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40 VerwaltungsverfahrenNorm
B-VG Art90 Abs2Leitsatz
Verletzung im Eigentumsrecht durch Verhängung einer Ordnungsstrafe wegen Verweigerung der Zeugenaussage infolge verfehlter Annahme einer Pflicht des Zeugen zur Selbstbeschuldigung; Verweigerung einer Zeugenaussage bei Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung - also auch durch eine Verwaltungsbehörde - gerechtfertigtSpruch
Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr) ist schuldig, den Beschwerdeführern z.Hd. ihres Rechtsvertreters die mit je 18.000,-- S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. A. Zu B66/97 (Beschwerde des Y.Y.)
1.a) Der Bürgermeister der Stadt Salzburg erließ gegen N.N. ein mit 11. April 1996 datiertes Straferkenntnis mit folgendem Spruch:
"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin F Vermittlungsges.m.b.H. und somit als gemäß §9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Y OEG zu verantworten, daß von dieser Gesellschaft von 2.10.1994 bis 27.3.1996 mit Standort in Salzburg, Maxglaner Hauptstraße 63, auf eigene Rechnung und Gefahr entgeltlich Personenbeförderungen mit einem Personenkraftwagen durchgeführt wurden, wobei das Fahrzeug auf Taxistandplätzen im Bereich der Landeshauptstadt Salzburg für einen unbestimmten Personenkreis zur Benützung bereitgehalten wurde und auch telefonisch angefordert werden konnte und somit das Taxigewerbe ausgeübt wurde, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Gewerbeberechtigung (Konzession) zu sein.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§§1 Abs1 und Abs2, 2 Abs1 und 3 Abs1 Z3 GelegenheitsverkehrsG, BGBl. Nr. 85/1952 i.d.F. BGBl. Nr. 223/1994 i.V.m. §366 Abs1 Z1 Gewerbeordnung 1994".
Y.Y. hat mit der "F Vermittlungsgesellschaft m.b.H." die "Taxiunternehmen Y OEG" gegründet. Er vertritt selbständig neben N.N. diese Gesellschaft.
b) Gegen das erwähnte Straferkenntnis erhob N.N. Berufung. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg (UVS Szbg.) lud Y.Y. als Zeugen zur darüber für 28. November 1996 anberaumten Berufungsverhandlung. Y.Y. verweigerte die Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen, weil er in dem (in erster Instanz) gegen ihn anhängigen, noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahren Beschuldigter sei, dessen Gegenstand der gleiche Tatvorwurf wie jener gegen N.N. sei.
Tatsächlich war damals gegen Y.Y. beim Bürgermeister der Stadt Salzburg zu Zl. 1/06/88149/95/003 ein Verwaltungsstrafverfahren anhängig. Die Behörde hatte nämlich (nach den unbestritten gebliebenen Beschwerdebehauptungen) am 4. Dezember 1995 an Y.Y. eine Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter hinsichtlich folgender Tatvorwürfe gerichtet:
"Sie haben als persönlich haftender Gesellschafter und somit als gemäß §9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Y OEG zu verantworten, daß von dieser Gesellschaft seit 2.10.1994 mit Standort in Salzburg, Maxglaner Hauptstraße 63, auf eigene Rechnung und Gefahr entgeltlich Personenbeförderungen mit einem Personenkraftwagen durchgeführt werden, wobei das Fahrzeug auf Taxistandplätzen im Bereich der Landeshauptstadt Salzburg für einen unbestimmten Personenkreis zur Benützung bereitgehalten wird und auch telefonisch angefordert werden kann und somit das Taxigewerbe ausgeübt wird, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Gewerbeberechtigung (Konzession) zu sein.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§2 Abs1 und 3 Abs1 Z3 GelegenheitsverkehrsG, BGBl. Nr. 85/1952 i.d.F. BGBl. Nr. 223/1994 i.V.m. §366 Abs1 Z1 Gewerbeordnung 1994".
Dennoch verhängte der UVS Szbg. mit Bescheid vom 28. November 1996 gegen Y.Y. gemäß §49 Abs5 letzter Teilsatz AVG i.V.m. §34 Abs2 AVG und §24 VStG eine Ordnungsstrafe in der Höhe von S 1.000,-- wegen ungerechtfertigter Verweigerung der Beantwortung der an diesen als Zeugen gerichteten Fragen.
Begründend lautet es in diesem Bescheid:
"Im Rahmen der heutigen mündlichen Verhandlung wurde der oben angeführte Zeuge (nämlich Y.Y.) von der Kammervorsitzenden ausführlich nach den Bestimmungen über die Aussageentschlagung einerseits und seine Verpflichtung auszusagen andererseits belehrt, und hat der Zeuge dazu angegeben, in Folge des gegen ihn selbst behängenden Verwaltungsstrafverfahrens wegen unbefugter Gewerbeausübung zu allen im Zusammenhang damit stehenden Fragen die Aussage unter Berufung auf §33 VStG insgesamt zu verweigern.
Der Zeuge wurde nach seiner ersten dahingehenden Erklärung nochmals gemäß §34 Abs2 AVG ermahnt, diese Frage zu beantworten, welche Beantwortung er weiterhin verweigerte, dies auch noch nach der angedrohten Verhängung einer Ordnungsstrafe in Höhe von S 1.000,--.
Nach Ansicht des erkennenden Senates ist §33 VStG gegenüber dem Zeugen Y.Y. nicht anwendbar, da das gegenständliche Verfahren sich nicht gegen den Zeugen Y.Y. als Beschuldigten, sondern vielmehr gegen N.N. richtet. Ein Entschlagungsgrund nach §49 Abs1 Zif. 1 AVG i.V.m. §24 VStG hinsichtlich der dort angeführten Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung liegt nicht vor, zumal der Gesetzgeber darunter nicht eine drohende verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung versteht.
Das Vorliegen sonstiger Verweigerungsgründe nach dieser Bestimmung hat der Zeuge weder vorgebracht geschweige denn glaubhaft gemacht."
2. Gegen diesen Bescheid erhebt Y.Y. die vorliegende unter B66/97 protokollierte auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Der UVS Szbg. erstattete eine Gegenschrift, in der er die Abweisung der Beschwerde begehrt.
Darauf replizierte der Beschwerdeführer. Er hält seinen Antrag aufrecht.
B. Zu B67/97 (Beschwerde des Z.Z.)
Ein in der hier maßgebenden Hinsicht völlig gleichartiger Sachverhalt liegt dem zu B67/97 protokollierten Beschwerdeverfahren zugrunde.
1.a) Z.Z. hat mit der "F Vermittlungsgesellschaft m.b.H." die "Taxiunternehmen Z OEG" gegründet. Er vertritt selbständig neben N.N. diese Gesellschaft.
Mit Schreiben vom 4. Dezember 1995, Zl. 1/06/88151/95/003 richtete der Bürgermeister der Stadt Salzburg an
Z.Z. nachstehende (von der Behörde nicht bestrittene) Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter:
"Sie haben als persönlich haftender Gesellschafter und somit als gemäß §9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Taxiunternehmen Z OEG zu verantworten, daß von dieser Gesellschaft seit 1.6.1995 mit Standort in Salzburg, Fürstallergasse 44, auf eigene Rechnung und Gefahr entgeltlich Personenbeförderungen mit einem Personenkraftwagen durchgeführt werden, wobei das Fahrzeug auf Taxistandplätzen im Bereich der Landeshauptstadt Salzburg für einen unbestimmten Personenkreis zur Benützung bereitgehalten wird und auch telefonisch angefordert werden kann und somit das Taxigewerbe ausgeübt wird, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Gewerbeberechtigung (Konzession) zu sein.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§2 Abs1 und 3 Abs1 Z3 GelegenheitsverkehrsG, BGBl. Nr. 85/1952 i.d.F. BGBl. Nr. 223/1994 i.V.m. §366 Abs1 Z1 Gewerbeordnung 1994."
b) Auch Z.Z. wurde vom UVS Szbg. für den 28. November 1996 als Zeuge zur mündlichen Verhandlung über die von N.N. erhobene Berufung geladen. Z.Z. verweigerte unter Hinweis auf das gegen ihm als Beschuldigten anhängige Verwaltungsstrafverfahren (s. die vorstehende lita) die Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen.
c) Der UVS Szbg. verhängte auch gegen Z.Z. mit Bescheid vom 28. November 1996 eine Ordnungsstrafe in der Höhe von S 1.000,--.
2. Dieser Bescheid ist Gegenstand des zu B67/97 geführten Beschwerdeverfahrens. Dieses gleicht völlig dem zu B66/97 (s.o.I.A) protokollierten.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:
1.a) Mit den angefochtenen Bescheiden werden die Beschwerdeführer zu Geldleistungen verpflichtet. Die Bescheide greifen daher in deren Eigentumsrecht ein.
Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10337/1985, 10362/1985, 11470/1987) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
b) Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur (z.B. VfSlg. 11501/1987, 13587/1993) dargetan hat, liegt eine denkunmögliche Gesetzesanwendung u.a. dann vor, wenn die Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt hat.
c) Ein solcher Vorwurf ist dem UVS Szbg. hier zu machen:
Eine gesetzliche Verpflichtung, die auf ein Gebot zur Selbstbeschuldigung oder zum Einbekenntnis, Täter iS eines bestehenden Tatverdachtes zu sein, hinausläuft, ist - als im Gegensatz zu Art90 Abs2 B-VG stehend - verfassungswidrig; dies gilt auch für das Verwaltungsstrafverfahren (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, z.B. VfSlg. 9950/1984, 10291/1984, 10394/1985, 11829/1988, 11923/1988, 12454/1990, 13790/1994).
Gemäß §49 Abs5 letzter Halbsatz AVG kann im Fall der ungerechtfertigten Verweigerung der Zeugenaussage eine Ordnungsstrafe (§34 AVG) verhängt werden. Dem §49 Abs1 Z1 AVG zufolge darf von einem Zeugen die Aussage u.a. über Fragen verweigert werden, deren Beantwortung dem Zeugen die Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung zuziehen würde.
Der UVS Szbg. legte diese Bestimmungen dahin aus, daß nur die Gefahr, von einem Strafgericht verurteilt zu werden, die Verweigerung einer Zeugenaussage rechtfertige und damit die Verhängung einer Ordnungsstrafe ausschließe. Diese zwar im Wortlaut des Gesetzes gedeckte Interpretation führt - wie sich aus dem soeben Gesagten ergibt - zu einem verfassungswidrigen Ergebnis.
Dieses Ergebnis kann jedoch vermieden werden, wenn der Ausdruck "strafgerichtliche Verfolgung" im weiteren Sinn verstanden wird, nämlich dahin, daß damit jede strafrechtliche Verfolgung (also auch jene durch eine Verwaltungsbehörde) gemeint ist. Diese Auslegung steht auch mit dem Sinn des Gesetzes im Einklang, das die "strafgerichtliche Verfolgung" mit einem "Zur - Schande - gereichen" auf eine Stufe stellt.
Keiner weiteren Begründung bedarf, daß sich bei dem oben (Abschnitt I) geschilderten Sachverhalt die Beschwerdeführer der Gefahr einer verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt hätten, wenn sie im Zuge des gegen N.N. geführten Verwaltungsstrafverfahrens als Zeugen ausgesagt hätten.
d) Die Behörde hat also dem Gesetz insofern einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt, als sie eine (unter der Sanktion einer Ordnungsstrafe stehende) Pflicht des Zeugen zur Selbstbeschuldigung angenommen hat. Diese Interpretation war verfehlt.
Damit hat sie die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt. Die Bescheide waren infolgedessen aufzuheben.
2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG.
In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von je S 3.000,-- enthalten.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
Schlagworte
Anklageprinzip, Verwaltungsstrafrecht, Verwaltungsverfahren, OrdnungsstrafeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:B66.1997Dokumentnummer
JFT_10028984_97B00066_00