

Die Beschwerde war bezüglich Spruchpunkt I. (Auftrag zur Mitwirkung) nicht geeignet, zu einem anderen Verfahrensergebnis zu führen.

Bezüglich der Frage des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid (Spruchpunkt II.) war der Beschwerde Erfolg beschieden.

5.2.4. Zu Spruchpunkt I. (Auftrag zur Mitwirkung):

§ 46 Abs. 2a und 2b lauten:

"(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA-VG gilt."

Der BF verfügt über ein abgelaufenes Reisedokument und ist seit über sechs Jahren seiner Verpflichtung zur Ausreise in sein Heimatland nicht nachgekommen. Um seine Ausreise in sein Heimatland sicherzustellen, wird ihm nun die Mitwirkung spruchgemäß aufgetragen. Da er Handlungen gesetzt hat, die geeignet waren, die Außerlandesbringung zu vereiteln, ist es zulässig, die Nichtbefolgung unter Strafe zu stellen.

Angemerkt wird, dass es sich bei Schubhaft nicht um eine Strafe handelt.

Die in Aussicht genommene Strafhaft ist ein auch vom VwGH im Einzelfall akzeptiertes Zwangsmittel (VwGH 07.11.1995, 95/05/0260).

Da die Voraussetzungen für die Erlassung des gegenständlichen Auftrages zur Mitwirkung im Verfahren vorliegen, war die Beschwerde bezüglich Spruchpunkt I. als unbegründet abzuweisen.

5.2.5. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Ausschluss der aufschiebenden Wirkung):

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid von der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen.

Was die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 13 Abs. 2 VwGVG anbelangt, entsprechen diese großteils jenen, die § 64 Abs. 2 AVG normiert (vgl. Lehhofer, Die aufschiebende Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ÖJZ 2014, 5ff.). Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zeigen, dass § 13 VwGVG weitgehend der Bestimmung des § 64 AVG nachgebildet wurde (RV 2009 BlgNR XXIV. GP). Da der Judikatur zu § 64 Abs. 2 AVG die Notwendigkeit einer Abwägung bei Gegenüberstellung öffentlicher Interessen und jener des Berufungswerbers ebenfalls zu entnehmen ist (siehe VwGH 03.07.2002, 2002/20/0078), kann damit ohne Weiteres auf diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) zurückgegriffen werden, um die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung an Hand der dort aufgestellten Kriterien zu überprüfen.

Nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 2 VwGVG hat die zuständige Behörde eine Interessenabwägung durchzuführen und darzulegen, worin die Gefahr im Verzug besteht, die einen vorzeitigen Vollzug des Bescheides dringend gebietet (Hengstschläger/Leeb, AVG, zu § 64 Rz 31). In der Interessenabwägung sind die Interessen des BF gegen die berührten öffentlichen Interessen und allfälliger weitere Parteien abzuwägen (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte [2013], § 13 VwGVG K9), wobei in einem ersten Schritt festzustellen ist, welche Interessen überwiegen. Nach der Rechtsprechung reicht das bloße Überwiegen öffentlicher Interessen aber nicht aus, um den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zu rechtfertigen; vielmehr muss dargetan werden, dass die vorzeitige Vollstreckung zur Abwendung eines gravierenden Nachteils notwendig ist (Eder/Martschin/Schmid, Verwaltungsgerichte, § 13 VwGVG K11ff.). Die Judikatur verlangt dabei eine sachverhaltsbezogene fachliche Begründung der Entscheidung (VwGH 22.03.1988, 87/07/0108), die Gefahr muss konkret bestehen (Hengstschläger/Leeb, AVG zu § 64 Rz 31).

Nach der Judikatur des VwGH zur Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 64 Abs. 2 AVG hat die Berufungsbehörde in diesem Fall zu überprüfen, ob im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gegeben waren (VwGH 29.09.2005, 2005/11/0123; 28.06.2001, 99/11/0243).

Im gegenständlichen Fall hat das BFA eine solche Gefahr im Verzug weder hinreichend dargelegt, noch ist eine solche - insbesondere angesichts des von der Behörde seit mehr als dreieinhalb Jahren nicht erledigten Antrages des BF auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 56 AsylG - zu erkennen.

Der Ausspruch betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde war daher mangels hinreichender Grundlage aufzuheben.

5.2.6. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (in der Folge GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S. 389 (2010/C 83/02), entgegenstehen.

Gemäß Art. 47 Abs. 1 GRC hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Zufolge des Abs. 2 leg. cit. hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) etwa in seinem Erkenntnis vom 14.03.2012, U 466/11, u.a. zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichthofs für Menschenrechte (EGMR) zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG, noch könne er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, stehe im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.

Übertragen auf den vorliegenden Beschwerdefall erfordert ein Unterbleiben einer Verhandlung vor dem BVwG somit, dass aus dem Akteninhalt die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar ist.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch das BFA vorangegangen. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des BVwG keine Anhaltspunkte. Vielmehr wurde im Wesentlichen den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht durch detaillierte Befragung sowie mehrmalige Belehrung der beschwerdeführenden Partei über ihre Mitwirkungspflichten nachgekommen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung des BFA festgestellt, und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Aus dem Akteninhalt ist die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar. Mit der Beschwerde wurde nichts weiteres Entscheidungsrelevante vorgebracht.

Die Behauptungen in der Beschwerde sind daher nicht geeignet, erheblich erscheinende neue Tatsachen oder Beweise (vergleiche § 10 VwGVG) darzustellen und eine Verhandlungspflicht auszulösen.

Dem BVwG liegt sohin kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem BF mündlich zu erörtern gewesen wäre.

Da der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung somit unterbleiben.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu § 46 FPG und § 13 VwGVG bzw. § 64 AVG; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen sowie eine Interessenabwägung maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall,
Mitwirkungspflicht, Reisedokument

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W191.1313691.3.00

Zuletzt aktualisiert am

29.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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