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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des A F, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. August 2017, Zl. W255 2167072- 1/9E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 31. Mai 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Mit Bescheid vom 21. Juli 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel nach § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass dessen Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Das BFA hielt fest, dass dem Revisionswerber gemäß § 55 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz (FPG) keine Frist für die freiwillige Ausreise zur Verfügung stehe (Spruchpunkt IV.) und erkannte einer Beschwerde gegen den genannten Bescheid die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.). Über den Revisionswerber wurde außerdem gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Z 1 FPG ein Einreiseverbot in der Dauer von sechs Jahren verhängt (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 und 2 AsylG 2005 festgestellt, dass der Revisionswerber sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 15. November 2016 verloren habe (Spruchpunkt VII.).
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Spruchpunkte I., II., III., IV., V. und VII. des angefochtenen Bescheides als unbegründet ab, gab der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VI. statt und behob diesen Spruchpunkt betreffend das gegen den Revisionswerber erlassene Einreiseverbot ersatzlos (Spruchpunkt A). Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das BVwG für nicht zulässig (Spruchpunkt B).
4 Begründend führte das BVwG u.a. aus, der Revisionswerber sei sunnitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Er sei in der Stadt Taluqan, Provinz Takhar, geboren und aufgewachsen. Laut eigenen Angaben habe der Revisionswerber selbst nie Kontakt mit den Taliban gehabt, sondern sei aufgrund der Aktivität der Taliban in Kunduz besorgt gewesen, dass diese auch in Taluqan aktiv und erfolgreich sein würden. Im gegenständlichen Fall fehle es gänzlich an konkreten Anhaltspunkten, warum ausgerechnet der Revisionswerber im Falle der Rückkehr einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban ausgesetzt sein sollte. Da der Revisionswerber seinen Heimatort zum aktuellen Zeitpunkt nicht sicher erreichen könne, komme eine Rückkehr dorthin nicht infrage, dem Revisionswerber sei jedoch eine Rückkehr in die Stadt Kabul möglich und auch zumutbar. Zwar stehe der Revisionswerber erst kurz vor Erreichen der Volljährigkeit, sei jedoch gesund und im erwerbsfähigen Alter. Er habe acht Jahre die Schule besucht, einen Cousin in dessen Schneiderei unterstützt und spreche Dari, Paschtu und Usbekisch. Er habe sein gesamtes Leben, mit Ausnahme der vergangenen eindreiviertel Jahre, in Afghanistan verbracht. Zudem habe er in Afghanistan ein soziales Netzwerk, insbesondere einen Bruder in Kabul. Die finanzielle Situation der Familie sei laut Angaben des Revisionswerbers gut, der Vater beziehe eine Pension vom Staat, die ausreiche, um die Familie zu versorgen. Insgesamt gäbe es keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Revisionswerber bei einer Rückkehr einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, die nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Februar 2018, E 3442/2017-19, dem Verwaltungsgerichtshof unter einem zur Entscheidung abgetreten wurde.
6 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit geltend gemacht, das BVwG habe die negative Feststellung zur Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban damit begründet, dass der Revisionswerber die Zwangsrekrutierung nicht selbst konkret vorgebracht habe, sondern diese nur von seiner rechtsfreundlichen Vertretung schriftlich vorgebracht worden sei. Damit treffe das BVwG eine deutliche Unterscheidung betreffend die Bedeutung und Glaubwürdigkeit des Vorbringens dahingehend, ob es von einem minderjährigen Asylwerber selbst, oder aber von dessen gesetzlicher Vertretung erstattet worden sei. Folglich scheine das BVwG das Wesen der gesetzlichen Vertretung zu verkennen und zudem vom Prinzip der freien Beweiswürdigung abzuweichen. Im Ergebnis habe das BVwG eine gesetzwidrige Beweiswürdigung vorgenommen.
Die Revision erweist sich als nicht zulässig.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Der Verwaltungsgerichtshof ist - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0307, mwN).
11 Derartige Mängel der Beweiswürdigung des BVwG vermag die Revision nicht darzulegen. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass sich das BVwG beweiswürdigend nicht tragend darauf stützte, dass das Vorbringen zur Gefahr einer Zwangsrekrutierung nur von der rechtsfreundlichen Vertretung des Revisionswerbers erstattet worden sei. Dieser, von der Revision herausgegriffene Aspekt der Beweiswürdigung, erfolgte lediglich im Zusammenhang damit, dass der Revisionswerber selbst kein hinreichend konkretes Vorbringen zur behaupteten Zwangsrekrutierung erstattet habe. Im Übrigen zeigen die Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf.
12 Der Revisionswerber hat einen Bruder, der in Kabul lebt und arbeitet, zu dem er regelmäßigen Kontakt hat. Die Einschätzung des BVwG, der gesunde, arbeitsfähige Revisionswerber, der eine 8- jährige Schulbildung absolviert und einen familiären Anknüpfungspunkt in Kabul hat, finde aufgrund der aufgezeigten Umstände des Einzelfalls in Kabul eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative vor, begegnet im Ergebnis keinen Bedenken und ist in diesem Zusammenhang eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ersichtlich (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001, mwN; vgl. auch VfGH 12.12.2017, E 2068/2017).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 30. Mai 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180268.L00Im RIS seit
03.07.2018Zuletzt aktualisiert am
11.07.2018