TE Vwgh Beschluss 2018/5/16 Ra 2018/04/0103

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Veröffentlicht am 16.05.2018
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, in der Rechtssache der G Ges.m.b.H. in M, vertreten durch Dr. Martin Leitner und Dr. Ralph Trischler, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Lindengasse 38/3, betreffend den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 28. Februar 2018, Zl. LVwG-314-5/2017-R5, betreffend vergaberechtliches Feststellungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Gemeindeverband V), und die Revision gegen das genannte Erkenntnis den Beschluss gefasst:

Spruch

I. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

II. Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 28. Februar 2018 wies das Verwaltungsgericht den Antrag der Revisionswerberin auf Feststellung, dass der Zuschlag in dem Vergabeverfahren betreffend Beschaffung von Hygienepapier der mitbeteiligten Partei wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz oder hierzu ergangener Verordnungen nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde, zurück.

2 2. Ausgehend von einer verspäteten Revisionserhebung - die Zustellung an den Vertreter der Revisionswerberin erfolgte am 1. März 2018, die außerordentliche Revision wurde per E-Mail am 13. April 2018 eingebracht - brachte die Revisionswerberin am 27. April 2018 beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG ein.

3 Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wird vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis sei dem Rechtsvertreter der Revisionswerberin am 1. März 2018 per Fax übermittelt worden. An diesem und am folgenden Tag sei der für die Bearbeitung zuständige Rechtsanwaltsanwärter wegen Urlaubs zur Prüfungsvorbereitung betreffend die mündliche Rechtsanwaltsprüfung nicht anwesend gewesen. Dieser sei erst wieder am Montag den 5. März 2018 im Büro gewesen. Infolge der hohen psychischen Druck- und Belastungssituation sei der Rechtsanwaltsanwärter irrtümlich von einer Zustellung am 5. März 2018 ausgegangen und hätte dies zugrunde legend die Frist für die Erhebung der Revision mit 16. April 2018 eingetragen.

4 Erst mit Vorlage des Entwurfs des Revisionsschriftsatzes habe der Vertreter der Revisionswerberin Kenntnis von der Säumnis und vom Wiedereinsetzungsgrund erlangt. Es sei in der Vergangenheit nie zu einer falschen Fristvormerkung durch den Rechtsanwaltsanwärter gekommen. Grundsätzlich würden die von ihm vorgenommenen Fristvormerkungen auch geprüft. Der Umstand, dass ein an sich zuverlässiger juristischer Mitarbeiter infolge einer psychischen Ausnahmesituation wegen der bevorstehenden Prüfung bei der Berechnung der Frist einen Fehler begehe, stelle für den Vertreter der Revisionswerberin ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis dar, das nicht auf ein Organisationsverschulden zurückzuführen sei. Allenfalls liege ein minderer Grad des Versehens vor.

5 3. Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

6 Bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss sich die Partei das Verschulden des sie vertretenden Rechtsanwaltes zurechnen lassen. Ein Verschulden, das den Bevollmächtigten einer Partei trifft, ist so zu behandeln, als wenn es der Partei selbst unterlaufen wäre (vgl. VwGH 20.01.2016, Ra 2015/04/0098, mwN). Dabei ist an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0229).

7 Auch im Falle eines die Versäumung einer Antragstellung verursachenden Verhaltens eines Rechtsanwaltsanwärters ist zu prüfen, ob den bevollmächtigten Rechtsanwalt selbst ein Verschulden trifft (vgl. den hg. Beschluss vom 27. Mai 2014, 2014/16/0002, mwN).

8 Fallbezogen ist auch unter Berücksichtigung des Ausbildungsstandes des Konzipienten eine Nachkontrolle für die richtige Kalendierung einer Frist erforderlich. Im Wiedereinsetzungsantrag wird zwar eine grundsätzliche Kontrolle der Fristen behauptet. Es wird indes nicht dargelegt, welche konkreten Kontrollmechanismen der Vertreter der Revisionswerberin im Zusammenhang mit den zu wahrenden Fristen vorgesehen hat.

9 Insbesondere ist dem Vertreter des Revisionswerbers anzulasten, in der wegen des feststehenden Termins für die Rechtsanwaltsprüfung sehr wohl vorhersehbar angespannten Situation des Rechtsanwaltsanwärters keine entsprechenden Kontrollmaßnahmen getroffen zu haben.

10 Da das Versehen des Vertreters des Revisionswerbers somit den minderen Grad des Verschuldens übersteigt, war der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

11 4. Bei diesem Ergebnis war die Revision wegen Versäumung der Revisionsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG durch Beschluss in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 16. Mai 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018040103.L00

Im RIS seit

29.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

06.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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