TE Vwgh Erkenntnis 2000/2/16 2000/01/0028

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Veröffentlicht am 16.02.2000
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1985 §10 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des H K in K, vertreten durch Dr. Siegfried Dillersberger und Dr. Helmut Atzl, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Maderspergerstraße 8/I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 20. Dezember 1999, Zl. Ia-11.035/21-1999, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 20. Dezember 1999 hat die Tiroler Landesregierung den am 5. Februar 1998 gestellten Antrag des Beschwerdeführers, eines am 20. Mai 1972 geborenen türkischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311, idF

BGBl. I Nr. 124/1998 (StbG), abgewiesen.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 20. Mai 1980 ununterbrochen in Österreich auf und beziehe als Busfahrer ein monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von S 16.000,-- er sei wegen folgender Verwaltungsübertretungen zu nachgenannten Geldstrafen rechtskräftig verurteilt worden:

1.) 2. August 1990; Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 49 km/h; S 2.750,--

2.) 2. Juli 1990; Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h um 29 km/h; S 900,--

3.) 12. November 1990; Unterlassung der Meldung eines beim Rückwärtsfahren verursachen Verkehrsunfalles mit Sachschaden bzw. Unterlassung der Bekanntgabe der Identität und der Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes; S 3.000,--

4.) 23. Mai 1994; Überschreiten der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 49 km/h; S 5.940,--

5.) 25. Oktober 1994; Verwendung eines Anhängers ohne Begutachtungsplakette und Nicht-mitführen des Zulassungsscheines;

S 500,--

6.) 5. November 1994; Überschreiten der im Ortsgebiet erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 58 km/h; S 7.700,--

7.) 28. Oktober 1996; Überschreiten der höchstzulässigen Geschwindigkeit von 80 km/h um 54 km/h; S 5.060,--

8.) 2. November 1996; Überschreiten der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 33 km/h; S 1.500,--

9.) 12. April 1997; Überschreiten der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 20 km/h; S 700,--

10.) 8. Juli 1997; erhebliche Behinderung eines entgegenkommenden Fahrzeuges durch ein äußerst rücksichtsloses Überholmanöver; S 1.000,--

11.) 4. November 1997; Überschreiten der höchstzulässigen Geschwindigkeit von 130 km/h um 35 km/h; S 1.700,--.

Weiters sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 4. September 1995 wegen Betruges nach § 146 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden, weil er am 3. August 1994 nach Herausschleifen der Fahrgestellnummer einen nicht mit dem Typenschein übereinstimmenden Personenkraftwagen um einen Betrag von S 14.500,-- verkauft habe. Dadurch habe er einem Gebrauchtwagenhändler einen Schaden von S 20.000,-- zugefügt.

Auf Grund dieses Fehlverhaltens, insbesondere der mehrfachen erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen, gelangte die belangte Behörde zur Ansicht, dass das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers nicht Gewähr dafür biete, dass er zur österreichischen Rechtsordnung positiv eingestellt sei. Die Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG sei daher nicht gegeben.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs.1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 zweiter Fall StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden nur dann verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu §10 Abs. 1 Z. 6 StbG idF vor der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, welche auch hier maßgeblich ist, ist dabei - wie die Beschwerde richtig ausführt - vom Gesamtfehlverhalten des Einbürgerungswerbers, welches wesentlich durch das sich aus den von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt wird, auszugehen. Maßgebend ist hiebei ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahr für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit sowie die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Rechtsvorschriften missachten; aus der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die negative Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung derartiger Gefahren erlassenen Gesetzen in deutlicher Weise zum Ausdruck. Die gilt auch hinsichtlich von Verstößen gegen Schutznormen, die der Ordnung und Sicherheit der Straßenverkehrs dienen (vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/01/0335).

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass es sich bei der im angefochtenen Bescheid unter Punkt 9. wiedergegeben Bestrafung um einen Anonymverfügung handle und ihm nicht mehr erinnerlich sei, ob er diese Übertretung selbst begangen habe. Die Begehung der übrigen Straftaten bestreitet er nicht.

Von seinem eigenen Vorbringen ausgehend hat der Beschwerdeführer somit im Zeitraum von August 1990 bis November 1997 zehn Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung und das Kraftfahrzeuggesetz begangen. Nicht weniger als siebenmal davon hat er die jeweils erlaubte Höchstgeschwindigkeit beträchtlich (um zwischen 29 und 58 km/h!) überschritten, wobei Geldstrafen bis zu S 7.700,-- verhängt worden sind. Er hat somit unter Beweis gestellt, sich auch durch wiederholte empfindliche Bestrafungen, die ihm den Unrechtsgehalt seines Verhaltens deutlich vor Augen geführt haben, nicht von seinem die Sicherheit im Straßenverkehr erheblich gefährdenden Verhalten abbringen zu lassen. Darüber hinaus hat er durch ein rücksichtsloses Überholmanöver den Lenker eines entgegenkommenden Fahrzeuges erheblich behindert, was ebenfalls eine große Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer darstellt. Weiters ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer einen Betrug mit einem Schaden vom S 20.000,-- und nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden Fahrerflucht begangen hat. Von diesem gesamtem Fehlverhalten ausgehend kann die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer biete keine Gewähr dafür, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 ERMK genannte öffentliche Interessen darzustellen, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Hiebei ist es unerheblich, dass es sich bei der Verwendung eines Anhängers ohne Begutachtungsplakette und dem Nicht-mitführen des Zulassungsscheines um keine schwer wiegenden Übertretungen handelt. Ebenso fällt es nicht ins Gewicht, dass die wegen des Betruges verhängte Geldstrafe - wie der Beschwerdeführer vorbringt - bedingt nachgesehen worden ist.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass auf geringfügige Delikte, welche länger als fünf Jahre zurückliegen, bei der Beurteilung nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StGB keine Rücksicht zu nehmen sei, und dazu auf das hg. Erkenntnis vom 4. März 1987, Zl. 86/01/0200, verweist, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, dass - wie er selbst an anderer Stelle der Beschwerde ausführt - bei der Beurteilung nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG auch das bereits getilgten Bestrafungen zu Grunde liegende Fehlverhalten mit einzubeziehen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. September 1997, Zl. 96/01/0810). In dem vom der Beschwerde zitierten Erkenntnis, Zl. 86/01/0200, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Behörde zu begründen habe, warum sie bei einem Beschwerdeführer, dessen Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung nur einen geringen Unrechtsgehalt aufwiesen und überdies bereits fünf oder mehr Jahre zurücklägen, zu einer negativen Prognose komme.

Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, dass er die Verwaltungsübertretungen nach Erlangung des Führerscheines in einer "Sturm- und Drangperiode" begangen habe. Da die letzte Übertretung bereist drei Jahre zurückliege, seien keine weiteren Verstöße gegen die Rechtsordnung mehr zu erwarten, zumal eine positive Tendenz erkennbar sei und die Übertretungen teilweise bereits fast zehn Jahre zurücklägen.

Dazu ist zunächst auszuführen, dass die bisher letzte Geschwindigkeitsüberschreitung vom Beschwerdeführer am 4. November 1997 begangen wurde. Der Zeitraum bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides (Zustellung an den Beschwerdeführer am 24. Dezember 1999) beträgt somit nur wenig mehr als zwei Jahre. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer davor in einem Zeitrum von sieben Jahren (neben Betrug, Fahrerflucht und riskantem Überholen) nicht weniger als sieben gleichartige Delikte (beträchtliche Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit) begangen hat, ist dieser Zeitraum zu kurz, um auf künftiges Wohlverhalten schließen zu können. Der dem vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten hg. Erkenntnis vom 9. September 1993, Zl. 92/01/0852, zu Grunde liegende Fall ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Dort hat nämlich der Beschwerdeführer während seines insgesamt zwanzigjährigen inländischen Aufenthaltes insgesamt nur zweimal ein Verhalten gesetzt, dass zur Bestrafung wegen Übertretungen verwaltungsrechtlicher Vorschriften geführt hat, wobei seit der letzten Straftat bereits ein Zeitraum von über sieben Jahren verstrichen war.

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Umstände, dass er in Österreich wirtschaftlich, kulturell, sozial und familiär voll integriert sei, hingegen zur Türkei keine emotionale Bindung mehr habe, können die vom Beschwerdeführer auf Grund des dargestellten Fehlverhaltens ausgehende Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen nicht mindern. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf die in § 11 StbG angeführten Ermessenskriterien verweist, ist ihm zu entgegnen, dass § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG - wie auch in der Beschwerde ausgeführt - ein zwingendes Verleihungshindernis normiert, bei dessen Vorliegen für eine Ermessensübung kein Raum bleibt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1997, Zl. 96/01/1138).

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen kommt dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verfahrensmangel, dass die belangte Behörde seine Lebensumstände, insbesondere das Ausmaß seiner Integration, nicht ausreichend erhoben habe, jedenfalls keine Relevanz zu.

Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 16. Februar 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000010028.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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