Entscheidungsdatum
05.06.2018Index
41/02 StaatsbürgerschaftNorm
StbG 1985 §10 Abs1 Z6Text
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Mag. Ivica Kvasina in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 04.05.2018 über die Beschwerde des Herrn XY., vertreten durch Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, vom 15.09.2017, Zl. MA35/..., mit welchem das Ansuchen um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 2 Z 1 Staatsbürgerschaftsgesetz - StbG iVm § 53 Abs. 2 Z 5 Fremdenpolizeigesetz - FPG sowie § 10 Abs. 1 Z 6 StbG, abgewiesen wurde,
folgendes Erkenntnis verkündet:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
II. Gemäß § 10 Abs. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 in der Fassung vor dem BGBl. I 68/2017 wird dem Beschwerdeführer, Herr XY., geboren am …1955 in H., mit Wirkung vom 04.05.2018 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Antrag vom 26.03.2015 begehrte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Am 08.07.2016 teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde niederschriftlich mit, dass sein Verfahren im Hinblick auf die von ihm bereits erbrachten und noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen gemäß § 10 Abs. 6 StbG fortgesetzt werden soll.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 12.08.2016 wurden die Ablichtungen des Staatsbürgerschaftsaktes des Antragstellers dem Bundesministerium für Inneres betreffend § 10 Abs. 6 StbG in der geltenden Fassung übermittelt.
Mit Beschluss vom 03.05.2017 bestätigte die Bundesregierung, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 6 StbG im besonderen Interesse der Republik liegt.
Der Antrag des Beschwerdeführers wurde dennoch von der belangten Behörde gemäß §§ 10 Abs. 2 Z 1 und § 10 Abs. 1 Z 6 StbG mit der Begründung abgewiesen, der Beschwerdeführer habe am 07.10.2013 um 17:20 Uhr in Wien, ..., als Freier, zum Zweck der Inanspruchnahme von sexuellen Dienstleistungen, Kontakt mit einer Prostituierten aufgenommen, obwohl eine solche Kontaktaufnahme gemäß § 16 WPG 2011 für Freier und Freierinnen verboten ist, zumal das ggst. Etablissement allein schon daran als illegal zu erkennen ist, dass es keinen unmittelbaren und gesonderten Zugang zur öffentlichen Fläche aufweise. Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 16 WPG 2011 verletzt und es wurde wegen dieser Verwaltungsübertretung über ihn gemäß § 17 Abs. 3 WPG 2011 eine Geldstrafe von EUR 200,00 (NEF 2 Tage Haftstrafe) verhängt.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig eine Beschwerde. Der Verwaltungsakt wurde seitens der belangten Behörde am 30.11.2017 (einlangend) an das Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung weitergeleitet.
Am 04.05.2018 führte das Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Im Anschluss an die Verhandlung wurde das Erkenntnis mündlich verkündet. Die belangte Behörde beantragte mit Schreiben vom 17.05.2018 die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.
Aus dem den Beschwerdeführer betreffenden Administrativakt der belangten Behörde zur Zl. MA35/..., den vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumenten und Unterlagen sowie den vom Verwaltungsgericht Wien getätigten Abfragen ergibt sich folgender, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Vereinigten Staaten von Amerika, ledig und als Künstler tätig. Er verfügt über eine kubanische Geburtsurkunde und einen amerikanischen Reisepass, gültig bis 10.02.2026. Seit 31.12.1994 ist er in Österreich ununterbrochen niedergelassen und wurde ihm am 23.08.2011 ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EG“ erteilt, welcher seit 01.01.2006 bzw. 01.01.2014 als Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ weiter gilt. Er ist unbescholten und besteht laut Bericht der LPD Wien vom 12.03.2018 betreffend den Beschwerdeführer eine Vormerkungen: der Beschwerdeführer hat am 07.10.2013 um 17:20 Uhr in Wien, ..., als Freier, zum Zweck der Inanspruchnahme von sexuellen Dienstleistungen, Kontakt mit einer Prostituierten aufgenommen, obwohl eine solche Kontaktaufnahme gemäß § 16 WPG 2011 für Freier und Freierinnen verboten ist, zumal das ggst. Etablissement allein schon daran als illegal zu erkennen war, dass es keinen unmittelbaren und gesonderten Zugang zur öffentlichen Fläche aufweist. Er hat dadurch die Rechtsvorschrift des § 16 Wiener Prostitutionsgesetz 2011 (WPG 2011) verletzt und es wurde wegen dieser Verwaltungsübertretung über ihn gemäß § 17 Abs. 3 WPG 2011 eine mittlerweile rechtskräftige Geldstrafe von EUR 200,00 (im Nichteinbringungsfall 2 Tage Haftstrafe) verhängt. Weitere Vormerkungen sind hinsichtlich des Beschwerdeführers nicht vorgekommen.
Mit Beschluss vom 03.05.2017 bestätigte die Bundesregierung, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 6 StbG im besonderen Interesse der Republik liegt.
Am 04.05.2018 hat der Beschwerdeführer das Gelöbnis gem. § 21 Abs. 2 letzter Satz StbG vor dem erkennenden Richter abgelegt.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG Z 1 erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
§ 28 Abs. 1 und 2 VwGVG lauten:
„(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“
Gemäß § 64a Abs. 25 StbG sind zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I 68/2017, mithin dem 01.10.2017, anhängige Verfahren nach den Bestimmungen in der Fassung vor dem BGBl. I 68/2017 zu Ende zu führen.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 idF vor dem BGBl. I 68/2017 lauten:
„Verleihung
§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn
1. …
2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist;
3. er nicht durch ein inländisches Gericht wegen eines Finanzvergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist;
4. gegen ihn nicht wegen des Verdachtes einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat oder eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig ist;
5. durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft die internationalen Beziehungen der Republik Österreich nicht wesentlich beeinträchtigt werden;
6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;
7. …
8. er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde.
(1a) Eine gemäß Abs. 1 Z 2 oder 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie in Strafregisterauskünfte an die Behörde nicht aufgenommen werden darf. Eine gemäß Abs. 1 Z 2 oder 3 maßgebliche Verurteilung liegt vor, wenn sie wegen einer Jugendstraftat erfolgt.
(1b) …
(2) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden nicht verliehen werden, wenn
1. bestimmte Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 Z 2, 3, 5, 8, 9 und Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, vorliegen; § 53 Abs. 5 FPG gilt;
2. er mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung mit besonderem Unrechtsgehalt, insbesondere wegen § 99 Abs. 1 bis 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, wegen § 37 Abs. 3 oder 4 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, § 366 Abs. 1 Z 1 i.V.m. Abs. 2 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, wegen §§ 81 bis 83 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991, oder wegen einer schwerwiegenden Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005, des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, des Grenzkontrollgesetzes (GrekoG), BGBl. Nr. 435/1996, oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, rechtskräftig bestraft worden ist; § 55 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG), BGBl. Nr. 52/1991, gilt;
3. gegen ihn ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung anhängig ist;
4. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;
5. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;
6. gegen ihn das mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG einhergehende Einreiseverbot weiterhin aufrecht ist oder gegen ihn in den letzten 18 Monaten eine Ausweisung gemäß § 66 FPG rechtskräftig erlassen wurde oder
7. er ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können.
(3) …
(4) …
(5) …
(6) (Verfassungsbestimmung) Die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 7 sowie des Abs. 3 entfallen, wenn die Bundesregierung bestätigt, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen der vom Fremden bereits erbrachten und von ihm noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen im besonderen Interesse der Republik liegt.
(7) Die Bundesregierung kann über Vorschlag des Bundesministers für Inneres eine Verordnung erlassen, mit der nähere Bestimmungen über das Verfahren zur Erlangung einer Bestätigung der Bundesregierung in Verfahren gemäß Abs. 6 festgelegt werden.“
§ 53 FPG lautet:
(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. …
2. …
3. …
4. …
5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6.
7. …
8. …
9. …
(3) …
(4) …
(5) …
(6) …
§ 17 WPG 2011 lautet:
(1) …
(2) …
(3) Wer als Freierin oder Freier (§ 2 Abs. 9) entgegen dem Verbot des § 16 Kontakt mit Personen, die Prostitution anbahnen oder ausüben, zum Zweck der Inanspruchnahme ihrer Dienstleistungen aufnimmt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis 500 Euro, bei Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Tagen, zu bestrafen.
§ 16 WPG 2011 lautet:
Außerhalb der gemäß § 9 erlaubten Bereiche für Straßenprostitution sowie in Prostitutionslokalen, deren Betrieb gemäß § 6 Abs. 1 lit. a) oder c) unzulässig ist, dürfen Freierinnen und Freier (§ 2 Abs. 9) mit Personen, die Prostitution anbahnen oder ausüben, zum Zweck der Inanspruchnahme von Dienstleistungen keinen Kontakt aufnehmen. Die Kontaktaufnahme über Telefon, E-Mail oder sonstige Kommunikationsmedien wird hiervon nicht erfasst.
Die belangte Behörde stützt die Abweisung des Bescheides sowohl auf das Einbürgerungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 1 StbG wie auch auf das Einbürgerungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG.
Im Hinblick auf das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 1 StbG kann Folgendes festgehalten werden:
Die Staatsbürgerschaft darf Fremden nicht verliehen werden, wenn sogenannte „bestimmte Tatsachen“ gemäß § 53 Abs. 2 Z 2, 3, 5, 8, 9 und Abs. 3 FPG vorliegen. Trotz des irreführenden Begriffs „bestimmte“ Tatsachen handelt es sich um einen unbestimmten Gesetzesbegriff. Im konkreten Einzelfall kann unklar sein, wann eine solche „bestimmte Tatsache“ anzunehmen ist. Die Behörde darf sich bei der Beurteilung des Begriffs „bestimmte Tatsachen“ nicht auf das bloße Vorliegen eines Sachverhalts beschränken, sondern muss aus dem Gesamtverhalten beurteilen, ob die Gefährdung eines Schutzguts des Art 8 Abs. 2 EMRK ein Einreiseverbot rechtfertigen würde (vgl. Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht (2006), § 10, 89).
§ 53 FPG regelt die Verhängung eines Einreiseverbots. Das österreichische Recht kennt mehrere „Stufen“ der Aufenthaltsbeendigung. Abgesehen von der hier nicht relevanten „Anordnung zur Außerlandesbringung“ (relevant für die sogenannten „Dublin-III-Rückführungen“, vgl. § 61 FPG iVm § 5 AsylG) sind die wesentlichen Instrumente zur Aufenthaltsbeendigung die Rückkehrentscheidung (§ 52 FPG) und das Einreiseverbot gem. § 53 FPG, das in bestimmten Fällen gemeinsam mit einer Rückkehrentscheidung erlassen werden kann. Während die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG lediglich eine Ausreiseverpflichtung normiert, wird mit einem – bei Vorliegen der Voraussetzungen gleichzeitig ausgesprochenen – Einreiseverbot auch ein Verbot einer Rückkehr nach Österreich für einen bestimmten Zeitraum ausgesprochen. Ein Einreiseverbot ist also jener „Teil“ einer Ausreiseverpflichtung, der die Rückkehr nach Österreich verbietet; dieser kann daher nie für sich selbst stehen, sondern wird immer nur in Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung ausgesprochen. Die Rückkehrentscheidung inklusive Einreiseverbot ersetzt damit das alte Aufenthaltsverbot (vgl. für den hier interessierenden Bereich der Verleihungshindernisse für die Staatsbürgerschaft § 10 Abs. 2 idF. vor 1.7.2011 (vor BGBl I 38/2011).
Nicht klar ist, was unter dem Begriff „bestimmte Tatsachen“ zu verstehen ist. Offensichtlich sollen nicht nur Personen von einer Staatsbürgerschaft ausgeschlossen sein, solange ein Einreiseverbot in Kraft ist, sondern der Versagungsgrund setzt bereits dann an, wenn lediglich die materiellen Voraussetzungen für eine solches vorliegen. Da aber § 10 Abs. 2 Z 1 nicht von Voraussetzungen, sondern von bestimmten Tatsachen spricht, ist auch dies genauer zu betrachten: Der Terminus lautet nicht etwa „wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass […]“, sondern „wenn bestimmte Taschen vorliegen“. Gemeint könnte daher sein, dass in allen Fällen, in denen die in § 10 Abs. 2 Z 1 angeführten Voraussetzungen erfüllt sind, „bestimmte Tatsachen“ vorliegen. Allerdings würde in einem solchen Fall eine Staatsbürgerschaft in jedem Fall ausgeschlossen sein, selbst wenn z.B. eine Rückkehrentscheidung inklusive Einreiseverbot aufgrund § 9 BFA-VG (Aufenthaltsverfestigung) nicht verhängt werden dürfte. Trotz Vorliegen der Voraussetzungen ist daher nicht zwingend ein Einreiseverbot auszusprechen: Die Verhängung eines solchen ist gemäß § 53 Abs. 1 FPG als Ermessensentscheidung konzipiert. Schon daraus wird deutlich, dass die Behörde eine Abwägung zu treffen hat, ob bzw. wann sie trotz Erfüllung einer oder allenfalls mehrerer Voraussetzungen des § 53 FPG ein Einreiseverbot erteilt. Weiters ist möglich, dass aufgrund Aufenthaltsverfestigung (§ 9 Abs. 4 und 5 BFA-VG) ein Einreiseverbot nicht verhängt werden darf. Zudem muss bei jeder Rückkehrentscheidung (die ja gemeinsam mit dem Einreiseverbot ausgesprochen wird) geprüft werden, ob Art 8 EMRK der Aufenthaltsbeendigung nicht entgegensteht.
Es sind daher unterschiedliche Konstellationen denkbar und auch praxisrelevant, in denen trotz Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 kein Einreiseverbot verhängt wird. In einem solchen Sachverhalt kann aber trotzdem die Verleihung der Staatsbürgerschaft ausgeschlossen sein, wenn der Begriff „bestimmte Tatsachen“ erfüllt ist. Mit der Wortfolge „bestimmte Tatsachen“ sollte daher ausgedrückt werden, dass der vollziehenden Behörde bzw. dem entsprechenden Verwaltungsgericht ein Ermessen eingeräumt ist, die Staatsbürgerschaft zu verleihen, obwohl im Einzelfall eine der angeführten Ziffern des § 53 Abs. 2 FPG erfüllt ist, dies aber etwa aufgrund einer sehr langen Aufenthaltsdauer nicht unter den Terminus „bestimmte Tatsachen“ fällt. (vgl. Ecker/Kind/Kvasina/Peyrl, StbG 1985, § 10, Rz 213-219).
Unstrittig ist die Tatsache, dass über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe iHv EUR 200,-- rechtskräftig verhängt wurde, da er gegen die Vorschrift des § 16 Abs. 3 WPG verstoßen hat. Das Wiener Prostitutionsgesetz ist jedenfalls eine Vorschrift, mit denen die Prostitution geregelt ist iSd § 53 Abs. 2 Z 5 FPG.
Eine einmalige rechtskräftige Verwaltungsübertretung, mit der eine Geldstrafe von EUR 200,-- verhängt wurde, würde jedoch die Erlassung eines Einreiseverbotes unter keinen Umständen rechtfertigen können, zumal der Beschwerdeführer mehr als 25 Jahre in Österreich lebt, ein anerkannter Künstler ist und mittlerweile auch die österreichische Bundesregierung die Einbürgerung im besonderen Republiksinteresse bestätigt hat. Daher kann die vom Beschwerdeführer begangene Verwaltungsübertretung nicht als „bestimmte Tatsache“ iSd § 53 Abs. 2 Z 5 FPG qualifiziert werden.
Im Hinblick auf das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG kann Folgendes festgehalten werden:
Wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, ist bei der Beurteilung, ob ein Einbürgerungshindernis besteht, auch darauf abzustellen, ob verwaltungsstrafrechtliche Normen verletzt wurden und nicht ausgeschlossen werden kann, dass es auch zukünftig zu weiteren derartigen Normübertretungen kommen wird. Bei Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen der Z 6 vorliegen, ist das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers zu berücksichtigen. Dieses wird wesentlich durch das Charakterbild bestimmt, welches sich aus den vom Verleihungswerber begangenen Straftaten ergibt. Handelt es sich bei diesen um einen Rechtsbruch, der den Schluss gerechtfertigt erscheinen lässt, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche zur Abwehr und Unterdrückung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Vorschriften missachten, so ist die Gefahr im Sinne der Z 6 gegeben, wobei Schutzobjekt dieser Bestimmung auch die Normen des Staatsbürgerschaftsrechtes und Passrechtes (nunmehr Fremdenrechts) sind. Bei der Prüfung der Persönlichkeit des Verleihungswerbers im Sinne der Z 6 stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab. Es sind daher auch begangene Straftaten in die Beurteilung mit einzubeziehen, hinsichtlich derer die Verurteilung bereits getilgt ist (vgl VwGH 14.01.1987, 86/01/0280).
Der Beschwerdeführer hat in seiner Stellungnahme vom 02.09.2017 ausführlich zu den Umständen, die zur Verhängung der Geldstrafe geführt haben, Stellung genommen. Ebenso hat er nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen zukünftig derartige Übertretungen völlig ausgeschlossen sind. Im Hinblick auf den einmaligen Verstoß während seines 25-jährigen Aufenthalts in Österreich ist somit unter keinen Umständen eine negative Zukunftsprognose gegen den Beschwerdeführer gerechtfertigt.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer bis zu der einmaligen Bestrafung im Jahr 2013 und auch seither wohlverhalten hat. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 04.05.2018 hat er nachvollziehbar dargelegt, dass er zukünftig keine illegalen Lokale betreten wird und es auch zu keinen anderen Rechtsverletzungen durch ihn kommen wird. Warum die belangte Behörde trotz des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers seit Oktober 2013 zu einer negativen Zukunftsprognose gelangt, kann dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden. Auch die gebotene Prüfung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers und der näheren Umstände der Verwaltungsübertretung, die einen Rückschluss auf das Charakterbild ermöglichen und Grundlage für die Gefährdungsprognose sind, hat die belangte Behörde nicht vorgenommen.
Daher ist das erkennende Gericht zu der Einsicht gekommen, dass beim Beschwerdeführer keine Verleihungshindernisse hervorgekommen sind.
Da alle sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind, war dem Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 6 StbG zu verleihen.
Die ordentliche Revision ist zulässig, da eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, zumal es an einer Rechtsprechung dahingehend fehlt, ob der vollziehenden Behörde bzw. dem entsprechenden Verwaltungsgericht ein Ermessen eingeräumt ist, die Staatsbürgerschaft zu verleihen, obwohl im Einzelfall eine der angeführten Ziffern des § 53 Abs. 2 FPG erfüllt ist und somit – nominell - ein Verleihungshindernis gem. § 10 Abs. 2 Z 1 StbG 1985 besteht.
Schlagworte
Verleihungshindernis, Einbürgerungshindernis, Einreiseverbot, bestimmte Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 Z 2, 3, 5, 8, 9 und Abs. 3 FPG, Prognoseentscheidung, Würdigung des GesamtverhaltensEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.152.071.16120.2017Zuletzt aktualisiert am
02.07.2018