Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1. A***** W*****, 2. B***** G*****, 3. C***** G*****, 4. D***** G*****, alle vertreten durch Mag. Wolfgang Gartner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A***** GmbH, *****, 2. G***** AG, *****, diese vertreten durch Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, und deren Nebenintervenientin S***** AG, *****, vertreten durch Beer & Steinmair Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 243.799,38 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. August 2017, GZ 5 R 21/17w-89, mit dem der Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 28. November 2016, GZ 12 Cg 144/11p-84, nicht Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 2.864,95 EUR (darin 477,49 EUR an Umsatzsteuer) und deren Nebenintervenientin die mit 2.862,43 EUR (darin 477,07 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Erstbeklagte suchte im Jahr 2002 für ihre Geschäftstätigkeit eine Haftpflichtversicherung. Sie beauftragte die D***** Gesellschaft mbH & Co KG (folgend: Maklerin) mit der Suche nach einem Vertragspartner. Die Maklerin wandte sich daraufhin an einige Versicherungsunternehmen, ua auch an die Zweitbeklagte, mit folgendem Ausschreibungskonzept:
„Risikobeschreibung: Beratung über die Veranlagung von Kundenvermögen, Verwaltung von Kundenportefeuilles, Vermittlung von Geschäftsgelegenheiten (Erwerb, Veräußerung) gemäß § 1 Abs 1 Z 7 lit b-f BWG; Umsatzdaten:
Beratung: EUR 16.400,--,
Vermittlung: EUR 240.800,--;
Vertragsdauer: 10 Jahre;
Versicherungssumme: EUR 1,453.456,-- pauschal für Personen-, Sach- und sonstige Schäden;
Aggregatlimit: 2-fach;
Vertragsgrundlagen: AVBV – Allgemeine Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden; [...]
Nachhaftung: 7 Jahre“.
Keines der kontaktierten Versicherungs-unternehmen stellte ein Angebot. Der Geschäftsführer der Maklerin ersuchte daraufhin die Zweitbeklagte nachdrücklich um ein Angebot. Die Zweitbeklagte, für die die Maklerin ein wichtiger Geschäftspartner war, schickte dieser mit E-Mail vom 20. 11. 2002 das – handschriftlich geänderte – Ausschreibungskonzept mit folgendem Inhalt:
„Vertragsdauer: 10 Jahre 1 Jahr,
Versicherungssumme: EUR 1.453.456,00 375.000,--,
Aggregatlimit: 2-fach 1-fach,
Vertragsgrundlagen: AVBV ABHB
Allgemeine Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden
Nachhaftung: 7 Jahre claims made.“
Die Maklerin erstellte daraufhin ein angepasstes Konzept mit ua folgendem Inhalt:
„Vertragsdauer: 1 Jahr mit automatischer Prolongation; Vertragsgrundlagen: ABHV und EBHV 2000, Allgemeine und ergänzende Bedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung, Besondere Bedingung für Vermögensberater (81KV1071);
Gesamthonorarumsatz: EUR 257.200,--;
Versicherungssumme: EUR 375.000,-- pauschal für Personen-, Sach- und sonstige Schäden;
Jahresprämie inklusive Versicherungssteuer: 54,88 ‰, das sind EUR 14.116,--. Die endgültige Abrechnung erfolgt aufgrund des tatsächlichen Honorarumsatzes.“
Dieses Konzept übermittelte die Maklerin der Erstbeklagten samt einer Ausfertigung der besonderen Bedingungen; die Erstbeklagte unterfertigte dieses Konzept am 21. 11. 2002.
Die Polizze vom 27. 12. 2002 (Nr 2/81/71844154) enthielt letztlich einen Haftpflichtversicherungsschutz für den Bereich der Vermögensberatung von 1. 12. 2002 bis 1. 1. 2004, eine Pauschalversicherungssumme von 375.000 EUR, eine Erstprämie von 14.939,43 EUR und eine jährliche Folgeprämie ab 1. 1. 2004 von 14.116 EUR.
Unter dem Punkt „Versicherungsumfang“ heißt es in der Polizze weiters wie folgt, wobei das Kürzel 81KV1071 einen automatisierten Baustein darstellt:
„Die gegenseitigen Rechte und Pflichten regeln sich nach dem Antrag, der vorliegenden Polizze, den dem gegenständlichen Vertrag zugrundeliegenden Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen und Tarifen sowie nach den gesetzlichen Bestimmungen. (…)
Vertragsgrundlagen
Allgemeine Bedingungen:
Besondere Hinweise zum Vertrag Vermögensberater inklusive Verwaltung (81KV1071) [...]
4. Versicherungsfall
4.1. In Abänderung von Art 2 ABHV 2000 ist der Versicherungsfall die erstmalige Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs gegen den Versicherungsnehmer und/oder eine versicherte Person durch Dritte aufgrund einer tatsächlichen oder behaupteten Pflichtverletzung eines Versicherten (Anspruchserhebungsprinzip).
4.2. Im Sinne dieses Vertrags ist ein Haftpflichtanspruch geltend gemacht, wenn gegen einen Versicherten ein Anspruch schriftlich erhoben wird oder ein Dritter einem Versicherten schriftlich mitteilt, einen Anspruch gegen eine versicherte Person zu erheben.
4.3. Mehrere auf derselben Pflichtverletzung beruhende Anspruchserhebungen gelten als ein Versicherungsfall. Ferner gelten als ein Versicherungsfall Anspruchserhebungen, die auf gleichartigen Pflichtverletzungen beruhen, wenn zwischen diesen Pflichtverletzungen ein rechtlicher, wirtschaftlicher, zeitlicher oder technischer Zusammenhang besteht.
5. Zeitlicher Umfang des Versicherungsschutzes
5.1. Der Versicherungsschutz ist gegeben, wenn die Pflichtverletzung, das Schadenereignis und die Anspruchserhebung während der Wirksamkeit des Versicherungsschutzes (Laufzeit des Vertrages unter Beachtung der §§ 38, 39 und 39a VersVG) erfolgen.
[...]
7. Der Versicherer anerkennt ein direktes Klagerecht des geschädigten Dritten gegen den Versicherer.“
Die ABHV/EBHV 2000 lauten auszugsweise:
„…
Artikel 2 Versicherungsfall
1. Definition
Versicherungsfall ist der Verstoß (Handlung oder Unterlassung), welcher aus dem versicherten Risiko entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen (…) erwachsen oder erwachsen könnten.
…
Artikel 6 Zeitlicher Geltungsbereich des Versicherungsschutzes
1. Wirksamkeit
Der Versicherungsschutz erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen aus allen Verstößen, die während der Wirksamkeit des Versicherungsvertrags gesetzt werden.
1.1. Vordeckung
Der Versicherungsschutz bezieht sich abweichend von Pkt. 1. auf alle Verstöße, die im Zeitraum eines Jahres vor dem Beginn der Versicherung von den jeweiligen Versicherten gesetzt wurden und bis zum Abschluss des Vertrags nicht bekannt geworden sind. Dies gilt jedoch nur insoweit, als für diese Schadenersatzverpflichtungen nicht Deckung bei einem anderen Versicherer gegeben ist. Als bekannt gilt ein Verstoß auch dann, wenn eine Handlung oder Unterlassung vom Versicherungsnehmer als objektiv fehlerhaft erkannt wurde, auch wenn Schadenersatzansprüche weder erhoben noch angedroht worden sind noch mit ihnen gerechnet werden musste.
1.2. Nachdeckung
Versicherungsschutz ist nicht gegeben, wenn die Geltendmachung des Anspruchs des Dritten nach Ablauf von vier Jahren nach Beendigung des Versicherungsvertrags erfolgt.
...
Artikel 7 Betragliche Begrenzung des Versicherungsschutzes
1. Versicherungssumme
Die Versicherungssumme stellt die Höchstleistung des Versicherers für einen Versicherungsfall gemäß Art. 2, Pkt. 1. dar, und zwar auch dann, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere schadenersatzpflichtige Personen erstreckt.
…
2. Jahreshöchstleistung
Der Versicherer leistet für alle Versicherungsfälle innerhalb eines Versicherungsjahres (einschließlich aller Anspruchserhebungen aus dem Vordeckungszeitraum) höchstens das Dreifache der jeweils maßgebenden Versicherungssumme.
...
Artikel 14 Pflichtversicherung, Projektversicherung
...
2.1. Höchstleistung des Versicherers
Der Versicherer leistet für die innerhalb des gesamten Deckungszeitraums eingetretenen Versicherungsfälle höchstens das 1-fache der jeweils vereinbarten Versicherungssumme. Art. 7, Pkt. 2. findet insoweit keine Anwendung.“
Im Jahr 2002 waren Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen für Unternehmen im Tätigkeitsbereich der Erstbeklagten noch nicht üblich. Die Versicherungsparameter haben ursprünglich die Zweitbeklagte und die Maklerin besprochen und diese mussten erst für den damals besonderen und neuartigen Bedarf der Erstbeklagten im Einzelnen festgelegt werden. Direkte Gespräche zwischen der Erst- und der Zweitbeklagten fanden nicht statt. Letztlich war die Zweitbeklagte der einzige Versicherer, der überhaupt ein Versicherungsanbot legte. Aufgrund dessen wurde zwischen der Erstbeklagten, der Zweitbeklagten und der Maklerin über die in den Vertragsgrundlagen enthaltene claims-made-Klausel nicht diskutiert, sondern diese wurde als Voraussetzung einer Gewährung von Versicherungsschutz verstanden.
Für die Zweitbeklagte war wegen der vorliegenden Spätschadensproblematik und der klaren Vorgabe ihrer Rückversicherung die Vereinbarung einer claims-made-Klausel eine Bedingung für den Vertragsabschluss. Diese hätte auch durch die Vereinbarung einer höheren Prämienzahlung nicht abgeändert werden können. Auch die vereinbarte Vertragsdauer von einem Jahr war eine Vorgabe des Rückversicherers der Zweitbeklagten. Im Vordergrund stand damals für die Erstbeklagte, grundsätzlich Versicherungsschutz zu finden. Die Maklerin hat mit der Erstbeklagten vor Vertragsabschluss auch die claims-made-Klausel besprochen.
Das claims-made-Prinzip wurde im damaligen Zeitraum im Bereich der Betriebshaftpflichversicherungen, insbesondere bei Krankenanstalten, und später auch bei den D&O Versicherungen verwendet. Bei der Zweitbeklagten bestanden damals Versicherungsverträge mit einer claims-made-Klausel einerseits mit der Erstbeklagten,
mit der Bundeswertpapieraufsichtsbehörde und deren Rechtsnachfolgerin (FMA) sowie mit einem weiteren Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Automatische Nachmeldefristen ohne zusätzliche Prämienleistung gab es im damaligen Zeitraum nur sehr eingeschränkt am internationalen Markt. Die Einräumung einer Nachmeldefrist bei zusätzlicher Prämienzahlung (allerdings nur mit jenem Teil der Versicherungssumme, der bei Vertragsbeendigung noch nicht ausgeschöpft war) gab es damals am internationalen Markt, nicht jedoch in Österreich.
Im Jahr 2004 wurde auf Wunsch der Erstbeklagten die Pauschalversicherungssumme ab 1. 1. 2006 auf 1 Mio EUR angehoben; die jährliche Prämie stieg auf 48.840 EUR. Die insoweit geänderte Polizze enthielt unveränderte Ausführungen zum Versicherungsumfang und die besonderen Hinweise wie die erste Polizze.
Im Jahr 2008 wurde die Pauschalversicherungs-summe auf 1.111.675 EUR und die jährliche Prämie auf 52.258,80 EUR angehoben; auch in dieser Polizze blieben die Ausführungen zum Vertragsumfang und die besonderen Hinweise unverändert.
Am 26. 7. 2005 schickte die Zweitbeklagte der Gewerbebehörde ein Schreiben mit dem Betreff „Versicherungsbestätigung gemäß § 137c Abs 1 GewO 1994 für das Nebengewerbe Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsmakler und Berater in Versicherungs-angelegenheiten zum Hauptgewerbe gewerbliche Vermögensberatung“, in welchem die Polizzen-nummer 2/81/71844154 und „Abschluss und aufrechter Bestand nachstehender Versicherung ab 15. 1. 2005“ angeführt war. Dieses Schreiben enthielt folgende Ausführungen: „Versicherungssumme: EUR 1 Mio pro Schadensfall und EUR 1,5 Mio für alle Schadensfälle eines Jahres [...] Nachhaftung: nicht geringer als fünf Jahre. [...] Die Versicherung umfasst alle Schäden, die bei Verletzung der für Versicherungsvermittler geltenden berufsrechtlichen Sorgfaltspflichten durch den Versicherungsvermittler und dessen Erfüllungsgehilfen entstehen können. [...] Die Leistung des Schadenersatzes gegenüber einem geschädigten Dritten erfolgt in der vollen Höhe des Schadenersatzanspruchs durch den Versicherer direkt an den geschädigten Dritten. [...] Die G***** V***** bestätigt, dass die vorliegende Versicherung den gesetzlichen Anforderungen, insbesondere §§ 158b bis 158i VersVG und § 137c GewO 1994 entspricht.“
Dieses Schreiben erging aufgrund der Versicherungspflicht für das Gewerbe Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten. Es kann nicht festgestellt werden, dass dieses Schreiben oder ein Schreiben mit ähnlichem Inhalt auch an die Erstbeklagte übermittelt wurde; Gespräche zwischen der Erstbeklagten und der Maklerin gab es dazu nicht. Die Erstbeklagte zahlte dafür keine zusätzliche Prämie.
Die Zweitbeklagte kündigte aufgrund eines Schadensfalls mit Schreiben vom 2. 10. 2008 den Haftpflichtversicherungsvertrag zum 1. 1. 2009. Die Erstbeklagte schloss keinen neuen ähnlichen Versicherungsvertrag ab.
Die Erstbeklagte verfügte vom 13. 12. 2000 bis 3. 3. 2010 über eine Konzession als Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Wertpapierfirma. Ab 1. 12. 1999 übte sie das Gewerbe der Vermittlung von Personalkrediten, Hypothekarkrediten und Vermögensberatung aus (§ 127 Z 17 GewO 1994 aF), seit 15. 1. 2005 die gewerbliche Vermögensberatung mit Berechtigung zur Vermittlung von Lebens- und Unfallversicherungen in der Form Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten.
Im Jahr 2003 schloss U***** G***** (folgend: Anlegerin) über Beratung durch die Erstbeklagte eine fondsgebundene Rentenversicherung bei der Nebenintervenientin mit Versicherungsbeginn 1. 5. 2003 ab.
Die Anlegerin machte erstmals im Jahr 2011 Ansprüche gegenüber der Zweitbeklagten geltend. Ob die Anlegerin Ansprüche gegenüber der Erstbeklagten vor dem 1. 1. 2009 erhoben hat, steht nicht fest. Der Masseverwalter anerkannte im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Erstbeklagten eine Forderung der Anlegerin im Ausmaß von 313.762,77 EUR.
Die Anlegerin ist während des Gerichtsverfahrens verstorben, die Kläger sind nach Einantwortung ihre Erben.
Die Kläger (als Rechtsnachfolger der Anlegerin) begehrten – nach einem gegenüber der Erstbeklagten ergangenen Versäumungsurteil – von der Zweitbeklagten die Zahlung von 243.799,38 EUR sA und die Feststellung der Haftung der Zweitbeklagten für alle Schäden aufgrund der fehlerhaften Beratung im Zusammenhang mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags bei der Nebenintervenientin gemäß dem Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungsvertrag. Die Anlegerin habe die Erstbeklagte ab Mitte 2003 mit der Verwaltung ihres Vermögens betraut und ihr bis Ende 2003 483.795,82 EUR überwiesen. Ein Mitarbeiter der Erstbeklagten habe der Anlegerin geraten, das Wertpapierdepot mit einem Versicherungsmantel bei der Nebenintervenientin zu versehen. Im Jahr 2005 habe die Erstbeklagte nach Depotverkäufen ohne Rücksprache mit der Anlegerin Anleihen der R***** Gruppe erworben. Die Klage beruhe auf zwei schädigenden Ereignissen, nämlich der fehlerhaften Beratung im Jahr 2003 und dem Kauf der Anleihe im Jahr 2005. Die Anlegerin habe dann Ende 2007 den Vermögensverwaltungsvertrag mit der Erstbeklagten aufgekündigt und die Verwaltung ihres Vermögens einer Bank anvertraut. Die Erstbeklagte habe die Anlegerin betreffend die Einbringung ihres Vermögens in einen Versicherungsvertrag falsch beraten und zwar sowohl über die Belastung mit Abschlusskosten bei Beginn des Vertrags als auch über die angebliche KESt-Befreiung. Die Erstbeklagte habe die Wertpapiererträge und das Vermögen nicht lege artis verwaltet, weil sie ein Klumpenrisiko eingegangen sei und Verflechtungen mit der Anleiheemittentin verschwiegen habe. Der näher aufgegliederte Gesamtschaden betrage 243.799,38 EUR. Gegenüber der Zweitbeklagten als Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer der Erstbeklagten stehe den Klägern das vertraglich vereinbarte Direktklagerecht zu. Die Klauseln in den Besonderen Bedingungen des Versicherungsvertrags betreffend das Anspruchserhebungsprinzip verstießen gegen § 864a, § 879 Abs 3 ABGB. Die Begrenzung der Nachhaftung sei ein ungewöhnlicher Inhalt eines Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungsvertrags, zumal laut den ABHV 2000 eine vierjährige Nachdeckung vorgesehen sei. Die Begrenzung der Nachhaftung sei mit der Erstbeklagten nicht ausgehandelt worden. Es habe ein Versicherungsnotstand vorgelegen, weil die Zweitbeklagte die einzige Anbieterin eines derartigen Versicherungsvertrags gewesen sei. Die Zweitbeklagte habe ihre Verhandlungsposition ausgenützt, um sittenwidrige Bestimmungen in den Vertrag aufzunehmen. Im Schreiben an die Gewerbebehörde habe die Zweitbeklagte erklärt, dass die Nachhaftung aufgrund des Versicherungsvertrags nicht weniger als fünf Jahre betrage; es sei davon auszugehen, dass damit der Versicherungsvertrag entsprechend geändert worden sei, diene dieser doch auch als Pflichthaftpflichtversicherung für das Gewerbe der Versicherungsvermittlung, bei der keine kürzere Nachhaftung als fünf Jahre gestattet sei.
Die Zweitbeklagte beantragte Abweisung der Klagebegehren und wandte ein, dass aufgrund der zwischen den Vertragsparteien vereinbarten claims-made-Klausel für Ansprüche, die nach dem Ende der Versicherungslaufzeit geltend gemacht würden, kein Versicherungsschutz bestehe. Die Anlegerin habe ihre Ansprüche gegenüber der Zweitbeklagten erstmals nach Vertragskündigung mit Schreiben vom 11. 10. 2011 geltend gemacht, weshalb sie nicht berechtigt seien. Die claims-made-Klausel sei nicht Teil von AGBs oder eines Vertragsformblatts gewesen, sondern ausgehandelt worden. Die Beklagten hätten zwar einen echten Vertrag zugunsten Dritter abgeschlossen, zu dessen Anfechtung seien aber nur die Vertragspartner und nicht ein Dritter, wie etwa eine angeblich geschädigte Anlegerin, berechtigt. Die Anlegerin könne sich daher nicht auf die Unwirksamkeit von Risikoausschlüssen berufen. Der Versicherungsvertrag sei auf freiwilliger Basis abgeschlossen worden. Die Zweitbeklagte habe einen 40-%igen Rabatt auf die Prämie gewährt; mit einer höheren Prämienzahlung hätte sich die Zweitbeklagte eine Nachdeckung erkaufen können. Der Erstbeklagten sei als Vorteil ein direktes Klagerecht ihrer Kunden eingeräumt worden. Die Erstbeklagte sei bei Abschluss des Versicherungsvertrags durch die Maklerin professionell vertreten gewesen und habe mit dieser den genauen Vertragsinhalt besprochen. Aufgrund dieses Versicherungsvertrags seien Forderungen in der Gesamthöhe von rund 34 Mio EUR gegen die Zweitbeklagte erhoben worden, es liege daher ein Deckungskonkurs vor. Die Vermittlung von Lebensversicherungen sei vom damaligen Versicherungsumfang der Polizze nicht gedeckt gewesen.
Die Nebenintervenientin brachte vor, dass keine Informations- oder Beratungspflichten verletzt worden seien. Die Zwischenschaltung einer Versicherung sei eine Formalvoraussetzung gewesen, um in den Genuss von Steuervorteilen zu kommen.
Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es führte rechtlich aus, die claims-made-Klausel sei nicht gemäß § 864a ABGB unwirksam, weil sie die Maklerin mit der Erstbeklagten besprochen habe. Auf eine Nichtigkeit gemäß § 879 Abs 3 ABGB könnten sich die Kläger nicht berufen, weil sie und die Anlegerin keine Vertragspartner des Versicherungsvertrags seien. Außerdem beträfe der Ausschluss der Nachhaftung eine Hauptleistung der Zweitbeklagten, sodass eine Anfechtung gemäß § 879 Abs 3 ABGB jedenfalls nicht in Betracht komme. Das Schreiben an die Gewerbebehörde sei zwar als Vereinbarung einer Nachhaftung zu interpretieren, betreffe aber nur ein Nebengewerbe und nicht die zwei Jahre davor erfolgte Beratung der Anlegerin betreffend den Abschluss eines Rentenversicherungsvertrags.
Das Berufungsgericht gab der von den Klägern erhobenen Berufung nicht Folge. Es war der Rechtsansicht, dass nach dem Inhalt des von den Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrags (claims-made-Klausel) der von der Anlegerin erst Jahre nach dem Vertragsende geltend gemachte Anspruch vom Versicherungsschutz nicht umfasst sei. Die von der Zweitbeklagten verwendeten Besonderen Bedingungen seien ein automatisierter Vertragsbaustein gewesen, der für die Zweitbeklagte nicht verhandelbar gewesen sei, weshalb sie als AGB im Sinn des § 864a ABGB zu qualifizieren seien. Für die Frage, welche Risiken der Versicherer bei dem von der Erstbeklagten gewünschten Versicherungsvertrag übernehme, habe es keine dispositive gesetzliche Regelung gegeben und im Versicherungsvertrag habe naturgemäß definiert werden müssen, für welche Schäden der Versicherer einstehe. Diese Klarstellung sei verständlich und nachvollziehbar erfolgt. Die ursprüngliche Vorstellung der Erstbeklagten sei gegebenenfalls gewesen, dass der Versicherer eine längere Nachhaftung übernehme, doch sei dieser Teil des Ausschreibungskonzepts von allen angesprochenen Versicherern abgelehnt worden. Die Erstbeklagte habe daher nicht berechtigt erwarten können, dass die Zweitbeklagte in dieser Situation eine jahrelange Nachhaftung anbieten werde. Die Vertragsklausel sei im Text auch keineswegs derart versteckt gewesen, dass man sie nicht dort vermutet hätte, wo sie sich tatsächlich befunden habe. Die claims-made-Klausel sei daher wirksam vereinbart worden.
Die claims-made-Klausel unterliege der Überprüfung nach § 879 Abs 3 ABGB. Der Versicherungsvertrag sei ein echter Vertrag zugunsten Dritter, weshalb auch die Anlegerin berechtigt sei, die Unwirksamkeit einer bestimmten Vertragsklausel geltend zu machen. Allerdings sei der Einwand, die claims-made-Klausel sei gröblich benachteiligend, nicht berechtigt. Der damals von einer Maklerin kompetent vertretenen Erstbeklagten sei es freigestanden, das Angebot der Zweitbeklagten anzunehmen oder abzulehnen, sei doch die Erstbeklagte damals nicht zum Abschluss eines Haftpflichtversicherungsvertrags verpflichtet gewesen. Nach dem Inhalt einer unbestritten gebliebenen Beilage habe die Zweitbeklagte aufgrund des Versicherungsvertrags einem Geschädigten 400.000 EUR und somit deutlich mehr bezahlt, als sie während des gesamten Vertragsverhältnisses an Prämienzahlungen erhalten habe. Von einer gröblichen Benachteiligung der Erstbeklagten durch die claims-made-Klausel könne daher keine Rede sein.
Das Schreiben der Zweitbeklagten an die Gewerbebehörde vom 26. 7. 2005, in welchem die Zweitbeklagte den Abschluss und aufrechten Bestand eines Versicherungsvertrags mit einer Nachhaftung nicht geringer als fünf Jahre bekanntgegeben habe, habe keine Abänderung des Versicherungsvertrags bewirkt. Allein die – inhaltlich offenbar unrichtige – Bestätigung der Zweitbeklagten gegenüber der Gewerbebehörde verschaffe weder der Versicherungsnehmerin noch den aus dem Versicherungsvertrag begünstigten Dritten weitergehende Rechte gegenüber der Zweitbeklagten. Der von der Anlegerin erst 2011 geltend gemachte Schaden sei daher von dem zwischen den Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrag nicht gedeckt und die Berufung der Kläger daher nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Beurteilung, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen des § 864a und des § 879 Abs 3 ABGB vorlägen, stelle eine Einzelfallentscheidung dar, die keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO begründe.
Gegen dieses Urteil des Gerichts zweiter Instanz richtet sich die Revision der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagsstattgebung. Hilfsweise stellen die Kläger auch einen Aufhebungsantrag.
Die Zweitbeklagte und die Nebenintervenientin erstatteten ihnen freigestellte Revisionsbeantwortungen jeweils mit dem Antrag auf Zurückweisung der Revision. Hilfsweise wird beantragt, der Revision der Kläger nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bislang noch nicht zu einer sogenannten claims-made-Klausel (Anspruchserhebungsprinzip) im Zusammenhang mit einer Vermögensschadenhaftpflicht-versicherung Stellung genommen hat. Die Revision ist aber nicht berechtigt.
A. Vorbemerkung:
1. Vorauszuschicken ist, dass hier der Versicherungsschutz der Anlegerin und damit der fragliche Erfolg der Klage entscheidend vom Zeitpunkt der Anspruchserhebung (claims made) abhängt. Demgegenüber sind die von der Anlegerin behaupteten Verstöße jedenfalls während des aufrechten Versicherungsverhältnisses erfolgt.
2. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass sich alle folgenden Ausführungen – ausgenommen jene zu Punkt G. – nicht auf eine gesetzliche Haftungsgrundlage, sondern auf einen allfälligen Anspruch der Kläger aus dem Versicherungsvertrag der Beklagten beziehen.
B. Wirkung des Direktklagerechts:
1. Die Zweitbeklagte unterlag – vorbehaltlich den Ausführungen zu Punkt G. – keinem gesetzlichen Direktklagerecht, sondern hat im Versicherungsvertrag, nämlich nach Punkt 7. der 81KV1071, ein direktes Klagerecht des geschädigten Dritten anerkannt. Die Anlegerin (bzw die Rechtsnachfolger) konnte(n) demnach, aufgrund dieses vertraglichen Direktanspruchs unmittelbar gegen die Erstbeklagte bestehende Forderungen, soweit diese Gegenstand des Versicherungsvertrags waren, direkt gegen die Zweitbeklagte geltend machen.
2. Sämtliche die – gesetzliche – Direktklage anordnenden Materiengesetze sehen vor, dass Versicherer und Versicherungsnehmer hiedurch zu Solidarschuldnern werden (vgl die Nachweise der Materiengesetze bei Rubin in Fenyves/Schauer, § 158b VersVG Rz 47; RIS-Justiz RS0121052; RS0065779). Rubin (in Fenyves/Schauer, § 158b VersVG Rz 50) geht demgegenüber für die gesetzlich vorgesehene action directe davon aus, dass jeder Schulderlass, den der Dritte dem Versicherungsnehmer gewähre, im gleichen Maß automatisch auch den Direktanspruch des Dritten gegenüber dem Versicherer erlöschen lasse. Er gelangt demnach zum Ergebnis, dass die Rechtsposition des Versicherers deshalb weniger der eines Solidarschuldners, sondern mehr jener eines Bürgen und Zahlers entspreche. In der offenbar als Beleg für diese strenge Akzessorietät angeführten Entscheidung 2 Ob 180/11a wird allerdings nur ausgeführt, es sei Voraussetzung für die Haftung des Versicherers, dass den Versicherungsnehmer oder den Versicherten eine Schadenersatzpflicht treffe und § 2 Abs 1 KHVG 1994 begründe keine von der Ersatzpflicht dieser Personen unabhängige Schadenersatzpflicht des Versicherers. Eine strenge umfassende Akzessorietät in dem von Rubin dargestellten Sinn ist dieser Entscheidung allerdings nicht zu entnehmen.
3. Der Fachsenat hat deshalb jüngst auch schon zu einem vereinbarten Direktklagerecht, das dem Geschädigten in einem Berufshaftpflichtversicherungsvertrag eingeräumt worden war, ausgesprochen, dass die Einräumung eines Direktanspruchs des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers im Haftpflichtversicherungsvertrag auf einem vertraglichen Schuldbeitritt beruhe. Durch einen solchen Schuldbeitritt sollen die Schadenersatzansprüche des Geschädigten gegen den Schädiger durch Hinzutreten eines weiteren leistungsfähigen Schuldners verstärkt werden (7 Ob 211/17f). An dieser Ansicht ist im vorliegenden Kontext dahin festzuhalten, dass der Versicherer der Schuld des Versicherungsnehmers gegenüber dem Geschädigten nach Maßgabe des Deckungsanspruchs beitritt. Daraus folgt, dass einerseits der Versicherer alle Einwände aus dem Deckungsverhältnis auch dem direkt klageberechtigten Geschädigten gegenüber erheben kann und andererseits steht es auch Letzterem zu, sowohl inhaltlichen Einwänden des Versicherers aus dem Vertragsverhältnis entgegenzutreten als auch die Unwirksamkeit bzw Nichtigkeit von Vertragsklauseln geltend zu machen. Die gegenteilige Ansicht würde das direkte Klagerecht des Geschädigten aus qualitativer und prozessökonomischer Sicht weitgehend entwerten, wäre er doch dann zum Zweck der inhaltlichen Prüfung von Vertragsbedingungen, die seinem Anspruch nach Ansicht des Versicherers entgegenstünden, erst recht wieder auf die Anspruchsverfolgung durch den Versicherungsnehmer angewiesen. Es steht daher den Klägern offen, Einwände im Sinn der §§ 864a, 879 Abs 3 ABGB zu erheben. In der Sache sind diese Einwände allerdings nicht berechtigt.
C. Vertragsinhalt - Geltungskontrolle:
1. Nach § 864a ABGB werden Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts in AGB oder Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet hat, nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte; es sei denn, der eine Vertragsteil hat den anderen besonders darauf hingewiesen.
2. Was unter den Begriffen „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ und „Vertragsformblätter“ zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber nicht definiert. Die herrschende Meinung vertritt eine Orientierung an § 305 BGB (RIS-Justiz RS0123499; Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 864a Rz 1; Graf in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 864a Rz 1). Unter AGB sind demnach alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen zu verstehen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen dann nicht vor, wenn Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt worden sind (RIS-Justiz RS0123499 [T2])
3. Die den Versicherungsfall begründende Anspruchserhebung (claims made) wird in Pkt 4.1. iVm 5.1. der Besonderen Hinweise zum Vertrag Vermögensberater inklusive Verwaltung (81KV1071) beschrieben. Diese Besonderen Hinweise bildeten nach den erstgerichtlichen Feststellungen einen „automatisierten Baustein“.
4. Die claims-made-Klausel war aus der Sicht der Zweitbeklagten aufgrund der Vorgaben ihres Rückversicherers unabdingbar und wurde auch „nicht diskutiert“. Die Vorinstanzen haben daher die in Pkt 4.1. iVm 5.1. der 81KV1071 vorgesehene claims-made-Klausel zutreffend als eine in den AGB enthaltene Bestimmung gewertet.
5. Als objektiv ungewöhnlich wird eine Klausel beurteilt, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, sodass er mit ihr nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte. Der Klausel muss also ein Überrumpelungs- oder gar Übertölpelungseffekt innewohnen (RIS-Justiz RS0014646). Entscheidend ist, ob die Klausel beim entsprechenden Geschäftstyp üblich ist und ob sie den rechtlichen Verkehrsgewohnheiten entspricht. Bei der Beurteilung der Ungewöhnlichkeit eines Inhalts im Sinn des § 864a ABGB ist ein objektiver Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0014627). Der Inhalt der Klausel, auf den es dabei alleine nicht ankommt, spielt vor allem im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des Vertragstextes eine Rolle, denn das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung ergibt sich insbesondere aus der Art ihrer Einordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (RIS-Justiz RS0014659).
6. Das Anspruchserhebungsprinzip wurde nach den Feststellungen des Erstgerichts zur damaligen Zeit im Bereich der Betriebshaftpflichversicherungen, insbesondere bei Krankenanstalten, und später auch bei den D&O Versicherungen verwendet. Die Zweitbeklagte hatte damals Versicherungsverträge mit einer claims-made-Klausel auch mit der Bundeswertpapieraufsichtsbehörde und deren Rechtsnachfolgerin (FMA) sowie mit einem weiteren Wertpapierdienstleistungsunternehmen abgeschlossen. Es handelte sich daher im Grundsatz nicht um eine Bestimmung ungewöhnlichen Inhalts.
7. Die Beschreibung des Versicherungsfalls und der zeitliche Geltungsbereich des Versicherungsschutzes sind typische Regelungen in den AGB bzw in Formblättern eines Versicherungsvertrags. Die Formulierung des Anspruchserhebungsprinzips in dem unter „Versicherungsfall“ überschriebenen Abschnitt war demnach nicht im Text derart „versteckt“, dass sie der Vertragspartner – ein durchschnittlich sorgfältiger Leser – dort nicht vermutet hätte (vgl RIS-Justiz RS0105643 [T2]). Es fehlte somit am Überrumpelungseffekt.
8. Zu den im Ausschreibungskonzept der Maklerin enthaltenen Vertragsparametern gehörte auch die Frage der Nachhaftung. Die Maklerin wünschte ursprünglich eine Nachhaftung für einen Zeitraum von 7 Jahren. Die Zweitbeklagte hat in ihrer E-Mail vom 20. 11. 2002 den von der Maklerin gewünschten Nachhaftungszeitraum von „7 Jahre“ durchgestrichen und mit dem Hinweis auf „claims made“ versehen. Damit hat die Zweitbeklagte auf die Geltung des Anspruchserhebungsprinzips im Sinn des § 864a ABGB besonders hingewiesen.
9. Als erstes Zwischenergebnis folgt, dass die Vereinbarung der claims-made-Klausel, weil diese nicht ungewöhnlich sowie am Regelungsort zu erwarten war und die Zweitbeklagte auf deren Geltung besonders hingewiesen hat, nicht nach § 864a ABGB unwirksam, sondern Bestandteil des von den Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrags geworden ist.
D. Vertragsinhalt – Inhaltskontrolle:
1. Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt.
2. Die Parteien sind unterschiedlicher Ansicht darüber, ob die claims-made-Klausel zur „Hauptleistung“ gehört und daher kontrollfrei ist oder aber im Gegenteil dazu eine Inhaltskontrolle vorzunehmen ist. Allgemein gilt, dass § 879 Abs 3 ABGB von einem sehr engen Begriff der „Hauptleistung“ ausgeht (vgl RIS-Justiz RS0128209; RS0016908). Unter die Ausnahme des § 879 Abs 3 ABGB fallen daher nur die in § 885 ABGB genannten „Hauptpunkte“, also diejenigen Bestandteile eines Vertrags, die die Parteien vereinbaren müssen, damit überhaupt ein hinreichend bestimmter Vertrag (§ 869 ABGB) zustande kommt. Nicht jede Vertragsbestimmung, die die Leistung oder das Entgelt betrifft, ist damit von der Inhaltskontrolle ausgenommen, sondern lediglich die individuelle ziffernmäßige Umschreibung der Hauptleistungen (RIS-Justiz RS0016908 [T5]).
3. Für Versicherungsverträge gibt es den Kernbereich der Leistungsumschreibung, der kontrollfrei ist. Kontrollfrei ist in Allgemeinen Versicherungsbedingungen jedenfalls die Festlegung der Versicherungsart und die Prämienhöhe. Im Übrigen ist die Leistungsbeschreibung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Inhaltskontrolle zugänglich, ohne dass es darauf ankäme, ob es sich um die Stufe der primären Umschreibung der versicherten Gefahr oder um Risikoausschlüsse handelt. Kontrollmaßstab für die Leistungsbeschreibung außerhalb des Kernbereichs sind die berechtigten Deckungserwartungen des Versicherungsnehmers (RIS-Justiz RS0128209).
4. Die deutsche Lehre nimmt wohl überwiegend an, dass claims-made-Klauseln (bei der D&O-Versicherung) überprüfbar seien (vgl Baumann, AGB-rechtliche Inhaltskontrollfreiheit des Claims-made-Prinzips? VersR 2012, 1461; Melot de Beauregard/Gleich, Problemfelder bei der D&O-Versicherung, NJW 2013, 824; Koch, Das Claims-made-Prinzip in der D&O-Versicherung auf dem Prüfstand der AGB-Inhaltskontrolle, VersR 2011, 295; Schimikowski, Claims made – ein geeignetes Prinzip für Haftpflichtversicherungen im Heilwesenbereich? VersR 2010, 1533; Westphalen, Wirksamkeit des Claims-made-Prinzips in der D&O-Versicherung, VersR 2011, 145; vgl überdies Ramharter in Kalss/Kunz, Handbuch für den Aufsichtsrat, Rz 47/80; aA aber wohl Loritz/Hecker, Das Claims-made-Prinzip in der D&O-Versicherung und das deutsche AGB-Recht, VersR 2012, 385; Finkel/Seitz in Seitz/Finkel/Klimke, D&O-Versicherung, 350 ff).
5. Der BGH vertritt die Ansicht, dass die Beschreibung des Versicherungsfalls in der Haftpflichtversicherung nicht überprüfbar sei, weil sie zum Kernbereich des Leistungsversprechens gehöre (vgl IV ZR 422/12 = NJW 2014, 2038). Aus dieser Entscheidung könnte ableitbar sein, dass der BGH das claims-made-Prinzip zur Hauptleistung des Versicherers zählt und daher nicht für überprüfbar hält (vgl dazu auch Kubiak, Zur AGB-Kontrolle der Versicherungsfalldefinition und zu den Auswirkungen auf das Claims-made-Prinzip in der D&O-Versicherung, VersR 2014, 932; aus europarechtlicher Sicht Armbrüster, AGB-Kontrolle der Leistungsbeschreibung in Versicherungsverträgen – Neues vom EuGH? NJW 2015, 1788).
6. Der Fachsenat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung schon mehrfach die (zeitliche) Begrenzung der Versicherungsdeckung der Inhaltskontrolle unterzogen (7 Ob 22/10a [Ausschlussfrist]; 7 Ob 201/12b [Ausschlussfrist]; 7 Ob 70/14s [Serienschadenklausel]). Die in Pkt 4.1. iVm 5.1. der 81KV1071 vorgesehene claims-made-Klausel betrifft weder die zahlenmäßige Bestimmung einer Leistungspflicht, noch die Beschreibung der Versicherungsart, sondern im Wesentlichen ebenfalls die zeitliche Begrenzung der Versicherungsdeckung; sie unterliegt daher grundsätzlich der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB.
7. In der deutschen Lehre und in zweitinstanzlicher deutscher Rechtsprechung wird das Anspruchserhebungsprinzip im Lichte gröblicher Benachteiligung vornehmlich im Bereich der D&O-Versicherung insbesondere dann für zweifelhaft erachtet, wenn daraus resultierende Nachteile nicht etwa durch eine Rückwärtsversicherung, Nachhaftungszeit oder Umstandsmeldung (einigermaßen) ausgeglichen werden (vgl etwa Melot de Beauregard/Gleich, Aktuelle Problemfelder bei der D&O-Versicherung, NJW 2013, 824; Westphalen, Wirksamkeit des claims-made-Prinzips in der D&O-Versicherung, VersR 2011, 145; Baumann, Versicherungsfall und zeitliche Abgrenzung des Versicherungsschutzes in der D&O-Versicherung, NZG 2010, 1366; aus Österreich etwa vgl Rahmharter in Kalss/Kunz, Handbuch für den Aufsichtsrat, Rz 47/80d).
8. Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, hat sich am dispositiven Recht als dem Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs zu orientieren (RIS-Justiz RS0014676 [T7, T13, T43]). Weicht eine Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften ab, liegt eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners schon dann vor, wenn es dafür keine sachliche Rechtfertigung gibt. Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht (RIS-Justiz RS0016914 [T3, T4, T32]; RS0014676 [T21]).
9. Eine dispositive gesetzliche Regelung, die den üblichen Umfang der von der Zweitbeklagten zu erbringenden Versicherungsleistungen umschrieb, lag seinerzeit für den vorliegenden Fall nicht vor. Eine Nachhaftung ist erst mehrere Jahre später für die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung infolge einer Richtlinienumsetzung vorzusehen gewesen. Für die Erstbeklagte bestand insofern also auch kein „Versicherungsnotstand“. Andere Versicherer waren damals aufgrund der Risikolage überhaupt nicht bereit, der Erstbeklagten Versicherungsschutz zu gewähren. Das Berufungsgericht hat schließlich als unbestritten angenommen, dass die Zweitbeklagte aufgrund des Versicherungsvertrags mit der Erstbeklagten einem Geschädigten 400.000 EUR und somit deutlich mehr bezahlt hat, als sie während des gesamten Vertragsverhältnisses an Prämienzahlungen der Erstbeklagten erhalten hat, womit die wirtschaftlichen Risiken der Zweitbeklagten aus diesem Vertragsverhältnis anschaulich dokumentiert sind. Die Zweitbeklagte hat überdies ein Direktklagerecht der Geschädigten anerkannt. Bei einer Gesamtbewertung dieser Umstände ist im vorliegenden Einzelfall eine gröbliche Benachteiligung der Erstbeklagten nicht zu erkennen.
10. Als zweites Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass die in Pkt 4.1. iVm 5.1. der 81KV1071 vorgesehene claims-made-Klausel unter Berücksichtigung der damaligen spezifischen Sach- und Vertragslage nicht als gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig zu qualifizieren ist.
E. Vertragsauslegung:
1. Die Kläger sind der Ansicht, dass zwischen Pkt 5. der 81KV1071 und Art 6. ABHV/EBHV 2000 zumindest eine Unklarheit bestehe, die zu Lasten des Versicherers dahin auszulegen sei, dass Pkt 5. der 81KV1071 lediglich als Ergänzung des Art 6. ABHV/EBHV 2000 zu sehen sei und es daher jedenfalls bei einer Nachhaftung von 4 Jahren zu bleiben habe. Dieser Rechtsmeinung ist nicht zu folgen:
2. Den Kläger ist zuzugestehen, dass auf den ersten Blick ein gewisser Widerspruch zwischen dem Wortlaut insbesondere der Pkt 4.1. iVm 5.1. 81KV1071 einerseits und Art 6 (insbesondere 1.2. [Nachdeckung]) ABHV/EBHV 2000 besteht, der sich freilich nach anerkannten Auslegungsregeln, allerdings nicht in dem von den Klägern vertretenen Sinn, lösen lässt:
3. Bei Auslegung einer Willenserklärung nach den §§ 914 ff ABGB, die auch für Allgemeine Versicherungsbedingungen gelten (vgl RIS-Justiz RS0050063), ist zwar zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei ist aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden zu erforschen (RIS-Justiz RS0017915 [T2]). Die Auslegung, muss immer anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls erfolgen und kann sich nicht auf den bloßen Wortlaut der Klausel beschränken, sondern muss den Gesamtzusammenhang der Vereinbarung, aber auch die Umstände, unter denen die Erklärungen abgegeben wurden, berücksichtigen (RIS-Justiz RS0017817 [T3]). Die Bedachtnahme auf die beiderseits bestehende Interessenlage kann wie bei einer teleologischen Reduktion zu einer einschränkenden Auslegung führen, wenn der Wortlaut auch Fälle zu umfassen scheint, die nach der Absicht der Parteien nicht erfasst werden sollten (vgl RIS-Justiz RS0017745). Schließlich haben Besondere Bedingungen Vorrang vor den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (RIS-Justiz RS0050063 [T5]).
4. Es wurde bereits darauf hingewiesen (vgl C.8.), dass zu den im Ausschreibungskonzept der Maklerin enthaltenen Vertragsparametern auch die Frage der Nachhaftung gehörte. Die Maklerin wünschte ausdrücklich eine Nachhaftung für einen Zeitraum von 7 Jahren. Die Zweitbeklagte hat dieses Ansinnen in ihrer E-Mail vom 20. 11. 2002 ausdrücklich und unmissverständlich abgelehnt, den gewünschten Nachhaftungszeitraum von „7 Jahre“ durchgestrichen und mit dem Hinweis auf „claims made“ versehen. Das Anspruchserhebungsprinzip im Sinn der Pkt 4.1. iVm 5.1. 81KV1071 entspricht diesem ganz eindeutigen Verhandlungsergebnis und dem Grundsatz, dass Besonderen Bedingungen Vorrang vor den Allgemeinen Versicherungsbedingungen zukommt. Die Regelung über die Nachdeckung Art 6.1.2. ABHV/EBHV 2000 wurde demnach abbedungen.
F. Kein unmittelbarer vertraglicher Anspruch der Kläger:
Der zwischen den Beklagten vereinbarte Haftpflichtversicherungsvertrag sah das Anspruchs-erhebungsprinzip vor. Versicherungsfall war demnach die erstmalige Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs gegen den Versicherungsnehmer durch Dritte aufgrund einer tatsächlichen oder behaupteten Pflichtverletzung eines Versicherten. Der Versicherungsschutz war gegeben, wenn die Pflichtverletzung, das Schadenereignis und die Anspruchserhebung während der Wirksamkeit des Versicherungsschutzes (Laufzeit des Vertrags unter Beachtung der §§ 38, 39 und 39a VersVG) erfolgten (Pkt 4.1. iVm 5.1. der 81KV1071). Diese claims-made-Klausel war nicht nach § 864a ABGB unwirksam (vgl C.9.) und nach den Umständen des hier vorliegenden Einzelfalls auch nicht gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig (vgl D.10.). Die Anspruchserhebung durch die Anlegerin erfolgte erst nach dem Ende der Laufzeit des Versicherungsvertrags, weshalb für die von ihr geltend gemachten Ansprüche unmittelbar aus dem Versicherungsvertrag der Beklagten keine Deckung (mehr) bestand.
G. Mitteilung der Zweitbeklagten an die Gewerbebehörde:
1. Die Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. 12. 2002 über Versicherungsvermittlung trat am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, somit am 15. 1. 2003 in Kraft. Sie war gemäß Art 16 Abs 1 der Richtlinie spätestens ab dem 15. Jänner 2005 in innerstaatliches Recht umzusetzen. Diese Umsetzung hat der Gesetzgeber mit BGBl I 2004/131 vorgenommen und damit (ua) in § 137c GewO 1994 für die Berechtigung zur Tätigkeit der Versicherungsvermittlung eine Haftpflichtabsicherung vorgesehen. Nach § 137c Abs 3 GewO 1994 ist eine Berufshaftpflichtversicherung nachzuweisen, die inhaltlich den Anforderungen gemäß § 137c Abs 1 oder 2 GewO 1994 entspricht. Für den sechsmonatigen Übergangszeitraum (§ 376 Z 18 Abs 5 GewO 1994) bis 30. 5. 2005 war ein Tätigwerden auf Grundlage der bisherigen Eintragung im Gewerberegister zulässig.
2. Nach Ansicht des Gesetzgebers sollte im Interesse möglichst prämienschonender Realisierung des Versicherungsschutzes dem Verlangen der Umsetzungsbestimmungen nach unbeschränkter Nachhaftung praktisch durch eine mindestens fünfjährige Nachhaftung (durchschnittliche effektive Verjährungszeit) entsprochen werden können (vgl ErläutRV 616 BlgNR 22. GP 11; s auch die vom BMWA zur Umsetzung der Richtlinie 2002/92/EG vom 9. Dezember 2002 über Versicheru