TE Vfgh Erkenntnis 2018/6/12 E547/2018

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Veröffentlicht am 12.06.2018
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §3, §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und Erlassung einer Rückkehrentscheidung betreffend einen Staatsangehörigen von Afghanistan; Beurteilung der Gefährdungslage in der Entscheidungsbegründung in Widerspruch zu den vom Rechtsmittelgericht selbst getroffenen Feststellungen; mangelnde Auseinandersetzung mit innerstaatlichen Fluchtalternativen

Spruch

I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit seine Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, gegen die erlassene Rückkehrentscheidung und den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973).

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.        Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1.        Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans. Er stammt aus einem Dorf im Distrikt Narang in der Provinz Kunar, in dem er bis zuletzt gelebt hat. Nach seiner Einreise in das Bundesgebiet stellte er am 10. Jänner 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen im Wesentlichen mit einer drohenden Zwangsrekrutierung durch die Taliban. Sein Cousin sei Kommandant der Taliban und habe zunächst den Bruder des Beschwerdeführers ermordet, weil dieser die Polizeiakademie besucht habe, und sodann vom Beschwerdeführer verlangt, sich den Taliban anzuschließen. Der Beschwerdeführer habe sich weder freikaufen können noch seinen querschnittgelähmten Bruder den Taliban überlassen wollen. Um der Zwangsrekrutierung zu entgehen, habe der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat verlassen.

2.       Mit Bescheid vom 15. Mai 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Es erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005, erließ gegen den Beschwerdeführer gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 FPG und stellte gemäß §52 Abs9 FPG fest, dass die Abschiebung gemäß §46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß §55 Abs1 bis 3 FPG gewährte das BFA eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.).

3.       Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung – mit Erkenntnis vom 2. Jänner 2018 ab. Das Bundesverwaltungsgericht legt in dieser Entscheidung zunächst mit näherer Begründung dar, weshalb es das im Verfahren widersprüchlich gebliebene Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig werte und dieser insofern keinen Asylgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dargetan habe. In Bezug auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Erlassung der Rückkehrentscheidung und die damit zusammenhängenden Aussprüche führt das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen Folgendes aus: Die Heimatprovinz des Beschwerdeführers sei aus infrastruktureller Sicht über das Straßennetz erreichbar, eine über die allgemeine Sicherheitslage hinausgehende besondere Gefährdung auf dieser Straße könne nicht festgestellt werden. Eine Exzeptionalität der Umstände in dem Sinn, dass eine Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Gegebenheiten im Zielstaat in Widerspruch zu Art3 EMRK stünde, liege nicht vor. Die Sicherheitslage im Heimatdistrikt des Beschwerdeführers werde zwar auf Grund der Talibanpräsenz als relativ volatil bezeichnet, jedoch hätten sich den Länderberichten zufolge hunderte Taliban dem Friedensprozess in der Provinz angeschlossen. Eine besondere Gefährdung der Einzelperson des Beschwerdeführers über die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan hinaus sei im Verfahren nicht dargetan worden. Es reiche nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen. Zudem könne nicht angenommen werden, dass der 21-jährige, zur Zeit gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer, der bereits jahrelang in Afghanistan als Straßenverkäufer gearbeitet habe, nach einer Rückkehr nach Afghanistan, wo er wieder im elterlichen Haus leben könne, in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse einer lebensbedrohlichen Situation ausgesetzt wäre. Die Erreichbarkeit des Herkunftsortes im Falle der Rückkehr nach Afghanistan erweise sich zudem (von Kabul aus) als infrastrukturell problemlos und hinsichtlich der Sicherheitslage zumutbar. Es handle sich dabei im Übrigen um denselben Weg, auf dem der Beschwerdeführer seine Heimatprovinz in Afghanistan verlassen habe. Probleme dabei habe er weder im Verfahren vor dem BFA noch vor dem erkennenden Gericht vorgebracht.

4.       Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten, verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973), bzw. die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der Entscheidung beantragt wird. Die Beschwerde moniert insbesondere, dass das Bundesverwaltungsgericht Willkür geübt habe, indem es leichtfertig vom Inhalt der Akten abgegangen sei. Aus den Feststellungen zur Heimatprovinz Kunar gehe zweifelsfrei hervor, dass die Taliban (und auch zunehmend der IS) höchst aktiv seien, eine starke Präsenz hätten und Zwangsrekrutierungen von Jugendlichen stattfänden. Das Bundesverwaltungsgericht habe dies ignoriert und in seiner rechtlichen Beurteilung den Beisatz eingefügt, dass sich hunderte Taliban dem Friedensprozess in der Provinz angeschlossen hätten. Dieser Satz lasse sich in den Feststellungen zur Lage in Kunar nicht finden. Nur allgemein zum Friedens- und Versöhnungsprozess heiße es darin in Bezug auf ganz Afghanistan, dass sich "angeblich" ca. 10.000 Taliban dem Friedensprozess angeschlossen hätten. Ungeachtet dieses aktenwidrig festgestellten Umstandes gehe es bei der Beurteilung der drohenden Gefahr einer Verletzung in Rechten gemäß Art2 und 3 EMRK aber um jene Taliban-Kämpfer, die sich nicht dem Friedensprozess angeschlossen hätten. Kunar zähle unstrittig zu den unsicheren Regionen Afghanistans, in die eine Rückkehr jedenfalls unzumutbar sei. Indem das Bundesverwaltungsgericht die Herkunftsprovinz als "relativ volatil" bezeichne, verharmlose es die Gefahr. Das Bundesverwaltungsgericht meine einerseits, dass der Beschwerdeführer wieder im elterlichen Haus leben könne und sein Herkunftsort problemlos zu erreichen sei, zitiere aber andererseits Länderberichte zu Kunar, wonach insbesondere arbeitslose Jugendliche die Zielgruppe der Rekrutierungen durch Aufständische seien und diese in der Provinz eine starke Präsenz hätten. Diese bereits dem BFA vorgelegenen Informationen habe das Bundesverwaltungsgericht für seine Entscheidung nicht verwertet.

Der Beschwerdeführer erachtet weiters die in §52 BFA-VG geregelte Rechtsberatung mit der Gewährung eines Verfahrenshelfers im Sinne der Rechtsprechung des VfGH zur Verfahrenshilfe im Verwaltungsverfahren zur Gewährleistung der Rechte nach Art6 EMRK und Art47 GRC für unvereinbar. Die im gegenständlichen Fall vom Verein Menschenrechte Österreich durchgeführte Rechtsberatung veranschauliche die Problematik: In einer Stellungnahme des Rechtsberaters zu vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Fotos sei dem Gericht die Begründung für die abweisende Entscheidung geradezu vordiktiert worden: "Auf Nachfrage, woran zu erkennen ist, dass es sein Bruder ist, erklärte der Klient lediglich, dass er die Wahrheit sage. Ich habe ihm in weiterer Folge vorgehalten, dass er bei der Einvernahme angegeben hat, selbst das Messer aus dem Hals des Bruders rausgezogen zu haben und auf dem Bild kein Schnitt am Hals des Patienten in OP-Raum ersichtlich ist. (Ich meine mich zu erinnern, dass bei der Operation die Arme versorgt wurde). Außerdem hatte ich den Eindruck, dass es keineswegs Fotos, von ein und demselben Eingriff sein konnten, aufgrund der Positionen der Personen und Gegenstände im Raum." Unter Verletzung des im Anwalt-Klienten-Verhältnis grundlegenden Prinzips der Verschwiegenheitspflicht habe die Rechtsvertretung dem Bundesverwaltungsgericht seine eigene Beweiswürdigung mitgeteilt. Diese Art der Verfahrenshilfe stelle in Wahrheit eine Gehilfentätigkeit für das Bundesverwaltungsgericht dar und widerspreche Art47 GRC.

5.       Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Äußerung aber abgesehen.

II.      Erwägungen

Die Beschwerde ist zulässig.

A. Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die erlassene Rückkehrentscheidung und den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan unter Setzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise richtet, ist sie auch begründet.

1.       Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2.       Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

2.1.    Neben Ausführungen dazu, dass die Heimatprovinz des Beschwerdeführers aus infrastruktureller Sicht über das Straßennetz erreichbar sei und eine über die allgemeine Sicherheitslage hinausgehende besondere Gefährdung auf dieser Straße nicht vorliege, hält das Bundesverwaltungsgericht in seiner Beurteilung sicherheitsrelevanter Aspekte Folgendes fest:

"Die Sicherheitslage im Heimatdistrikt des Beschwerdeführers wird zwar aufgrund der Talibanpräsenz als relativ volatil bezeichnet, jedoch haben sich den Länderberichten zufolge hunderte Taliban dem Friedensprozess in der Provinz angeschlossen. Eine besondere Gefährdung der Einzelperson des Beschwerdeführers über die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan hinaus wurde im Verfahren nicht dargetan."

2.2.    Diese Darstellung der Sicherheitslage, die das Bundesverwaltungsgericht dazu veranlasst, die Heimatregion des Beschwerdeführers als hinreichend sicher zu betrachten, findet in den Feststellungen, die es selbst zur maßgeblichen Situation in Afghanistan trifft, keine Deckung. Zur Lage in Kunar werden dort auszugsweise folgende Passagen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation des BFA vom 2. März 2017, aktualisiert am 25. September 2017, zitiert:

"Kunar zählt zu den volatilen Provinzen in Ostafghanistan – regierungsfeindliche Aufständische, wie Taliban und Sympathisanten des Islamischen Staates, sind in einer Reihe von Distrikten aktiv […]; Aufständischengruppen wird nachgesagt, eine starke Präsenz in der Gegend zu haben […]. Berichten zufolge sollen Sympathisanten des Islamischen Staates angefangen haben, in der Provinz Kunar für andere Provinzen zu rekrutieren […]; die Zielgruppe der Rekrutierungen sind insbesondere die zahlreichen arbeitslosen Jugendlichen […]. Laut dem Gouverneur der Provinz ist eine Anzahl von Bewohnern von Kunar nach Nangarhar gegangen, die dann zurückkehrt sind, um mehr Kämpfer zu rekrutieren […]. Die Sicherheitskräfte bemühten sich, den IS davon abzuhalten, sich in der Provinz auszubreiten […]. In Kunar befindet sich die Forward Operating Base Joyce, eine Militärbase der NATO-Kräfte […]. Im Jahr 2017 starben 177 Mitglieder der NATO-Truppen in Kunar […]. In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien […]. In der Provinz kam es zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen […]."

2.3.    Davon, dass sich "hunderte Taliban dem Friedensprozess in der Provinz angeschlossen" hätten, wird in dem im Akt befindlichen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zwar zur Provinz Badakhshan berichtet, nicht jedoch zu Kunar. Zur Heimatprovinz des Beschwerdeführers enthält dieses Dokument in der vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Fassung neben den bereits zitierten Stellen allerdings auch Ausführungen dazu, dass der IS seine Präsenz in der Provinz verdichtet habe, dass die Taliban in der ersten Jahreshälfte 2017 hauptsächlich elf Provinzen, darunter Kunar, angegriffen hätten, dass Gefechte vorwiegend in fünf Provinzen, darunter Kunar, stattfinden würden, wobei 50% aller Vorfälle in diesen Regionen verzeichnet worden seien, und dass die afghanischen Sicherheitskräfte, unterstützt von internationalen Militärkräften, regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durchführen würden.

2.4.    Indem das Bundesverwaltungsgericht die Gefährdungslage für den Beschwerdeführer in seiner Heimatprovinz insofern aktenwidrig beurteilt und sich in der Folge auch nicht mit dem allfälligen Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auseinandersetzt, hat es seine Entscheidung mit Willkür belastet. Soweit sich die Entscheidung auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und – daran anknüpfend – auf die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung bzw. die Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise bezieht, ist sie daher aufzuheben.

B. Im Übrigen – soweit sich die Beschwerde gegen die durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigte Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet – wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

3.       Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

3.1.    Die Beschwerde behauptet die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere nach der Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes, nicht anzustellen.

3.2.    Auch soweit die Beschwerde verfassungsrechtliche Fragen insofern berührt, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Frage der Rechtsberatung als Komplementärmechanismus im Hinblick auf Art47 Abs3 GRC (VfSlg 20.064/2016), soweit die Rechtsberatung auch eine Rechtsvertretung umfasst, wie sie in §52 Abs2 BFA-VG, BGBl I 87/2012 idF BGBl I 24/2016, auf Ersuchen des Fremden umfassend vorgesehen ist (vgl. auch VwGH 3.9.2015, Ro 2015/21/0032; 23.2.2017, Ra 2016/21/0152), die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

4.       Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet, abzusehen.

III.    Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1.       Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit seine Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, gegen die erlassene Rückkehrentscheidung und den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die Entscheidung ist daher insoweit aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2.       Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

3.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw. §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 240,– enthalten.

Schlagworte

Asylrecht, Rückkehrentscheidung, Ermittlungsverfahren, Entscheidungsbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:E547.2018

Zuletzt aktualisiert am

02.07.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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