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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 Bewertung bestimmter Sachbezüge 2002 §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der T G.m.b.H. in W, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Nikolaus, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1130 Wien, St. Veit-Gasse 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 26. April 2011, Zl. RV/3420- W/10, betreffend Haftung für Lohnsteuer und Festsetzung des Dienstgeberbeitrages samt Zuschlag für die Jahre 2006 bis 2008 sowie Säumniszuschläge, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Bei der beschwerdeführenden GmbH, deren Betriebsgegenstand der Vertrieb und die Instandhaltung medizinischer Geräte ist, fand 2009 eine die Streitjahre 2006 bis 2008 betreffende Außenprüfung statt. Im Bericht darüber vom 3. August 2010 wurde in Bezug auf sechs Dienstnehmer (B, F, K, M, S und Sch) ausgeführt, die "Überprüfung der Fahrtenaufzeichnungen, die überwiegend den Reiseunterlagen zu entnehmen waren," habe "in Verprobung mit den relevanten Tankkartenabrechnungen erhebliche Mängel" ergeben, die "eine Ordnungsmäßigkeit der Fahrtenaufzeichnungen widerlegten, sodass der in der korrespondierenden Lohnverrechnung berücksichtigte (halbe) Sachbezugswert zu berichtigen war". Eine Liste der Mängel sei der steuerlichen Vertretung schon übergeben worden.
Gestützt auf diesen Bericht erließ das Finanzamt unter Heranziehung jeweils des "vollen Sachbezugswertes" Bescheide über die Haftung der Beschwerdeführerin für Lohnsteuer, die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages samt Zuschlag und Säumniszuschläge.
In ihrer Berufung gegen diese Bescheide ließ die Beschwerdeführerin die den Dienstnehmer Sch betreffenden Feststellungen unbekämpft. In Bezug auf den Dienstnehmer S machte sie geltend, dieser habe im strittigen Zeitraum (2006 sowie Jänner bis September 2007) keine Privatfahrten mit dem Firmen-PKW durchgeführt, sondern alle Privatfahrten mit seinem Privat-PKW erledigt. Im Oktober 2007 habe sich dies geändert, weil sich der Dienstnehmer von seiner Frau getrennt und ihr den Privat-PKW überlassen habe. Von da an sei der "volle Sachbezugswert" zugrunde gelegt worden. In Bezug auf die vier übrigen Dienstnehmer machte die Beschwerdeführerin geltend, deren Privatfahrten hätten das für die Heranziehung des "halben Sachbezugswertes" geltende Höchstmaß in den jeweils strittigen Zeiträumen nicht überschritten. Die mit Beilagen 416 Seiten umfassende Berufung enthielt auch detaillierte Erwiderungen auf die Beanstandungen des Prüfers, wobei Mängel im Detail zum Teil zugestanden wurden. In rechtlicher Hinsicht wurde mit Hinweis auf Rz 177 der Lohnsteuerrichtlinien 2002 und das dort zitierte hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2001, 2001/15/0191, geltend gemacht, der Nachweis der Nichtüberschreitung des erwähnten Höchstmaßes müsse nicht in der Form eines Fahrtenbuches erbracht werden. Zulässig sei auch, die gesamte jährliche Kilometerleistung um die durch Reiserechnungen oder Reiseberichte nachgewiesenen Dienstfahrten zu vermindern, um festzustellen, ob die verbleibende Kilometerzahl den Grenzwert übersteige. Für den vorliegenden Fall bedeute das, wie am Beispiel des Dienstnehmers B demonstriert wurde, dass der "halbe Sachbezugswert" richtig sei, weil auch die durch eine solche Berechnung bewirkte Hinzurechnung "zweifelhafter" Fahrten nicht zur Überschreitung der Höchstgrenze führe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie legte in ihren Erwägungen zunächst dar, die vorgelegten Anstellungsverträge enthielten ein ausdrückliches Verbot von Privatfahrten mit den Firmenfahrzeugen. Der nicht durch geeignete Urkunden belegten Auffassung der Beschwerdeführerin, Privatfahrten seien auf näher beschriebene Weise erlaubt worden, könne nicht gefolgt werden. Das in den Anstellungsverträgen enthaltene Verbot sei allenfalls umgangen worden, "steuerrechtlich" sei für die "Zuerkennung des halben Sachbezugswertes" aber "ein Nachweis erforderlich".
Zum Nachweis des Ausmaßes der Privatfahrten bei den Dienstnehmern B, F, K und M zitierte die belangte Behörde mit dem Hinweis, die "Ausführungen in den BFH Erkenntnissen" deckten sich "mit der österreichischen Rechtsansicht", aus Judikatur des Bundesfinanzhofes über "Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch". Dem folgten vier Abschnitte über Mängel in den zu den Fahrten dieser vier Dienstnehmer vorgelegten Aufzeichnungen, die jeweils in die Schlussfolgerung mündeten, die vorgelegten Unterlagen stellten "keinen geeigneten Nachweis" dar, "dass von der Bw. zu Recht der halbe Sachbezugswert angesetzt wurde" (Dienstnehmer B), bzw. "um den halben Sachbezugswert anzusetzen" (Dienstnehmer F, K und M).
Zum Dienstnehmer S legte die belangte Behörde dar, die "Tatsache", dass "der Dienstnehmer ein Privatauto besitzt und er deshalb alle Privatfahrten mit diesem unternommen hätte, schließt nicht aus, dass mit dem Firmenfahrzeug Privatfahrten durchgeführt worden sind". Auch das - dem Vorwurf, der letzte Ort der Dienstreisen sei in die Berichte jeweils nicht eingetragen worden, entgegen gehaltene - Argument, das Fahrzeug sei nach Dienstfahrten auf dem Firmenparkplatz abgestellt worden, weil der Dienstnehmer in der Nähe gewohnt und für den Heimweg ein Fahrrad benützt habe, vermöge "wenig zu überzeugen", weil keine Notwendigkeit für ein solches Vorgehen erkennbar sei. Der Firmensitz der Beschwerdeführerin liege in einem "kleinen Ort" (Wiener Neudorf), und in kleineren Gemeinden herrsche "nach der allgemeinen Lebenserfahrung kein Parkplatzmangel". Zu dem in Bezug auf eine bestimmte Eintragung (fehlerhafte Verteilung einer zweitägigen Dienstreise auf die beiden Tage) geltend gemachten "Verrutschen" in der Zeile führte die belangte Behörde aus, dies erscheine "bei fortlaufender Führung" der Aufzeichnungen "unmöglich" und "könnte" - wenn es doch dazu käme - "sofort korrigiert werden".
Die weiteren Ausführungen zu diesem Dienstnehmer lauteten:
"Auch die Ausführungen zum 7. Dezember 2007 (gemeint: 2006), dass versehentlich die Fahrt zum Kunden nach Linz nicht in die Reiserechnung aufgenommen wurde, kann im Hinblick auf die Ausführungen des steuerlichen Vertreters, dass am Ende der Dienstreise die Eintragung erfolgte und demnach dem Dienstnehmer die Reiseroute noch in Erinnerung gewesen sein musste, kein Versehen erblickt werden.
Durch die aufgezeigten Mängel der vorgelegten Aufzeichnungen stellen die Unterlagen keinen geeigneten Nachweis dar, den halben Sachbezugswert anzusetzen."
An diese die einzelnen Dienstnehmer betreffenden Erwägungen schloss die belangte Behörde noch den Hinweis, der Verwaltungsgerichtshof habe "schon wiederholt ausgesprochen", bei unbestrittener privater Verwendung des Fahrzeugs erfordere der in § 4 Abs. 2 der Sachbezugsverordnung geforderte Nachweis eine konkrete Behauptung der für Privatfahrten zurückgelegten Kilometer und die Beibringung geeigneter Beweismittel. Im vorliegenden Fall habe die Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt, dass "die Dienstnehmer" die Firmenfahrzeuge für Privatfahrten verwendet hätten. Die vorgelegten Unterlagen entsprächen auf Grund der aufgezeigten Mängel aber "bei weitem nicht den Anforderung(en) der Rechtsprechung", wie sie von der belangten Behörde aus den Ausführungen des Bundesfinanzhofes zum "ordnungsgemäßen Fahrtenbuch" zitiert worden waren und hier abschließend wiederholt wurden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 4 Abs. 1 der zu § 15 Abs. 2 EStG 1988 ergangenen Verordnung über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge ab 2002, BGBl. II Nr. 416/2001, ist ein Sachbezug von 1,5 % der tatsächlichen Anschaffungskosten des Kraftfahrzeuges, dessen nähere Bestimmung der Höhe nach im vorliegenden Fall nicht strittig ist, anzusetzen, wenn für den Arbeitnehmer "die Möglichkeit" besteht, "ein arbeitgebereigenes Kraftfahrzeug für nicht beruflich veranlasste Fahrten einschließlich Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu benützen".
Gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung ist ein Sachbezugswert im halben Betrag anzusetzen, wenn "die monatliche Fahrtstrecke für Fahrten im Sinne des Abs. 1 im Jahr nachweislich nicht mehr als 500 km" beträgt. Unterschiedliche Fahrtstrecken in den einzelnen Lohnzahlungszeiträumen sind unbeachtlich.
Der dritte Absatz der Bestimmung sieht die Möglichkeit vor, in bestimmten Fällen noch niedrigere Sachbezugswerte anzusetzen. Voraussetzung ist hier, "dass sämtliche Fahrten lückenlos in einem Fahrtenbuch aufgezeichnet werden".
Für den Beschwerdefall ist im Hinblick auf die einleitende Erwägung der belangten Behörde zunächst festzuhalten, dass die vom Dienstgeber zugestandene Erlaubnis von Privatfahrten nicht Gegenstand des nach § 4 Abs. 2 der Verordnung zu führenden Nachweises ist und eine unzureichende Dokumentation der Erlaubnis nicht dazu führt, dass statt eines Sachbezugswertes nach Abs. 2 ein solcher nach Abs. 1 anzusetzen ist.
Streitpunkt ist hinsichtlich des Dienstnehmers S - auch wenn dies in den abschließenden Erwägungen der belangten Behörde nicht mehr zum Ausdruck kommt - die Behauptung, das ihm zur Verfügung gestellte Fahrzeug sei während des strittigen Zeitraums nicht privat benützt worden. Ein solches Vorbringen ist entscheidungserheblich, weil die Bezugnahme auf eine "Möglichkeit" in § 4 Abs. 1 der Verordnung nicht so zu verstehen ist, dass es auf die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit nicht ankäme. Ein Sachbezugswert ist nur anzusetzen, wenn nach der Lebenserfahrung auf Grund des Gesamtbildes der Verhältnisse anzunehmen ist, dass der Arbeitnehmer die eingeräumte Möglichkeit - wenn auch nur fallweise - nützt (vgl. in diesem Sinn das zu einer insoweit inhaltsgleichen früheren Verordnung ergangene hg. Erkenntnis vom 7. August 2001, 97/14/0175; seither etwa auch das Erkenntnis vom 15. November 2005, 2002/14/0143). Steht Dienstnehmern ein Privat-PKW zur Verfügung, so liegt eine Privatnutzung der Firmen-PKW nicht unbedingt nahe (vgl. das Erkenntnis vom 26. Februar 2003, 99/13/0157, und auch schon das Erkenntnis vom 30. Mai 1995, 92/13/0200). Dass und warum im vorliegenden Fall davon auszugehen sei, der Dienstnehmer S habe das ihm von der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellte Fahrzeug im strittigen Zeitraum auch für Privatfahrten benützt, ist der Detailkritik der belangten Behörde an den Aufzeichnungen über seine Dienstfahrten nicht schlüssig zu entnehmen. Die belangte Behörde hat gar nicht festgestellt, dass Privatfahrten stattgefunden hätten. Die am Schluss aufgestellte Behauptung, dies stehe außer Streit, ist in Bezug auf diesen Dienstnehmer aktenwidrig.
In Bezug auf die Dienstnehmer B, F, K und M hatte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2001, 2001/15/0191, geltend gemacht, der in § 4 Abs. 2 der Verordnung geforderte Nachweis ("nachweislich") müsse nicht durch ein Fahrtenbuch erbracht werden (wie dies der dritte Absatz der Bestimmung für die dort geregelten Fälle vorsieht). Die belangte Behörde ist darauf nicht ausdrücklich eingegangen und hat der Beschwerdeführerin deutsche Judikatur zum "ordnungsgemäßen Fahrtenbuch" entgegengehalten. Sie hat sich mit den vorgelegten andersartigen Unterlagen dessen ungeachtet auseinander gesetzt und ihre Entscheidung nicht darauf gestützt, es habe sich nicht um Fahrtenbücher gehandelt.
Nicht eingegangen ist die belangte Behörde dabei aber auf das weitere Argument der Beschwerdeführerin, es komme nur darauf an, dass der in § 4 Abs. 2 der Verordnung genannte Wert nicht überschritten worden sei, und dieser Nachweis sei erbracht, wenn die Differenz zwischen der Gesamtzahl der gefahrenen Kilometer und der Zahl der nachweislich für beruflich veranlasste Fahrten zurückgelegten Kilometer den in der Verordnung genannten Wert nicht überschreite. Die Beschwerdeführerin hat dazu - anders als etwa die beschwerdeführenden Gesellschaften in den mit den hg. Erkenntnissen vom 18. Dezember 2001, 2001/15/0191, und vom 23. November 2004, 2001/15/0083, entschiedenen Fällen - im Verwaltungsverfahren auch ausreichend konkrete Behauptungen aufgestellt, an der Wahrheitsfindung mitgewirkt und Beweismittel vorgelegt, deren Eignung unter dem Gesichtspunkt des in § 4 Abs. 2 der Verordnung aufgestellten Erfordernisses zu prüfen gewesen wäre. Die belangte Behörde hat die von ihr kritisierten, von der Beschwerdeführerin zum Teil auch zugestandenen Fehler in den Aufzeichnungen aber nicht in ein mengenmäßiges Verhältnis zur Gesamtkilometerzahl gesetzt, im Ergebnis daher "lückenlose" Nachweise gefordert und damit den Maßstab der gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung vorzunehmenden Prüfung verkannt.
Der angefochtene Bescheid war schon deshalb ohne Auseinandersetzung mit der Schlüssigkeit der die strittig gebliebenen Punkte der Aufzeichnungen betreffenden Argumente der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 24. September 2014
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2011130074.X00Im RIS seit
28.06.2018Zuletzt aktualisiert am
28.06.2018