TE Vwgh Erkenntnis 2000/2/16 95/15/0054

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Veröffentlicht am 16.02.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §209 Abs3;
BAO §236 Abs1;
BAO §238;
BAO §294 Abs1 litb;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl sowie Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des PK in S, vertreten durch Dr. Dietmar Lirk, Rechtsanwalt in Salzburg, Franz-Josef-Straße 4/III, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion in Salzburg vom 22. Februar 1995, Zl. 127-GA6-DSchr/91, betreffend Widerruf einer Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 6. September 1989 beim Finanzamt inhaltlich den Antrag, ihm gegen Zahlung von S 86.795,-- den Rest seiner damals aushaftenden Abgabenschuldigkeiten in Höhe von S 433.976,-- nachzusehen. Aus einem im Jahr 1975 durchgeführten Konkursverfahren habe er noch sehr hohe Verbindlichkeiten. Der Abschluss eines "außergerichtlichen Ausgleiches" sei für ihn daher die letzte Möglichkeit, wirtschaftlich wieder Tritt fassen zu können. Dem Anbringen lag eine Erklärung bei, derzufolge bei Bezahlung des genannten Teilbetrages die gesamte Abgabenschuld "als abgegolten und erledigt gilt". Die Zweitschrift dieser Erklärung wurde vom Finanzamt am 15. Dezember 1989 unterfertigt und dem Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters übermittelt.

Nach Entrichtung des genannten Teilbetrages, aber noch vor einer in Aussicht genommenen (weiteren, wie sich nachträglich aus der diesbezüglichen Berufungsentscheidung der belangten Behörde ergibt) "bescheidmäßigen Nachsicht" erlangte das Finanzamt im Rahmen einer Anzeige Kenntnis von Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass der Beschwerdeführer "entgegen seinen Angaben" über verschiedene - allerdings "in mehrere Zivilverfahren involvierte" - Vermögenswerte verfügt.

Das Finanzamt wies daraufhin das Nachsichtsansuchen des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 13. November 1990 im Umfang des noch aushaftenden Abgabenbetrages ab. In der Begründung heißt es, der Beschwerdeführer habe in seinem Antrag wissentlich falsche Angaben gemacht, weil er einzeln angeführte Vermögensgegenstände verschwiegen habe. Außerdem habe er mit gerichtlichem Vergleich vom Mai 1990 das Eigentum an einer Wohnung erworben.

Der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab die belangte Behörde aus verfahrensrechtlichen Gründen statt. Der bekämpfte Bescheid wurde ersatzlos aufgehoben, weil das Bestätigungsschreiben des Finanzamtes vom 15. Dezember 1989 materiell-rechtlich als bescheidmäßige Nachsichtserteilung anzusehen sei. Eine nochmalige Entscheidung "in derselben Sache" sei daher unzulässig gewesen. Ob allenfalls ein Widerruf der Abgabennachsicht nach § 294 Abs. 1oder 2 BAO gerechtfertigt wäre, sei in diesem Verfahren nicht zu beurteilen gewesen.

Mit Bescheid vom 19. Juli 1991 widerrief das Finanzamt die dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 15. Dezember 1989 erteilte Teilabgabennachsicht wegen unrichtiger Angaben im Antrag vom 6. September 1989, wie dies bereits im Bescheid vom 13. November 1990 dargestellt wurde.

In der dagegen erhobenen Berufung bekämpfte der Beschwerdeführer die dem Bescheid des Finanzamtes zu Grunde liegende Sachverhaltsannahme, die widerrufene Teilnachsicht beruhe auf seinen wissentlich falschen Vermögensangaben in seinem Nachsichtsansuchen. Weiters sei der gerichtliche Vergleich, auf Grund dessen er eine Eigentumswohnung erworben habe, erst nach Gewährung der Abgabennachsicht im Mai 1990 abgeschlossen worden. Er habe daher im Zeitpunkt des Nachsichtsansuchens keinerlei Kenntnis davon haben können, dass er dieses Objekt erhalten werde. Außerdem sei diese Liegenschaft mit Pfandrechten belastet, weil er auf Grund des Scheidungsvergleiches einen Kredit in Anspruch genommen habe. Die im Nachsichtsansuchen nicht erwähnten Vermögensgegenstände hätten so gut wie keinen Wert. Das zu diesen Vermögensgegenständen zählende Motorrad sei von der Mutter des Beschwerdeführers für dessen Sohn gekauft worden und habe einen Wert von maximal S 8.000,-- bis S 10.000,--. Auch die anderen vom Finanzamt angeführten Vermögensgegenstände hätten nur einen geringen Wert und seien für das Nachsichtsansuchen irrelevant. Bei der Nichtanführung dieser Gegenstände handle es sich daher nicht um das wissentliche Verschweigen von Vermögenswerten.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer habe bereits mit Klage vom 21. August 1989 gegen seine damalige Ehefrau gerichtlich die Herausgabe einiger Gegenstände, die im Widerrufsbescheid aufgezählt worden seien, verlangt, und andererseits im Nachsichtsansuchen vom 6. September 1989 von seiner völligen Vermögenslosigkeit gesprochen. Seine Ausführungen, das Motorrad habe seinem Sohn gehört und er selbst nie Eigentum daran gehabt, seien schlichtweg falsch. Denn in einem vorbereitenden Schriftsatz des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers sei genau dargestellt worden, dass das Motorrad vom Beschwerdeführer gekauft und bezahlt worden sei und nur aus familiären Gründen auf den Namen des Sohnes laute, der bereits ein anderes Motorrad besitze. Weiters seien zu Gunsten des Beschwerdeführers Veräußerungs- und Belastungsverbote auf Liegenschaften seiner damaligen Ehefrau eingetragen gewesen. Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass diese zu seinen Gunsten eingetragenen Veräußerungs- und Belastungsverbote keinen Wert hätten, sei unrichtig. Vielmehr habe der Beschwerdeführer in einem Schreiben an seinen damaligen Schwiegervater vom 4. August 1989 - also rund einen Monat vor Stellung seines Nachsichtsansuchens - u.a. auch für den Verzicht auf die zu seinen Gunsten eingetragenen Belastungs- und Veräußerungsverbote eine "Forderung in Millionenhöhe" (es handle sich insgesamt um einen Betrag von S 2,5 Mio) erhoben. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer sodann mit Scheidungsvergleich vom 17. Mai 1990 (als Tauschobjekt gegen den Verzicht auf Veräußerungs- und Belastungsverbote von Liegenschaften) einen Barbetrag von S 350.000,-- und eine Eigentumswohnung erhalten. Alle diese Umstände habe der Beschwerdeführer in seinem Nachsichtsansuchen mit keinem Wort erwähnt, obwohl nach der Aktenlage für ihn bereits Mitte 1989 festgestanden sei, dass seine Ehefrau ihm für die Freigabe der Liegenschaften von den Veräußerungs- und Belastungsverboten einen namhaften Betrag bezahlen müsse. Der Beschwerdeführer habe bereits im April 1989 und im Jänner 1990 von einer Bank Darlehen in der Höhe von insgesamt S 700.000,-- erhalten. Nach den im Nachsichtsansuchen dargestellten Einkommens- und Vermögensverhältnissen sei nicht ersichtlich, woher er über eine entsprechende Bonität verfügt habe. Da der Beschwerdeführer somit nicht alle bedeutsamen Umstände vollständig und wahrheitsgemäß offen gelegt habe, sei der Widerruf der Abgabennachsicht gerechtfertigt. Auch der Hinweis des Beschwerdeführers in seiner Eingabe vom 14. Jänner 1991, dass in jedem Fall als Folge einer Scheidung ein Anspruch auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse bestehe, zeige nur, dass der Beschwerdeführer bei Stellung des Nachsichtsansuchens mit dem Zuwachs erheblicher Vermögenswerte habe rechnen können. Die Tatbestandselemente des § 294 Abs 1 lit.b BAO seien auf Grund der Verletzung der Offenlegungspflicht erfüllt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den Widerruf der gewährten Abgabennachsicht in seinen Rechten verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Nach § 294 Abs. 1 lit.b BAO ist eine Änderung oder Zurücknahme eines Bescheides, der Begünstigungen, Berechtigungen oder die Befreiung von Pflichten betrifft, durch die Abgabenbehörde, die den Bescheid erlassen hat, - soweit nicht Widerruf oder Bedingungen vorbehalten sind - nur zulässig, wenn das Vorhandensein dieser Verhältnisse auf Grund unrichtiger oder irreführender Angaben zu Unrecht angenommen worden ist.

Soweit die Beschwerde vorbringt, die belangte Behörde gehe im angefochtenen Bescheid in wesentlichen Punkten von unrichtigen Feststellungen aus, weil sich nicht nachvollziehen lasse, inwieweit dem Beschwerdeführer die im Scheidungsvergleich vereinbarten Umstände schon bei Stellung des Nachsichtsansuchens vom 6. September 1989 bekannt gewesen seien, übersieht sie, dass der Beschwerdeführer gegen seine nunmehr geschiedene Ehegattin eine Zivilklage mit Datum 21. August 1989 erhoben hat, womit er u.a. die Herausgabe des Typenscheines eines Motorrades der Marke "Fantic", dessen Wert er in seiner Berufung mit immerhin "maximal S 8.000,-- bis S 10.000,--" angab, begehrt hat. Unter weiterer Berücksichtigung der schon vom Finanzamt festgestellten und dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten Umstände (Rückgabe eines vom Beschwerdeführer gebrauchten Motorrads gleicher Marke beim Erwerb des neuen Motorrades, Zahlung des Kaufpreises durch und Auslieferung an den Beschwerdeführer, welcher das zumindest damals noch in seinem Gewahrsam befindliche Fahrzeug auch ausschließlich nutzte, Rechnungserstellung bloß aus familiären Gründen auf den Sohn, welcher ein eigenes Motorrad besitzt - s. OZ 140 des Verwaltungsaktes) kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu der Sachverhaltsannahme gelangte, der Beschwerdeführer sei Eigentümer dieses Motorrades gewesen und habe dies dem Finanzamt in seinem Nachsichtsansuchen verschwiegen. Da er dadurch in Verbindung mit seinen sonstigen Angaben dem Finanzamt ein unrichtiges Bild von seinen Vermögensverhältnissen bot, kann die Beurteilung der belangten Behörde, im widerrufenen Nachsichtsbescheid seien wesentliche Umstände auf Grund unrichtiger oder irreführender Angaben des Beschwerdeführers zu Unrecht angenommen worden, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Bei diesem Ergebnis braucht auf das weitere Beschwerdevorbringen, die zu Gunsten des Beschwerdeführers auf Liegenschaften seiner nunmehr geschiedenen Ehegattin eingetragenen Veräußerungs- und Belastungsverbote seien für ihn wertlos gewesen und seien nur zu Gunsten der Liegenschaftseigentümerin einverleibt worden, ebenso wenig eingegangen zu werden wie auf die im angefochtenen Bescheid und in der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob der Beschwerdeführer nicht deswegen über nicht offen gelegte Sicherheiten (Vermögensgegenstände) verfügt hat, weil ihm eine Kreditunternehmung mit Datum vom 3. April 1989 und 12. Jänner 1990 Darlehen von insgesamt S 700.000,-- gewährte.

Anders als die Beschwerde meint, stützt sich die Begründung für den Widerruf der Nachsicht im Beschwerdefall auch nicht auf § 294 Abs. 1 lit.a oder Abs. 2 BAO, sondern vielmehr auf § 294 Abs. 1 lit.b dieser Gesetzesstelle. Die Ausführungen in der Beschwerde betreffend § 294 Abs 1 lit.a und Abs. 2 BAO, nach denen sich für einen Widerruf "die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben" müssen oder "wissentlich unwahre Angaben" zum Widerruf eines Bescheides führen können, gehen daher an der Sache vorbei, weil für einen Widerruf einer Abgabennachsicht nach § 294 Abs 1 lit.b BAO nicht - wie bei einem Widerruf nach § 294 Abs 2 BAO - "wissentlich unwahre Angaben" erforderlich sind. Es genügt vielmehr, dass die für die Gewährung der Nachsicht erforderlichen "Verhältnisse auf Grund unrichtiger und irreführender Angaben zu Unrecht angenommen worden" sind, was nach dem oben Gesagten von der belangten Behörde im Beschwerdefall frei von Rechtsirrtum angenommen wurde. Die belangte Behörde brauchte dem Beschwerdeführer somit kein vorsätzliches Handeln vorwerfen und hat dies auch nicht getan.

Auch die auf § 209 Abs. 3 BAO gestützte Verjährungseinrede des Beschwerdeführers ist unberechtigt.

§ 209 Abs. 3 erster Satz BAO betrifft lediglich die Bemessungsverjährung, nicht aber die Einhebungsverjährung. Eine "absolute" - also unabhängig von allfälligen Unterbrechungshandlungen eintretende - Verjährung der Einhebung kennt die BAO nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/16/0204). Da im Beschwerdefall die nachsichtsgegenständlichen Abgaben bereits festgesetzt worden waren und der Widerruf der Abgabennachsicht eine Einhebungsmaßnahme darstellt, sind gegenständlich nur die Bestimmungen über die Einhebungsverjährung nach § 238 BAO zu beachten.

Nach Abs. 1 dieser Gesetzesstelle verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist.

Nach § 238 Abs 2 BAO wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Bescheides gemäß §§ 201 und 202 unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Da gegen den Beschwerdeführer nach der Aktenlage laufend Vollstreckungsmaßnahmen gesetzt wurden, ist die Einhebungsverjährung nach § 238 BAO nicht eingetreten.

Im Hinblick auf das Gesagte haftet dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit somit nicht an. Die Beschwerde musste daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Februar 2000

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1995150054.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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