TE Bvwg Beschluss 2018/6/25 W215 2128960-2

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Veröffentlicht am 25.06.2018
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Entscheidungsdatum

25.06.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §33 Abs1

Spruch

W215 2128960-2/15E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. STARK über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Republik Tadschikistan, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.05.2016, Zahl 1071442806-150588108, beschlossen:

A)

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 07.07.2016 wird gemäß

§ 33 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Antragsteller stellte am 31.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.05.2016, Zahl

1071442806-150588108, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen wurde (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt II. wurde dem Antragsteller der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Tadschikistan nicht zuerkannt und dem Antragsteller in Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Antragstellers nach Tadschikistan gemäß

§ 46 PG zulässig ist. In Spruchpunkt IV. des Bescheides wurde ausgesprochen, dass gemäß

§ 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Laut Übernahmebestätigung wurde vergeblich versucht, den Bescheid dem Antragsteller am 25.05.2016 persönlich an seinem Wohnsitz zuzustellen und deshalb eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt. Die Hinterlegung erfolgte um 11.00 Uhr, Beginn der Abholfrist war der 25.05.2016.

Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.05.2016, Zahl 1032006407-140012632, wurde mit Schriftsatz vom 27.06.2016, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangt am selben Tag, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Zusammen mit der Beschwerde wurde eine vom Antragsteller erteilte umfassende schriftliche Vollmacht vom 03.06.2016 in Vorlage gebracht.

2. Die Beschwerdevorlage vom 28.06.2016 langte am 29.06.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit Verfahrensanordnung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.06.2016 wurde der Antragsteller aufgefordert, im Rahmen des Parteiengehörs eine schriftliche Stellungnahme zur verspäteten Einbringung der Beschwerde abzugeben.

Am 07.07.2016 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG des Antragstellers vom 07.07.2016 ein, worin unter anderem zusammengefasst ausgeführt wurde, dass die Rechtsberaterin nach einem Gespräch mit dem Antragsteller am 08.06.2016 nicht eruieren habe können, wann dem Antragsteller der Bescheid vom 21.05.2016 zugestellt worden sei. Auf Grund einer telefonischen Rückfrage beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sei ihr der "30.05.2016 als Zustelldatum mitgeteilt" (Anmerkung: wörtliches Zitat) worden und die Rechtsberaterin sei daher vom "30.05.2016 als Ende der Beschwerdefrist" ausgegangen und habe die Beschwerde "auch erst am letzten Tag dieser vermeintlichen Frist [...] also dem 30.05.2016" abgeschickt und diese sei noch am selben Tag beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangt. Mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurden zugleich die Beschwerde und die vom Antragsteller erteilte Vollmacht vorgelegt.

Am 08.07.2016 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Schreiben "Richtigstellung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" vom selben Tag ein, in dem ausgeführt wird, dass auf Grund einer telefonischen Rückfrage beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Rechtsberaterin bezüglich des Bescheides vom 21.05.2016 der "30.05.2016 als Zustelldatum mitgeteilt" worden sei. Daher sei die Rechtsberaterin vom "27.06.2016 als Ende der Beschwerdefrist" ausgegangen und habe die Beschwerde "auch erst am letzten Tag dieser vermeintlichen Frist [...] also dem 27.06.2016" abgeschickt und diese sei noch am selben Tag beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangt.

Mit Beschluss vom 13.07.2016, Zahl W215 2128960-1/3E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.05.2016, Zahl 1071442806-150588108, als verspätet und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 4 AVG als unzulässig zurück. Nachdem am 18.07.2016 ein Konvolut von Unterlagen zum Verfahren Zahl W215 2128960-1 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt war, nahm das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.07.2016, Zahl W215 2128960-2/4E, das mit Beschluss vom 13.07.2016, Zahl W215 2128960-2/3E, abgeschlossene Verfahren gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG iVm § 32 Abs. 3 VwGVG von Amts wegen wieder auf und erkannte dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 07.07.2016 gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG die aufschiebende Wirkung zu.

Mit Schreiben vom 28.07.2016 räumte das Bundesverwaltungsgericht dem Antragsteller und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Parteiengehör ein und ersuchte um Beantwortung mehrerer Fragen zum vorgebrachten Telefonat zwischen der Vertreterin des Antragstellers und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

Mit Schreiben vom 08.08.2016 gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bekannt, dass telefonische Auskünfte nicht protokolliert werden. Da im IFA Protokoll der Rückschein mit Beginn der Abholfrist unmissverständlich mit 25.05.2016 vermerkt wurde, sei mit Sicherheit keine falsche oder unmissverständliche Auskunft erteilt worden.

Mit Stellungnahme vom 16.08.2016 führte die Vertreterin des Antragstellers aus, dass sie aufgrund der Vielzahl der Gespräche nicht sagen könne, vom welchem Mitarbeiter die Auskunft erteilt worden sei; sie habe jedenfalls nach Erhalt der Auskunft das [vermeintliche] Zustelldatum auf ihrer Kopie des Bescheids vermerkt.

Mit Schreiben vom 24.08.2016 langte eine Petition der örtlichen Bevölkerung für eine positive Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ein.

Mit Schreiben vom 01.09.2016 erstattete die Vertreterin des Antragstellers eine weitere Stellungnahme und führte aus, dass das Datum der Zustellung entweder aufgrund eines Versehens falsch mitgeteilt oder die Vertreterin dieses missverstanden oder unrichtig niedergeschrieben habe. Dieser Irrtum sei jedoch dem Antragsteller nicht zuzurechnen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antragsteller stellte am 31.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der diesen Antrag abweisende Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.05.2016, Zahl 1071442806-150588108, wurde dem Antragsteller am 25.05.2016 durch Hinterlegung zugestellt.

Am 03.06.2016 suchte der Antragsteller mit dem behobenen Bescheid die ihm zugewiesene Rechtsberatungsorganisation für ein Beratungsgespräch auf und erteilte dieser am selben Tag eine umfassende Vollmacht. Da sich der Antragsteller nicht mehr an das genaue Datum der Zustellung erinnern konnte, ersuchte seine zur Vertretung bevollmächtige Rechtsberaterin das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in der Folgewoche telefonisch um Auskunft und vermerkte den 30.05.2016 als Zustelldatum. Wann, mit welchem Mitarbeiter und mit welchem genauen Inhalt das Gespräch stattfand, konnte nicht festgestellt werden; eine schriftliche Bestätigung einer allenfalls erteilten Auskunft liegt nicht vor.

Die vierwöchige Rechtsmittelfrist für die Erhebung einer Beschwerde endete am 22.06.2016. Die Beschwerde wurde am 27.06.2016 verspätet beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebracht.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt sowie den Stellungnahmen der Parteien.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Zu A)

1. Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zu Last liegt, hindert die Bewilligung zur Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 33 Abs. 3 1. Satz VwGVG).

Gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG hat bis zur Vorlage der Beschwerde über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat (§ 33 Abs. 5 VwGVG).

Der gegenständliche Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.06.2016, Zahl 1071442806-150588108, wurde dem Antragsteller durch Hinterlegung zugestellt. Der erste Tag der Abholfrist war der 25.05.2016.

Gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz, BGBl. I Nr. 200/1982 (ZustG), in der Fassung

BGBl. I Nr. 5/2008, gilt die Zustellung bei hinterlegten Dokumenten mit dem ersten Tag der Abholfrist als bewirkt, sodass gegenständlich von einer rechtswirksamen Zustellung des Bescheides am 25.05.2016 auszugehen ist.

Die vierwöchige Beschwerdefrist endete demnach mit Ablauf des 22.06.2016, weshalb die am 27.06.2016 eingebrachte Beschwerde verspätet erfolgte. Mit Zustellung des Verspätungsvorhaltes vom 29.06.2016 erlangte der Antragsteller bzw. seine Vertretung Kenntnis von der Versäumnis und brachte am 07.07.2016 - sohin innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 33 Abs. 3 1. Satz VwGVG, - den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim Bundesverwaltungsgericht ein. Da der Antrag nach Vorlage der Beschwerde eingebracht wurde, hat das Bundesverwaltungsgericht darüber mit Beschluss zu entscheiden.

2. Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung (VwGH 24.01.1996, 94/12/0179) auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann. Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt demgegenüber nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und mit zumutbarer Vorsicht auch nicht vorhergesehen werden konnte (VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214).

Ein Verschulden der Partei hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit) handelt. Eine solche liegt dann vor, wenn der Partei ein Fehler unterläuft, der gelegentlich auch einer sorgfältigen Person unterlaufen kann (VwGH 20.06.2002, 2002/20/0230), wobei an einen rechtskundigen Parteienvertreter ein höherer Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist (VwGH 22.01.2003, 2002/04/0136).

Der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund muss bereits im Wiedereinsetzungsantrag bezeichnet und sein Vorliegen glaubhaft gemacht werden. Die Partei muss also jene Umstände, durch die sie an der Vornahme der Prozesshandlung gehindert wurde, konkret beschreiben. Glaubhaftmachung bedeutet, dass die Partei Beweismittel anbieten muss, durch die die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens des Wiedereinsetzungsgrundes dargetan wird. Es ist allein das Vorliegen des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes zu prüfen. Eine amtswegige Prüfung, ob allenfalls weitere Gründe für eine Wiedereinsetzung vorliegen, ist nicht vorgesehen. Nach Ablauf der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag kann der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund auch nicht mehr ausgewechselt werden (VwGH 25.02.2003, 2002/10/0223).

Auch ein Irrtum über den Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides bzw. den Zeitpunkt der Hinterlegung eines Bescheides und der damit bewirkten Zustellung kann einen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand darstellen. Dies gilt aber nur, wenn die Unkenntnis von der ordnungsgemäßen Hinterlegung eines Schriftstücks, mit der die Zustellung bewirkt ist, nicht auf einem Verschulden der Partei beruht, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 73 mit Hinweisen auf die Judikatur).

Im vorliegenden Fall wurde der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl dem Antragsteller am 25.05.2016 rechtswirksam durch Hinterlegung zugestellt und vom Antragsteller auch innerhalb der Abholfrist behoben (Anmerkung: das ergibt sich einerseits daraus, dass im Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl [lediglich] der Rückschein betreffend die Zustellung einliegt bzw. andererseits aus dem Umstand, dass der Antragsteller am 03.06.2016 mit diesem Bescheid zu einem Beratungsgespräch bei seiner Rechtsberatung erschien). Der Antragsteller hatte somit Kenntnis von der Hinterlegung und muss aus diesem Grund jedenfalls bei Abholung des durch Hinterlegung zugestellten Bescheides auch davon in Kenntnis gewesen sein, dass ihm ein behördliches Schriftstück zugestellt wurde.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die im Bescheid enthaltene Rechtsmittelbelehrung, wonach eine Beschwerde gegen den Bescheid innerhalb von vier Wochen nach dessen Zustellung schriftlich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einzubringen ist, unstrittig auch in eine vom Antragsteller verständliche Sprache übersetzt worden war. Da aus der Rechtsmittelbelehrung die Zulässigkeit und die Art des zur Verfügung stehenden Rechtsmittels sowie die Einbringungsbehörde und die Dauer der Frist hervorgehen und das Zustelldatum besondere Bedeutung für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist hat, trifft den Antragsteller diesbezüglich eine erhöhte Sorgfaltspflicht (VwGH 07.08.2001, 98/18/0068). Hat es eine der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtige Partei verabsäumt, diesbezüglich entsprechende Erkundigungen einzuholen, trifft sie ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden (vgl. VwGH 12.12.1997, 96/19/3394; 10.5.2000, 95/18/0972).

Ein Irrtum über den Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides bzw. den Zeitpunkt der Hinterlegung und der damit bewirkten Zustellung kann in diesem konkreten Fall keinen auf einem minderen Grad des Versehens beruhenden Wiedereinsetzungsgrund darstellen, da es beim Antragsteller liegt, sich das Datum der Zustellung zu notieren oder eine Kopie oder Fotografie der Verständigung anzufertigen. Im vorliegenden Fall führte das sorglose Verhalten des Antragstellers zunächst dazu, dass seine zur Vertretung bevollmächtigte Rechtsberaterin im Beratungsgespräch das genaue Zustelldatum nicht eruieren konnte.

Gegenständlich wurde geltend gemacht, dass die Rechtsberaterin daraufhin um telefonische Auskunft beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gebeten und ihr die Einlaufstelle des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Datum 30.05.2016 als Zustelldatum mitgeteilt haben soll. Aus diesem Grund habe die Rechtsberaterin die Beschwerde am vermeintlich letzten Tag der Frist, dem 27.06.2016, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebracht. Aus der Sicht des Antragstellers sei ihm selbst der Irrtum über das wahre Zustelldatum, dem die Rechtsberaterin unterlegen sei, nicht zuzurechnen.

Nach der zu § 71 Abs. 1 AVG ergangenen und - insoweit auf § 33 Abs. 1 VwGVG übertragbaren - Rechtsprechung ist das Verschulden des Vertreters dem Verschulden des vertretenen Wiedereinsetzungswerbers gleichzusetzen. Es hat dieselben Rechtswirkungen wie das Verschulden der Partei. Der Machtgeber muss sich das Verschulden des Machthabers zurechnen lassen. Das Verschulden, welches den Bevollmächtigten der Partei trifft, ist so zu behandeln, als wäre es der Partei selbst unterlaufen, gleichgültig ob der Wiedereinsetzungswerber von einem Rechtsanwalt oder sonst einer Vertrauensperson vertreten wird (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 71 Rz 44, samt zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur). Es ist somit davon auszugehen, dass immer dann, wenn ein Fremder das - wie erwähnt auch als Vollmachtserteilung zu verstehende - Ersuchen um Vertretung im Sinn des BFA-VG an die mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Person richtet oder (wie hier) der juristischen Person (zudem) schriftlich ausdrücklich Vollmacht erteilt, dem Fremden das Handeln des sodann von der juristischen Person konkret mit der Durchführung seiner Vertretung betrauten Rechtsberaters - wie bei jedem anderen Vertreter - zuzurechnen ist (vgl. VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0013).

In Anbetracht der Bedeutung von Rechtsmittelfristen trifft jede Partei in Bezug auf deren Einhaltung eine erhöhte Sorgfaltspflicht (vgl. VwGH 19.12.1996, 95/11/0187). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stellt es ein sorgfaltswidriges Verhalten dar, wenn bei der telefonischen Übermittlung des Zustelldatums eines Bescheides keine Maßnahmen zur unmittelbaren Kontrolle der Richtigkeit des Zustelldatums getroffen wurden, etwa durch Einholung einer schriftlichen Bestätigung des telefonisch durchgegebenen Zustelldatums, weil bei der telefonischen Übermittlung von Daten Hörfehler oder andere Fehler und Missverständnisse nicht ausgeschlossen werden können (vgl. VwGH 23.02.2005, 2001/14/0021; VwGH 26.05.1999, 99/03/0029; VwGH 13.12.1989, 89/03/0091).

Im Sinne dieser Judikatur wäre es zwecks Kontrolle der Richtigkeit des Zustelldatums und zur Vermeidung von Missverständnissen an der Vertreterin gelegen, eine schriftliche Bestätigung - etwa mittels Email - eines allfällig telefonisch durchgegebenen Zustelldatums einzuholen. Entgegen der Ansicht des Antragstellers und gemäß der oben dargestellten Judikatur ist dem Antragsteller auch das Handeln seiner zur Vertretung bevollmächtigten Rechtsberaterin - wie bei jedem anderen Vertreter - zuzurechnen (vgl. VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0013).

Ein Außerachtlassen der im Verkehr mit Gerichten bzw. Behörden erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt in einem Maß, wie es auf Seiten des Antragstellers bzw. seiner Vertreterin erfolgte, kann nicht als minderer Grad des Verschuldens bezeichnet werden (vgl. VwGH 20.04.2001, 98/05/0083, mwN). Aus diesen Gründen ist das im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand enthaltene Vorbringen nicht geeignet, das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes glaubhaft zu machen.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Eine Verhandlung im Verfahren über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde weder vom Wiedereinsetzungswerber beantragt noch hält das Bundesverwaltungsgericht eine solche gemäß § 24 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2017, aufgrund der klaren Aktenlage für erforderlich. Es konnte daher von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß

§ 24 Abs. 4 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2017, Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal das Bundesverwaltungsgericht den Verfahrensparteien schriftliches Parteiengehör gewährt hat, welches wahrgenommen wurde. Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 (VwGG), in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im konkreten Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, in der Fassung

BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dieser Beschluss beschäftigt sich mit der Tatsache, dass und warum der Antragsteller die Beschwerdefrist versäumt hat und es ergaben sich im Lauf des Verfahrens keine Hinweise auf das Vorliegen von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung. Weder weicht der gegenständliche Beschluss von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe dazu die rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im Übrigen treffen § 17 Abs. 3 ZustG, in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008 und § 33 Abs. 1 VwGVG klare im Sinne eindeutiger Regelungen (vgl. OGH 22.03.1992, 5 Ob 105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Fristversäumung, Rechtsmittelfrist, Sorgfaltspflicht, Verschulden,
Verschulden des Vertreters, Wiedereinsetzung,
Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W215.2128960.2.00

Zuletzt aktualisiert am

03.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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